www.christoph-stender.de

Wenn ich denke, bin ich friedlich

Ich denke Gedanken des Friedens und frage nach meinem Feind, ob es ihn gibt, wo er ist, und ob er mich meint.

Ich denke Gedanken des Friedens und Differenzen, Unterschiede, das anders sein des Anderen kommt mir in den Sinn.

Ich denke Gedanken des Friedens und beschwichtige meine Angst, legalisiere meine Unsicherheit und kokettiere mit meiner Nacktheit.

Ich denke Gedanken des Friedens und ziehe Strategien, Methoden und Programme zu rate.

Ich denke Gedanken des Friedens und organisiere mich, trete Vereinen bei und spende.

Ich denke Gedanken des Friedens und ziehe Statistiken heran, befasse mich mit Prognosen und setze auf Durchschnittswerte.

Ich denke Gedanken des Friedens und wandle in den Gefilden der Philosophie, rezitiere Schöngeistiges und lass mich fallen in den Schoß der Musen.

Ich denke Gedanken des Friedens und mache Anleihen bei Religionen, politischen Systemen und Ideologien.

Ich denke Gedanken des Friedens und Kerzen sehe ich vor meinen Augen, eine, eine ganz große und ein Meer von Kerzen.

Ich denke Gedanken des Friedens und diskutiere, disputiere und demonstriere.

Ich denke Gedanken des Friedens und finde mich wieder an Ecken, Ständen und in Konzerten.

Ich denke Gedanken des Friedens und sinne nach über Abkommen, Verträge und Regeln.

Ich denke Gedanken des Friedens und möchte selbst nicht erschlagen, verletzt oder benachteiligt werden.
Immer wenn ich Frieden denke, bin ich nicht bei mir oder nur bei mir.
Immer wenn ich Frieden denke, bin ich nur hier, da und dort.
Wir denken den Frieden, weil wir Frieden selbst nicht sind. Weil wir Frieden denken, sind wir friedlich.

Was wären wir ohne die Gedanken des Friedens? Ungeheuer, die im Stande wäre Gedanken des Friedens zu denken.

Mensch, hättest du keine Religion, du bedürftest trotzdem der Erlösung!
Und wer meint, es gäbe keinen Gott, der müsste sich eines Besseren belehrt wissen von dem Augenblick an, da er den ersten Gedanken des Friedens gedacht hat.

Geistliches Wort zur außerordentlichen Mitgliederversammlung, 4.6.2005
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Kinderlose in die Verantwortung nehmen

Wenn eine Zeitung von gestern alt ist, dann kann der Lokalteil vom 11. Mai 2005 eigentlich gar nicht mehr wahr sein. Schade wäre es für die dort angekündigte Initiative, bei deren Lektüre so mancher gedacht haben wird:

Doch, das ist eine gute Idee. Da ging es um das lokale Bündnis für Familie. Eingerahmt von zwei Bundesministerinnen wurde diese Bundesinitiative von der lokalen Wirtschaft, gesellschaftlichen Gruppen, der Politik und der Wissenschaft aufgegriffen mit dem Ziel, Aachen familienfreundlicher zu gestalten. Wir sind die 145. Stadt der Republik, in der man es richtig findet, für Familien was zu machen. Klingt gut. Und wieder ist ein Problem erkannt, delegiert und vergessen? Das wird wohl so sein, es sei denn, wir Aachener würden Konsequenzen aus der Tatsache ziehen, dass für Kinder nicht nur Erziehungsberechtigte Verantwortung tragen, sondern Kinder das Anliegen der ganzen Bevölkerung einer Stadt sein sollten.

Hintergrund: Eltern mit Kindern zahlen wesentlich mehr Mehrwertsteuer als z.B. ein Single, der für seinen notwendigen Lebensunterhalt einfach weniger benötigt. Ebenso entstehen in Familien „Mehrkosten“ für Bildung, Freizeitgestaltung, soziales Engagement, Vereinszugehörigkeit etc. Kindergeld und Steuererleichterungen sind eine Unterstützung aber keine angemessene Entlastung. Klar ist aber auch: Die heutige Kindergeneration wird morgen unsere Gesellschaft weitgehend finanzieren und Träger des Wachstums, also unseres Wohlstandes sein. Was ein familienfreundliches Aachen angeht könnte hier ein einmaliges soziales Zeichen in Europa gesetzt werden, die Aachener Initiative: „Dein Kind unsere Zukunft“. Aachenerinnen und Aachener, die selbst nicht das Glück haben oder hatten Kinder, auf dem Weg des Erwachsenwerdens verantwortlich zu begleiten, zahlen freiwillig einen monatlichem Betrag von z. B. 30 Euro an den e.V. der Aachener Initiative Bündnis für Familie.

