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Mir ist so kirschlich

Auf meiner Haut hinterm Ohr
spüre ich noch die zwei kühlen Kirschen
und die warme Luft
der Sommertage meiner Kindheit

Jung, als ich schon älter an einem Brunnen saß
glänzten mich zwei Kirschen an, blutrot
fragend, ob mein Ohr bereit
trug ich sie wie ein Kind
kühl an meiner Haut

Kirschfarbe deiner Lippen
wie habt ihr mich verwirrt
bin rumgeirrt
Gedanken irr, rot dein Blut

Bahnhof, mit starkem Arm die Tüte aufgebrochen
Männer, wartend auf den Zug
Kirschen fressend, auch die Zwillinge
und ich spürte auf meiner Haut

Auf dem Markt, ungezählte Kirschen zum Verkauf feilgegeben,
Sonderangebot, ich fragte, darf ich die zwei probieren, blutrot und satt
ein Finger, leicht beharrt, befreit den Zwilling aus der Masse
zum Fraß mir hingehalten

Ich hing sie an mein rechtes Ohr
kalt auf meiner Haut
und ging, einmal zurückschauend
gegen den Fluss der Massen
über den Markt der Früchte

Sie lächelten, die mir entgegen kamen,
wegen zwei Kirschen,
aber nur die, die Kirsche tragen könnten.

Wir sind halt Kinder
mit kirschfarbenem Mund

Neufassung 2001. Ursprünglich aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
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Auszug Aber

Wer möchte schon einen sicheren Ort verlassen
Geborgenheit verlieren
Verlässlichkeit preisgeben
und gehen
obwohl er doch bleiben möchte?

Wer ist dieser Wer
der doch geht
gehen muss
will
darf
eben nicht bleibt!

Ein
Rausgeworfener
Suchender
Enttäuschter
Verlassener
Satter
Verurteilter
Unzufriedener
Lebenskünstler

Oder
einfach nur Einer
der auszieht
um Heimat zu sein!

Aber
Wer möchte schon einen sicheren Ort verlassen?
Wohl nur ein Freund des Weges
der Heimat sucht
um Heimat zu sein
auf dem Weg

© Christoph Stender 2001
In Lyrik + mehr, Salzburg 2002, Theresienkirche 2002 veröffentlicht | Getaggt , , | Kommentieren

Treue eilt der Liebe voraus

Oder: Für Baukis und Philemon

Die Liebe will das geliebte Wir nie aufgeben
weil sie sich sonst verloren weiß
ahnt aber der Liebe Vergänglichkeit
mag sie wohl nicht wahrhaben

Vergänglichkeit zeugt die Treue
aber nicht aus Liebe

Die Treue traut der Vergänglichkeit
sehnt sich das Wir der Wandlung
wahrhaben zu wollen

Deshalb kann sich die Treue nicht mit den Worten verabschieden:
„du bist so anders geworden!“

Liebe bringt nicht die Treue zur Welt
sondern die Treue hat in ihrem Traum der Liebe sich gezeugt
so ist sie geboren in der Ahnung der Liebe Wandlung

Die Liebe ist ein Geschenk
die Treue eine Gabe

Wer seiner Liebe traut
und um sich selber weiß
der träumt die Treue
die der Wandlung trotzt
wie Baukis und Philemon

Wer die Treue verspricht
ist schon Geschenk
legt diese Gabe nun noch dazu
und traut der Wandlung

© Christoph Stender
In Lyrik + mehr, Salzburg 2002, Theresienkirche 2002, Walheim 2003 veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Weihnachtsbrief an einen Freund

Lieber Mensch meines Herzens!

Unser gemeinsamer Weg im vergangenen Jahr, mein lieber Freund, führt uns durch unseren gemeinsamen Advent, eine Zeit, in der wir wieder einmal gespürt haben, dass wir uns aufeinander verlassen können und doch Menschen sind, die sich ständig verändern, in die Erinnerung und Feier dessen, was wir diese „Heilige Nacht“ nennen.

Nun sind wir wieder ein Jahr reicher an Erfahrungen mit und ohne Frust. Ein Jahr, das wir mit vielen anderen Menschen gemeinsam erleben durften und in dem wir auch viele neue Menschen kennenlernten und so reicher wurden um ein Lebensjahr unseres gemeinsamen Miteinanders. Vor uns nun diese besondere Nacht.

Diese Nacht, die angefüllt ist von Glanz, Licht, Freude und Jubel, die aber Trauer, Sehnsucht und das Elend vieler Menschen nicht vergessen macht. Diese Nacht, in der wir uns um ein Kind scharen werden, sein Lächeln erwidernd, nur uns selbst belügend der Radikalität seines Daseins entziehen können!

Diese Nacht, in der wir uns einer grenzenlosen Liebe gegenüber wissen dürfen. Diese Nacht weiß auch um dich, um deine Gefühle und Empfindungen, und um deine Geschichte. Denn der menschgewordene Gott nimmt dich, jeden anderen Menschen, unwiderruflich ernst. Sein Ja in dieser Nacht wird auch dir gelten. Begegnest du ihm, so wird er deine Hände nehmen, er wird dich anschauen, deine Worte hören – ganz gesammelt – kein Wort verlieren wollen, jedes in seinem Herzen bergen. Deine Geschichte, dein Gestern und dein Eben, bei ihm wirst du es lassen können, dich lassen, dich ihm überlassen. Dich ihm überlassen, mit all seinen Erinnerungen, Erlebnissen und Begegnungen, mit deiner Freude und deiner Enge, mit deinen Hoffnungen, den wachen und den längst begrabenen.

Dich ihm überlassen, mit den lieben und vertrauten Menschen, deinen Freundinnen und Freunden und denen, die dir nahe stehen, mit den Gesichtern, die jetzt vor deinen Augen Konturen gewinnen, den frohmachenden und den bedrückenden. Dich ihm überlassen, mit allem Neuen und Alten, mit deiner Größe und deiner Kleinheit, mit allem, was du bei dir trägst, dem Belastenden und dem Befreienden.

All dieses, das dich betrifft, bewegt oder zur Ruhe kommen lässt, wird auch in dieser kommenden Nacht zu dir gehören. Mach dich auf den Weg durch das Dunkel der Nacht zur Mitte dieser Heiligen Nacht. Lege dann beiseite, was deinen Blick verstellt, was dich betrübt, und lege die Früchte deiner Freude in deine Tasche und geh zur Krippe.

Du findest sie nicht im Trubel oder im Rummel, nicht dort, wo die meisten Menschen stehen, nicht, wo’s am Hellsten zu leuchten scheint. Nein, es ist alles sehr unscheinbar, ein unbekannter Ort, namenlos oder alle Namen tragend, ein Stall, eine Ecke, unter irgendeiner Brücke …

Du findest diese Krippe! Kleine Lichter spenden ihr Licht, sie scheinen, als wollten sie Sterne sein. Die Stille wird dich anziehen, die Ruhe, die bis zum Überlaufen angefüllt ist mit Freude und Hoffnung.

Geh weiter, ja, geh mutig weiter! Die Alten und die Kinder, all die unscheinbaren Gestalten sind schon da! Stell dich zu ihnen!
Ihre Blicke flüchten nicht mehr in das Dunkel! Ihre Blicke und alles, was sie zu sagen in der Lage sind, diese Blicke, die je eine Lebensgeschichte bergen, diese Blicke ganz aufgeschlossener Menschen, trauen ihren Augen. Sie haben den Blick des Kindes gekreuzt, sie haben standgehalten, sich durchblicken lassen. Dunkelheit hat kaum Konturen, die einen Blick wirklich halten können. Die Blicke dieser Menschen brauchen den Schutz der Dunkelheit auch nicht mehr. Ihre Blicke sind gesammelt in den Augen eines Kindes, den Augen Gottes. In all ihrer Schwachheit, Kleinheit und Menschlichkeit, in all ihrer Größe und Einmaligkeit sind sie in den Blick genommen. Stell dich zu ihnen, stell dich dem Blick eines Kindes!

Keiner hat seine Zelte bei der Krippe aufgeschlagen, sie haben sich „anstecken“ lassen, und was sie nun wieder nach Hause treibt, ist stärker als das Licht ihrer kleinen Lampen. Sie tragen ein neues Licht in ihren Herzen, und ihre Augen können und wollen es nicht verbergen. Wenn du nun, mein lieber Freund, zurückkehrst zu denen, mit denen du diese Heilige Nacht feiern möchtest, und wenn ihr euch dann gemeinsam an die schönen alten Zeiten erinnert, und wenn diese Menschen dir dann sagen: Wie früher, ganz der Alte, ja, du seiest ganz der Alte geblieben. Dann frage dich, mein lieber Freund, wann du, wann wir zuletzt bei der Krippe waren …

© Christoph Stender
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Der Moment an der Krippe

Eine Annäherung

Es bedarf keiner prophetischen Gabe mehr, um der Tatsache ins Auge zu schauen, dass Weihnachten vor der Tür steht! „Alle Jahre wieder…“ so besingt nicht nur ein bekanntes christliches Lied die Ankunft des Friedensfürsten. Es geht auch viel pragmatischer, denn es reicht ein Blick in den Kalender um festzustellen, dass das Fest der Liebe nicht mehr auf sich warten lässt! Wer allerdings in seinem Timer noch nicht so weit voraus geschaut hat, braucht in diesen Tagen nur einmal durch unsere Fußgängerzonen zu schlendern, oder besser gesagt sich treiben zu lassen, um sicher zu sein: Weihnachten rollt auf uns zu!

