Fresken in der Aachener St.-Nikolaus-Kirche verdeutlichen die Sakramente der Kirche
In der gelebten Kontinuität des Wesentlichen bewahrt unsere Kirche ihre Berechtigung zu sein. Trefflich kann man streiten, ob auf wissenschaftlichem Niveau theologischer Disziplinen oder bezogen auf die Palette kirchlichen Handelns, was denn nun das Wesentliche sei. Auch die Gründe, weshalb die Frage nach dem Wesentlichen immer wieder gestellt werden kann, sind vielfältig; sie reichen von ideologischer Ausgrenzung bis zu der Feststellung, „wir sind pleite“.
Da tut es gut, auch mal Bilder in den Blick zu nehmen, die kaum noch wahrgenommen werden, da sie ständig präsent sind. Nicht gut, aber oft ist es so: Vertrautes wird im täglichen Hinschauen übersehen. Nicht ausgenommen sind da die Besucher der Nikolauskirche in Aachen und gemeint sind nicht nur jene Studierenden, die allsonntäglich ihren Hochschulgottesdienst dort feiern.
Was gibt es dort Besonderes zu sehen? Bilder an der Wand, Fresken, die Hermann Krahforst zwischen 1899 und 1908 schuf – für einen Kirchenraum nun wirklich nichts Besonderes. Aber wer genauer hinschaut, entdeckt das Besondere im Normalen, in den dargestellten Händen. Diese Hände, ob mittig oder eher am Rand des Bildes, sind eigentlicher Mittelpunkt der hier abgebildeten Handlungen, die die Spendung der sieben Sakramente vergegenwärtigen.
Aber was ist daran Besonderes, denn: „Auf Bildern überall in Kirchen kommen Hände nun mal vor“, so ein berechtigter Einwand. Diese Feststellung ist richtig, bezogen auf die Hand als präsenter Bestandteil figuraler Bebilderung. Aber sie verschweigt mit dieser nur faktischen Feststellung das Besondere der Hand, hier als den Ausdruck des Wesens von Kirche. Denn die Häufigkeit eines immer wiederkehrenden Details auf Bildern ist nicht zwingend auch ein Hinweis auf dessen Bedeutung. Sonst wäre der Faltenwurf irgendwelcher Gewänder im Bild nicht nur Indiz malerischen Handwerks, sondem auch Wesenszug der Kirche.
An sich ist die Hand Lebensmittel unserer Kirche, die ohne Hände nicht greifbar wäre. Theologische Reflexion weiß natürlich Kirche in Jesus Christus begründet und nicht in irgendwelchen Händen. Christus ist die Zuwendung Gottes, nicht provoziert oder gehändelt, sondern geschenkt: Gnade. Paulus sagt: „Der Glaube kommt vom Hören.“
Ohne die Hand bleibt der Gedanke gestaltlos
So ist das Wort an sich das Gewicht der Verkündigung des Reiches Gottes, greifbar und angebrochen in der Menschwerdung Jesu Christi. Vordergründig spielt da die Hand keine Rolle, sondern Geist, Gedanke und Aussage.
Aber ohne die Hand bleibt der reine Gedanke gestaltlos, und der ausgesprochene Gedanke nur Wort. Ohne die Hand kommt das Wort nicht über die Klippe der Lippe hinaus. Die Hand ist des Menschen vorrangigstes Werkzeug, um seinen aus den Gedanken entstandenen Worten handgreiflich Ausdruck zu verleihen.
So sind die Fresken von St. Nikolaus auch keine Studie über die Anatomie von Händen, sondern bringen die Handgreiflichkeit der Sakramente unserer Kirche ins Bild; vorausgegangen ist die Handgreiflichkeit Gottes. Im Gesamt der Bilder scheint die Hand eher zurückzutreten hinter die historisch nicht eindeutig zuzuordnende Gewandung der Akteure; ihre Handlung folgt einer eindeutigen hierarchischen Gliederung.
Irrtümlich könnte schon der Blick auf das Titelbild dieser Kirchenzeitung vermuten lassen, dass es hier um eine flankierende Maßnahme zur allgemeinen Wiederzulassung vorkonziliarer Liturgie gehen könnte, wie sie unter anderem die Bruderschaft Pius X verfolgt. Diese Auseinandersetzung muss zwar geführt werden, ist aber nicht Ziel dieses Artikels.
Hier geht es vielmehr um die Wesensart der Sakramente, damit um das Wesentliche der Liturgie und somit um das Wesen der Kirche: Berührung.Gott berührt in Christus Jesus den Menschen.
In der Taufe berührt der Spender des Sakraments den Täufling und hält ihn im fließenden Wasser – das Symbol der neuen von Gott geschenkten Lebendigkeit. In der kirchlichen Praxis ist diese Form reduziert auf die Hand, die das Taufwasser dem Täufling über die Stirn gießt.
In der Eucharistie ist unter Gestalt von Brot und Wein Christus die Berührung selbst, gereicht von Menschenhand auch im Friedensgruß und im Segen.
Die salbende Hand berührt die Haut des Menschen
In Krankensalbung, Firmung, Priesterweihe – Handauflegung durch den Bischof – wie auch in der Taufe berührt die salbende und auch segnende Hand die Haut des Menschen. Im Sakrament der Ehe berührt sich das Paar als Sakramentenspender mit den Worten: „Trage diesen Ring als Zeichen deiner Treue.“
Nur das Sakrament der Versöhnung, die Beichte, scheint ohne Berührung zu funktionieren. Deswegen hat es wohl auch an Bedeutung verloren. Das Sakrament der Beichte ist aber Berührung, die unter die Haut geht; in ihr nimmt der Mensch seine Verletzbarkeit und seine Fähigkeit zu verletzen ernst und an. Denn das Sakrament der Versöhnung entfaltet sich begleitet vom priesterlich vermittelten Zuspruch; es ist so Sakrament, befreiende Berührung. Berührung, als Wesen der Kirche – in diesen Fresken verdichtet, verdeutlicht auch in altem Kleid: Gnade als Geschenk verstanden, gibt der Hand Bewegung, ohne die der Gnadengedanke handlungslos bliebe.
Ohne Berührung ist der Gedanke nur gedacht, das Wort nur gesprochen und Kirche nur ortloses Gedenken – ohne Hand und Fuß. Die Hand greift im Wort den Gedanken auf, macht ihn zur Berührung. Mit der Hand landet der Wort gewordene Gedanke auf der Haut des Menschen. Gedanken des Heils vergegenwärtigen sich mit Herz und Hand in den Berührungen, Sakramenten, von denen die Fresken in St Nikolaus erzählen, täglich.