Oder: Das „hohe C“ in der Politik und der ständige Stimmbruch!
Erster Teil
Impulsreferat zur Mitgliederjahresversammlung
der Jungen Union Aachen, am 13. 03 2005
Wert als Begriff
Wert allgemein:
Der Begriff Wert wird gegenwärtig vorwiegend im Plural benutzt und bezeichnet:
- Auf das Subjekt bezogene Werte, die der Mensch für sich (persönlich) geltend macht (subjektive/relative Werte).
- Vom Subjekt unabhängig als verbindlicher Wertekanon (objektive/absolute Werte) der für eine Gesellschaft (alle Subjekte/Menschheit) Gültigkeit hat
Umgangssprachlich wird auf die objektiven/absoluten Werte bezogenen relativierend vom „Wertepluralismus“ gesprochen, der auf seine potentielle „Konsistenz“ hin als diskussionsfähigen betrachtet wird, im Sinne eines potentiellen „Wertewandels“.
Konkret:
Vom Subjekt unabhängig meint: Die dem Menschen vorgegebenen (allgemein als geboten erkannten) Werte und Pflichten, als sittliche Ordnung verbindlicher Normen, über deren Einhaltung die Gesellschaft wacht. Auf das Subjekt bezogen meint: Die für die eigene Lebensführung selbst auferlegten Werte und Pflichten, über deren Einhaltung primär das Subjekt wacht.
Begriffsentwicklung:
Dem Begriff Wert entsprach noch bis Mitte des 20. Jh. der Begriff der Tugend. Der Singular Tugend wurde unter dem (christlichen/puritanischen) Einfluss eines idealistisch geprägten Persönlichkeitsbegriffes primär auf die Disziplinierung der Sexualität reduziert.
Der Begriff Tugend bezeichnet im ethischen Sinne die Sittlichkeit, konventionellen akzentuiert die (sittliche) Reinheit der Lebensführung im Sinne einer moralischen Untadeligkeit. Tugend ist die unscharfe deutsche Übersetzung des griechischen Wortes „areté“, das in der europäischen Geistesgeschichte eine zentrale Bedeutung einnimmt. Dieser Begriff bezeichnet die „Gutheit“, die auf den Menschen bezogen sein an Sittlichkeit orientiertes Handeln wertet.
„Wert – Ansichten“
Die sittlichen Leitlinien bei Platon:
- Gerechtigkeit
- Klugheit
- Tapferkeit
- Maß
Die christliche Ergänzung der (Kardinal) Tugenden durch Thomas von Aquin:
Den Rang einer Kardinaltugend nimmt die Nächstenliebe ein, weil sie in der christlichen Ethik einen besonderen Stellenwert hat. Sich auf das Alte Testament beziehend (5. Mose 6,5) wird Jesus in Mt. 22, 27f. zitiert:
„Du sollst lieben Gott, deinen Herrn,
von ganzem Herzen, von ganzer Seele
und von ganzem Gemüte.
Dies ist das vornehmste und größte Gebot.
Das andre aber ist dem gleich:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Im 17. Jh. findet sich bei Geulinck1 folgende Aufzählung der Kardinalstugenden:
- Fleiß
- Gehorsam
- Gerechtigkeit
- Demut
Im ausklingenden Mittelalter sind die Tugenden ein standessicherndes Prinzip der Zünfte (wie auch des späteren Bürgertums) gegenüber und in Abgrenzung zu den Feudalsystem.
Immanuel Kant, der „Kategorische Imperativ“2:
Kant hat auf die Frage nach dem Maßstab sittlichen Handelns formuliert: Das Maß, nach dem der Einzelne zu handeln gehalten ist, soll sich zugleich dazu eignen, Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung (Handlungsweisung) zu sein.
„Preußische“ Tugenden:
- Standhaftigkeit
- Ordnung
- Arbeitsamkeit
- Sparsamkeit und Bescheidenheit
- Pflichterfüllung und Gehorsam
Die Rangordnung der Tugenden betreffend, bzw. die Wurzel aller Tugenden freilegend kommt Josef Pieper zu dem Schluss:
Die Klugheit – als insgesamt menschliches Erkenntnisvermögens – ist Ursache, Wurzel, Gebärerin, Maß und Richtschnur aller Tugenden. Denn das Richtige kann nur tun, wer die Wirklichkeit kennt. Die Klugheit (Fähigkeit zu selbständigem Urteil und begründeten Entscheidungen unter pluralistischen Bedingungen zu denken.) ist der Inbegriff sittlicher Mündigkeit und Freiheit.
- Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit.
- Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist ein Hebel des Bösen. Ohne Klugheit und Gerechtigkeit gibt es keine Tapferkeit, denn nur wer klug und gerecht ist, kann auch tapfer sein.
- Das Maß hält im Menschen wahrend und wehrend Ordnung. Das Maß schafft die Voraussetzung dafür, dass der Mensch das eigentlich Gute zu verwirklichen vermag und sich auf sein eigentliches Ziel hinbewegen kann.3
Exkurs: Stichworte zum naturalistischen, normierenden und personenbezogenen Menschenbild
Naturalistisches Menschenbild > Gesellschaft als Garten lässt wachsen > Kindergarten als Beschulungsform.
Normierendes (negatives) Menschenbild > Gesellschaft als Konformität > Beschulung mit dem Ziel der Normierung.
Personenbezogenes Menschenbild > Gesellschaft als Entfaltungsraum > Beschulung als dialogische Subjektwerdung in Welt (Welt im Sinne dessen verstanden was „ich“ nicht ist).
