Egal wo wir unterwegs sind, nur wenn es nicht gerade in der Wüste ist, uns kommen immer mal mehr mal weniger Menschen entgegen. An Samstagen in Fußgängerzonen sind es oft Menschenmassen. Bei solchen Menschenaufläufen achten wir meist nicht auf den Einzelnen, wir sind eher bemüht heil aneinander vorbeizukommen. Wird der Gegenverkehr allerdings geringer, abseits der großen Straßen, dann taxieren wir schon genauer den Einzelnen, der uns begegnet.
Wir registrieren Kleidung, Gang, Verhalten, Körpergröße, anzunehmendes Gewicht oder auch Ausstrahlung. Manchmal meinen wir zu wissen, wie ein Mensch aufgrund seiner äußeren Erscheinung tickt.
Selbst wenn die Kleidung eine Einordnung nahelegt, sollten wir uns vor einem Urteil das „Wesen“ eines Menschen betreffend hüten, egal in welcher Kleidung er auch immer steckt. Ob in der Soutane eines Priesters, der Uniform einer Polizistin, der Arbeitskleidung eines Müllwerkers, dem Anzug eines Chauffeurs, der Burka einer Muslima, unter dem Schleier einer Ordensfrau oder in der Dienstkleidung einer Briefbotin.
Das Theaterstück von Carl Zuckmayer über den „Hauptmann von Köpenick“, vielen von uns bekannt durch die Verfilmung mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle von 1956, führt vor Augen, wie wenig Kleidung aussagen kann über den, der drinnen steckt. Wie im Verlauf der Verfilmung dieses Stoffes von Zuckmayer deutlich wird, ist es wichtig, den zu Wort kommen zu lassen, der in der Kleidung steckt, um partiell zu erfahren, wer er ist, was er denkt, erlebt hat und empfindet.
Die Redensart, Kleider machen Leute, sagt darüber etwas aus, was eine Person ist oder sein möchte, nicht aber wer sie ist.
Weckt eine Person ein wirkliches Interesse durch sein Auftreten, dann ist der Wunsch hinzugehen geweckt, um diesen Menschen aufzusuchen. Die daraus sich ergebende Begegnung wird dann zeigen, ob Interesse auf Interesse stößt.
Ein ehrliches Interesse, im Hingehen zum Ausdruck gebracht, fand mediale Aufmerksamkeit, als ein Mann, übrigens gekleidet wie (fast) kein anderer auf der Welt, einen Ort betrat, den in dieser Kleidung keiner seiner Vorgänger bisher betreten hatte.
Fast auf den Tag genau, vor 23 Jahren, am 6. Mai 2001, betrat als erster Papst in der Geschichte Johannes Paul II. ein muslimisches Gebetshaus, die Umayyaden-Moschee in Damaskus.
Sein Hingehen machte greifbar, was im Zweiten Vatikanischen Konzil am 26. Oktober 1965, in der Erklärung „Nostra aetate“ , über die Haltung der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, ins Wort gebracht wurde: Die Anerkennung des Wahren und Heiligen in anderen Religionen.
Hingehen bedeutet, aus Interesse etwas greifbar, handfest werden zu lassen. Hingehen bedeutet jedoch nicht selbstredend alles bejahen, sich einreihen, unentwegt klatschen oder unkritisch werden.
Hingehen bedeutet etwas auf sich zukommen lassen, für Augenblicke einzutauchen, ohne unterzutauchen.
Nun wieder zurück auf die Straße. Natürlich können wir nicht zu all denen hingehen, die uns begegnen und aufgrund von Äußerlichkeiten Vermutungen wecken.
Das ehrliche Interesse am anderen Menschen ist das Motiv hinzugehen, oder anfänglich erste Schritte zu wagen mit dem Ziel, ernsthaft erfahren zu wollen, wer da in diesen Kleidern steckt.