„Wer zu spät kommt, den straft das Leben“ (zugeschrieben Michail Gorbatschow)! Ist das eine sachliche Feststellung, eine theoretische Erkenntnis, ein Wunsch, eine Hypothese, Aufforderung, dummes Geschwätz, Binsenweisheit oder lustvolle Prophetie im alltäglichen Miteinander unter uns Menschenkindern, nach dem Motto: „Zu spät!
Pech gehabt und tschüss“?
Was es auch immer sein mag, diese Behauptung stimmt nicht unbedingt. Zu spät ist nicht immer zu spät. Wer also dieses „Zu spät“ festlegen und definieren will, der sollte wissen, dass subjektives Maß nicht allgemeine Maßgabe sein wird. Grund dafür sind Gleichnisse wie das von den „ungleichen Söhnen“. Denn hier bedeutet zu spät zwar spät, aber noch zeitig genug! Christus hat einen Wandel der Vorzeichen von Zeit initiiert. Aus dem allgemein gültigen „Zu spät und tschüss“ ist ein „Spät, aber doch noch früh genug – zum Neuanfang“ geworden.
Es scheint vor Gott kein „Zu spät“ zu geben, zumindest nicht in dieser absoluten Art, wie wir es meinen, denken zu müssen. Konkret: Wer meint, zu spät zu kommen, oder wem aufgebürdet wird, durch Mehrheitsbeschluss zu spät zu sein, für den ist, nach neuer Lesart, Leben dennoch reserviert. Denn hinter jedem „Zu spät“ wartet doch noch „Jemand“.
Der pünktliche, „gut glaubende“ Mensch bekommt davon nichts mit, er ist ja da, eben pünktlich, nicht zu spät, und er wird bekommen, was ihm zugestanden ist. Und während dem Pünktlichen von allen anderen Pünktlichen Ehrerbietung zugetragen wird, ist Gott damit beschäftigt, offenbar zu schauen, ob nicht doch noch einer „zu“ spät kommt.
Wer zu spät kommt, den belohnt Gott nicht, aber er hat noch etwas für ihn übrig, eine Hand voll Leben. So gesehen ist das Modell „Zuspätkommer“ der ungeahnte Hit unter Gottes Himmel, ein Lied vom Leben. Aus christlicher Perspektive betrachtet, irrt dann wohl Herr Gorbatschow mit seiner Erkenntnis: „Wer zu spät kommt …“. Und nicht nur der!