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Vom Rechthaben und Besserwissen

23. Sonntag im Jahreskreis 2008
Gedanken zum Sonntag

In der Einheitsübersetzung trägt diese Perikope aus dem Matthäusevangelium die Überschrift: „Von der Verantwortung für den Bruder.“ Über dieselben Versen hätte man aber auch Titel setzen können wie: „Von der Bedeutung der Worte“, oder auch „Gottes Wort in Menschenwort“. Eine weitere Headline hebt wiederum einen anderen Akzent unseres heutigen Evangeliums hervor: „Diese Worte sind jenen gewidmet, die meinen immer Recht zu haben“.

Bei einer solchen Akzentuierung würden sich die meisten Leser eher nicht angesprochen fühlen, sind wir doch immer in Allem so einsichtig, und das in hervorragender Weise dann, wenn es um Unrecht (haben) geht. Der „gute“ Christ ist eben nicht rechthaberisch, meint er oft! Meinen Sie das auch? Versetzten wir uns doch einmal in diese Verse und weisen uns selbst einen Platz in diesem mit Worten gemalten Bild zu. Sind wir da nicht doch eher auf der Seite derer zu finden, die zurechtweisen? Wir meinen doch um den rechten Weg zu wissen – steht man doch immer gerne auf der richtigen Seite – und darum wie das dann so aussieht, wenn einer mal davon ab kommt. Eher selten begeben wir uns deshalb freiwillig in die Rolle dessen, der zurechtgewiesen wird. Ist ja auch verständlich, Recht haben ist eben viel schöner!

Dass Menschen, so auch Sie und ich irren ist aber trotzdem eine Realität, die uns nicht erst heute mit der Lektüre dieser Bibelstelle über den Weg läuft. Bei genauer und gelassener Selbsteinschätzung begegnen wir uns auch immer mal wieder selber, während wir den Parcours derer betrachten, die irren. Sich in unserer Alltagswelt zu irren ist (in der Regel) ja auch nicht wirklich schlimm. Einsicht, Eingeständnis, Zugabe, sich entschuldigen und dann Verzeihung erfahren, sollte eine der wertvollsten Kommunikationsfiguren besonders unter Christen sein.

Warum aber wird im heutigen Evangelium – Evangelium ist befreiendes Gottes Wort in Menschenwort – so dezidiert die Vorgehensweise beschrieben, wie mit einem „Uneinsichtigen“, der hier auch Besserwisser genannt werden kann, umzugehen ist. Übrigens kann unser deutsches Wort „Besserwisser“ hier auf beide „Seiten“ bezogen werden. Einmal auf den, der es besser weiß und mahnt sowie den, der es besser weiß und so nicht einsichtig sein will. Aber zurück zur Frage. Grund für diese Anleitung könnte sein zu klären, wie man mit denen umgehen sollte, die sich durch falsches (sündiges) Verhalten selbst aus der Gemeinschaft heraus katapultieren.

Andererseits aber sollte vielleicht die Brisanz angesprochen werden, die darin liegt wenn Menschen autorisiert in Gottes Nahmen handeln. Das „Gewicht“ der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen ist damit thematisiert. Vielleicht möchte Jesus ja den ständigen Besserwissern entgegnen die meinen: „Wer nicht gehorcht fliegt raus, es gibt kein wenn und aber!“

Jesus ist nicht für mal so und dann mal anders zu haben, denn auch das sind seine Worte: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich! Dieser Härte aber entspricht nicht das Prozedere welches Jesus hier anspricht, und das reduziert auf seinen Kern heißt: „Geh doch noch einmal hin!“

Dieser Kern bedeutet im Klartext: Gib die Kommunikation nicht auf, kommuniziere weiter, lass keinen zurück, forme dich selbst auch in der immer wieder neue Begegnung mit dem Anderen.

