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Wo bleiben Demos für den Glauben?

Wonach klingt das Wort des Apostels:

„Einer ist Gott, einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus.“ Ist das eine Vermutung, ein variables Angebot im interreligiösen Dialog, eine wissenschaftliche Hypothese oder ein Bekenntnis?

So manchem von uns Christinnen und Christen spricht der Apostel mit diesen Worten aus der Seele: „Einer ist Gott…“

In unseren vier Wänden können wir uns noch mit diesem Bekenntnis sehen lassen, auch wenn solcher Glaube bei den Jüngeren nicht ohne Widerspruch bleibt. Im Gottesdienst ist der Glaube an Gott in Jesus Christus unwidersprochener Konsens.

Was geschieht aber, wenn die geschützten Räume des Glaubens verlassen werden?

Die wenigen öffentlichen Demonstrationen unseres Glaubens, wie die Bitt-, Dank- oder Fronleichnamsprozessionen, werden immer häufiger, weil es oft nur noch wenige „Demonstranten“ sind, in den verbergenden Kirchenraum verlegt.

Die religiös unbeteiligte Bevölkerung nimmt christliche Glaubensbekundungen eher mit einem mitleidigen Lächeln wahr. Manchmal muss man sich auch von religiösen Analphabeten Zwischenrufe gefallen lassen, wie in Krefeld erlebt, da wurde während der Fronleichnamsprozession „Helau“ gerufen.

An unseren Schulen, wo es ihn noch gibt, steht der theoretische Religionsunterricht generell noch nicht in Frage. Das persönliche Bekenntnis eines Lehrers, Pädagogen oder Erziehers aber steht immer häufiger in der Gefahr, von der Öffentlichkeit verdächtigt zu werden, mindestens aber bemitleidet. Anders herum ducken wir uns mit unserem christlichen Bekenntnis bei dem türkischen Gemüsehändler an der Ecke eher selber weg. Oft mutiert auch das Profil des christlichen Glaubens im interreligiösen Dialog zum Eiertanz zwischen etwas Wahrheit hier und etwas Wahrheit da, bis er in der Erkenntnis landet: Genau genommen meinen doch alle Religionen – bei der Angleichung ihrer Begrifflichkeiten – eigentlich mit ein wenig Flexibilität irgendwie doch denselben Gott.

Und unser „kuscheliges christliches Europa“ wird auch erst dann so richtig als christlich bemüht, wenn es darum geht, mit fadenscheinigen Argumente die Türkei außen vor zu halten. Der Apostel sagt unmissverständlich: „Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, … damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können.“

Anders gesagt: Unsere Sorge, unsere Hilfe und unser Gebet gelte allen Menschen. Das ist die Grundlage, auch unseren Glauben unbeeinträchtigt und kulturschaffend leben zu können. Christen gestalten Kultur nicht aktiv, wenn sie sich verstecken, teilweise aus der falschen Sorge heraus, anderen Bekenntnissen zu nahe zu treten. Das Gegenteil ist der Fall! Kulturschaffend ist das klare Bekenntnis, welcher Religion auch immer, und damit verbunden die Akzeptanz der Differenz. Wir müssen zum Beispiel einen Muslimen klar nach der Intention des Islam fragen wollen und dürfen, und nicht höflich schweigen, ebenso aber auch uns umgekehrt fragen lassen.

Daneben nicht hinterfragbar ist das kulturelle Erbe des Wertekonsenz, verankert im Grundgesetz, an den haben sich auch alle Religionen zu halten. Darüber hinaus aber wird Kultur nur (neu) geschaffen durch Handlungen und nicht durch passive Erinnerung. Es reicht nicht aus, sich der christlichen Wurzeln zu erinnern, sondern das Handeln aus dem Glauben schafft Gegenwartskultur.

Gelebter Glaube ist ein identitätsstiftendes Indiz einer auch von verschiedenen Religionen gemeinsam gestalteten Kultur. Glaube bleibt kulturschaffend, wenn er je neu heraustritt aus der Erinnerung in die gelebte Gegenwart.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 19.9.2004
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