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Bomben können nicht einmal traurig sein

Ohnmächtig startete mich eine Hand
von langer Hand gewollt,
die Hand ethnischer „Säuberung“ auszudorren,
als ich die Hand
auf deinem prallen Bauch
voller Leben
traf.

Bomben können nicht einmal traurig sein
Auch nicht die Bomben der NATO am 28. März 1999 im Kosovo

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
In Lyrik + mehr, Walheim 2003 veröffentlicht | Getaggt | Kommentieren

Mein Wunsch für dich

Ich bitte nicht, du mögest niemals so einen Schmerz in deinem Leib zwischen Herz, Fleisch und Muskeln spüren, der dir Angst einflößt, unwissend, ob er vergeht oder Anfang deines Endes ist?

Ich bitte nicht, dir möge die Frage erspart bleiben, geht das mit dem Geldverdienen weiter, werde ich in Zukunft meine Fähigkeiten einbringen können, finde ich morgen noch Bestätigung?

Ich bitte nicht, der Zweifel möge niemals an dir nagen: Was bin ich noch wert, werde ich nicht doch eines Tages weggeworfen, liebt mich überhaupt noch ein Mensch, bin ich nicht einfach nur ein überflüssiges Auslaufmodell?

Ich bitte nicht, dir möge dieses große schwarze Loch ohne jeden Halt erspart bleiben, in das du einfach nur hinein stolperst.

Ich wünsche dir nicht, daß all das nicht geschehen möge, was geschehen wird.

Mein Wunsch für dich:

Haut, die dich streichelt und hofft aus Liebe gestreichelt zu werden.
Hände, die dich schützen und die du zu halten dich sehnst.
Augen, die dir nachgehen und die du entdeckst.
Ein Wort, das dich trägt, fremd der Lüge und ein Mund, der es nie vergißt.
Ich wünsche dir ein du und diesem du dich bis dorthin, wo uns nichts mehr halten kann!

Aus: „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
In Lyrik + mehr, Salzburg 2001, Weihnachtswerke veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Lass das Kind nicht fallen

schau mal
wie niedlich
lass mich doch auch mal …

Ungezählte Augen schauen in eine Krippe:
Ein Kind

Ungezählte Gedanken der Faszination:
Es ist wieder ein Wunder

Ungezählte Worte deuten:
Wie schön

Ungezählte Arme drängen:
Lass mich es doch mal halten

Ungezählte Hände berühren:
Welch kleine Finger

Ungezählte Sehnsucht pulsiert:
Es darf nicht zerbrechen

Ungezählte Hoffnung erwacht:
Aus diesem Kind wird etwas großes werden

Ungezählte Versuche einer Kommunikation bringen ins Wort:
Buba Buba, la la la, Ei, wer ist denn hier?

schau mal
wie niedlich
lass mich doch auch mal

Ungezähltes Unglück,
ein Kind wird größer

Ungezähltes Unglück,
ein Kind wird älter

Ungezähltes Unglück,
ein Kind spricht eigene Worte

Ungezähltes Unglück,
ein Kind hat eigene Gedanken

Ungezähltes Unglück,
ein Kind lässt sich nicht von jedem streicheln

Ungezähltes Unglück,
ein Kind ist eine Botschaft

Ungezähltes Unglück:
Kein Kind mehr zu sein!

Ungezählte Augen,
sehen kein Kind mehr in der Krippe

Ungezählte Gedanken,
wie wunderlich

Ungezählte Worte deuten,
es ist so anders

Ungezählte Arme,
der ist mir zu schwer

Ungezählte Hände fassen an,
welch rauhe Finger

Ungezählte Sehnsucht
ich habe mir dich ganz anders vorgestellt

Ungezählte Hoffnung,
was wird daraus noch werden

Ungezählte Versuche einer Kommunikation
Bla Bla, alles lala, du nicht,

Unglück:
Kein Kind mehr zu sein
Unglück:
Wie ein Kind nicht mehr sein zu dürfen
Unglück:
Das Kind nicht mehr entdecken zu wollen