Die Adventszeit, Zeit in Erwartung der Ankunft des Sohnes Gottes, hat in der Regel wenig Chancen, in einer sowieso sich stetig beschleunigenden Zeit, die jetzt durch das anstehende große Fest nur noch mehr Tempo bekommt, Verlangsamung von Zeit sein zu können. Von vereinzelten Adventskränzen abgesehen, die wahlweise auch als Adventgestecke mit mal einer Kerze oder auch fünfen zu haben sind, und die vorzugsweise in christlichen Haushalten, was immer das sein mag, anzutreffen sind, und natürlich nicht zu vergessen den Adventskalender als beliebtes Verpackungsmaterial für Schokolade, kommt der Advent, wenn überhaut, nur noch in der Liturgie und im vorweihnachtlichen Kinderlied vor.

Die Gestaltung der Gottesdienste im Advent, vereinzelte Frühschichten oder ähnlich Angebote des gemeinsamen Gebetes und adventlich geschmückte Gotteshäuser sind einige der wenigen Nischen, in denen vom Advent in seiner ursprünglichen Intention der Erwartung noch etwas zu spüren ist.

Zu mächtig ist das größte Konsumfest Deutschlands geworden um irgend eine Form adventlicher Stille wirklich dulden zu können! Selbst jene, die im Advent noch ein kleines Schlupfloch der Besinnung erkämpfen konnten, geraten oft selbst in den Sog der Aktivitäten, wenn sie einige Tage vor dem großen Fest der Erkenntnis erliegen, doch noch nicht alle Geschenke besorgt zu haben oder im Speiseplan noch eklatante Lücken klaffen, die via Einkauf schnellstens gestopft werden müssen.

Keine Konsumkritik

Genau so verlässlich wie der vorweihnachtliche Trubel ist die entsprechende Konsumschelte so mancher Zeitgenossen, die – alle Jahre wieder – feststellen, wie runtergekommen unsere christlich geprägte Gesellschaft doch sein muss, da sie immer noch nicht begriffen hat, dass das Fest der Geburt Jesu mit all dem nichts zu tun hat, was man vorweihnachtlich Geschäftigkeit nennt.

Den Kritikern sei bei aller berechtigten Kritik zu bedenken gegeben, was denn passieren würde, wenn Advents- und Weihnachtszeit vom Konsum restlos unbeachtet links liegen gelassen würde. Kein besonderer Schmuck in unserem Straßenbild, kein Weihnachtsmann in den Kaufhäusern, keine Geschenkidee zum Fest, kein Festtagsbraten im Gefrierregal, nirgendwo weihnachtliche Klänge, ja kein einziger Weihnachtmarkt weit und breit! Diese „Stille“ könnte dauerhaft zur Folge haben, das die Feier der Geburt Jesu immer mehr zu einem geheimnisvollen Ereignis hinter christlichen Mauer wird, das Außenstehenden nur noch befremdet, wenn überhaupt! Darin sehen einige Christen jedoch die Chance der „Gesundschrumpfung“, doch dieser Sichtweise möchte ich hier nicht weiter nachgehen.

Die Vorweihnachtszeit als Event, so wie wir sie in diesen Tagen erleben, mit all ihren Nebenerscheinungen birgt doch auch die Chance, das so mancher „Fernstehende“, der weniger an den Wurzeln christlichen Glaubens interessiert ist, zumindest für einen Augenblick in all der Beschäftigkeit über das Christkind und seine Vision der Liebe stolpert und nachdenklich wird. Den meisten aber, ob nun den Kritikern, dem Einzelhandel, den Aktiven in den christlichen Gemeinden, Fernstehenden, Eingeweihten oder denen, die schon längst entschieden haben das ihr Weihnachtsbaum eine Palme sein wird, ist eines zumindest optional gemeinsam: Heilig Abend, endlich Ruhe, Frieden, Gemeinschaft, familiäre Beschaulichkeit und vielleicht ein Hauch von Seeligkeit in der Luft.

In so manchem Ohr klingt solch eine Formulierung von Harmonie allerdings eher abfällig, weil sie verdächtigt wird, die Sehnsucht der Menschen nach einer festlichen Stimmung am Weihnachtsfest nicht ernst nehmen zu wollen. Das ist nicht meine Intention, denn ich teile die Meinung von weihnachtsscheuen Dauernörglern nicht, die den angeblichen familiären Friede der Festtage als pure Heuchelei kritisieren. Sicherlich erfüllt sich auch in den Weihnachtstagen nicht immer und unbedingt der Wunsch nach gemeinschaftlicher Harmonie. Oft liegt das an dem Generationen bedingten differierenden Praxisvorstellungen in der Frage, wie wird Weihnachten richtig gefeiert. Aber das bedeutet ja nicht, dass der Wunsch nach einem gelungenen Fest nicht bei allen Beteiligten ernsthaft vorhanden sei! Ich wünsche jedem ein friedvolles Weihnachtsfest. Aber die Tatsache der Geburt Jesu und die Erinnerung daran bedeutet mehr als nur friedvolle Stimmung, das darf auch bei aller Feierlichkeit nicht übersehen werden, auch wenn auf den ersten Blick nun doch der Wunsch nach Stimmungsfülle angeprangert scheint. Der Wunsch nach Harmonie, Frieden und gelungener Gemeinschaft ist sehr eng mit den Weihnachtsfeierlichkeiten verbunden, gehört aber nicht notwendig zu diesem Fest der Geburt Jesu, auch wenn uns unsere romantische Krippendarstellungen und die Weihnachtserzählungen dies suggerieren.

Der Blick in die Krippe ist das Fest und der ist alles andere als nur romantisch!

Die Feier der Geburt Jesu Christi ist geerdet in einer sehr einfachen Krippe zu Bethlehem! Sich ihr nähern zu wollen, um in sie hinein zu schauen, ist die Intention dieses Festes. Darin begründet sich auch die immerwährende Wiederkehr der Weihnacht in Raum und Zeit. Jesus in der Krippe ist das unbestreitbare Zentrum dieser christlichen Feier! Das ganze drum herum um dieses Fest darf nicht zu dem gewissen Mehr werden, denn dann wäre es zu wenig! Der Ausdruck der Freude über die Geburt unseres Erlösers darf den Knaben nicht erdrücken!

Auf dem Weg zur Krippe

Wenn Sie sich in diesen Tagen wieder dieser Krippe stellen wollen, dann bedeutet das, sich ihr anzunähern um zu entdecken, aber nicht um wiedereinmal zu sehen was man sehen will! Entdecken bedeutet, sich der Botschaft der Menschwerdung Gottes neu zu stellen mit der Bereitschaft ihr entsprechend sich auch verändern zu wollen. Wenn Sie sich in diesen Tagen wieder dieser Krippe stellen wollen, dann bedeutet das, Sie müssen sich selber mitnehmen auf den Weg zu diesem einzugartigen Ort, ohne Namen und alle Namen tragend! Aber Sie dürfen nicht meinen nur als Betrachter in wohliger Distanz bei der Krippe zu verweilen, sondern sie sind Gast an der Krippe, weniger reicht nicht! Dafür bedarf es der Investition von Zeit und soviel Zeit muss sein!

Lassen Sie die Zeit nicht verstreichen um zielstrebig auf den Ort der Geburt Jesu zuzugehen. Vielleicht können Sie sich ja schon jetzt einmal probeweise darauf einlassen. Dann gehen Sie los, und legen Sie für diesen Augenblick hinter sich was Sie aktuell beschäftigt, parken Sie Ihre Probleme und Sorgen am Rande des Weges, auch wenn das nicht ganz einfach ist. Ordnen Sie ihre Sicherheiten für einen Moment der Kategorie „nicht so wichtig“ zu. Fragen Sie nicht wo die anderen bleiben, momentan sind nur Sie gefragt. Gehen Sie einfach dem Stall entgegen. Können Sie sich ihn vorstellen? Vergessen Sie was Sie noch alles zu erledigen haben, Geschenkeinkauf, Hausputz, Festorganisation, Predigt, Besuche … Schauen Sie nur der Krippe entgegen und denken sie nicht darüber nach wie die family beim Fest drauf sein wird, oder ob Sie es allen recht machen werden. Achten Sie besonders auf die letzten Schritte zum Kind im Stall, spüren Sie den Boden unter Ihrer Füßen, wenn Sie nicht mehr auf ihren normalen Wegen gehen, dann sind Sie bald da und vergessen Sie für diesen Augenblick nach Möglichkeit auch die Theologie, Ihre Vorstellungen von Weihnachten und Ihre Kindheitserinnerungen.