Diese Verpflichtung zur Kommunikation aber gilt für beide Lager der „Besserwisser“. Wer aus der Kommunikation aussteigt, wer sie verhindert, abblockt, unterdrückt oder erschlägt, der hat sich selbst aus diesem sensiblen Gefüge des Miteinander herauskatapultiert, exkommuniziert.

Evangelium konkret hieße dann so:
Gehen Sie doch noch mal hin!
Wie Sie wissen nicht, zu wem?
Waren Sie denn nie im „Besserwissen“ unsicher?

Erschienen in: Katholische Sonntagszeitung, September 2008

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Behindert

Behindert?
Lourdes, „Badehaus“: Behinderte und Kranke werden hier ihrem Wunsch entsprechend ganz in Lourdeswasser eingetaucht. Meine Hände hielten hier einen jungen Mann, gelähmt von den Füßen bis zum Hals, und gaben ihm Halt. Eingetaucht begann er für seine auch behinderten Freunde zu beten, mögen diese ihre Behinderung annehmen, so seine Bitte. Und er betete weiter und weiter für Andere, nur für einen bat er Gott nicht, für sich! Ich konnte die Tränen nicht halten, Lourdeswasser!

Behindert?
Oedt, Kindertagesstätte für geistig und körperlich behinderte Kinder: Ich war Praktikant, Anfänger im Kreise derer, die als Pädagogen normal waren, und jenen, die eben anders waren. Klaudia war auch da. Sie ließ keinen Augenblick aus, herzhaft zu lachen. Lachen war ihre Mission. Damals sagten die Kolleginnen zu ihr „unser Mongölchen“, und meinten dies sehr lieb. Mit ihren zehn Jahren war sie ständig bemüht, Nähe zu erleben, mit ihrem Lachen wollte sie behilflich sein auf ihre Weise. Dort habe ich gelernt, ich Anfänger!

Behindert?
Mitten in einer Stadt: Manuel, Rollstuhl und „nur“ Armstümpfe, Contergan: In der Schule war „Gut sein“ angesagt. Ich entschied mich für Rollstuhlschieben. Ich schob Manuel über das Pflaster, es war ein Spaziergang mit Getränk im Café. Manuel schaute mich an und sagte er habe Druck auf der Blase, die Urinflasche sei hinter der Lehne im Netz. Pause! Dann hatte ich diese Flasche in der Hand. Er aber hatte keine Hände, mitten auf der Straße. Er lächelte mich an, und ich habe begriffen, er brauchte meine Hände.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Es ist peinlich!

Ohrenzeuge wollte ich nicht werden! Aber Evangelien können eben auch eine Überraschung in sich bergen. Dieses Evangelium aber machte mich zum Ohrenzeugen, eigentlich wurde ich da nur mit hineingezogen. Zwei Männer sprechen miteinander, ihre Sätze knapp. Sie stehen einander zugewandt, zwei Augen nehmen zwei Augen in den Blick.

Einige Sätze sind nicht zu überhören, so auch diese Frage: „Liebst du mich?“ – Nochmals: Ich war bei diesem Dialog sicher nicht eingeplant, aber was sollte ich machen, rausgehen? – Er antwortet: „Du weißt doch, dass ich dich liebe.“ – Einfach nur peinlich, aber keiner hat mich vorgewarnt, es war doch nur ein ganz harmloser Sonntagsgottesdienst. Das Gespräch wurde heftiger, weil Jesus nachhakte: „Simon, liebst du mich?“ Antwort: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Als Jesus dann zum dritten Mal nach der Liebe des Simon fragte, spürte ich, wie er mich anschaute, nein, nicht Jesus, ich meine den Simon, und sein Blicke flehten: „Bitte, du bist einfach nicht da, du hast nichts gehört.“

Doch ich saß nun mal da in der Bank und alle anderen hier konnten es ja auch hören, wie Jesus nicht locker ließ. Ich hatte Mitleid mit Simon, solche Fragen vor dieser Öffentlichkeit, sonntags. Wen hatte Jesus da eigentlich gefragt? Klar, den Simon, wen sonst, ist ja auch nachzulesen.