Ungezählte Augen mustern:
Gegner

Ungezählte Gedanken erstarren:
Wir haben das Recht

Ungezählte Worte deuten:
Wir werden dagegen sein

Ungezählte Arme zuweisend:
Bett 10 A, rechter Block

Ungezählte Hände führen aus:
Zerbrechen

Ungezählte Sehnsucht schweigt:
Der Nächste

Ungezählte Hoffnung triumphiert:
Ausschließlich ich

Ungezählte Versuche einer Kommunikation:
Bleiben aus

Lass das Kind nicht fallen
Lass das Kind nicht fallen
Lass das Kind nicht fallen

Wo Kinder fallen, werden geboren:

Feinde
Totes Recht
Menschen, die gehen müssen
Konzentrationslager
Reste zerbrochener Individuen
Fleischberg Mensch
Totales nur ich – nicht du

Wo das Kind fallen gelassen wird:
Fallen Bomben
Gefallen Urteile
Zerfallen Völker
Entfallen Güte
Befallen Verleumdung
Überfallen Habgier
Einfallen Hass
Hinfallen Menschen

Lass das Kind nicht fallen!

Meine beharrte Brust drückt sich in die Matratze
Nachts gibt mein Bett mir Heimat
Verletzliches Leben schützt nur Haut eines Menschen

Lass das Kind in mir nicht fallen!
Lass das Menschenkind nicht fallen!
Menschenskind, lass nicht fallen, was Gott gefällt!

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
In Lyrik + mehr, Salzburg 2001, Weihnachtswerke veröffentlicht | Getaggt | Kommentieren

Und wenn ich’s tät

Gut meinend bedrängt ihr mich
„Magst doch, nun endlich sein Gesicht vergessen“

Fremd in meiner Welt zerrt ihr mich
mein Herz zu fressen

Und wenn ich’s tät
Ja, wenn ich’s tät
Würde ich’s verdauen
Dem ich auch morgen möchte alles anvertrau’n

Würde „noch immer Du“ neuer Boden sein
auf dem ein unbekanntes Antlitz könnt gedeihen?

Und wenn ich’s tät
Ja, wenn ich’s tät

Ich würd verhungern!

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
In Lyrik + mehr, Salzburg 2001, Salzburg 2002 veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Des Sterbens satt das Leben

Geboren werden kostet den Mutterleib
Jugend zahlt den Preis der Kindheit
Erwachsen ist der Tod der Jugend
Alt heißt fast schon ein Kind
Sterben ist Blick zum Erdenleib

Gestorbene Freundschaft ist Mutterboden kräftigerer Sicherheit
Ausgeblutete Liebe Quelle anderer Seligkeit
Jedes gestorbene Gefühl ist Tod

Neuer Auftrag Ausklang der Verläßlichkeit
Anderer Weg Ende aller Bequemlichkeit
Wissen erst jetzt gedacht versetzt aller Erkenntnis den Todesschlag
Krankheit lacht ein Leben aus
Scheitern ist der Hoffnung erster Tod
und jeder Augenblick ist Sekunde zum Tod

Geboren werden kostet den Mutterleib
Jugend zahlt den Preis der Kindheit
Erwachsen ist der Tod der Jugend
Alt heißt fast schon ein Kind
Sterben ist Blick zum Erdenleib

Leben ist Sterben
Und der letzte Tod hat das Sterben satt, mit Recht

Geboren werden kostet den Mutterleib

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
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Die Geburt Jesu – der Garant da sein zu dürfen

Faxbox-Predigt zu Weihnachten 1998

Das Weihnachtsevangelium dieser Nacht zählt wohl mit zu den bekanntesten Texten des Neuen Testamentes. Zu behaupten, nur weil dieser Text so schön klingt, deswegen sei er auch so bekannt,ist nicht richtig. Dieser Ausschnitt aus dem Anfang des Lukasevangeliums ist nicht einfach nur schön und harmonisch, sondern er greift eine Sehnsucht des Menschen auf, dass seine Alltäglichkeit etwas mit dem Heil der Ewigkeit, mit Gott zu tun haben möge.

Es wird berichtet: Ein Kind wird geboren, gewickelt in Windeln liegt es in einer einfachen Futterkrippe.