Wundern Sie sich bitte nicht dass Sie keine Spuren von Ochs, Esel und den Hirten finden werden, die sind noch nicht angekommen! Auch die Engel und ihr himmlischer Gesang sind noch nicht zu hören. Sie stehen ganz allein vor dieser einzigartigen Krippe, nur Sie allein mit dem Kind! Wo Maria und Josef sind fragen Sie, die sind für diesen Augenblick weggegangen, und weil Sie ja nun da sind kann dem Kind doch nichts passieren. Übrigens, die Beiden sind auch gegangen weil sie nicht stören wollten.

Ja, Sie stehen ganz allein vor der Krippe! Was sehen Sie? Erblicken Sie in diesem Kind mehr, sehen Sie weiter, schauen Sie auf sich und so über sich hinaus? Was liegt in der Krippe? Die Zerbrechlichkeit der Liebe Gottes! Liegt da Gott in Jesus Christus hilfebedürftig in Windeln, für wen? Berühren sich hier Himmel und Erde? Wie wollen Sie das als gebildeter Menschen einem anderen erklären? Haben Sie das schon einmal aus Überzeugung versucht, und wenn ja was haben Sie gesagt? Sehen Sie eigentlich was sie sehen wollten? Wollen Sie das wirklich so sehen, Gott Mensch geworden in einem Baby, das die Hosen voll macht und nach der Mutter schreit? Oder ist das nicht doch nur ein schlechter Scherz oder besser gesagt, der Erklärungsversuch einer unerfüllten Sehnsucht der Menschen der nicht Wahr sein lässt was nicht Wahr sein darf, und so Abhilfe schafft? Doch nur fromme Täuschung?

An dieser Stelle sind wir gerne geneigt einige theologischen Erklärungen unserem Langzeitgedächtnis zu entlocken, aber erklären die mehr als Sie hier sehen? Schauen Sie geduldig hin und flüchten Sie nicht jetzt schon in die Deutung dieses Ereignisses, das schafft zu schnell Distanz! Vergessen Sie nicht, Sie können diese Krippe nur Augenblicke allein für sich haben!

Hören Sie hinter sich schon dieses entfernte Raunen? Die Krippenklassiker kommen auch langsam an und fragen sich wer da steht und was der ist? Die meinen Sie! Ja wer sind Sie, der Sie an dieser Krippe stehen, von den Augen eines Kindes in den Blick genommen, Blicke die Ihren Blick kreuzen und Ihre Perspektiven vielleicht durchkreuzen? Wer sind sie an dieser Krippe. Lässt sie das Christuskind unbeeindruckt? Geschieht überhaupt was bei Ihnen, merken Sie noch was? Möchten Sie etwas sagen?

Blick nach vorne

Sie kennen doch die Zukunft dieses Knaben, Jesus von Nazareth! Wollen Sie ihm davon nicht etwas erzählen, diesem hilflosen Kind? Gefällt es Ihnen eigentlich wie Gott bei Ihnen ankommen möchte? In ihm ist Gott an Ihrer Seite, der Gott dem Sie glauben, oder? Er, der in Allem mächtig ist, und der in diesem Kind und seinem Werdegang so viel loslassen wollte und will, er liegt zu Ihren Füßen! Wenn Sie sich dieses Kind nun anschauen, dann geht Ihnen sicherlich auch seine Zukunft – oder ist es schon seine Geschichte – durch den Kopf?

Von seiner Jugend wissen Sie ja sehr wenig, ob er verliebt war, was er werden wollte, wie seine Freunde waren und wovon er geträumt hat, all das liegt im Dunkeln.

Dann macht er plötzlich von sich Reden, warum erst jetzt wissen Sie auch nicht, aber nun verkündetet er mit aller Kraft die Liebe Gottes, er lebt aus ihr und schenkt sie weiter. Menschen folgen ihm, wollen von seinem Gott immer mehr hören und seinem Reich von dem er spricht. Er ist für Sie angekommen! Spüren Sie etwas von seinem tiefen Vertrauen, das er zu seinem himmlischen Vater hat! Doch dann erhebt sich die Katastrophe des Kreuzes über alle Hoffnung! Die Hoffnung zerbricht, mit jedem Hammerschlag mehr und mehr in absolutes Schweigen! Dann der Aufschrei, er lebt, er ist auferstanden, wir haben ihn gesehen, sie können nicht mehr schweigen. Die Menschen damals! Und Sie?

Hallo, Sie sind nicht mehr allein an der Krippe, die Klassiker sind angekommen, und ein paar ganz einfache Menschen wie Sie auch, die heiligen drei Könige lassen noch auf sich warten, aber der vierte König ist schon da!

Sie hätten sicherlich noch gerne die ein oder andere persönliche Frage gestellt bezüglich ihrer Probleme und Sorgen, die Sie eben gerade am Wegrand geparkt haben, oder vielleicht bezogen auf ihre Sicherheiten, die sie vor wenigen Minuten kurzfristig in der Kategorie „nicht so wichtig“ abgelegt haben. Sie hätten an der Krippe ja auch mal die Frage aufwerfen können ob wir uns heute mit den Weihnachtsvorbereitungen nicht doch zu viel Stress machen? Willkommen im Trubel der Adventszeit!

Sollten Sie in den kommenden Tagen eine Krippe aufbauen, dann wäre es gut, wenn ihre Krippe ein wenig der Krippe von Bethlehem ähneln würde, von der niemand eine genaue Kenntnis hat, aber von der wir wissen, dass das wertvollste was den Menschen begegnen kann, Gott in diesem Kind namens Jesus von Nazaret, in einer Bescheidenheit zur Welt gekommen ist, die keine andere Bedeutung hat, als auf dieses Kind zu verweisen.

Manchmal vergessen wir, das Gott keinen Glanz braucht, er selbst ist der Glanz des Lichtes, jedoch auch dies ist wiedereinmal nur ein Bild. Wir Menschen brauchen ab und zu unseren selbstgemachten Glanz, um uns daran zu erinnern, das es noch etwas besonderes und so feiernswertes gibt, das jenseits des selbstgemachten Glanzes zu suchen ist. Aber wir können beruhigt sein! Gott hat in seiner Menschwerdung so viel Verständnis für uns Menschen in unseren Tag gelegt, das wir hoffen dürfen, dass er dieses Bedürfnis der Menschen, die Stille des Glanzes genießen zu wollen, wohl auch verstehen kann.

Übrigens: Nochmals zurück zu der Krippe, stellen Sie die Figuren nicht zu eng, damit auch für Sie noch ein wenig Platz in der Krippe ist!

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge – Zeitschrift für Pastoral und Gemeindepraxis 12/2001, S. 11-14.
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Christ König

Faxbox-Predigt zu Christkönig 2001

Das Geschehen in den Fußgängerzonen unsere Städte, die Dekorationen der Geschäften in denen wir in diesen Tagen einkaufen und die nun langsam aber sicher beginnenden Weihnachtsmärkte machen uns unmissverständlich deutlich: Weihnachten steht vor der Tür.

Das öffentliche Erscheinungsbild unserer Gesellschaft mimt fünf Wochen vor Weihnachten, natürlich nur in vorauseilendem Gehorsam, worum es an den bevorstehenden weihnachtlichen Festtagen zu gehen hat. So erstrahlen schon jetzt eine Fülle von Kerzen, Lichterketten und ganz neu kreierte Lichtkörper, die nicht nur die ersten Kerzen der Adventkränze, bevor diese überhaupt angezündet sind, in den Schatten stellen. Überall zeigt sich unser Land in festlichem Lichterglanz gewandet, und stellt uns indirekt vor die Frage, wem kann da noch ein Licht aufgehen?

Da macht in den vergangenen Tagen aber doch noch ein kleines Licht für einen Augenblick von sich reden.
Denn in dieser Weihnachtszeit vor Weihnachten ist ein kleines Licht mit großer Symbolkraft auf dem Weg von den alten griechischen Tempeln Olympias, wohl nicht nach Bethlehem sondern nach Salt Lake City in den USA. Diese Fackel ist kein Irrläufer, der auf dieser Route Bethlehem einfach verpassen muss, und sie ist auch nicht dazu bestimmt, den Menschen den weg zu Christus zu weisen! Nein, diese Flamme kündigt die Olympischen Winterspiele des kommenden Jahres an, die wohl wiedereinmal einige Millionen Menschen in ihren Bann ziehen werden, und es ist stark genug in den vergangenen Tagen die Titelseiten der Tagespresse zu schmücken. Dieses kleine Licht aber, ist schon vor der Geburt Jesu der Ausdruck für eine der größten Hoffnungen der Menschen gewesen, die Menschheit im gemeinsamen spielerischen sich messen zum Frieden führen zu können.

