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… wo sich Wandlung ereignet …

Annaoktav 2009
„Da berühren sich Himmel und Erde“

Sonntag 2. August

Kerngedanken und Bilder der Predigt
von Pfarrer Christoph Stender,
Mentor für Lehramtsstudierende der katholischen Theologie an der RWTH Aachen

Vom Zauber des Zauberns.

Leise, behutsam geflüstert, fast gehaucht prägen sich diese Worte offenbar ein: „Hocus, Pocus, Fidibus …“. Das Zaubersalz zerstreut und den Zauberstab kreisen lassen, Zack (Geräusch), nimmt das Zauberwerk unwiderruflich seinen Lauf. Kindern verschlägt es den Atem. Andächtig schauen sie dem Treiben des Zauberers zu, voll der Bewunderung für den Meister der Magie. Auch die Erwachsenen können eine gewisse Verwunderung nicht verbergen, selbst dann nicht, wenn nur eine Taube oder ein Haase aus dem vermeintlich leeren Hut gezaubert werden, geschweige denn wenn ganze Luxuskarossen hinter rotem Tuch in Nichts sich auflösen. Das ist halt der Zauber der Zauberei!

Allerdings solchen Zauber zu entzaubern, ist das Ziel jener Frage, die immer wieder von Groß aber auch Klein neugierig gestellt wird: „Zeig mir doch bitte mal wie das geht, das ist doch nur ein Trick, das kann ich doch bestimmt auch.“ Und ein Kind ist spätestens dann kein Kind mehr, wenn es nur noch an den Trick glaubt, und nicht mehr an den Zauber, eben wenn es fragt, wie der Trick denn gehe.

Ja, einen „Zauber-Trick“ kann man erklären. So mancher Zauberer lüftet ja auch ein wenig von seinem Geheimnis, nur ein wenig versteht sich, um neugierig für mehr zu machen, ein mehr wissen wollen, das er jedoch in aller Regel, als Betriebsgeheimnis, für sich behält.

Unterbrechung: Ein Sprung zurück in die Zeit Jesu.

„Meister, kannst du uns deinen Zaubertrick erklären, den mit dem Wasser zu Wein, oder ist das ein Betriebsgeheimnis?“ Ob diese Frage während der Hochzeit zu Kanaan Jesus je gestellt wurde ist uns nicht überliefert, die Bibel schweigt darüber.

Ortswechsel:
Die Stimmung ist eher bedrückend, obwohl ein Mahl angerichtet ist, was in der Regel bedeutet das Freude angesagt ist. Die Teilnehmer, 12 an der Zahl, sind alle schon gesättigt, als Jesus Brot in seine Hände nahm, das Dankgebet sprach, das Brot teilte und seinen Jüngern reichte mit den Worten: „Nehmet und esset alle davon, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Ebenso nahm er den Kelch, dankte noch einmal und sprach: Trinket alle daraus, das ist mein Blut, das für euch und …“

In diesem Augenblick sprang einer der Jünger auf, viel Jesus ins Wort und rief ganz begeistert: Meister, welch ein Zaubertrick, zeige ihn uns damit wir es dir gleichtun …“

Waren kritische Nachfrage nicht gewollt?

Meine lieben Mitchristinnen und Mitchristen. Aus der Perspektive heutiger Gottesdienstbesucher, also aus unserer Perspektive, wäre solche eine Aktion ehrfurchtslos, eine Verletzung religiöser Gefühle, Glauben und Frömmigkeit missachtend.

Aber auch von einer solchen Inszenierung mag die Bibel nicht berichten. Warum eigentlich nicht? Fragten die Menschen zurzeit Jesu nicht kritisch nach „wie das denn mit dieser Wandlung funktionieren würde“? Ließen die Jünger sich damals alles bieten: Wasser in Wein, Brot in den Leib Jesu, Lahme gehen, Tote stehen auf, Blinde sehen, Aussätzige werden geheilt …? Warum fragten die Menschen damals nicht kritisch nach?

Sie fragen nicht, denn die Antwort auf diese Frage spürten sie!

Um das zu verstehen, müssen wir zurückgehen an den Beginn einer Geschichte in der Heiligen Schrift, die hinter allen Ereignissen aufscheint die uns die Bibel überliefert hat. Diese Geschichte hinter den Geschichten, das Geschehen hinter dem Geschehenen, das Ereignis hinter dem sich ereignenden, dieses Phänomen, das Ausgang alle Bewegungen im Neuen Testament ist wird Begeisterung genannt. Begeisterung, man könnte auch sagen Verzauberung sind die Motive die die ersten Zeuginnen und Zeugen Jesu Christi bewegt haben.