Dass es ihn traf und nicht mich, fand ich entspannend. So richtig sicher fühlte ich mich dann aber erst, als der Priester – wir haben keinen Diakon – sagte: Evangelium unseres Herrn Jesus Christus. Und es ging mir gut mit der gemeinsamen Antwort: Gott sei Dank. Nach dem „Gehet hin in Frieden“ war dann wieder alles vorbei, wie sonntags immer.

Aber ab und zu, das muss ich bekennen, blitzt ein Zitat durch meinen Kopf, seit heute. So ganz bekomme ich das zwar nicht mehr auf die Reihe, aber es ging ungefähr so: „Herr, du weißt alles, du weißt auch, was ich denke.“

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Leibeigen

Refrain:
Ich bin da, weil mein Leib ist. Ich bin gewollt, mein Leib. Bin mir vertraut und dann auch fremd, Wandel des Leibes, gewöhnungsbedürftiges Werden. Dennoch, ich bleibe mein Leib.

Strophe:
Mag streicheln und gestreichelt werden, auch unter die Haut. So bin ich da. Mag Schutz und beschützen, auch mit dickem Fell. So bin ich da. Und so ist mein Leib ganz nah, da. So bist auch du, und weil du bist mag ich sein! Anders bin ich nicht zu haben, und „ohne“ schon vergeben. Somit auf den Leib dich gefragt: Zur Leibzeit magst du mich? Mich einen Leibeigenen wie du, und magst du dich?

Refrain:
Ich bin da, weil mein Leib ist. Ich bin gewollt, mein Leib. Bin mir vertraut und dann auch fremd, Wandel des Leibes, gewöhnungsbedürftiges Werden. Dennoch, ich bleibe mein Leib.

Strophe:
Mag streicheln und gestreichelt werden, auch unter die Haut. So bin ich da …

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Gerufen und verschenkt?

Gerufen und verschenkt! Oder eher gerufen und versenkt? Denn so empfinden sich heute oft jene, die in unseren Gemeinden ein Amt bekleiden oder eine besondere Aufgabe übernommen haben.

Sie wollten mitmachen, Einsatz zeigen, Schluss machen mit nur reden, eben anpacken und mitdenken. Sie fühlten sich berufen und oft wurden sie auch gerufen. Als sie dann aber da waren, beschlich sie die eher undifferenzierte Unsicherheit, nicht wirklich gewollt zu werden.

Oft nur verborgen, aber Realität ist in der Tat, dass manchem Gemeindeglied jene nun mal nicht in den Kram passen, die sich exponieren, diese Engagierten.

Da wird kritisiert: Die da ist zu fraulich oder auch nicht, der zu priesterlich oder auch nicht, andere zu engagiert oder auch nicht, die wollen ja nur gesehen werden, der da hat doch auch nicht mehr Ahnung als man selbst, die wollen was Besseres sein, und so weiter.

Aber trotzdem, irgendwie machen die alle noch viel zu wenig, also noch ’ne Verantwortung drauf.

Gerufen und verschenkt! Da verschenken Menschen Zeit, Ideen, Einsatz, Begabung, Eigenart, Langsamkeit, Kompliziertheit, Liebenswürdigkeit, Beschränktheit, Schusseligkeit, Freundlichkeit, Verlässlichkeit … Und so machen Menschen in ihren Gemeinden von sich etwas zum Geschenk, bitteschön!

Dumm allerdings nur, dass bei Missgefallen solche Geschenke nicht so lange versteckt werden können, bis wieder irgendwo eine soziale Tombola um „Geschenke“ bittet, bei der man dann „unpassende“ Präsente entsorgen kann.

Bedeutet das dann etwa auch mal, als Gemeinde ein Geschenk unter vielen nur aushalten zu sollen?

Oder sollten Gemeinden nicht doch besser auf Nummer sicher gehen und sich zur geschenkfreien Zone erklären?