Nun aber ist die Verwirrung der Gefühle perfekt, wenn wir neben der verfrühten Weihnachtszeit, einer vor sich her dümpelnden Adventszeit, und dem olympischen Gedanken, der schon jetzt Anlauf nimmt, nun auch noch das zentrale Thema des heutigen Evangelium, Christus am Kreuz, vor Augen geführt bekommen.

Doch all diese aktuellen Phänomene haben eine sekundäre Gemeinsamkeit. Sie klar zu sehen ist ihnen verwehrt!
Eher zufällig wollte die diesjährige Entzündungszeremonie des olympischen Feuers in Griechenland nicht so recht klappen! Wo zündet man eigentlich diese Fackel des Frieden an? Natürlich an der Sonne, der Größe des zu verkündenden Ereignisses angemessen. So ist es mit der Zeit Brauch geworden, mittels eines Parabolspiegels, Energie der Sonne auf den noch kalten Docht der olympischen Fackel zu bündeln, um sie so zu entzünden. Wolken am Himmel allerdings verhinderten diese imposante Zeremonie und den Organisatoren dieses Schauspiels blieb nichts andres übrig, als zum Feuerzeug zu greifen, denn der verdeckte Himmel ließ keine klare Sicht zu, und so mißlang was der Mensch so sinnfällig plante!

So vernebeln andere Wolken die Weihnachtszeit vor Weihnachten, auch Adventszeit genannt. Fettige Wolken aus den Pommesbuden, Dämpfe aus großen Bratpfannen, süßliche Dünste aus Waffeleisen, eben all das, was als große schwere Glocke über jedem Weihnachtsmarkt liegt.
Hier ist der erwartende und hoffende Blick einer besinnlichen Adventszeit in munterem Treiben ad absurdum geführt!
Aber auch das heute im Evangelium vor uns aufgerichtete Kreuz Christi verdunkelt ein wenig unsere langsam aufkeimende vorweihnachtliche Stimmung, da es eher an Karfreitag erinnert als an das Kind in der Krippe, von dem wir vorgeben es als unseren Erlöser endgültig noch zu erwarten.

Und dann noch der Spott der Mächtige neben und unter dem Kreuz der dieses Christusereignis eintaucht in ein bizarr verzerrendes Licht.
Verhüllung, Verdunkelung, Bewölkung Überlagerung unterschiedlichen Ursprungs lassen hier das Wesentliche dieser Ereignisse in den Hintergrund treten!

Deshalb gilt es zu fragen:
Ist nicht die an der Energie der Sonne entflammte Fackel deshalb ein Symbol für den Frieden in einer unfriedlichen Welt, weil sie uns daran erinnert, dass alle Menschen von dieser einen Sonne gewärmt werden. Dieser Frieden aber immer wieder durch den absolut gesetzten Macht- und Besitzanspruch der stärkeren Menschen verdunkelt wird, und so ein friedvolles Miteinander der Menschen in den unterschiedlichsten Strukturen unmöglich macht.

Ist nicht die Adventszeit jene Zeit, die den Menschen das Gefühl wiedergeben will etwas erwarten zu dürfen, das der Mensch sich selbst nicht geben kann? Statt dessen wird alles finanzträchtige getan, um diese Erwartungen vordergründig aus eigener Kraft zu befriedigen! Ist nicht eine ständig vernietlichte Weihnachtszeit, die stehen bleibt bei Krippe, Lichterbaum und Geschenken der Versuch, die Tragik des Kreuzes, auf die dieses Kind zugeht, nicht wahrhaben zu wollen? So aber sind wir leicht geneigt die Ernsthaftigkeit des auf uns zukommen Gottes zu verdunkeln!

Und ist nicht der Spott der Menschen unter dem Kreuz Jesu das Zeugnis dieser in ihrer Existenz verunsicherten Menschen, die an diesem Kreuz nur Versagen sehen, nicht aber die konsequente Liebe Gottes!
Der oft verstellte Blick des Menschen, nicht mehr sehen zu wollen als das, was für seine nächsten drei Schritte zu reichen scheint, verdunkelt immer wieder das Notwendende. Das Olympische Feuer symbolisiert die Sehnsucht der wohl meisten Menschen in Frieden leben zu wollen. Doch das Scheitern dieser Sehnsucht liegt nicht in der „Zufälligkeit“ einer Wolke am Himmel, sondern in der Verdunkelung dieser Sehnsucht durch die Egoismen unterschiedlichster Interessen.

Der Advent steht für die Grunderkenntnis des Menschen, aus sich selbst heraus nicht heil sein zu können. Doch immer wieder verdrängt er seine eigene Hoffnung durch seine Überheblichkeit zu meinen, sich selbst mit dem Heil beschenken zu können.

Die Weihnachtszeit wird von manchem Mitmenschen als unrealistisch abgetan. Andere wiederum verpacken sie in eine Romantik des Augenblicks, da sie den klaren Blick auf die Konsequenz der Menschwerdung Gottes nur schwer ertragen können.

Wir flüchten oft aus sehr verschiedenen Gründen in das immer wieder gleiche Phänomen der Unschärfe, weil wir die Faktizität unserer Glaubenswahrheiten und Lebenswahrheiten oft nur schwer ertragen können.

Doch jede wie auch immer geartete Wolke hat keine Chance vor der Klarheit des Mensch gewordenen Gottes in Jesus Christus.
Die Worte vom Kreuz, die Christus dem einem Mitverurteilten zuspricht der ihn bittet: „…denk an mich, wenn du in deiner Macht als König kommst“ sind klar!
„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“
Diese Botschaft des Christkönigsfestes deckt auf, was letztendlich von uns nichts verdunkelt werden kann:

Wir Menschen sind Advent, erwartende Hoffnung!
Gott macht uns zu Menschen der Weihnacht, so bekommt unsere Hoffnung Hand und Fuß.
Der Karfreitag ist die Gottesferne des Menschen, nur aus ihm heraus ist uns Heil zugesprochen das jeder für sich erhoffen darf.
Deswegen macht auch die Kleine Flamme über Olympia hinaus Sinn; Gebt nicht auf sogar für den Gedanken des Friedens zu spielen!
So aber bleiben wir immer Menschen des Advents, die dem entgegengehen, den wir heute als Christus König feiern.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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Die neue Art erfolgreich zu sein

Faxbox-Predigt zum 9.9.2001

Wer zukünftig in den wohlverdienten Ruhestand oder auch Vorruhestand geht, der könnte sich dann vor ein ganz neues Problem gestellt sehen, das den Ruhestand zu einem Unruhestand werden lassen könnte. Denn glaubt man einer Pressemeldung der vergangenen Tage, dann denkt doch tatsächlich eine Bundestagsabgeordnete aus der Opposition laut darüber nach, einen „Pflichtdienst für Senioren“ in unserer Republik zu installieren. Die Begründung dafür ist aus ihrer Sicht ganz einfach. Da das freiwillige soziale Engagement in unserer Gesellschaft abnimmt, bürdet man den mutmaßlich Schwächeren in unserer Gesellschaft ein neues Päckchen auf die Schultern, so nach dem Motto: Da ihr ja sowieso für das Bruttosozialprodukt unattraktiver geworden seid, dann könnt ihr doch wenigstens unsere Sozialbilanzen etwas aufpäppeln. Auf Nachfrage, so die DPA, bestätigte die Politikerin, daß ein solcher sozialer Einsatz für Senioren „durchaus verpflichtend sein könne“.

So viel Taktlosigkeit verträgt auch das beste politische Sommerloch nicht.
Das haben dann auch ganz schnell die regierenden Politiker gemerkt und gaben ihrer Kollegin entweder eine eher emotionale Abfuhr, das diese Idee ja wohl „aus der politischen Klamottenkiste stamme“, oder eher etwas sachlicher, daß das „Grundgesetz der Bundesrepublik für diese Bevölkerungsgruppe eine Dienstpflicht verbiete“.

Es ist mehr als verwunderlich das ausgerechnet eine Politikerin der Christdemokraten auf Zwangsmaßnahme, bezogen auf das Ehrenamt, zurückgreift, um das Ehrenamt zu „fördern“ und nicht nach neuen und anderen Wegen der Motivation zum Ehrenamt fragt, zumal gerade christlich geprägte Einrichtungen, und das sind nicht nur die Pfarrgemeinden, in unseren Land wesentlich das Ehrenamt mit tragen. Hier sollte man doch mal nach den Motivationen des ehrenamtlichen Handelns fragen.