Den Müttern unter uns ist solch ein Ereignis vertraut und bei der Erinnerung an die Geburt eines oder mehrerer eigener Kinder kommen ganz unterschiedliche Erinnerungen hoch. Ähnlich wird so mancher Vater unter uns, der eine Geburt miterleben konnte, seine Erinnerungen haben. Diese eigenen Erinnerungen, aber auch die Erzählungen anderer über erlebte Geburten lassen uns in diesem geschilderten Bild der Geburt Jesu zu Hause sein.

Doch mit der Faszination, die jede Geburt mit sich bringt, verbindet die Geburt des Sohnes Gottes nochmals eine ganz eigene und alles bisher dagewesene überschreitende Begeisterung. Den einfachen Menschen der damaligen Zeit wird das Besondere dieser nicht „alltäglichen“ Geburt vor Augen geführt. Ein Bote Gottes lässt es die Hirten wissen, ein himmlisches Heer bestätigt das nicht alltägliche: Die Geburt dieses Kindes ist die Erfüllung einer Sehnsucht, denn Göttliches offenbart sich in einem Neugeborenen, in all seiner Zerbrechlichkeit und seiner Verwiesenheit auf die Güte von Mutter und Vater, auf die Freundlichkeit der Menschen.

Das ewig Göttliche wird greifbar in der Alltäglichkeit des Menschen.

Jahr für Jahr feiern wir dieses nur im Glauben begreifbare Geschenk: Gott berührt uns in der Menschwerdung seines Sohnes. Jahr für Jahr feiern wir eine erfüllte Sehnsucht: Der Alltag unseres Lebens hat definitiv mit dem Heil der Ewigkeit, mit Gott zu tun. Das ist nicht einfach nur schön, und harmonisch. Das ist eine Zumutung!

Unsere Sehnsucht nicht nur einen Zeitvertrag mit dem Leben zu haben, sondern unkündbar mit dem Heil der Ewigkeit Gottes verbunden zu sein, wird von Gott die Erwiderung geben: Ein Kind, zerbrechlich, hilflos, ja nicht einmal ausgewachsen wird uns zugemutet, wie wir es selbst schon so oft in den Händen gehalten haben, einfach nur ein Kind! Zur Not wäre ein Kind ja auch noch o.k., wenn es denn wenigstens etwas besonderes könnte. Aber selbst dazu ist es ja nicht einmal in der Lage. Dieses Kind schreit wie jedes andere Kind auch, es macht in die Windeln und wenn es müde wird, schläft es einfach ein, ungeachtet ob es uns nun gut geht oder nicht.

Genau in diesem „einfach nur ein Kind“ liegt die Zu-mutung, die Mutmachung, das Mut machen Gottes. Gott wird in unserer Welt, wie jedes andere Neugeborene, wenn wir ihm denn die gleiche Chance geben, groß und wächst in die Alltäglichkeit unserer Welt hinein.

Dieses Kind ist erst einmal einfach nur da und es hat das Recht von Gott einfach nur da zu sein. Der Mensch, wir, werden mit der Hilflosigkeit und Zerbrechlichkeit des Kindes konfrontiert und ohne Worte fordert das Kind uns auf einfach dasein zu dürfen. Kein gesunder Mensch würde dieser Aufforderung nicht gerecht Sorge dafür zu tragen, dass ein Kind einfach dasein darf, um ihm zu geben, was es zum Dasein braucht!

Aus diesem Grunde lautet die entscheidende Frage dieser heiligen Nacht: Warum gibt es so viele Kinder auf der Welt, die nicht da sein dürfen, die auf der Flucht und heimatlos sind. Warum wird das da-sein-dürfen so vielen Menschen abgesprochen in Kriegen, Vergewaltigungen, durch Verfolgungen und andere Formen physischer und psychischer Gewalt? Warum sprechen auch in unseren Breiten Menschen anderen Menschen, die fremd sind, mit Behinderungen leben, die anders lieben als es für „normal“ gehalten wird, oder einfach nur arm sind, ihr da-sein-dürfen ab?

Warum sind selbst im Heiligen Land, in dem Gott vor fast 2000 Jahren in der Geburt seines Sohnes unmissverständlich jedem Menschen das Recht gibt da sein zu dürfen, so viele Menschen ohne ein unangetastetes zu Hause?

