Für mein alltägliches Mitteilungsbedürfnis schien mir als Kind meine Muttersprache reichlich. Diese „Genügsamkeit“ mutierte in meiner Jugend zu einer eher dümmlichen Sprachenignoranz, die es in Folge zu tarnen galt mit der Behauptung fehlender Sprachenbegabung meinerseits. Dieser unhinterfragte „Mangel“ konnte mit mir älter werden und wurde auch nie wirklich auf eine Probe gestellt, die zu der Erkenntnis einer gewissen Begabung geführt hätte.
Im Alter wird dieser gepflegte Mangel dann dekoriert mit der wiederrum nicht überprüften Entscheidung, für einen neuen Sprachenerwerb nun zu alt zu sein.
Hätte ich doch als Kind schon gehört von dem jüdischen Kaufmann Isaak und seiner Sprachenkompetenz. Diese Kenntnis der Sprachen veranlasste Karl den Großen 797 seiner diplomatischen Mission in Richtung Bagdad Isaak als Übersetzer voranzustellen. 802 kehrte Isaak, gesandt vom Kalifen aus Tausendundeiner Nacht, Harun ar-Raschid, zurück nach Aachen zum inzwischen zum Kaiser gekrönten Karl. Im Gepäck der Delegation ein Geschenk, einen lebendigen (weißen) Elefanten mit Namen Abul Abbas. Was für eine herrschaftliche „Bildsprache“!
Hätte ich doch als Kind schon gehört von dem Treffen 1219 zwischen dem heiligen Franz von Assisi und dem Sultan al-Malik al-Kamil, in deren Gesprächen der respektvolle Dialog der Kulturen und der Wille zum Frieden über ihre Muttersprachen hinaus ins Wort gebracht wurde. In dieser Begegnung überreichte der Sultan ein Geschenk an Franziskus, ein Signalhorn, das noch heute erhalten ist.
Es ist wertvoll Kindern von solchen Begegnungen zu erzählen, damit sie eines Tages zu träumen beginnen.
Träume, die im Überschreiten des Übersichtlichen das Unbekannte lustvoll ertasten, das den Zauber verspüren lässt in dieser Weite ankern zu wollen.
Solche Träume werden von Erzählerinnen und Erzählern geweckt, die in andere Kulturen eingetaucht, von der Faszination erzählen, über das Eigene hinaus die Gegenwart deuten zu können, um auch noch fremde Menschen, so aber auch sich selbst besser kennen zu lernen. Diesen Träumen wohnt ein Zauber inne, aber keine Zauberei.
Denn Sprachen zu lernen hat nichts mit „Simsalabim“ zu tun, dieser Zauberformel, die möglicherweise ihren Ursprung hat in der von Christen im Mittelalter unverstanden nachgeplapperten und so deformierten arabische Gebetsformel „bismi llāhi r-rahmāni r-rahīm“.
Träume vom „hinterm Horizont geht’s weiter“ führen eben auch in diese Nüchternheit Sprachen erlernen zu müssen, um zu verstehen. Das ist Arbeit, eben keine Zauberei.
Hätte ich einen Wunsch frei, ich würde auf meine Vergangenheit schauend bitten um Träume in Kindheit und Jugend, die mich noch heute begeistern würden, durch Sprache verstehen zu lernen.