Die Grundmotivation einem anderen Mensch helfen zu wollen liegt in der Erkenntnis seiner Hilflosigkeit. Dies bedeutet, das ein hilfsbereiter Mensch die Augen offenhalten muß, um den oder die Menschen in seiner Umgebung zu erkennen, der einer Hilfe, Begleitung, Motivation oder eines Dienstes bedürfen der ihrem Leben gut tut.

Solch eine Sichtweise kann keinem Menschen verordnet werden, um ihn dann zur Handlung via Gesetz zu zwingen. Welche Qualität hätte dann eine erzwungene Mitmenschlichkeit überhaupt? Muß man sich das dann so nach dem Motto vorstellen : Ich muß Ihnen zwar helfen, will das aber eigentlich gar nicht und wenn die Kontrolle Schlupflöcher aufweist dann bin ich auch gleich wieder weg.

Grundsätzlich stimmt ja die Feststellung, daß das Ehrenamt, der freiwillige soziale Dienst beziehungsweise das Engagement für den Menschen abzunehmen scheint und/oder sich auf immer weniger Schultern verteilt. Diese Entwicklung aufzuhalten kann aber nur dann gelingen, wenn es in unserer Gesellschaft wieder ein anerkannter und honorierter Wert wird, sich im Sinne der Menschlichkeit für andere Menschen einzusetzen. Das bedeutet beispielsweise das nicht mehr nur Erfolg ein gesellschaftlich hoch anerkannter Wert ist, sondern daß gleichwertig auch das geleistete Ehrenamt, die zwischenmenschliche Hilfsbereitschaft in den Olymp der modernen Tugenden aufgenommen wird. Dabei dürfen aber Erfolg, um bei diesem Beispiel zu bleiben, und Menschlichkeit sich nicht gegenseitig ausschließen, was wiederum zur Folge hätte, daß in unserer Gesellschaft auch neu darüber nachgedacht werden müßte, welche Kriterien sie anlegt um einen Menschen erfolgreich zu nennen.

In diese Fragestellung aber mischt sich nun für den christlich motivierten Menschen das Evangelium des heutigen Tages ein. Da heißt es aus dem Munde Jesu abschließend: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht aus seinen ganzen Besitz verzichtet.“ Diese Aussage, „auf seinen ganzen Besitz verzichten“ ist als Option zu verstehen und deshalb formulieren andere Bibelübersetzungen das Jesuswort mit „wer sich nicht lossagt von seinem Besitz“ oder „wer seinen Besitz nicht geringachtet“.

Grundsätzlich aber bleibt die Intention Jesu: Ihr müßt entscheiden was euch wichtiger ist, entweder euer Besitz oder meine Nachfolge.

Nachfolgen heißt aber, wie auch Jesus, aus dem Glauben an Gott heraus jeden Menschen als eine Gabe Gottes anzunehmen, und – mit den wirklichen Möglichkeiten die wir haben – Mitsorge dafür zu übernehmen, daß das Leben der Menschen gelingt, in der gläubigen Erwartung, Gott wird den Menschen endgültig in seiner Hand halten. Davon gilt es Zeugnis abzulegen, und dem entsprechend auch zu handeln. Das bezeichnet einen Menschen, der sich auf Christus bezieht und so im nachfolgen will.

Das ist auch die Grundmotivation weshalb sich ein Christ für den Menschen – wie auch immer – engagiert, um so dazu beizutragen, daß das Leben der Menschen gelingen kann. Christinnen und Christen helfen den Menschen nicht nur um ihm eine Hilfe zu sein, sondern um im helfenden Handeln den liebenden Gott in Jesus Christus zu verkünden, dem es ein „Herzensanliegen“ ist einem jedem Menschen zu helfen endgültig bei Ihm zu Hause sein zu können.

Helfen im Sinne Besitz zu teilen und zu verteilen kann dabei eine große Hilfe für einen hilfsbedürftigen Menschen sein, und in diesem Sinn sind die Worte Jesu auf den Besitz des Menschen bezogen zu verstehen. Angehäufter Besitz, vielleicht sogar auf Kosten anderer Menschen, steht im Widerspruch zu Nachfolge. Wer im Namen Jesu an der Seite der Menschen steht kann nicht gleichzeitig unbedingt in den Augen unserer Gesellschaft erfolgreich sein. Wenn aber Erfolg bedeutet an der Seite der Menschen zu stehen und ihnen zu helfen, in Not sie zu begleiten oder einfach nur für sie da zu sein, dann ist der für den Menschen engagierte Mitmensch erfolgreich.

Dies bedarf eines Prozesses des gravierenden Umdenkens in unserer Gesellschaft das die Vorzeichen von Erfolg verändern muß, wenn der Mensch der Zukunft als Helfender nur erfolgreich sein kann und nicht mehr als Besitzender. Diese Haltung kann niemand, weder eine Politikerin noch das Christentum verordnen. Diese Haltung muß als der aufrechte Gang des Menschen für wertvoll erachtet werden und deswegen gewollt sein. Das ist die Herausforderung des Christentum und seine größte Chance für die Zukunft.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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Maria – Offenheit für die Fülle Gottes

Anna-Woche 2001 in Düren zum Thema
„Aus dem Innersten zum Äußersten – Heilige verrücken das Leben“

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

In der Hitliste der großen Persönlichkeiten des Christentum rangiert sie auf den ersten Plätzen. Sie wird verehrt und besungen, abgelehnt und geleugnet, sie ist Namensgeberin ungezählter Menschen, Vorbild und Ikone. Besondere Kräfte werden ihr auch heute noch nachgesagt und ganze Ortschaften verdienen an ihr gutes Geld. Sie ist öfters abgebildet als die verstorbene Lady Diana, populärer als der Papst und einige ihrer hartnäckigsten Fans behaupten, dass sie auch heute noch auf Erscheinungstournee ginge.

Wer ist dieser Mensch? Hier einige Daten:
Familienname: unbekannt
Vorname: Maria
Geburtsort: unbekannt
Geburtsdatum: irgendwann zwischen 20 und 14 Jahren vor Christus
Geschlecht: weiblich
Nationalität: Jüdin
Größe: unbekannt
Augenfarbe: unbekannt
Beruf: Hausfrau
Familienstand: verlobt
Kinder: ein Junge (soweit bekannt)
Besondere Merkmale: keine
Todestag: unbekannt

Soweit die uns bekannten Fakten!
Nun zu der Einschätzung dieser Persönlichkeit:
Heutzutage wird Maria allgemein als langweilig, uninteressant, gotteshörig und relativ dumm verschlissen. Zu sagen hatten die Frauen damals angeblich sowieso nichts, also muss auch Maria eine blasse Frau gewesen sein, ohne Format und Ausstrahlung. Auch wenn sie als Mutter Jesu eine hohe Bekanntheit genießt, so sagt das allerdings noch nichts über ihre Akzeptanz aus.

Viele ältere Menschen heute respektieren sie einfach als die Mutter des Sohnes Gottes. Jüngere Menschen haben zu ihr ein eher gestörtes Verhältnis, zumal junge Menschen oft mit den Bildern, den Darstellungsarten Mariens in der Kunst nur wenig anfangen können. Eine Frau die beispielsweise mit Krone, gekränzt von Sternen, in prunkvollem Gewande auf einem Halbmond stehend und von Lilien geziert dargestellt wird, entspricht heute weniger dem Geschmack des Zeitgeistes, und verhindert gerade bei jungen Menschen so oft den Zugang zu der Persönlichkeit dieser Frau.

Da hilft das wohl bekannteste Mariengebet – Gegrüßet seiest du Maria, voll der Gnade … du bist gebenedeit unter den Frauen … – auch nicht wirklich, Maria aus der Ecke der süßlich, dümmlich anmutenden Gottesgebärerin zu befreien. Wer an diesem Punkt in der Beurteilung dieser Frau allerdings stehen bleibt, der hat von dem Charakter dieser biblischen Prominenten nichts begriffen.

Was zeichnet Maria also wesentlich aus?
Maria ist eine gläubige und praktizierende Jüdin. Das bedeutet, dass Maria die Realitäten ihrer Zeit nicht nur nach deren Erklärbarkeit beurteilt, also nach dem, was das damalige Wissen für richtig und erkenntniswert hielt, beziehungsweise was die alles dominierende Männerwelt zur Wahrheit erhob. Maria erkannte hinter der sichtbaren und erklärbaren Welt ihrer Epoche, wie viele andere gläubige Juden auch, die Handschrift Gottes, dessen Namen sie nicht wagte in den Mund zu nehmen, um nicht den Anschein zu erwecken, Gott sei mit einer Namensgebung zu haben und somit zu begreifen.

