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Beten – stehenbleiben

Beten sei kein Verbrechen! Diese Worte von Papst Franziskus wurden in verschiedenen Medien publiziert. Sie waren eine Reaktion auf das umstrittene Gesetz, vom Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, Ende August unterzeichnet, das die moskaunahe Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) verbietet. Diese Aussage ist im Kontext der päpstlichen Sorge, um die Religionsfreiheit in der Ukraine zu betrachten. Weiter verlautbarte der Papst sinngemäß: Man solle die Menschen, die beten wollen, die Kirche wählen lassen, die sie als ihre Kirche ansehen.

 

Kirche, hier reduziert auf den Kirchenraum, ist aufgrund von konkret erlebter oder „nur“ überlieferter Vertrautheit, ein wichtiger Ort, der es leicht macht, nach langer Zeit wieder neu, immer wieder, oder erstmalig zu beten.

Gerade in der von Russland überfallenen Ukraine sind solche „vertrauten“ Orte in der Not, eine Lebens-, eine Überlebenshilfe.

 

Mir kommt die Redensart meiner Großeltern in den Sinn, die zwei Weltkriege erlebt haben: „Not lehrt beten“. Ja, Menschen wenden sich in Notsituationen an Gott, auch wenn er nicht zu ihren alltäglichen Adressaten gehört. Aber neu oder erstmalig zu beten gründet nicht nur in erlebter Not.

 

Beten ist ein sich ausstrecken, ein über sich selbst hinausgreifen in die Möglichkeit der Realität einer unverfügbaren Macht, der der Mensch sich anzunähern versucht in den Anreden Gott oder Allah.

Das christliche Gebet hält Gott die Lebenssituation des Beters und der Beterin entgegen, gibt IHM Einblick in der Hoffnung, dass ER hinschaut!

Die christliche Tradition hält viele Gebete und Gebetsprofile bereit, um Gott anteilnehmen zu lassen an Alltäglichem und Besonderem.

 

Ein Ratschlag meines Religionslehrers in der Realschule in Krefeld ist mir besonders hängengeblieben. Er wägte ab zwischen den spontanen selbst formulierten Gebeten und den aus der Tradition überlieferten. Sein Tipp: Sprecht mit Gott frei in eurer urwüchsigen Sprache! Aber bedenkt, dass es auch Situationen geben kann, in denen euch eigene Worte schwerfallen, dann betet mit den Worten die Frauen und Männer euch überliefert haben, mit vorformulierten Gebeten.

 

Diese Erfahrung hat sich auch in meinem Leben immer wieder bestätigt. Ich bin zwar mehr der Typ, der Gott häufiger am Tag in kurzen Gebeten einen Einblick in mein Denken, Fühlen und Handeln gibt. Aber in manchen Situationen suche ich ganz bewusst nach Gebeten aus der Tradition.

 

Beten kann der Mensch überall. Kirchenräume sind eine besondere Einladung zum Gebet.

Aber nicht nur besondere Räume, auch nur Quadratmeter große Verortungen können zum Gebet motivieren.

Aus dem Fenster meiner Wohnung im ersten Stock schau ich auf eine solche Verortung, ein Wegekreuz mit einem Korpus, fast lebensgroß. Täglich sehe ich wie Passanten, also Verbeikommende, vor diesem Kreuz stehen bleiben, sich verneigen, bekreuzigen oder beten und manche auch alles nacheinander.

Ich höre nicht, auch wenn ihre Lippen sich bewegen, was sie sprechen und schon gar nicht, was sie denken oder empfinden. Sie bleiben, für andere „Vorbeigehende“ sichtbar, einen Augenblick einfach „nur“ stehen.

Gerade ein „nur“ einfach stehen bleiben dort, wo mir die Arme gestärkt werden über mich hinauszugreifen, lässt fortkommen.

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