Diese hochheilige Nacht entlarvt und ist einfach nur ernüchternd. Sie stellt uns vor die Tatsache, dass wir in der Lage sind uns gegen das entscheiden zu können, das uns selber hier sein lässt. Es mag vielleicht zu einfach klingen, aber wir sind hier, weil unser Dasein uns zumindest gewährt wird und wir es anderen gewähren. Neid, Eifersucht, Ablehnung, Gewinnsucht, Humorlosigkeit, Machtgeilheit und ausgrenzendes Selbstbewusstsein bedrohen massiv das Dasein-dürfen des Menschen. Aber zu dieser Würdelosigkeit sind wir anderen gegenüber in der Lage, oder werden sogar davon getrieben, doch diese Nacht verbietet uns die Frage: „Mit welchem Recht bis du – Anderer – eigentlich hier. Diese Nacht verbietet die Frage an uns: „Mit welchem Recht bist du – Anderer – eigentlich hier. Ein Kind ist die Legitimation von Gott hier einfach da sein zu dürfen, respektierend die Tatsache, dass dasselbe Kind Bejahung meines Gegenübers ist, ob es mir passt oder nicht.

Die Botschaft dieser Nacht, das unanfechtbare Gebot Gottes in der Menschwerdung seines Sohnes geerdet lautet: Du sollst da sein! Darüber hinaus bittet Gott in der Hilflosigkeit dieses Kindes uns Mensch dem Mensch zu helfen, damit er in Würde da sein kann!

Dieses Gebot und die Bitte Gottes hat sich an uns erfüllt: Wir dürfen hier sein und wir werden bleiben, aller Vergänglichkeit zum Trotz. Mögen alle Menschen dieses Recht auch erfahren ein zu Hause, ein da-sein-dürfen zu haben.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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Tod, mein Gesicht will ich dir geben

Tod, mein Gesicht will ich dir geben
magst du formen, was seinen Muskeln fremd

Der Liebe letzte Atem klebt zu schwer an meinen Knochen
noch zu straff lügt meine Haut vergangenen Sinn

Ich will nun gehen und mein Gesicht mit letzter Kraft verlieren
warum noch halten, was so offendeutig ohne Wert

Du Herz hör auf mit deinen Takten mich zu schlagen
meine Augen sind zu leer
in ihren Tränen ist verflossen der Liebe Ufer
schließe sie, laß endlich ruhen
damit sie künden was sie sehen.

Totenkopf, erzähle wer ich bin
verbrannte Liebe mit dir erlöschte jeder Sinn

Tod, mein Gesicht will ich dir geben
nur du fängst weggeworfenes Leben ein

Tod, fange auf mein Leben
Gesicht gestorben, gib nicht auf,
mag dir ein Lächeln neu begegnen
so wird im Tod ein Sinn erstehen

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
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Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen

Faxbox-Predigt vom 14.11.1998

„Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen!“
So lautet der Werbeslogan eines bekannten Pharmakonzerns. Es klingt schon fast rührend, wie sich da „jemand“ um unsere Gesundheit bemüht. Diese Bemühungen sind auch durchaus ernst gemeint, wenn man die Tatsache in Betracht zieht, dass 1992 in der Bundesrepublik Deutschland bereits schon 312 Milliarden Mark für die Gesundheit ausgegeben wurden. Damit aber nicht genug. Gesund bleiben oder werden kostet immer mehr, wie uns die Zahlen von 1994 belegen. Der aktuelle Gesundheitsbericht für Deutschland weist hier eine Steigerung um 23 Milliarden Mark auf und das bedeutet: 1994 kostete Gesundheit 345 Milliarden Mark; Tendenz steigend. Da bleibt nur zu sagen, auch die Pharmaindustrie lässt sich ihre Sorge um unsere Gesundheit gut bezahlen.

Aber Gesundheit kostet ja nicht nur unsere Kassenbeiträge. Da gibt es noch Rezeptgebühren, Anteilszahlungen bei bestimmten Anwendungen, Erkältungen kostet nochmals extra und die Knoblauchpille sowie der Gesundheitstee will ja auch aus unserer privaten Schatulle bezahlt werden. Gesundheit ist eben ein von allen gehegter Wunsch, beziehungsweise gesund werden!