Sicherlich unterschied sich Maria mit diesem Frömmigkeitsmerkmal nicht von ihrer Schwestern und Brüdern jüdischer Abstammung. Dass allerdings dieser Bundesgott der Urväter mit Maria eine ganz individuelle Geschichte schreiben wollte, die von einzigartiger Bedeutung für die ganze Welt werden sollte, traute man Gott kaum und Maria schon gar nicht zu.

Maria aber ließ sich nicht beirren und traute der göttlichen Stimme, auch wenn sie nicht begreifen, erklären und begründen konnte, warum ausgerechnet sie in den Augen Gottes eine besondere Rolle in der Geschichte zwischen Gott und der Menschheit spielen sollte. Das Entscheidende aber ist nun die Tatsache, dass Maria Gott etwas so großartiges zutraute, das jenseits aller menschlichen Erklärungsversuche geschehen würde, ungeachtet ob der Mensch das nun endgültig begreifen wird oder auch nicht.

Normalerweise wäre vielleicht zur damaligen Zeit eine gottesfürchtige Jüdin in Ohnmacht gefallen, während das Wort Gottes an sie erging, und nach dem ersten Schrecken hätte sie mit aller Ehrfurcht natürlich versucht, Gott abzuwimmeln so nach dem Motto: Bitte nicht mit mir, was sollen die Leute denn von mir denken, und überhaupt bin ich es nicht Wert, dass der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs an mir handelt! Eine Frau von weniger Format als Maria hätte sich eher aus dem Staub gemacht, in der Hoffnung, der liebe Gott hat doch nur einen Scherz gemacht. Aber weit gefehlt, Maria ist selbstbewusst genug um zu akzeptieren, dass Gott immer wieder den Menschen um Mithilfe bittet, damit er seine Vorhaben auch erden kann und diese so erfahrbar für die Menschen werden.

Maria traut Gott mehr Handlungskompetenz zu, als das Wissen der Menschen damals wie heute verkraften kann. Sie glaubt, vertraut und liebt das lebensspendende Wort Gottes, wider alle Erkenntnis und rationaler Vernunft! Bei einem solchen Vertrauen spielt es auch keine Rolle, ob Maria nun ihr Kind mit Hilfe eines Mannes oder eben auch anders bekommt. Sie mäkelt nicht herum, versucht auch nicht mit Gott zu verhandeln, um vielleicht ja doch noch einen kleinen Vorteil für sich selbst rauszuschlagen. Nein, ihr reicht das göttliche Wort vollkommen aus und sie akzeptiert, dass Gott mit ihrer Hilfe in dieser Welt ankommen will, um so ein ganz neues Kapitel in der Biographie Gottes mit den Menschen aufzuschlagen.

„Maria – Offenheit für die Fülle Gottes“, das Thema dieses Gottesdienstes, ist nun handlungsorientiert auf diese Kurzformel zu bringen: Gott entfaltet sich in dem Vertrauen dieser Frau namens Maria!

Was aber ist dabei die außerordentliche Leistung dieser Maria?
Maria entscheidet sich freiwillig für das Handlungsprinzip Gottes, in dem sie dem Wunsch Gottes ihre eigene Zukunft anvertraut und diese ihm frei entschieden überlässt. Das bedeutet aber nicht, dass Maria willenlos wird, im Gegenteil, der Willen Gottes ist auch der Wille Marias, ohne allerdings genau zu wissen wie dieses Abenteuer mit Gott enden wird.

Lassen Sie mich das in einem Bild verdeutlichen: Es ist nun schon fast 10 Jahre her, dass ich mit unserem verstorbenen Bischof Klaus Hemmerle eine lebhafte Auseinandersetzung hatte, wie denn am besten Maria in einem Bild darzustellen wäre. Jede figürliche Darstellung schien mir die Persönlichkeit Marias einseitig zu gefährden. Die Darstellung einer Schutzmantelmadonna z.B. reduziert Maria auf die sorgende Mutter der Menschheit. Die Maria unter dem Kreuz oder als Pieta reduziert Maria auf die leidende Mutter. Maria als Königin auf dem Halbmond umkränzt von Sternen reduziert sie auf die unerreichbare Himmelskönigin. Maria nur mit dem Kind im Arm reduziert sie auf die Gebärende. Maria als opfernde im Tempel mit dem greisen Simeon reduziert sie auf die religiös Praktizierende. All diese Bilder sagen etwas richtiges aber sind weit davon entfernt das grundsätzliche über diese Heilige auszusagen. Da scheint mir auch heute noch ein anderes „Bild“ entsprechender zu sein. Ich sagte zu Bischof Klaus, wenn ich ein Bild von Maria malen würde, dann zeichnete ich nur einen großen Kreis ca. zwei Meter im Durchmesser, oder ein eben so großes Viereck, leicht eingefärbt, das nur eine Intention hat, ein Hintergrund zu sein.

Das allerdings wäre noch keine Abbildung von Maria, sondern eine abstrakte Vergegenwärtigung ihrer Haltung: Maria ist der Hintergrund für das handeln Gottes! Maria, die sich entschieden hat alles zu investieren, ist der Hintergrund für einen Ausschnitt göttlichen Wirkens in dieser Welt. Maria macht Gott auf dem Hintergrund Ihres Lebens zum Vordergrund der Heilsgeschichte zwischen Gott und den Menschen. Nur so kann und will sie offen sein für die Fülle Gottes!

Vor einem solchen „Bild“, oder besser vor diesem Hintergrund können wir auch zu Maria beten:

Gegrüßet bist du Frau,
gerufene Maria.
Gott bat dich um deine Liebe,
du schenktest ihm all dein Fühlen.
Obwohl sein Gesicht dir verborgen,
du ihm nahe,
unteilbarer Augenblick,
so verlassen.
Umgeben von unbekannter Wärme
– dir vertraut –
streicheltest du deinen Bauch,
spürtest Leben,
dir geliehen,
du geschenkt,
uns gezeigt!

Mutter,
gerufene Maria:
Hilf uns dieser Wärme trauen,
die wir selbst auf Kälte bauen,
verraten so wonach wir suchen.

Mutter,
gerufener Mensch:
Hilf uns deine Hoffnung hoffen,
um im Sterben loszulassen,
was Gott uns nur geliehen,
damit wir spüren
des Lebens Leben!
Amen

Dieses Gebet aber macht deutlich, dass das Ereignis zwischen Gotte und Maria noch nicht abgeschlossen ist. Historisch und heilsgeschichtlich betrachtet ist es abgeschlossen in dem Sinne: Es ist geschehen! Aber handlungsorientiert bleibt die Begebenheit zwischen Gott und Maria ein aktuelle Provokation an uns heute als Christinnen und Christen, die wir heute selbst weitergestalten sollen!

Ein kurze Szenenwechsel:
Immer wieder werden Fans von großen Radsportlern, Fußballern, Motorsportlern, Schlagerstars und auch bedeutenden Literaten in Interviews gefragt, warum sie ihre Helden verehren. Oft hört man dann eine sehr einfache Antwort: „Weil sie für etwas stehen!“ (Politiker werden eher selten mit solchem Lob bedacht.) Diese Aussage, Menschen haben Respekt verdient, weil sie für etwas stehen und dafür auch einstehen, macht deutlich, wie sehr sich Menschen heute nach Vorbildern, zumindest aber nach Orientierung sehnen, um in dem Dschungel der Werteangebote nicht hilflos unorientiert zu bleiben.

Gerade auf dem Hintergrund der Geschichte muss immer wieder genau hingeschaut werden, wofür Menschen stehen und einstehen. Ein wesentliches Kriterium, das eine Handlung zu einem Wert macht, beziehungsweise ob Handlungen werteorientiert sind, ist die Frage: Dient das, wofür ein Mensch einsteht, dem Leben der Menschen in einer ehrlichen und verantworteten Gemeinschaft?

Maria stand mit ihrem ganzen Leben für Gott ein, für ihn stand sie grade, glaubte, vertraute und liebte. Solche Menschen braucht unsere Gesellschaft heute genauso wie in allen anderen Epochen vor uns. Aber solche Menschen fallen nicht vom Himmel. Solche Menschen sind schon geboren und sie tragen unsere Namen. Wir sind diejenigen, die heute gerufen sind der Hintergrund für die Nähe Gottes in dieser Welt zu sein und so die Erfüllung des eigenen Lebens selbst in die Hand zu nehmen! Auf unseren Lebensalltag und die damit verbundenen Entscheidungssituationen bezogen, kann uns eine weitere konkrete Haltung Mariens Orientierung geben. Mit Blick auf ihren Sohn sagte Maria zu den Handelnden bei der Hochzeit zu Kanaan: „Tut was er sagt!“ Entscheidungshilfe für uns heute ist aktuell die Frage: Wie würde Jesus in unserer Situation handeln?

