Faxbox-Predigt zum 3. Adventssonntag 2000
Mag die Vorweihnachtszeit nun hektisch, normal, ganz anders oder auch besinnlich gewesen sein, so haben die Weihnachtstage selbst in den meisten Familien einen scheinbar immer bleibenden Charakter, der besonders in den Augen unserer Kinder einen faszinierenden Ausdruck findet. In diesem Punkt sind sich die meisten bundesdeutschen Bürgerinnen und Bürger einig, es gibt am Weihnachtsfest nichts schöneres als glänzende Kinderaugen voller Erwartung.
Nur noch siegen Tage trennen uns von diesem liebsten Fest der Deutschen in deren Mittelpunkt ja eigentlich ein kleines wehrloses Kind steht das durch seine Verletzbarkeit bei den meisten Erwachsenen den sogenannten Beschützerinstinkt weckt. Dieses Gefühl aber, ein schutzloses Kind behüten zu wollen, gibt unter anderen Phänomenen diesem Fest diese Sensibilität und Stimmung, die dann in festlicher Runde so manche Träne der Ergriffenheit fließen lässt. Ein gelungenes Weihnachtsfest in unseren Breiten wird von den meisten Gemütern einfach als schön empfunden auch wenn wie in diesem Jahr wiedereinmal kein Schnee zu erwarten ist, der der Feierfreude derer, die Schnee nur als Dekoration betrachten können, die Krone aufsetzen würde. Dann passen zu diesen stimmungsvollen Tagen auch diese Weihnachtsklassiker „O du fröhliche, Klingglöckchen klingelingeling, stille Nacht heilige Nacht… “ und wie sie alle heißen.
Das Kind als Mittelpunkt diesen christlichen Hochfestes bringt besonders folgendes Lied zu Ausdruck:
„Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all,
zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall
und seht was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.Oh seht in der Krippe im nächtlichen Stall
seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl
in reinlichen Windeln das himmlische Kind
viel schöner und holder als Englein es sind.“
Hier wird das Kind als Betrachter angesprochen und eingeladen, gleichzeitig aber auch auf dieses einmalige Kind in der Krippe hingewiesen um das sich in diesen Tagen alles drehen sollte.
Vielleicht bin ich Ihnen mit diesem Weihnachtslied am heutigen dritten Advent schon zu weihnachtlich, es ist ja noch eine Woche Zeit, dann aber möchte ich zu bedenken geben, ob das Thema Kind beschränkt werden darf auf diese zwei anstehenden festlichen Tage, beziehungsweise die Frage stellen, sind die Kinder unserer Gesellschaft, die Kinder dieser Welt ausreichend in den Blick genommen oder nehmen wir das Kind nur zum Vorwand für eine weihnachtliche Feststimmung.
Ist die Feier der Geburt des Gotteskindes, diese zerbrechliche Selbstmitteilung Gottes in Jesus den wir als Christus bekennen, auch die besondere Wertschätzung eines jeden Kindes das Gott der Menschheitsfamilie schenkt? Feiern wir in diesem Christkind auch die Kinder dieser Welt?
Eine Botschaft die uns in diesen Tagen erreichte berechtigt zu dieser Frage!
Anlässlich der Vorstellung des „Berichtes zur Situation der Kinder in der Welt 2001“ weist UNICEF darauf hin, dass pro Jahr noch immer elf Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag sterben, dies sind 30.000 Todesfälle am Tag! Allein mit dem tödlichen HI-Virus infizierten sich im zurückliegenden Jahr 600.000 Säuglinge. 170 Millionen Kinder sind mangelernährt. Ihre gesamte körperliche und geistige Entwicklung wird hierdurch beeinträchtigt. Armut, Krankheiten und Kriege, aber auch das Unwissen vieler Eltern sind die Hauptursachen für die hohe Kindersterblichkeit in den Entwicklungsländern. „Vielen ist bis heute nicht bewusst, wie entscheidend die ersten Lebensjahre sind. In keiner anderen Phase ist der Mensch so verletzlich. Kein anderer Lebensabschnitt bietet aber auch so viele positive Einflussmöglichkeiten. Mit gezielten Investitionen in Überleben und Entwicklung der jüngsten Mitglieder einer Gesellschaft könnte vielerorts der Teufelskreis aus Armut und Ausbeutung durchbrochen werden“, erklärte der Vorsitzende von UNICEF Deutschland.
Die hohe Zahl der Geburtskomplikationen erklärt sich unter anderem dadurch, dass ein großer Teil der Schwangeren noch sehr jung ist. Mehr als zehn Prozent der jährlichen Geburten entfallen auf Frauen zwischen 15 und 19 Jahren. Deren Risiko, durch Schwangerschaft oder Geburt zu sterben, ist vier mal so hoch wie bei Frauen über 20. Außerdem fehlen Vorsorge- und Gesundheitseinrichtungen. In Südasien sind nur bei 29 aller Geburten ausgebildete Helferinnen zugegen. In Afrika südlich der Sahara liegt der Anteil bei 37. Insgesamt sterben jährlich fast 600.000 Frauen an schwangerschafts- oder geburtsbedingten Komplikationen.