Aber auch mit Geld ist Gesundheit nicht immer zu haben. Viele Menschen leiden oft fast unerträglich an unheilbaren Krankheiten. Kein Medikament, keine Therapie kann wirklich heilen. Die eigene Gesundheit wird nur noch zur Erinnerung. Gerade die Erinnerung ist oft für viele Menschen im hohen Alter das einzige, was bleibt, während der Tod täglich an die Türe des kranken und alternden Lebens klopft, unentschieden wann er eintreten soll.

Jung und krank sein bedeutet oft leistungsunfähig zu sein und das wiederum hat zur Folge, den Idealen unserer Gesellschaft – Kraft, Schönheit und Erfolg – nicht entsprechen zu können. Alt und krank sein bedeutet oft Isolation und das hat zur Folge in unserer Gesellschaft einfach nicht mehr vorzukommen, denn auch ein alter Mensch hat schließlich noch vital zu sein und das mit der Kraft der „zwei Herzen“, so die Sorge der Pharmaindustrie.

Doch diese Maßstäbe jung und gesund zu sein oder alt und vital zu sein sind uns in der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus nicht zugesagt. Wo steht in der Bibel verlässlich, dass unsere durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 67 und 73 Jahren liegt? Wo steht überhaupt geschrieben, dass wir alt werden sollen und was bedeutet es eigentlich:

Ca 40 Jahre zur Zeit Jesu, 50 Jahre im Zeitalter der Industrierevolution, 45 Jahre in einigen afrikanischen Staaten heute, so das dortige Durchschnittsalter oder das „Methusalemalter“ von über 100 Jahren wie es wenige Menschen auch heute noch erreichen?

Was heißt „Gesund sein“? Keine Krankheiten zu spüren oder „die Krankheiten der Nachbarn zu haben“, wie ein Sprichwort sagt. Bedeutet Behinderung krank zu sein? Wo liegen die Grenzen zwischen physischer und psychischer Krankheit, zwischen schwer krank sein und weniger krank sein?

Gesundheit ist und bleibt ein unschätzbarer Wert, und wer wirklich krank ist oder qualvoll alt wird, leidet, das ist keine Frage. Aber unsere Definitionsversuche von gesund und krank, alt und jung, vital und gebrechlich sind nicht die Kategorien, in denen Jesus vom Leben spricht. Jesus lässt sich auch nicht auf die Diskussion ein, in welchen Kategorien zwischenmenschliche Beziehungen – wie die Ehe – im Himmel weiter existieren werden (so unser heutiges Evangelium). Menschliche Definitionen, Einschätzungen und Kategorien reichen nicht aus, um das zu fassen, was Jesus uns zum Thema Leben geoffenbart hat. In jeder Phase der Veränderung menschlichen Lebens ist Gott auf der Seite des sich verändernden Lebens. Die Entfaltung des Lebens, so wie der Mensch es in sich spürt, die Entfaltung des Lebens in seiner Veränderung und zwar in allen nur erdenklichen und auch gefürchteten Formen, jeder Augenblick des Lebens auch wenn er noch so kurz ist, ist das Leben, das Gott meint wenn er sagt: „Ich bin kein Gott von Toten sondern von Lebenden“. Er ist der Gott der Lebenden in aller Entfaltung und Veränderung des Lebens. Gott ist auf der Seite meines Lebens in jedem seiner Augenblicke und er bleibt in meinem Leben auch wenn über mich eines Tages, und ich hoffe nicht so bald, gesagt wird, er ist tot! Gott will selbst diese Definition des Menschen „er ist tot“ nicht auf unser Leben, für die Zukunft bestimmt anwenden, weil er eben nicht der Gott von Toten sondern von Lebenden ist, jenseits unserer Definitionen.