Bitten wir die Gottesmutter:

Mutter,
gerufene Maria:
Hilf uns dieser Wärme trauen,
die wir selbst auf Kälte bauen,
verraten so wonach wir suchen.
Amen

Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 2001 in St. Anna, Düren gehalten. „Gegrüßet bist du Frau, gerufene Maria“ aus: „Schatz Ansichten – Entfesselnde Wortschätze“, 2001.

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Traumwort

Ich träume von einem Wort,
das um mich wirbt, zärtlich, zaghaft fragend
und von Hoffnung nur so strotzend.

Ich träume von einem Wort,
das meinen Puls durcheinander bringt,
mein Herz in Staunen versetzt
und ganz, ganz einfach ist.

Ich träume von einem Wort,
das mich umtreibt, in Frage stellt,
mich nicht wissen läßt ob es mir gut geht oder nicht
und das einfach bei mir bleibt.

Ich träume von einem Wort,
das vorm Einschlafen sagt: „Bis morgen kurz vorm Aufstehen.“
Ein Wort, das sich nicht schert um ein: „Wird morgen dann nicht
alles anders sein?“ Ein Wort nur und Seine Melodie.

Ich träume von einem Wort und dem, der es mir sagt!

Aus „Schatz Ansichten – Entfesselnde Wortschätze“, hrsg. von der Katholischen Hochschulgemeinde Aachen und dem Domkapitel Aachen, 2001.
In Lyrik + mehr, Salzburg 2002, Walheim 2003 veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Gemeinde – Heimat des Priesters?

Viele Seelsorger geraten in eine berufliche und existentielle Krise, wenn sie sich in ihrer Gemeinde nicht beheimatet fühlen. Ein Motivationsloch tut sich auf, in dem Seelsorger zu versinken drohen. In einer persönlichen Reflexion geht Christoph Stender der Frage nach, was ihn zum priesterlichen Dienst motiviert und ihm dabei Heimat gibt.

Bis zu meiner Priesterweihe waren es nur noch ein paar Monate. Obwohl ich im Reglement des Priesterseminars meinen Weg gefunden hatte, kam nun kurz vor der Weihe eine Spannung in mir auf, die dieser Alltäglichkeit des Priesterseminars ein Gesicht voller Erwartung gab. In wenigen Tagen stand das Gespräch mit dem Regens und kurz darauf mein Scrutinium mit unserem Bischof ins Haus. In diesen beiden Gesprächen war eine Frage besonders interessant für mich: „Was wünschen sie sich für Ihre erste Kaplanstelle?“ Dabei ging es nicht darum eine konkrete Kaplanstelle zu benennen, eher um die Abwägung, ob ich mit einer Pfarrei auf dem Land liebäugele, eine Stelle mit oder ohne Religionsunterricht wünsche, ob in irgend einer Gemeinde noch eine alte Liebe von mir zündelt, was für meine Tätigkeit dort eher abträglich gewesen wäre , ob ich lieber in einer von Industrie geprägten Gemeinde anfangen möchte oder ob ich mich doch wohler fühlt in einer von Akademiker und Akademikerinnen getragenen pfarrlichen Struktur.

Mir war klar, dass keine Gemeinde einen bestimmten Menschenschlag in Reinkultur beherbergt, und so äußerte ich zwei eher allgemeine, aber ernst gemeinte Wünsche: „Ich möchte nicht aufs Land, und wenn möglich auch keinen Religionsunterricht erteilen.“ Soweit meine beiden bescheidenen Wünsche, deren Beachtung meine sowieso schon hohe Motivation noch ein wenig mehr hätte steigern können.

Kurz vor der Weihe erfuhr ich dann offiziell, dass meine erste Stelle mitten in der Eifel lag –und das ist Land pur! Kein halbes Jahr dauerte es, bis mich einer unserer Weihbischöfe in meiner „Eifelstadt“ besuchte und mir fast beiläufig die Frage stellte: „Finden Sie es gut, dass in zwei der umliegenden Schulen kein Priester mehr präsent ist?“ Und so kam es auch hier wieder einmal anders als ich dachte. Zum neuen Schuljahr, nur drei Monate später, unterrichtete der junge Herr Kaplan an einer katholischen Grundschule und am Bischöflichen Gymnasium vor Ort!

Unverhofft kommt oft

„Typisch“, wird nun so mancher sagen. „Das habe ich ähnlich erlebt.“ Doch ich muss gestehen, als mir diese zwei unverhofften Botschaften zugetragen wurden, war ich weder frustriert noch sauer noch von der Bistumsleitung enttäuscht. Ich packte die mir übertragenen Aufgaben einfach an und weder meine Tätigkeit in den ländlichen Pfarreien, noch der Religionsunterricht schmälerten mein Motivation. Ungeachtet der Erfahrungen aus zweiter Hand, das Land und die Schule seien für meine Fähigkeiten und Talente ein „pastoraler Sumpf“, in dem ich gnadenlos absaufen würde, setzte ein einfacher (priesterlicher) Instinkt bei mir ein: Keine Sorge. Dort, wo man dich hin schickt, werden auch Menschen existieren, die Sehnsucht nach ihrem Leben und nach Gott haben und das reicht mir vollkommen!

Nicht erst in der Rückschau darf ich sagen: Diese unerwünschten Umstände haben mich herausgefordert. Sie eröffneten meiner Kreativität unbekannte Spielräume und ließen mich sehr viel Anerkennung erfahren. Ich lernte wieder einmal mit einigen meiner Fehler leben zu müssen. Und darüber hinaus konnte ich in der Praxis anderer priesterlicher Kollegen erfahren, „wie man es besser nicht machen sollte!“

Schon während meiner damaligen Tätigkeit auf dem Land, in der Schule und später auch in der regionalen Jugendarbeit war mir bewusst, dass diese Zeit eine reiche Zeit sein würde. Sie war zwar nicht immer ganz einfach und es gab auch Augenblicke, in denen ich mich allein gelassen, ja sogar verletzt fühlte. Trotzdem: Diese Zeit tat mir gut und ich habe mich in „meinen“ Gemeinden und Dörfern beheimatet gefühlt!

Unverhofftes Geschenk

Auch wenn nicht jede Entscheidung meiner Vorgesetzten nach meinem Geschmack ist und ich auch heute noch immer den Protest nicht scheue, so konnte ich meinem damaligen Bischof für seine Entscheidung nur danken –und das habe ich auch getan. Meine Grundmotivation, vor knapp 15 Jahren Priester zu werden und es heute immer noch bleiben zu wollen, ist die Tatsache, dass es Menschen gibt (und ihre Zahl scheint zu steigen), die sich nicht scheuen ihrer Sehnsucht nach einer universalen Liebe zu trauen, mit der sie über sich selbst hinausgreifen und etwas berühren, das jenseits der eigenen Machbarkeit nur zu entdecken, nie aber zu haben ist. Eine Sehnsucht nach Liebe, die man nie besitzen kann.

Immer wieder lerne ich, ob nun auf dem „Land“ oder in der „Stadt“ solche mutige Menschen kennen, die mir durch ihre authentische und menschenfreundliche zeigen, was es bedeutet in unserer beschleunigten Zeit an einen Gott zu glauben, der sich durch nichts davon abbringen lässt fest an uns Menschen zu glauben, auch wenn viele andere unserer Zeitgenossen meinen Ihn schon längst überholt zu haben. Ich treffe immer wieder auf Menschen, die ihrer Sehnsucht trauen, einfach nur von Gott überzeugt sind oder sich ausstrecken nach dem, der im Alten Testament von sich selbst sagt: „Ich bin der Ich-bin-da!“

Menschen ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten, auch wenn sie erst am Beginn ihrer Suche stehen, lohnt sich –an welchem Ort auch immer. Eine vielleicht nur kurze Zeit an der Seite dieser Menschen ermöglicht auch mir als Priester mich auch selbst einzubringen mit meinem Glauben, meinen Fähigkeiten und Talenten. In solcher Gemeinschaft erfahre ich nicht selten diesen Augenblick gemeinsam ein Haus der Sehnsucht nach Gott zu bewohnen. Das motiviert mich. Für diese Menschen bin ich ein Priester auf gemeinsamem Weg und sie lassen mich erfahren, was sie von mir als Priester erwarten: Priester mit einem eigenen Namen zu sein! Bei diesen Menschen fühle ich mich beheimatet, nie aber geborgen.