Vielleicht würde das ja dann auch mal so manchem nicht verschenktem Geschenk besser bekommen. Und gute Nacht, liebe Gemeinde.

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Vom Felsen aus betrachtet

Kirche auf den Fels gebaut, damals, hängt heute irgendwie runter, hat Boden, Felsen verloren, muss über Klippen, droht zu kippen, fällt?

Was wäre, wenn Kirche abstürzt, grundlos ins Bodenlose, Kirche in der Schlucht der relativen Vielfalt zerschellt?

Nichts mehr mit Licht auf dem Berg und Fels in der Brandung. Konkret, Kirche weg, natürlich nur angenommen. Und, würde Ihnen etwas fehlen?

Der Fels Ihres Glaubens vielleicht, der Boden sozialen Handelns, eine Festung des Engagements für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, der Gipfel liturgischer Feier, eine Höhle, die Gemeinschaft bietet, Ihr Höhenweg spiritueller Wanderung – oder was?

Wäre Kirche vom Berg verschluckt, also weg, würde Ihnen Ihr Felsen fehlen? Stellen Sie sich das doch mal vor. Oder ist es unvorstellbar, weil unmöglich? Oder schon möglich, weil Realität, Ihre Realität?

Und wenn, wenn es wäre, was hätte(n) Sie verlassen?

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Kennen Sie Ihr Sinus-Milieu?

Kontext:
Das Sozialforschungsinstitut „Sinus Sociovision GmbH“ mit Sitz in Heidelberg geht in seiner Studie davon aus, dass die Bundesbürger zehn idealtypischen Milieus zugeordnet werden können. Die Milieus umfassen Menschen mit ähnlichen Werten, sozialen Lagen und Lebensstilen.

Story:
Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen. Er ging auf ihn zu und fragte: Zu welchem Sinus- Milieu zählst du dich?

Matthäus antwortete: Ich habe ein wenig von den modernen Performern, bin aber mehr den Konservativen zuzuordnen mit Tendenz zu den Konsummaterialisten. Matthäus, nicht feige, fragte selbstbewusst Jesus zurück: Und zu welchem Milieu gehörst du?

Jesus antwortete: Ich stelle mich! Matthäus fragte nach: Wie, du stellst dich? Ich meine, welchem Milieu bist du zugehörig?

Jesus antwortete: Ich stelle mich in jedem sogenannten Milieu, das ich finde. Matthäus entgegnete: Aber das geht nicht, denn ein Experimentalist mit Hang zu den Traditionsverwurzelten, wie du es zu sein scheinst, der kommt woanders nicht an, passt einfach nicht dazu.

Jesus antwortete: Damit lebe ich schon seit über zweitausend Jahren.

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Sich sorgen um das, was passiert

Wenn ich abends zu Bett gehe, dann lege ich mich manchmal ganz flach auf den Rücken und nehme Abschied vom Tag, Ereignis für Ereignis, Erinnerung für Erinnerung, ich lasse eben den Tag nochmals „passieren“.

Dann liege ich fast wie ein Brett auf weichem Untergrund im eigenen Bett und denke: Ich sorge mich um nichts, darf ich doch sorglos sein, sagt mein Glaube. Ich denke so am Beginn meiner Nacht und mein Bett wird immer wieder zum „Reagenzglas“ einer Testreihe, Ort eines Gedankenexperimentes, vielfach schon versucht, immer wieder bevor es dunkel wird, und das Testergebnis sollte sein: Ich sorge mich nicht.

Eingeschlafen und wieder wach geworden. Gott sei Dank, sagt der neue Tag „Hallo, da bin ich“, und ich reibe mir die Augen, gewöhne mich an das Licht des Tages, in dem die Reste der Träume meiner Nacht zerbröseln, wenn es denn welche gab. Aufstehen, mal mit einem „Hurra“, dann mit einem „Muss das sein?“ aber immer doch irgendwie: „Tag, ich komme!“ Dann morgendlicher Instrumentencheck, ok, ich bin an Bord, durchstarten, durch die Tür, in das Leben dahinter.