Diese Zusage kann uns kein Pharmakonzern machen, ebenso ist sie keine leistbare Leistung welcher Krankenkasse auch immer und in Pillenform gibt es diese Botschaft auch nicht. Diese Botschaft können wir nur hören und glaubend annehmen. Sie lindert nicht zwangsläufig Schmerzen, schützt uns nicht vorm Altern und bewahrt uns auch nicht vor dem, was wir Menschen den Tod nennen. Aber sie sagt in jedem Augenblick des Lebens einem jeden Menschen: „Ich bin der Gott von den Lebenden“.

Diese Zusage Gottes allerdings verlangt von jedem Menschen, dass wir mit Würde und Hochachtung auf die Entfaltungen und Veränderungen unseres und des Lebens der anderen achten und dass wir mit dazu beitragen, dass jedes wie auch immer entfaltete und entwickelte Leben gewollt und geschützt ist. Bis zu dem Augenblick, an dem unsere Kategorien, Einschätzungen und Definitionen ganz ausgedient haben. Ab diesem Augenblick des Lebens hat nur noch Gott ein Wort, das Wort. „Ich bin der Gott von den Lebenden.“

Ein – aufschließender Ge-Danke:

Zwölf Anzeigen – nur ein Danke

Mit 103 Jahren schrieben sie, er hat zwei Jahrhunderte erlebt und ist entschlafen.

Mit 87 Jahren schrieben sie, nach einem reifen Leben verblichen.

Mit 79 Jahren schrieben sie, zu früh und unerwartet.

Mit 62 Jahren schrieben sie, aus voller Schaffenskraft herausgerissen.

Mit 50 Jahren schrieben sie, Gott hat es so gewollt.

Mit 41 Jahren schrieben sie, er ist von uns gegangen.

Mit 30 Jahren schrieben sie, das Schicksal hat ihn uns vergönnt.

Mit 21 Jahren schrieben sie, zu jung hat es ihn weggerafft.

Mit 15 Jahren schrieben sie, er hatte doch sein ganzes Leben noch vor sich.

Mit 9 Jahren schrieben sie, nach Augenblicken wurde er uns genommen.

Mit 4 Jahren schrieben sie, nach dem unermesslichen Ratschluss Gottes.

Mit 2 Monaten schrieben sie, danke für dieses Leben, auch wenn es kurz war.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags. „Zwölf Anzeigen – nur ein Danke“ aus: „Für mich ist was drin – Ein Adventskalender für Erwachsene““ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1998.

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Gott suchen – den Vater entdecken

Anna-Woche 1998 in Düren

Herzlich willkommen liebe Gottesdienstbesucherinnen und -besucher!

Ich freue mich, dass Sie sich von Ihrer Zeit nehmen um sie hier im Gottesdienst, der auch Menschendienst ist, zu investieren. Es ist schön, dass Sie hier sind und von dieser Zeit auch etwas für meine Worte mitbringen. Danke!

Als ich diesen Titel hörte: „Gott suchen – den Vater entdecken“ dachte ich zuerst, diese Überschrift hat eher den Charme eines Viersternekühlschrankes, als dass er auch nur irgendjemanden vom Hocker reißen könnte. Doch da bin ich mittlerweile einer anderen Auffassung! Respekt meine Damen und Herren, die sie sich in der Vorbereitungsgruppe der Liturgie zur diesjährigen Annawoche für diesen Titel entschieden haben. Sie bewiesen großen Mut und theologische Kompetenz.

Zwei Tätigkeiten werden in diesem Leitgedanken angesprochen, „suchen und entdecken“. Was die Tätigkeit „suchen“ angeht, gibt es zum einen die eher langweilige Variante, etwas zu suchen, was ich kenne, dummerweise aber verloren habe. Der Erfolg lautet, altbekanntes, vertrautes und immer schon gewusstes wieder in meinen Händen zu halten, also suchen um altes wiederzufinden. Die zweite wesentlich aufregendere Variante der Tätigkeit „suchen“ lautet: Etwas zu suchen, was ich nicht kenne in der Hoffnung es zu finden! Also suchen, um unbekanntes und neues erstmalig zu finden, um es dann in meinen Händen zu halten.