Sich erinnern!

Erinnern sie sich noch an die Aussendungsberichte? Jesus sendet Menschen aus, mal sind es 12, dann mehr als 20, dann wieder mal nur einer, dann sendet er auch mal je zwei aus. Ihr Auftrag: Sie sollen verkünden, also von dem erzählen was sie gehört und gesehen haben. Was sie aber ganz konkret vermitteln sollen, dass gibt Jesus nicht vor, und später wird er es auch nicht kontrollieren.

Jesus weiß und spürt ganz genau was die Jünger erzählen werden. Denn sie sind getrieben von dieser Begeisterung die verzaubert, und die sie vor der Begegnung mit Jesus noch nie erlebt hatten. Diese Begeisterung war die eigentliche Botschaft die in allen Erzählungen der Jünger über Jesus aufstrahlen würde, das war dem Mann aus Nazareth klar. Diese Begeisterung die Jesus in jenen Menschen geweckt hatte, die er losschickte, diese Begeisterung war auch die Motivation für die Männer und Frauen loszugehen, um eben von dem zu erzählen was sie begeisterte!

Woher aber rührte diese einmalige Begeisterung? Jesus war doch nicht der einzige Prophet, nicht der einzige Wunderheiler, davon gab es zurzeit Jesu einige, erinnern wir uns nur an Johannes den Täufer.

Begeisterung vom Anfang.

Was begeisterte also die Menschen damals an diesem Jesus, das die anderen Propheten und Heiler nicht hatten? Es ist einfach anders gewesen. Jesus ist der Andere. Jesus verkörperte dieses Andere, den geerdeten Himmel. In der Menschlichkeit Jesu spürten die Menschen die Nähe Gottes. In den Worten Jesu klang das Wort Gottes durch. In den Taten Jesu spürten die Menschen die Hand Gottes. Die Gesten Jesu sprudelten über von der großen Geste die Gott ist. Jesus war die Inkarnation, die Menschwerdung des Anderen, des Heiligen, des Göttlichen. Und das erlebten die Jünger, das ging ihnen unter die Haut, das ließ sie nicht in Ruhe, das bewegte sie!

Darum ist im Abendmahlssaal oder bei der Hochzeit zu Kanaan auch keiner aufgesprungen und hat gefragt: „Wie geht dieser Trick?“

Die Jünger wussten dass es bei Jesus nicht um Tricksereien ging, sondern um einen Zauber, den Zauber des Mehr aus dem Himmel, den Jesus spüren ließ. In dieser einmaligen Begeisterung der Menschen durch Jesus liegt auch der Grund warum sie sich aussenden ließen: Um zu erzählen was sie bewegte.

Und es berührten sich Himmel und Erde!

Bei der Hochzeit zu Kanaan war es die Mutter Jesu die begriffen hatte wer ihr Sohn war. Deshalb konnte sie so gelassen zu den Bediensteten sagen: „Tut was er euch sagt …!“ Und es berührten sich Himmel und Erde!

Im Abendmahlssaal spürten die Jünger diesen großartigen Augenblick als Jesus das Brot brach und sprach: „Das ist mein Leib …!“ Übersetzt in den Herzen der Jünger bedeuteten diese Worte Jesu: Das bin ich für euch! So bin ich hier, so werde ich unter euch bleiben! Wir bleiben in Gemeinschaft, wir sind Kommunikation, Kommunion wenn ihr dies tut zu meinem Gedächtnis! Und es berührten sich Himmel und Erde!

Mit dem Karfreitag allerdings, als mit der Tötung Jesu am Kreuz alle Begeisterung im Blut Jesu unter dem Kreuz versickerte, konnte noch keiner begreifen das auch hier, und das in nie da gewesener Weise, sich Himmel und Erde berührten.

Aber auf dem nachösterlichen Weg nach Emmaus spürten die zwei Jünger wer der dritte in Ihrem Bunde war. Und als Jesus dann das Brot nahm, es brach, da erkannten sie und in diesem Augenblick war er ihren Blicken, ihrem Zugriff entzogen. Und die Heilige Schrift überliefert in wunderschöner Sprache: „Brannte uns nicht das Herz.“ Und das heiß nichts anderes als die Vergewisserung der Jünger darüber: Du hast es doch auch gespürt, als er kam mit ihm ein andere Geist, er hatte etwas das in seinen Bann zog. So etwas haben wir zuerst gespürt als wir mit Jesus zusammen waren. Und da war sie wieder, diese alte Begeisterung neu, du hast das doch auch gespürt! Da wo Jesus gegenwärtig ist, da liegt Heiliges in der Luft. Und es berührten sich Himmel und Erde!

