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Zukunft leben – Mensch werden

Anna-Woche 2000 in Düren zum Thema „Zurück zu unserer Zukunft – mit Christus ins 3. Jahrtausend“

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

„Zukunft leben – Mensch werden“! Als mir dieses Thema vor einigen Wochen als Leitfaden für meine Predigt zur Anna-Woche vorgelegt wurde, regte sich bei mir erst einmal innerer Protest! Ziel des 3. Jahrtausend sei es, so signalisiert mir dieses Thema, ein Mensch zu werden, der in seiner Mensch-Werdung die Zukunft lebt. Ich soll, Sie sollen ein Mensch werden!

Irgendwie war mir schon klar, was damit gemeint war und wie dieser Aufruf zu verstehen sei, irgendwie war das schon verständlich und die gute Absicht dieses Themas bedurfte nicht der hohen Kunst der Interpretation. Trotzdem ärgerte mich diese Degradierung meiner Person, zu was auch immer, wenn hier zur Mensch-Werdung aufgerufen wird und ich mit der Frage dastehe: „Was bin ich denn eigentlich, wenn ich kein Mensch bin, denn der soll ich ja nun erst noch werden?“.

Wenn doch alle irgendwie wissen, was mit diesem Thema „Mensch werden – Zukunft leben“ eigentlich gemeint ist, dann können wir uns wahrscheinlich auf folgenden Konsens einigen: „Mensch werden – Zukunft leben“ bedeutet, wir müssen bessere Menschen werden, denn nur so geben wir unserer Zukunft eine wirkliche Chance!

Das heißt aber, das Mensch-Sein eines jeden einzelnen von uns müsste genauer unter die Lupe genommen werden, um individuell zu analysieren, wie sich ein jeder verändern müsste, damit der bessere Mensch in uns wachsen kann, um so der Zukunft eine Zukunft zu geben. Dieser Weg würde keinem von uns schaden, und der Zukunft sicherlich ein menschlicheres Antlitz geben!

Allerdings wäre das in einer Predigt nicht zu leisten, und dem Prediger bliebe nur die Möglichkeit Allgemeinplätze zu formulieren, die dann mehr oder minder auf jeden zuträfen, aber eher weniger brächten. Grundsätzlich aber wäre es, auf dem Hintergrund des so verstandenen Predigtthemas sinnvoll, sich wirklich in kleinen Gruppen hier in Ihren Gemeinden einmal darüber Gedanken zu machen, was es konkret bedeutet Mensch, menschlicher zu werden. Das wäre ein konkreter Schritt, dieser Anna-Woche eine Bedeutung über diese Woche hinaus zu geben.

Darüber hinaus aber reizt mich dieses Thema mit einem anderen Vorzeichen. In der großen Überschrift, die über die ganze Anna-Woche gestellt ist heißt es: „Zurück zu unserer Zukunft – mit Jesus ins 3. Jahrtausend.“ Dieses „Zurück zu unserer Zukunft“ ist dieses andere Vorzeichen, das dem Thema einen auf-schlussreichen Akzent gibt! Wer in unserer Gesellschaft das Wort „zurück“ benutzt, muss sich sehr oft gefallen lassen als konservativer, der Vergangenheit anhaftender Mensch betrachtet zu werden, der nicht begriffen hat, dass die Glocken der Zukunft dort hängen, wo die Rede ist von weiter, nach vorne, entwickeln, mithalten und Fortschritt, nicht aber von zurück!

Es stimmt ja, dass auch unsere Gesellschaft, im Kontext der Entwicklung der Völker dieser Welt, weiter mit nach vorne gehen muss, um nicht zurückzubleiben und so den Anschluss an das Fortschreiten unserer Welt zu verpassen! Ob bei dem sogenannten Fortschritt wirklich alles ein echter Fortschritt ist, bleibt dahingestellt und ist auch hier, ob der „Kürze“ einer Predigt, nicht ausreichend zu beantworten. Erlaubt sei aber doch der Antwortversuch auf die Frage: Gibt es bei dem momentanen Stand unserer Gesellschaft ein Zurück, welches ein wirklicher Schritt in und für die Zukunft wäre? Ja!

Ob nun christgläubig, anders gläubig oder gar nicht gläubig, eines müsste allen ernsthaft reflektierenden Menschen eine gemeinsame Erkenntnis sein: Keiner von uns hat sich selbst gemacht! Das Bild von dem sogenannten freien Menschen, der Herr und Frau seiner Entscheidungen ist, können wir uns auf dem Hintergrund moderner Gen- und Hirnforschung eher abschminken, als dass solch eine Vorstellung erhärtet würde. Denn nicht nur unsere Geburt ist ein nicht von uns frei gesetzter Akt! Die Tatsache, dass es uns gibt, ist auch nicht einzig darauf zu reduzieren, dass wir zwei Menschen, im glücklichsten Falle, Eltern nennen dürfen.

Jeder Mensch kommt letztlich nicht umhin sich als Gegebenen zu erfahren, und der im christlichen Verständnis den Geber des Gegebenen, ich selbst, als Gott erkennt, so wie es die Lesung des heutigen Tages eher etwas holprig vermitteln möchte. Ob wir nun mit dieser Gabe, die wir selber sind, auch zufrieden sind, bleibt dahingestellt und könnte an die Frage anknüpfen, die oben gestellt, könnte von jedem selbst, aber auch im Austausch mit anderen noch suchenden Menschen geklärt werden.