Mich interessiert heute nur diese zweite Variante: Suchen, um unbekanntes neu und somit erstmalig zu finden! Wenn auch Sie daran Interesse haben etwas neues in der Gottessuche zu finden, dann bleiben Sie in Ihren Gedanken hier, ansonsten lassen Sie Ihre Gedanken ruhig auswandern.

Auf unser heutiges Thema bezogen bedeutet diese Art des Suchens: Gott suchen, um etwas von ihm zu finden, was ich noch nicht kenne oder was ich von ihm bisher nicht kennen wollte. An dieser Stelle mache ich den Mut fest, den ich eben der Vorbereitungsgruppe gezollt habe, die nämlich schon in diesem Titel andeuten „ich suche nach Gott, entdecke aber etwas anderes, nämlich den Vater“. Einige von Ihnen werden an dieser Stelle meine Begeisterung ob diesen Mutes wohl eher nicht teilen. Was soll denn daran mutig sein, Gott zu suchen und den Vater zu entdecken? Gott ist doch Vater! Die Bilder sind bekannt und werden auch immer wieder in unseren Händen gehalten: Gott Vater, alter weiser Mann, langer Bart, Patriarch, gütiger Beschützer usw.

Nein, stopp! Die erste Variante der Bedeutung von „Suche“ hatte ich kaltgestellt. „Suchen“ im Sinne von Neues finden wollen, ist angesagt! Wenn ich jetzt sage, das Neue lautet Gott ist nicht nur Vater sondern auch Mutter, dann werden die meisten von Ihnen sagen, das ist auch schon längst bekannt, es hat sich zwar noch nicht bei allen rumgesprochen aber die „Mutter Gott“ ist schon längst gefunden!

Ich hoffe, ich enttäusche Sie nicht zu sehr, wenn ich sage, bei der Gottessuche den Vater oder die Mutter zu entdecken kann, auf unsere je persönliche Bildvorstellung von Vater und Mutter bezogen, auch Gotteslästerung sein und nicht Gotteserkenntnis. Kennen wir nicht auch, aus eigenem Erleben oder vertrautem Erzählen, den schlagenden, nicht nur körperlich vergewaltigenden, abwesenden, unterdrückenden, schreienden, trinkenden, missachtenden und hassenden Vater sowie die ebenso handelnde Mutter? Es ist uns doch auch nicht unbekannt, wie viele Gebete un-er-hört geblieben sind an Gott-Vater und Gott-Mutter! Die Bitte: Kriege zu verhindern, Familiendramen zum Guten zu wenden, Einsamkeit zu nehmen, Hunger zu beenden, Katastrophen abzuwenden und jeder Form von Leid ein Ende zu setzen. Ist unsere Welt nicht oft eine Welt leer von dem guten Gott-Vater, leer von der guten Gott-Mutter, eine Welt, in der Gott nicht zu finden ist? Und was heißt guter Vater, gute Mutter? Gut, im Sinne von auf den Tisch hauen, alles durchgehen lassen, nur für mich da, Sicherheit vor Veränderung, Garant für ein erlebnisorientiertes Leben, gesicherte Zukunft, die Macht den Mächtigen, Beschützer derer, die sich zwei mal in der Woche so richtig in der Pommesbude besaufen können, Argumentationshilfe meines Willens, Prügelknabe der Weltgeschichte, etc.

Was für den einen gut sein heißt, kann für den anderen schlecht sein.

Eines müssen wir akzeptieren: Wir können über die Eigenschaft Gottes, der weder in den Worten guter Vater noch gute Mutter aufgeht, einfach nicht mehr sagen als Jesus Christus uns gesagt hat. Von ihm überliefert sind die Worte: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“

Wie meinte Jesus dieses „den Vater sehen“? Meinte Jesus das Bild seines Vaters Josef? Gott im Bild des Zimmermanns, des angesehenen Handwerkers, unverheiratet und schwankend in der Beziehung zu Maria? War für Jesus Gottes Vatersein greifbar im Bild des Josefs, von dem wir fast nichts wissen, seinem biographischen Vater?

Das Bekenntnis Jesu zur Bedeutung von „Vaterschaft“ lautet anders: Wer mich sieht, sieht den Vater! Und das heißt nichts anderes als: „Wer mich auf der Seite der von euch vergessenen und verleugneten Menschen sieht, sieht Gott (meinen Vater) auf der Seite der vergessenen und verleugneten Menschen!