Und ich bin da, in meinem Leben mitten drinnen! Und dann, ungefragt, plötzlich und lästig schießt wieder dieser Gedanken in meinen Tag, rein theoretisch versuche ich mich direkt zu trösten, aber trotzdem: Er ist da und klebt an mir, dieser Gedanke:

„Wenn ich jetzt von einem Regentropfen erschlagen würde?“

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Vermittelt – nicht direkt

Hätte Gott damals seine eigene „Sprache“ gesprochen, unverständliche Laute vielleicht, unbegreifliche Gesten und Zeichen, dann hätte Gott sich zwar geoffenbart, aber kein Mensch hätte es gemerkt. Auch Sie hätten von Gott nichts mitbekommen, und somit gäbe es keinen verantworteten Glauben, keine begründete Hoffnung und letztlich auch keinen wirklichen Grund, das Leben zu feiern.

Gott aber wollte bemerkt werden. Deshalb lernte er eine Fremdsprache, er lernte „Mensch“. In Christus ist Gott „Wer“ geworden, eine Botschaft, die wir verstehen können. Gottes Wort ist in Christus „nachzulesen“, Gotteswort im Wort des Mensch-gewordenen, vermittelt „zwar“, aber verstehbar: Wort, Zeichen, Geste.

Gott hat sich ein Gesicht gegeben in dem Anderen seiner Selbst, und in Ihm erkennen, ahnen und verstehen wir. So bringt Gott in verstehbaren Worten unvorstellbare Perspektiven in unser Leben.

Oder wären Sie alleine auf die Idee gekommen, dass gerettetes Leben eine echte Alternative für unser zerbrechliches Leben ist?

Rettung ist nicht aus unserer „verstehbaren“ Welt heraus deutbar, Rettung versteht sich auch nicht von selbst. Rettung ist eigentlich ein typisches Wort aus dem Sprachschatz Gottes, daher für uns ein Fremdwort, weil mit dem Wort all das gemeint ist, was unsere Vorstellung übersteigt. Rettung ist Gottes Sprache – pur!

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Handeln aus dem Geist des Friedens und der Versöhnung

60 Jahre Pax Christi, dieser Rückblick ist Ausblick

v.r. Geistlicher Beirat Pax Christi Aachen Pfr. Ch. Stender, Weihbischof em. K. Reger, Rektor der Wallfahrt, Dr. S. Zekorn

Was in Trümmern begann, bleibt aktuell, sich dessen zu erinnern macht ungewöhnlich stark, und es nicht zu verschweigen schafft Öffentlichkeit. Weihbischof em. Karl Reger aus Aachen zieht mit der liturgischen Gruppe in die Basilika zu Kevelaer ein. Die Tatsache dass auch das Aachener Friedenskreuz die Basilika „betreten“ kann verdankt es einem fast akrobatischen Akt mit dem die acht Trägerinnen und Träger das schwere Holz durch das fast zu kleine Portal jonglieren.

Dann erhebt die Orgel ihre „Stimme“, füllt den Raum mit Festlichkeit die spüren ließ: Hier wird gefeiert.

„Vor 60 Jahren, am 3. April 1948, wurde in Kevelaer die deutsche Sektion der Pax-Christi-Bewegung gegründet. Zu diesem Jubiläum darf ich Ihnen Hochwürdiger Herr Bischof Heinz Josef Algermissen, in Ihrer Eigenschaft als Präsident von „Pax Christi“ in Deutschland sowie allen, die mit Ihnen aus dem Rückblick auf die vergangenen sechs Jahrzehnte Kraft und Mut für den auch heute unverzichtbaren Einsatz für den Frieden schöpfen wollen, im Namen des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. herzliche Segensgrüße übermitteln.(…)“

So der Staatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone SDB.