Ende der Begeisterung?

Und, wo nimmt diese Geschichte der Begeisterung ihr Ende? Ist sie Abgeschlossen mit den Berichten aus der Heiligen Schrift. Ist die Geschichte der Begeisterung Vergangenheit mit einem gewissen Erinnerungswert in der Verehrung der Seligen und der Heiligen unserer Kirche? Na, was meinen Sie, ist die Geschichte der Begeisterung vorbei?

Wer so fragt, der legt den Zuhören die Antwort dieser Frage quasi auf die Zunge, und die sagen dann natürlich, wie hoffentlich auch Sie heute Morgen hier im Gottesdienst zur Annaoktav: „Nein natürlich nicht, die Geschichte der Begeisterung ist mit der Bibel nicht abgeschlossen.“ Aber sind sie sich da wirklich ganz sicher?

Ein letzter Ortswechsel, zurück in die Gegenwart

Gehen wir zurück, öffnen wir einen Spalt der Türe zum Abendmahlssaal, um nochmals diese Worte zu hören, die die Menschen damals in noch nie da gewesener Weise begeistert hat, die Worte der Wandlung jenseits aller Zauberei. Diese Worte, mit denen Jesus die Menschen ein wenig den Atem Gottes spüren ließ. Worte die mehr bewirkten als je ein Wort zuvor hervorgebracht hat, Heiliges berührt in ihnen unsere Welt. Worte die wandeln: Ausweglosigkeit in Perspektive, Profanes in Sakrales, irdisches in himmlisches, Menschengegenwart in Gottesgegenwart, Zeit in Ewigkeit, Nähe in Liebe.

Wandlung

Öffnen wir die Türe zum Abendmahlssaal um diese Worte wieder neu zu hören, die von solch einmaliger Kraft getragen sind. Treten wir ein in den Raum, den Ort der Wandlung. Lasst uns gehen durch diese Türe zum Abendmahlssaal in Ihre Kirche hinein, und wir werden sehen wir sind schon da. Denn wenn wir nun diesen Gedanken aus der Erinnerung heraus weiter denken, dann sehen wir im Betreten des Ortes an dem Jesus das Abendmahl feierte s uns selbst, wir schauen auf unsere eigenen Rücken im Hineingehen, wir, die wir gerade erst ankommen wir sind schon hier.

In der Erinnerung losgehen um in der Gegenwart anzukommen, das ist das Angebot dieser Predigt, ja des ganzen Gottesdienstes. Zum Abendmahlssaal Jesu sind wir in Gedanken losgegangen und in Ihrer Kirche heute hier sind wir angekommen. Hier berühren sich Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Vergegenwärtigung, das passiert hier und jetzt, im Augenblick und wir sind dabei, hier in St. Anna. Und wir werden hier um den Geist Gottes bitten, gleich im Hochgebet, um den Geist der Wandlung. Dann werden wir uns wieder erinnern an jenen Abend im Abendmahlssaal, als Jesus die 12 Jünger zum Mahl lud. Und in dieser Erinnerung werden wir Kraft des Heiligen Geistes vergegenwärtigen, was damals geschah, als Jesus die Worte sprach. „Nehmt und esst alle davon, das ist mein Leib …“ Worte der Wandlung, Worte nie da gewesener Kraft, Worte nie da gewesener Liebe!

Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir.
Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier.
Sieh, mit ganzem Herzen schenk ich dir mich hin,
weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.

Hier berührten sich Himmel und Erde! Es ereignet sich Heiliges! Also tun wir, was Jesus uns bat zu tun. Tun wir was die Menschen zur Zeit Jesu so begeistert hat, was sie aufbrechen ließ, was sie in Bewegung setzte, wovon sie nicht aufhören wollten zu erzählen, wovon auch wir gehört haben.

Augen, Mund und Hände täuschen sich in dir,
doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir.
Was Gott Sohn gesprochen, nehm ich glaubend an;
er ist selbst die Wahrheit, die nicht trügen kann.

Lied: GL 546 1. und 2.Str.

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