Hier bekommt diese Aussage: „Gott suchen und den Vater entdecken“ den Rang einer beginnenden Entdeckungsreise der bisher unbekannten Art. Gott suchen und etwas anderes entdecken, nämlich nur den Vater oder die Mutter greift viel zu kurz und ist nur der Anfang! Gottessuche heißt: „den im Bild nicht greifbaren zu entdecken“. Wer Jesus sieht, hat nicht einen Vater gesehen! Wer Jesus sieht, hat gesehen auf welcher Seite Gott steht und so hat er gesehen, wer er für die Menschen sein will.

Für den, der eine Mutter oder einen Vater sucht um sein Leben zu entfalten, für diesen Menschen ist er Vater und Mutter.
Dem, der nach Sinn und Wahrheit sucht, ist Gott weiser Ratgeber.
Dem Kranken ist er Freund und Freundin.
Dem Sterbenden ist er „Pförtner“ zur Ewigkeit.
Den Menschen, deren Leben auf unterschiedliche Weise bedroht ist, ist er Anwalt der Gewaltlosigkeit.
Für die Hungernden ist er Prophet der gerechten Verteilung der Güter dieser Welt.
Den Schwulen und Lesben will er der Schöpfer sein, der zu seiner Schöpfung steht.
Er ist der, der einfach von sich sagt: „Ich bin, ich bin da!“ – wo es um das Leben geht!

Dies aber sind unzählige „Bilder Gottes“, so unzählig wie die Bedrohungen des Lebens!

Doch ein Bild Gottes darf auch nicht verschwiegen werden! Die Menschen, die Gott auf der Seite vergessener, verfolgter und verleugneter Menschen nicht sehen wollen, die Menschen, die anderen Menschen Leben vorenthalten, die nur für sich einen kuscheligen Gott festhalten wollen und die vielen „Bilder Gottes“ nicht zu entdecken bereit sind, die Menschen Leben geben, diesen Menschen bleibt nur ein Bild übrig, ein sehr klassisches, Gott im Bild des Richters. Möge er, der Richter besonders mit Blick auf die, die nicht mehr bereit sind zu entdecken, mehr Menschliches zulassen als wir bereit sind Göttliches zuzulassen.

Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 1998 in St. Anna, Düren gehalten.

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Unendlicher Christus Hymnus

Seht ihr Blinden ihm entgegen

Seht ihr Blinden ihm entgegen
Lauft ihr Lahmen auf ihn zu
Sprecht ihr Stummen seinen Namen
Hört ihr Tauben seinen Schritt
Öffnet ihr Ausgesetzten ihm euer Gefängnis

Du Licht in den Blicken der Blinden
Du Kraft in den Schritten der Lahmen
Du Klang in den Worten der Stummen
Du Lied in den Ohren der Tauben
Du Wärme in den Berührungen der Ausgesetzten

Bist verloren im Wegschauen der Blinden
Bist verloren im verharren der Lahmen
Bist verloren im Schweigen der Stummen
Bist verloren im Überhören der Tauben
Bist verloren in der Verweigerung der Ausgesetzten

Erloschen in der Blindheit
Erstarrt in der Lahmheit
Todgeschwiegen in der Stummheit
Aufgegeben in der Taubheit
Vergraben in der Ausgesetztheit

Auferstanden in der Sehnsucht der Blinden
Begegnest in den Tänzen der Lahmen
Atmest in den Gedichten der Stummen
Poesierst in den Hymnen der Stummen
Berührst in den Umarmungen der Ausgesetzten

Du immer schon schauen
Du Bewegung von Anfang an
Du Wort, vor dem es keines gegeben
Du atemlose Stimme
Du ausgesetzt in Raum und Zeit

Seht ihr Blinden ihm entgegen
Du Kraft in den Schritten der Lahmen
Bist verloren im Schweigen der Stummen
Aufgegeben in der Taubheit
Berührt in den Umarmungen der Ausgesetzten
Du immer schon schauen

Lauft ihr Lahmen auf ihn zu …

© Christoph Stender
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