Viele Grußbotschaften wertschätzen in diesen Tagen. So u. a. auch. die Botschaften von Georg Kardinal Sterzinsky, der französischen Sektion von pax christi, des französischen Pax Christi-Präsidenten Bischof Marc Stenger, des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der Deutschen Kommission Justitia et Pax, sowie von Oberstleutnant Paul Brochhagen von der Gemeinschaft Katholischer Soldaten.

Bischof Reger verdichtet in der Einleitung zum Gottesdienst die Botschaft des Aachener Friedenskreuzes, dem Symbol das dafür steht „auf dem Weg zu bleiben in Sachen des Friedens und der Versöhnung“.

Friedenskreuz und Jubiläumskerze im Gottesdienst

Die Predigt eröffnet mit der Frage: „Was darf erwartet werden von einer Predigt anlässlich des 60-jährigen Bestehens der deutschen Sektion in der internationalen Bewegung Pax Christi?“

Und dann führt sie fort: „Wesentlich wohl Wertschätzung der Geschichte dieser Bewegung und derer in ihr, die sie bewegt und so geschrieben haben. Solcher Würdigung voranzustellen ist allerdings zuerst eine Verneigung vor dem Mut der Männer und Frauen die beginnend mit dem Jahr 1947, ausgehend von der niederrheinischen Stadt Krefeld zu dem „Bekenntnis der Sühne und Buße“ standen, der sein Symbol gefunden hat in dem Aachener Friedenskreuz mit dem Bild des dornengekrönten Antlitz Christi.

Vor allen aber gilt es eine tiefe Verneigung vor den französischen Katholiken zu machen, die noch vor Ende des zweiten Weltkrieges mit der Vergebungsbitte für die Schuld Deutschlands ein erstes Zeichen setzten und Deutschland die Hand der Versöhnung reichten. Das war die Grundsteinlegung für die internationale Bewegung pax christi, die mit ihrem Kongress 1948 hier in Kevelaer die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland überschritt.“ Soweit ein Stück Ansprache.

Friedensarbeit feiern bedeutet immer auch sich zu erinnern, da die Erinnerung vergangene Realität vergegenwärtigt. So Gehörte zu dem Auftakt des Jubiläums nicht nur dieser Gottesdienst, sondern auch das Aufsuchen von Orten verdichteter Erinnerung, so der Besuch des deutsche Soldatenfriedhof in Kleve – Donsbrüggen sowie der des englischen Soldatenfriedhofs in Kleve – Materborn. Der Abend dieses Auftaktes gehörte in der gastlichen Atmosphäre des „kevelaerer Priesterhauses“ dem Erzählen. Zeitzeugen der Anfänge der Bewegung vergegenwärtigten Erinnerung zum Greifen nahe.

Weiter gingen die Festlichkeiten dann am folgenden Tag in der katholischen Akademie Berlin. Auch dieser Teil des Festes bot Raum für ermutigende Worte des Grußes sowie der Erinnerung an gemeinsam gemachte Wege. Aber mehr noch stand in Berlin die konkrete Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, den sich aktuell Friedensarbeit stellen muss im Mittelpunkt. Ein Thema in der Palette der Vortragenden und der Diskussionsrunden war: „Dialog statt Krieg gegen den Terror“ Dazu resümierte zum Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten der in Aachen beheimatete Vizepräsident der Bewegung Johannes Schnettler;

„Der Weg ist der Dialog. Der Dialog bricht das „Schwarz-Weiß-Denken“ auf. Er kämpft nicht mit Waffen; er kommt mit Worten – ohne Machtinteressen. Der Dialog versammelt alle in ihrer Unterschiedlichkeit um einen Tisch.

Der Vizepräsident Johannes Schnettler im Gespräch mit Weihbischof em. K. Reger

Der Dialog hat eine Binnenperspektive. Es geht auch um unsere Eigenschaften als Dialogpartner. Wo gibt es in unserer Gesellschaft Dämonisierungen, die den Blick auf den Anderen verstellen? Der Dialog ist politisch: Er thematisiert die Konfliktpunkte: Hegemonie, Zugang zu den Ressourcen, Waffenhandel, israelisch-palästinensischer Konflikt, Menschenrechte. Jeder Dialog braucht Bescheidenheit: Wir bauen die Welt nicht so um, wie wir es wollen. Dialog ist keine Einbahnstraße.

