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Was gilt für Schwule?

„Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt!“

(vgl. Joh 10,10b)

Diese Verkündigung Jesu ist für mich auch die Zentralverkündigung, die mit der Präsenz der Kirche an der Hochschule den Studierenden gesagt werden muß. Welches Leben hat Jesus wohl gemeint, wenn er sagt: Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt? Ist es nur der Verweis auf ein zukünftiges Leben, oder spricht Jesus von dem Leben, das Menschen in sich spüren. Immer wieder berichtet das Neue Testament von diesem Jesus, der auf die Menschen zugeht, die von der damaligen Gesellschaft am Leben gehindert werden und diese Menschen von der Gängelung durch die Selbstgerechtigkeit ihrer „Mitmenschen“ befreit!

Ich kann nicht anders als zu glauben, Jesus will, daß ich das Leben lebe, das ich in mir spüre. Daß ich dieses Leben als Fülle“ erfahren werde, ist für mich die Zusage, daß Jesus meinem heute erlebten Leben etwas dazuschenkt, das über dieses Erleben hinausgeht. Das, was über dieses von mir erlebte Leben hinausgeht, ist die Zusage, daß Gott mein Leben bestimmt hat für sein Reich: ein Leben, das kein Ende mehr kennt. Diese Zusage aber hat ihren heilswirkenden Ort schon jetzt in meinem Leben.

Dürfen das Schwule so verstehen? Daß es Schwule gibt, ist keine Frage.

Leider haben noch längst nicht alle Schwulen aufgehört, sich den Kopf zu martern, warum sie so sind, wie sie sind. Als Schwuler Schuldgefühle zu haben, weil er so ist, wie er ist, geht auch auf das Kerbholz der Morallehre der‘ Kirche. Das eigene Schwulsein verbergen zu müssen, ist immer noch der krankmachende Tribut, den weite Teile der Gesellschaft fordern, damit Schwule von ihr nicht offen geächtet werden.

Gott sei Dank gibt es viele Schwule, die aufgehört haben, auf eine Antwort der Wissenschaft zu warten, warum sie so sind, wie sie sind, um dann – von der Wissenschaft legitimiert – so sein zu dürfen, wie sie sind: Eben schwul! Gott sei Dank gibt es viele Schwule, die vor sich selbst und in unserer Gesellschaft aufrecht und Freude an ihrem Leben spüren. Gott sei dank gibt es viele Schwule, die aufgehört haben, sich zu rechtfertigen, und einfach sagen, ich bin, wie ich bin: schwul.

„Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt!“

Die Mutter eines schwulen Studenten erzählte mir ganz unvermittelt: „Wissen Sie, Herr Stender, mein Sohn ist schwul! Ich habe ihn so nicht gemacht! Er selber hat sich so nicht gemacht! Also muß ihn Gott so gemacht haben!“ Das klingt so einfach, zu einfach? Ja, für viele Schwule noch zu einfach!

Vor gut einem Jahr startete die Initiative „Homosexuelle und Kirche“ (HUK) in Zusammenarbeit mit der KHG eine Aktion mit dem Titel Farbe bekennen“. Die Auftaktveranstaltung in der KHG war sehr gut besucht. Hier ging es nicht um ein Comingout oder gar um ein Outing. Hier ging es in einem höchst geschützten Rahmen u.a. darum, mit einem anonymen Fragebogen herauszufinden, ob die Anwesenden mit Schwulen oder Lesben oder mit homosexuellen Gedanken und Empfindungen etwas zu tun hätten. Von den 29 Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren 27 Männer.

  • Auf die Frage: „Gehören zu meinem engeren Freundeskreis auch Lesben und Schwule?“ antworteten 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eindeutig mit ja.
  • Auf die Frage: „Kenne ich bei mir selbst homosexuelle Gefühle/Wünsche?“ antworteten 21 der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eindeutig mit ja.
  • Auf die Frage: „Gibt es Homosexualität aber keine homosexuelle Liebe?“ sagten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eindeutig: Es gibt homosexuelle Liebe.
  • Auf die Frage: „Ist das Ausleben homosexueller Neigungen sündhaft?“ antworteten 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eindeutig mit Nein.
  • Auf die Frage: „Ist Homosexualität krankhaft?“ waren 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung: Homosexualität ist nicht krankhaft.

Bei den folgenden Veranstaltungen waren nur noch sechs Teilnehmer anwesend. Die dritte Veranstaltung fiel aus, wie auch alle anderen geplanten Veranstaltungen dieser Reihe. Warum? Daß Homosexualität kein Thema ist, kann nicht der Grund sein, weshalb diese Veranstaltungsreihe nicht mehr besucht wurde. Was war es dann? Angst? Oder …!

„Ich bin gekommen, damit ihr lebt!“

So die Grundbotschaft Jesu. Kirche: Du bist Anwältin für das Leben, das ich in mir spüre, das Gott mir geschenkt hat, ein Leben, das leben will, voller Respekt vor dem Leben.

Aus „Kreuzungen – Festschrift zu 50 Jahren Hochschulpastoral in Aachen 1947-1997“ hrsg. von Kurt Stremmel-Kray, 1997.
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