Motiv, Person und Fähigkeit, als Handlungselemente.
Handeln:
Was man macht > Motiv.
Wie man es macht, was man macht > Persönlichkeit.
Wie gut man das macht, was man macht > Fähigkeit.
Werteoptionen als Parteinahme
- Gerechtigkeit (am Grundgesetz und den Menschenrechten orientiert), auf das Ganze der „Polis“ schauend weitsichtig für sie sorgen, also Alle betreffend politisch, aus der ehrlichen Analyse der Gegenwart heraus, auf Zukunft hin zu handeln!
Kritein4: Geht das heute (überhaupt) noch und wenn nicht, wen entlässt die „Politik“ aus der „Polis“ ins Abseits?
- Die Sorge um einen nicht nur überlebensrelevanten Ausgleich der sich in unterschiedlichen Tätigkeiten und Situationen befindenden Menschen (Familien, Alleinerziehende, Alte, Kranke etc.) einer Gesellschaft, in der jeder Mensch ein Recht auf gleiche Behandlung hat, aber nicht die gleichen Fähigkeiten im Allgemeinen besitzt, und deswegen im Besonderen unterschiedlichen (Erwerbs-) Tätigkeiten nachkommt, beziehungsweise in verschiedenen Lebenssituationen sich befindet.
Kritein: Ist ein materieller oder ideeller Ausgleich der unterschiedlichen Begabungen und damit verbunden der (beruflichen) Möglichkeiten leistbar, ohne Leistungsanreize abzubauen (jenseits freiheitsverachtender Ideologien wie sie z. B. in sozialistischen oder kommunistischen Systemen zu finden sind)?
- Wirtschaft als Wert und wirtschaftslose Werte. Ist Wachstum der Maßstab, oder welches Instrument regiert? Öffentliche Abwägung politischer Handlungsmöglichkeiten in selbstkritischer Reflexion.
Kritein: Die selbstkritische und öffentliche Abwägung politischer Handlungsmöglichkeiten ist besonders wahlkamptechnisch undenkbar, weil von den Parteien nicht gewollt und vom Wähler in der Regel ais zu anstrengend erachtet, beziehungsweise eine klarer Besitzstandserhalt als Minimum politischer Leistung vom Wähler erwartet wird.
- Politik als die Förderung/Stärkung der Begabungen einer Gesellschaft zu deren eigenem Wohl.
Kritein: Steht dieser Förderung/Stärkung nicht z. B. parteipolitische Zweckorientierung und/oder die hauseigene Ideologie entgegen? (Bildlich: Die Revolution frisst ihre Kinder. Oder: Ich züchte mir nicht die Natter an der eigenen Brust.)
- Gesellschaft als Lernfeld und Ort der Realisierung des kulturellen Habitus und dessen „Erweiterung“. Kultur hier verstanden als kulturschaffender Selbstvollzug von Gesellschaft.
Kritein: Kultur, ist das schwächste Glied in der Kette der Kostenminimierung.
- Konkretes Handel auf die Situation der Polis bezogen. (Autobahnabfahrt, Sozialausgleich für …, Baum pflanzen, Drogenszene in… etc.)
Kritein: Abwägen nach welchen Kriterien und Maßstäben?
Exkurs: Die politische Partei und ihre Politiker
Der Politiker, die Politikerin:
Politiker sind Personen mit verzeihbaren, also bürgerlichen Skandalen, irgendwie für jeden „passierbar“ (Es passiert halt, aber es ist ja noch immer gut gegangen, allerdings nur bis dass Fass überläuft.) und nachweislich nachzahlbar (Er hat die Steuer betrogen aber im Nachhinein alle Steuern abgeführt.), letztlich glaubhaft, kompetent in der Vermittelung und vom Wesen her ehrlich.
Kritein: Politik (die Macht das Schicksal relativer Massen zu bewegen) macht gewichtig, macht sexy (allerdings nicht immer), bringt (meistens) Geld/Einfluss und steigert das Selbstwertgefühl (auch hinein in Abhängigkeit). Aber auch die Erfahrbarkeit des eigenen Scheiterns und die Technik deren „politischer Bagatellisierung“ sind Realität eines Politikers, einer Politikerin bis hin von allen geschützt sich selbst bis zu einem bestimmten Punk bedienen zu können.
Wünschenswerte Tätigkeiten von Politikerinnen und Politikern:
- Dienen (Minister = der Diener), bescheiden, aber nicht billig anbiedernd, Einstehen für z.B. Werte, Worte und Versprechen.
- Authentisch sein (Selbstwertigkeit).
- Unabhängig sein (Grundsätzlich gilt: Dem Schatten aus dem Weg gehen.).
- Kompetent sein (sachorientiert, strukturell klar, machbarkeitsorientiert etc.).
- Ehrlichkeit kontra Machtgeilheit.
Die Partei:
Parteien definieren sich nicht durch die Ansammlung relativ gleichgesinnter Politikerinnen und Politiker, sondern durch das Vorhanden sein und die entsprechende Transparenz (Durchscheinbarkeit) dessen, für das Menschen gemeinsam öffentlich, mit dem Ziel der Einwirkung, Partei ergreifen.
Der Zweite Teil des Impulsreferates unter dem Teiltitel „Das „C“ in der Partei“ soll anlässlich eines Studientages der Aachener Jungen Union voraussichtlich im Juni 2005 gehalten werden.