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Weihnachten bleibt Provokation

Der Stall zu Bethlehem hat seine weihnachtliche Popularität schon längst eingebüßt, das Weihnachtliche ist entsorgt oder verpackt. Die Heiligen Drei Könige sind auch schon wieder in ihrer Heimat angekommen bzw. in ihrer „Wahlheimat“, also zwischengelagert in so manchem Keller. Gut, werden Sie nun sagen, diese Fakten könne man ja noch erwähnen, aber dann sollte es mit der Weihnacht doch definitiv vorbei sein. Okay, wenn Sie an diesem Thema erst wieder in einem Jahr interessiert sind, dann blättern Sie bitte jetzt zur nächsten Seite. Auf der Suche nach weihnachtlicher Nachhaltigkeit gehe ich einer Figur nach, die es entweder nie gegeben hat, oder immer wieder geben sollte. Übrigens, nett dass Sie geblieben sind und weiter lesen.

Die Idee dazu lieferte Edzard Schaper, der die literarische Figur des „Vierten Königs“ schuf. Damals hat der vierte König das Ereignis Betlehem, aber auch seine drei Kollegen, einfach verpasst. Als König eines kleinen Reiches, mit Honig, Edelsteinen. Leinentuch, Pelzen und kleinen Säckchen mit Goldstaub zum Geschenk ausgestattet, so erzählt man sich, startet er zeitgleich mit seinen Kollegen, kommt aber erst nach einer über dreißigjährigen Odyssee bei Jesus an. Die neuen Koordinaten: Kreuzigung eines Mannes namens Jesus, genannt Messias. Der kleine König, einst aufgebrochen, um dem Christkind zu huldigen, stand nun mittellos unter seinem Kreuz. Pech gehabt oder schlecht vorbereitet, mag man kommentieren.

Doch warum hat der vierte König so lange gebraucht? Auf seinem Weg begegnete der vierte König Menschen, die sehr traurig waren, er konnte nicht einfach weitergehen. Er schenkte diesen Menschen etwas von seiner Zeit, damit die Trauernden mit ihrer Trauer nicht alleine blieben. Immer wieder ließen den kleinen König Menschen innehalten, die Fremde um ein Stück Brot und einen Schluck zu trinken baten. Seine Taschen waren noch voll der guten Gaben, so gab er zwar kein Brot, aber kleine Krüge mit Honig, das erschien ihm gerecht. Gefahren lauern überall. Auch unserem König wollte man Gewalt antun. Doch anstelle kräftig drein zu schlagen, versuchte er zu verstehen, um die Gründe der Gewaltausübung zu identifizieren. Das brauchte sehr viel Zeit.

Oft, wenn er auf das Ziel seiner Reise angesprochen wurde, lachten die Menschen ihn aus, spielten ihm übel mit und verspotteten ihn. Der König, sein Ziel vor Augen, aber ließ das über sich ergehen. Die Geschenke für das Christkind verloren sich immer mehr. Selbst die kleinen Beutel mit dem Goldstaub setzte er ein, um an einem kleinen Frieden mit zu wirken. Seine „Felle“ gingen nun aber endgültig schwimmen, als er auch seine Fellchen verschenkte, da frierende Menschen, so seine Meinung, ein Recht auf Erbarmen haben.

So kam er einfach zu spät. Und, ich frage Sie: War dieses Unternehmen ein Flop? Unter den Kriterien der Besitzstandswahrung ist der König pleite gegangen vor Erreichen des Ziels. Unter den Kriterien der Menschwerdung hat er an den anderen Menschen und mit ihnen gewonnen. Vielleicht hat der vierte König ja noch nie etwas von den Seligpreisungen gehört. Aber die Menschen, denen er begegnet ist, die hätten von den Seligpreisungen erzählen können, wenn nicht Jesus selbst sie schon längst zu den „Regeln“ der Menschwerdung erhoben hätte. Weihnachten ist mehr als eine Feierzeit, ein anmutendes Bild der Armut, ein Stück Weg eine schöne Geschichte oder ein Stern am Himmel. Weihnachten bleibt 365 Tage im Jahr eine Provokation und ist nur konkret zu „haben“.

Aktuell ist Weihnachten zwischen Weihnachten und Ostern, zwischen Geburt und Sterben, zwischen Glauben und Anteil haben, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Ihnen und mir.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 30.01.2005
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