Fällt es uns mit diesem Wissen nicht besonders schwer in diesen vorweihnachtlichen Tagen an diesen Liedtext zu denken „Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all“, der Weihnachten all überall zu hören sein wird?
Haben diese 11 Millionen Kinder jemals diesen Wunsch vernommen: „Ihr Kinderlein kommet! Diese toten Kinder hatten Augen die von der Hoffnung erzählt haben leben zu wollen, ein zu Hause zu haben, Liebe und Geborgenheit zu spüren.
Die Mütter und Väter dieser Kinder wären sicherlich glücklich gewesen wenn jemand gesagt hätte, dein Kind ist einmalig und so zerbrechlich ihm darf nichts geschehen!
Auch wenn die meisten dieser Kinder nie ein Weihnachtsfest erlebt haben, weil sie in andren Kulturen als der christlichen aufgewachsen sind, würden auch ihre Augen geglänzt haben, hätten sie Weihnachten erleben können, das Fest der Liebe, das Fest der Menschwerdung das Fest der Kinder.
Wir können vor dieser erschütternden Tatsache einfach nicht nur stumm werden!
Sicher dürfen wir uns den Vorwurf nicht machen mitschuldig an dem Tod dieser Kinder zu sein. Auch wenn wir zugestehen, dass es hier nicht nur um die persönliche Schuld uns fremder Verantwortungsträger geht sondern auch um die sogenannte strukturelle Schuld einer immer kleiner werdenden, gemeinsam zu verantwortenden Welt, in der auch wir leben, kann uns keine Schuld angelastet werden.
Trotzdem können und werden wir nicht sagen das alles ist uns egal, es lässt uns kalt wir haben ja keine Schuld. In der Sehnsucht, die Kinderaugen faszinierend zum Ausdruck bringen können, leben zu wollen, sind alle Kinder dieser Welt gleich. Wir brauchen nur die Augen unserer eigenen Kinder anzuschauen um die Augen der 11 Millionen Kinder zu schauen, die das Licht dieser Welt nicht mehr sehen! 11 Millionen Augen der Kinder dieser Welt haben ihr Licht verloren, 30000 Kinder schließen ihre Augen täglich für immer. Aber Millionen Augen derer die leben schließen sich auch täglich, weil sie dieses Leid nicht sehen können oder wollen, weil sie es einfach nicht aushalten können, sich ohnmächtig fühlen, selber zu viel Leid schon sehen mussten, oder weil sie selber auf der Gewinnerseite im Leben keinen Platz gefunden haben und nun nicht auch noch das sehen wollen.
Vielen dieser Menschen aber, die dem Leben ins Gesicht sehen und dieses Leid sehen, auch wenn sie es nicht mehr ertragen können, ist eine Frage gemeinsam: Was sollen wir also tun? Diese Frage die auch die „Leute“ in unseren heutigen Evangelium an Johannes den Täufer stellen in der Erwartung der Ankunft Jesu: „Was sollen wir also tun?“
Johannes antwortet auf diese Frage, er sagt:
„Wer zwei Gewänder hat,
der gebe eines davon dem, der keines hat,
und wer zu essen hat,
der handle ebenso.“
Diese Frage: „Was sollen wir tun“ kann nicht klarer beantwortet werden als Johannes der Täufer es hier tut!
Diese Antwort aber ist für uns unerträglich, sie ist aber auch, an den Umständen unserer Zeit gemessen, nicht ganz faire, da die Möglichkeiten zu helfen nicht einfach darin bestehen und auch nicht ausreichen würden mit einem Hemd oder etwas zu essen auszuhelfen!
Es ist aber auch nicht hilfreich aus lauter Hilflosigkeit die Augen weiter zu verschließen weil wir ja doch nichts verändern können. Das hätte nämlich zur unausweichlichen Konsequenz im nächsten Jahr wieder im Bericht der UNICEF Deutschland zu lesen 33 Millionen Kinder bis zum 5. Lebensjahr sind in unserer Welt gestorben, sehen das Licht dieser Welt nicht mehr!
Vielleicht sollten wir die Frage der „Leute“ in unserem Evangelium damals mehr zu unserer eigenen Frage machen und sie etwas umformulieren und Johannes heute nicht fragen, was sollen denn wir tun, sondern fragen, was können wir denn tun?
Wir würden wohl wieder diese Antwort von Johannes dem Täufer bekommen mit dem Zusatz zu meiner Zeit hätte ich gesagt:
„Wer zwei Gewänder hat,
der gebe eines davon dem, der keines hat,
und wer zu essen hat,
der handle ebenso.“
In eurer Zeit würde ich die selbe Antwort geben:
„Wer zwei Gewänder hat,
der gebe eines davon dem, der keines hat,
und wer zu essen hat,
der handle ebenso.“
Allerdings möchte ich euch damit verbunden die Frage stellen: „Könnt ihr in eurer Zeit denn mehr tun?“
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.