Betrachten wir uns nun selbst oder schauen wir in diese uns anvertraute Welt, dann ist die Erkenntnis nicht zu umgehen: „Wir sind gegeben – uns ist gegeben“!

Wie aber verhält sich unsere so hoch entwickelte Gesellschaft und wir uns in ihr? Sieht man den Gesichtern, Lebensstilen unsere Gesellschaft, dem Umgang der Menschen miteinander und ihrer gegenseitigen „Wertschätzung“ an, dass jeder einzelne sich verdankt weiß? Wie sieht das aus mit einer „Kultur des Dankes“ in unseren Breiten?

Unsere Kultur des Habens hat irrwitziger Weise, je mehr sie bekommen hat, immer mehr das Selbstverständnis des Beschenkten verloren Dank zu sagen beziehungsweise sich entsprechend auch als Beschenkter zu verhalten. Statt dessen hat er sich immer mehr zum „self made man“ entwickelt und nicht bemerkt, dass er sein Fundament, das Selbstverständnis eines Beschenkten, verloren hat! Ein wesentlicher Schritt in die Zukunft heute ist ein Sprung in die „Vergangenheit“, um zurück zu holen, was eine lebenswerte und erträgliche Zukunft konstituiert, Erkenntnis! Die Erkenntnis des Mensch mit dem Selbstverständnis, ich bin ein Gegebener und so ein Beschenkter!

Wir als Christinnen und Christen können noch einen draufsetzen, nämlich die Erkenntnis, die uns in Jesus Christus geoffenbart ist, dass wir nicht nur Beschenkte sind, sondern der, dem wir uns verdanken, der hat auch einen Namen: „Ich bin ich bin da!“ Dieses zusätzliche Geschenk unseres Glauben ist aber auch eine Herausforderung, der wir uns als in Christus getaufte Menschen stellen müssen, um unsere Identität nicht zu verlieren.

Diese Herausforderung lautet: Verschweige deine Identität nicht! Dies bedeutet, wie das Evangelium berichtet, ob gelegen oder ungelegen, zu dieser christlichen Identität zu stehen und von ihr Zeugnis zu geben! Wesensmerkmal dieser Identität ist es Gott, den Menschen und manchmal sogar sich selbst in der Annahme seiner selbst zu danken. Die Bereitschaft Gott und seinen Geschenken, dem Mitmenschen und der ganzen Schöpfung zu danken, darf aber nicht eine Selektierende sein, von Enge, Kleingeist, falsche Ängstlichkeit und Selbstherrlichkeit geleitet. Der Dank scheut weder die Vielfalt noch den Reichtum dessen, der schenkt!

An diesem Punkt können wir dann einmal mehr an der eingangs gestellten Überlegung anknüpfen mit der Frage: Was gilt es an unserem Mensch-Sein noch zu veredeln? Wie können wir ein menschenfreundlicheres Gesicht unserer Gesellschaft zeigen?

Zum schweren und gleichzeitig großartigen Zeugnis unserer Identität gelangen wir mit der Zulassung dieser Frage: Wie können wir noch überzeugender, als Freund des Menschen, göttliche Menschenfreundlichkeit weitergeben und so unserem Selbstverständnis gerecht werdend, in der Annahme des Anderen und auch des Andersartigen, dessen, der sein Leben anders gestaltet, der aus anderen Kulturen stammt, oder der anders denkt, unserem Dank ein Gesicht geben.

Eine Kultur des Dankens intensiver zu entfalten, um unsere Zukunft menschen-würdiger zu gestalten, ist christlicher Auftrag, der zu Grunde gelegt ist in der Feier der Eucharistie, der großen Danksagung.

Die Kultur des Dankens bedarf manchmal nur eines Wortes:

Ein Wort zu deinem Jubiläum

Ein kleines Präsent überreicht, verziert ein Wort, das keinen Schmuck braucht.

Aus voller Brust ein Lied gesungen,
leiht Gesang einem Wort Töne,
das die schönste Melodie selber in sich birgt.

Die kleine Ansprache will erklären,
was ein Wort einfach und ehrlich nur sagen will.

Der Handschlag, Belobigung auf die Schulter geklopft,
ein geschwisterlicher Kuss auf die Wange,
will ein Wort tragen, dass nur seinen Weg zum Herzen kennt.

Das Gläschen Wein, Sekt oder Orangensaft
sollte nur die Kehlen erfrischen,
die dem Wort Wahrheit geben,
das die Erfrischung selber ist.

Die Worte: Du bist uns immer wichtig,
treu in deinem Schaffen,
verlässlich in deiner lieben Art,
nichts war dir je zuviel,
angepackt hast du, was geschaffen werden musste.
Sorgsam, aber auch in der Sache stark,

lenkt ab von dem Wort, das mehr noch sagen möchte:

Danke

Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 2000 in St. Anna, Düren gehalten. „Ein Wort zu deinem Jubiläum“ aus: „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.

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