Nähe und Distanz

Immer wieder mache ich die Erfahrung nicht zu allen Menschen in einer Gemeinde in gleicher Weise Nähe und Distanz ausloten zu können. In einer überschaubaren Gemeinschaft von einer Hand voll Menschen, wie es in einem Priesterseminar oder einer Ordensgemeinschaft der Fall ist, würde ich alles daran setzen, dass keiner in einer solchen Gemeinschaft das Gefühl hätte von mir weniger Präsenz zu erfahren als die anderen. In meiner momentanen diözesanen Tätigkeit umfasst meine theoretische Zielgruppe jedoch ca. 35.000 Menschen. Für einen solchen Personenkreis kann ich nicht in gleicher Weise da sein. Das verlangt auch niemand von mir, Gott sei Dank! Aber in jeder Gemeinschaft bilden sich Gruppierungen heraus, die die Nähe zu den Ansprechpersonen ihrer Kirche suchen. Doch selbst dieser großen Zahl von „Interessierten“ kann ich nicht in gleicher Weise gerecht werden. Es gibt unter ihnen Menschen, die ich auch privat besuche und solche, bei denen ich das bewusst unterlassen. Es gibt „mir anvertraute Menschen“ zu denen ich einfach keinen besonderen Draht habe. Ich würde lügen, wenn ich bei dieser freundlichen Formulierung bliebe und muss exakter formulieren: Es gibt in „meiner Gemeinde“ Menschen, die ich einfach nicht mag. Das klingt hart, ist vielleicht auch so, aber es ist ehrlich! Sicher, auch ihnen muss ich gerecht werden. Mehr noch, für sie sollte ich einen besonderen Blick haben, um sie nicht aus dem Blick zu verlieren. Darüber hinaus will ich aber auch die Tatsache respektieren, dass in „meiner“ Gemeinde auch nicht alle zu ihr gehörenden Personen etwas mit mir zu tun haben wollen, da auch meine Nase einigen nicht gefällt, beziehungsweise ich nicht dem Priesterbild entspreche, das einige Gotteskinder gerne sähen.

Gemeinde – Heimat des Priesters?

Gemeinde als Heimat kann sich heute in den meisten Fällen überhaupt nur auf eine Gruppe von Menschen aus der Gemeinde beziehen, in der sich ein Priester auf Grund von zwischenmenschlichen Beziehungen beheimatet fühlt. Eine allgemeine Beheimatung in der Gemeinde kann höchstens so verstanden werden wie die Beheimatung eines Menschen in einer Volksgemeinschaft oder einem bestimmten Landstrich. Mit ihr ist jedoch kein konkretes Beziehungsgeflecht bezeichnet, sondern „nur“ die gewachsene Emotion: Hier ist mein zu Hause.

Doch kann diese Beschreibung auch der Gefühlslage älterer Mitbrüder gerecht werden? Öfters höre ich von älteren Priestern, die als Pfarrer einer Gemeinde über viele Jahre tätig sind: „Meine Gemeinde ist mein zu Hause, meine Familie, meine Heimat“. Doch diese Erfahrung, ob sie nun auch von den Gemeindemitgliedern so mitgetragen ist oder nicht, wurde bei manchem Priester herb enttäuscht, als er dann als Bewohner eines Altenheims oder einer ähnlichen Einrichtung spüren musste: „Meine“ Gemeinde gibt es zwar noch, aber sie ist nicht mehr für mich da.

Aus der Perspektive der Personalverantwortlichen und mit Blick auf die Gemeinde, sowie auf einen nachfolgenden Pastor kann es richtig sein einen pensionierten Pfarrer nicht am Ort seiner langjährigen und verdienten Tätigkeit zu belassen. Gleichzeitig kann das aber auch bedeuten, einen Priester im Ruhestand, der sich in seiner Gemeinde über Jahre hinweg zu Hause fühlte, seiner Heimat zu berauben. An diesem Punkt scheitert letztendlich die Vision mancher älterer Mitbrüder.

In Zukunft wird die Gemeinde als Heimat des Priesters immer mehr zur Utopie, je mehr zusätzliche Pfarrgemeinden einem einzelnen Priester übertragen werden. Schon durch die Zusammenlegung wird die Erfahrung, die ältere Priester gemacht und genossen haben, in Zukunft immer weniger erfahrbar sein. Doch auch wenn mehreren Gemeinden in der Ernennungsurkunde zum Pfarrer aufgeführt sind, erleben einige Priester ein solches wie auch immer bezeichnetes „Geschenk“ als ihre Heimat. Wenn es diesem Mitbrüdern dabei wirklich gut geht, kann ich mich darüber nur freuen, auch wenn ich für mich solche Heimatgefühle nicht nachvollziehen kann. Für mich bleibt bei diesen Überlegungen eine Frage: Wesentlich ist nicht, was meine Heimat als Priester ist, sondern wer mir eine Heimat als Priester sein kann.

Als Priester geborgen

In „meiner Gemeinde“ fühle ich mich zu Hause. Ich kann auch sagen, dort weiß ich mich beheimatet. Geborgen fühle ich mich dort allerdings nicht und möchte es dort auch nicht sein. Was bedeutet es für mich als Priester geborgen zu sein? Ohne hier einen Seelen-Striptease hinlegen zu wollen, kann ich zu solch einer sehr persönlichen Fragestellung sagen: Geborgen fühle ich mich bei den Menschen, denen ich mich so anvertrauen kann wie ich bin, mit all meinen Freuden, Ängsten, Sorgen, Unvollkommenheiten und Sehnsüchten. Menschen schenken mir Geborgenheit, wenn sie mein Fragen und Zweifeln mittragen, wenn sie mit mir gemeinsam aushalten können, dass auch ich nicht perfekt bin –auch wenn ich manches Mal nach außen hin vorgebe so zu sein. Und wenn Menschen in meiner tiefsten Einsamkeit einfach da sind ohne zu stören. Geborgenheit hat etwas zu tun mit fundamentalem Vertrauen, Sympathie im wahrsten Sinne des Wortes, verschenkender Nähe und der Bereitschaft zur Vergebung.

Was ich hier nur andeuten möchte, wirft die konkrete Frage auf: Wer sind diese Menschen, die solche Geborgenheit geben können? Ich habe Menschen auch in Gemeinden kennen lernen dürfen. Viele sind es nicht, die mir als Freude und Freundinnen diese Geborgenheit schenken und denen ich diese Geborgenheit umlegen darf. Diese Menschen geben mir die Kraft, die ich neben der Freude an meiner Tätigkeit als Priester brauche, um das Gottesgeschenk meines Lebens immer wieder neu in die Hand nehmen zu können, in der Hoffnung dieses von Gott mir zugemutete Leben möge Ihm auch gefallen. Diese wenigen, aber mir so wertvollen Menschen sind meine Heimat.

Heimat unter Priestern

Am Anfang meiner Tätigkeit als Kaplan hatte ich gehofft, solche Menschen gerade unter Priestern zu finden. Leider habe ich mit Blick auf einige meiner Mitbrüder die Erfahrung gemacht, dass oft der Neid um die Talente des Mitbruders, auch wenn sie keine besonderen sind, den Weg zu einer Geborgenheit von Anfang an verhindert. Gerade unter Priestern, die ein Segen sein sollten, habe ich es oft erlebt, dass sie den Segen, der ein Mitbruder sein kann, nicht aushalten können und in Neid erstarren. Das gilt sicher nicht für alle Priester, doch vielen stehen die Talente und Fähigkeiten der anderen Kollegen im Wege. Anstatt sich über die Talente der Anderen zu freuen, werden sie mit Argwohn beäugt. Diese Beobachtung macht mich traurig.

Es ist für den priesterlichen Dienst, die persönliche Motivation und die Lebenskultur eines jeden einzelnen förderlich in Konvenien oder ähnlichen Begegnungen neidlos einander die eigenen Lebenserfahrungen zuzumuten und Anteil am Leben der Mitbrüder zu nehmen. Hier sollten „Futterneid“ und Argwohn keinen Platz haben. Mir scheint, dass unter Priestern immer größere Sprachlosigkeit herrscht, wenn es um Fragen geht, die das Selbstverständnis des Priesters betreffen, die nach der Lebenskultur und den tragenden Beziehungsgeflechten fragen, sowie nach dem eigenen Glauben. Hier müssen wir Priester eine gemeinsame Kultur neu gestalte, damit wir in die Lage kommen, uns auch hintergründig besser „riechen“ zu können.

Heimat, in die niemand folgen kann

Ich habe versucht, der Frage nach der Beheimatung des Priesters unter Menschen, wenn auch nur im Fragment, nachzugehen. Einmal mehr bin ich gestolpert über die Erfahrung einiger älterer Priester, nicht mehr in ihrer Gemeinde verweilen zu können und die dadurch heimatlos geworden sind. Dieses Gefühl möchte ich mir ersparen, und das nicht erst im Alter.

Unter den drei Beziehungsgeflechten Gemeinde, Freundschaften und Mitbrüder ist für mich am tragfähigsten dieses eine, das mir Geborgenheit schenkt! Doch meine Freundinnen und Freunden will ich bitten: Haltet mich fest, doch haltet mich nicht! Wer mir wirklich nahe steht weiß am Besten, wer mich in meinem Herzen hält: Der, der mich sendet. Vielleicht auch dorthin, wo mir niemand folgen kann.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge – Zeitschrift für Pastoral und Gemeindepraxis 6/2001, S. 16-20.
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