Chancen zum Dialog wurden angezeigt: Wir greifen diese Spuren auf und gehen ihnen nach. So gilt: Dialog – statt Krieg gegen den Terror.

Aber auch ein anderes Thema, wohl nicht ständig ins Wort gebracht war immer gegenwärtig, die Frage: „Wie attraktiv ist Friedensarbeit heute für junge Menschen. Und so schauten besonders die betagteren Mitglieder von Pax Christi mit etwas Sorge auf die Frage wer in Zukunft das Engagement in der Bewegung weitertragen wird. Denn Friedensarbeit braucht Gesichter, sie ist ein personelles Angebot, da muss auch zukünftig jemand für stehen. Aber auch der Lichtstreifen am „Himmel von Pax Christi“ durfte nicht übersehen werden, die 10 jungen Friedensdienstleistende, die getragen von der Pax Christi Bewegung im Bistum Aachen ein Jahr lang Friedensdienst leisten in Ländern wie Bosnien oder Polen. Sie reisten bis zu 600 km an um mit dabei zu sein und ohne dass sie es darauf angelegt hätten, verkörperten sie ein Stück Hoffnung.

Den Abschuss markierte der Gottesdienst den die Bewegung gemeinsam mit Bischof Heinz Josef Algermissen aus Fulda, Bischof Wiktor Skworc aus Polen und Bischof Marc Stenger aus Frankreich feierte.

Doch eigentlich war dieser Gottesdienst kein Schlusspunkt sondern ein Auftakt. Dazu trug auch Alexander Groß bei, der Sohn von Nikolaus Groß denn er erinnerte: „Der Ort, an dem dieser Gottesdienst gefeiert wird, ist nicht zufällig ausgewählt worden. Wir haben uns in dieser Kirche versammelt, die den Namen `Maria Regina Martyrum‘ trägt in Erinnerung an die schreckliche Zeit der Nazidiktatur mit ihren unzähligen Menschenopfern, aber auch mit ihren vielen Martyrern. Die Kirche liegt in der Nähe der Haftanstalt Tegel, in der während der NS Herrschaft viele Widerstandskämpfer und Menschen wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugung inhaftiert waren. Unter den Opfern war auch mein Vater, Nikolaus Groß, Mitarbeiter in der katholischen Arbeiterbewegung und Mitglied im Kölner Widerstandskreis.

Nach dem Attentat vom 20.Juli 1944 wurde mein Vater verhaftet. Seit Ende September 1944 war er hier in Berlin-Tegel inhaftiert. Über die Situation im Gefängnis schrieb Pater Alfred Delp an seine Mitbrüder: `Bitte mitglauben und mitbeten, immer wieder. Wir beten hier zu vieren, zwei Katholiken und zwei Protestanten und glauben an die Wunder des Herrgottes.` Diese vier waren: Graf Moltke, Eugen Gerstenmaier, Pater Delp und mein Vater. Am 23.Januar 1945 wurde mein Vater mit dem Strang ermordet.

Am 7. Oktober 2001 hat Papst Johannes-Paul II. meinen Vater mit den Worten selig gesprochen: Nikolaus Groß war ein vorbildlicher Vater, ein Bergmann und Journalist, der bis zum Martyrium kämpfte, um den Glauben zu verteidigen und Totalitarismus und rassistischer Unterdrückung zu widerstehen.“

Wie gesagt ein Auftakt und kein Schlusspunkt, und so endete das Fest auch wie es begann, mit einem Gottesdienst der in das gemeinsame Schlusslied mündete „Nun danket alle Gott“, natürlich mehrsprachig!

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen
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