Davon könnten dann für Familien mit Kindern kostenlose Freizeitangebote finanziert werden, Integrationsangebote für Kinder unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds, oder der mittägliche Aufenthalt in der Schule. Das wären bezogen auf 1000 kinderlose Mitbürger 30 000 Euro pro Monat. Flankieren konnte dieses Engagement die Initiative: „Kinder, meine Nachbarschaft“. Hier würde in die Kinder „nur“ Zeit investiert, als Babysitter, Hausaufgabenhilfe, Eventpartner oder so. Wer sich so mitverantwortlich engagiert, würde ein „öffentliches Zertifikat“ erhalten, damit jene nicht unerkannt abtauchen können, denen die Kinder in unserer Gesellschaft egal sind. Verordnet werden darf solch ein Engagement sicher nicht, aber ein wenig sozialer Druck kann nicht schaden. Entscheidend aber für eine familienfreundlichere Kultur ist die gemeinsam wahrgenommene Verantwortung für die Kinder unserer Stadt.

Unkonventionell, konkret und nachhaltig zu handeln, sowie nach weiteren Perspektiven zu suchen, stünde unserer Aachener Familienkultur gut zu Gesicht.
Ich bin kinderlos und wäre mit dabei.

Quelle: Aachener Zeitung, 25.5.2005.
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Öffentlichkeit contra religiöse Symbole

Kreuz und Kopftuch – die ersten tragischen Helden des Kulturmobbing

Wir bauen einen Maialtar

Der Aufruf von Frau Pohl, Klassenlehrerin meiner Grundschulzeit: „Wir bauen einen Maialtar“, war sicherlich nicht prägend für meine spätere Biographie, aber ein identitätsstiftendes Ereignis in unserer damaligen Klassengemeinschaft.
So waren die letzten Apriltage in „meiner“ Schule jedes Mal weniger von Leseübungen, Rechenaufgaben, Musik und Zeichnen geprägt als viel mehr von der Frage, wie kann eine ganze Klasse (42 Schülerinnen und Schüler), natürlich didaktisch und methodisch aufbereitet, einen Maialtar bauen, deren Elemente doch sehr reduziert vorgegeben waren.
So drapierten wir eine Muttergottesstatue, Kerzen, Blumen, ein Kruzifix, den Weihwasserkessel, nicht zu vergessen eine Bibel und als Highlight den persönlichen Rosenkranz von Frau Pohl immer wieder hin und her, bis wir gemeinsam bestaunten, was nun, umgeben von blauem Samt, unser Maialtar war. Dass vor diesem Maialtar einen Monat lang jeder Schultag mit einem Gebet begann, bedarf eigentlich nicht der Erwähnung. Ob diese „Unterrichtseinheiten“, die mitunter ganze Schultage zu dominieren in der Lage waren, kurrikular verankert und/oder aus pädagogischer Sicht situationsbedingt unumgänglich waren, bleibt im Rückblick nicht vollkommen zu klären.
Für mich aber sind bis heute noch Ablauf dieser damalige Aktion und die damit verbundenen Gefühle in Erinnerung, und das begeisterte Gesicht meines türkischen Mitschülers kann ich auch nicht wirklich vergessen.

Infragestellung von Symbolen

Diese religiöse, durchaus hinterfragbare Symboldichte im Unterricht einer staatlichen Schule in den 70er Jahren, ist heute eher nicht mehr vorstellbar. Was aber einst im öffentlichen Raum in der christlichen Symbiose von Natur, Kultur und Glaube im Symbol des Kreuzes präsent war, quasi als gottgegeben und somit selbstverständlich öffentlich, ist heute Gegenstand grundsätzlicher und gesetzlicher Infragestellung.
Auf die Infragestellung des Kreuzes aber folgt dann „logisch“ auch die Infragestellung der anderen christlichen Symbole, und in Folge die aller religiösen Symbole im öffentlichen Raum überhaupt.

Öffentlicher Raum

In der Antike z. B. war die Agora, der Marktplatz, in der Renaissance die Piazza und im Haussmannschen Paris der Boulevard Inbegriff des öffentlichen Raums einer europäischen Stadt.
Als öffentlicher Raum wurde in der Geschichte der umbaute Raum oder der von umbautem Raum umgebene „freie“ Platz verstanden, als freizugänglicher Ort zwischenmenschlicher Kommunikation. Grundsätzlich ist dieses Verständnis auch heute noch unter dem Begriff „öffentlicher Raum“ zu verstehen, aber er erschließt sich in seinen Begrifflichkeiten nicht mehr so eindeutig wie das noch im antiken Griechenland oder Rom der Fall war.

Der öffentliche Raum ist auch heute grundsätzlich für jeden Menschen zugänglich, auch wenn der Zugang zeitlich begrenzt sein kann. So habe ich das Recht den öffentlichen Raum Friedhof zu betreten, habe dazu aber nicht rund um die Uhr die Gelegenheit.
Klar abzugrenzen ist vom öffentlichen Raum der private Raum (auch der Firmenund Betriebsraum), der nur von bestimmten Menschen betreten werden darf.
Ob ein Raum nun öffentlich ist oder privat, definiert sich primär durch seine Zugangsbedingungen. Gleichzeitig wird im öffentlichen Raum, seine Öffentlichkeit betreffend wiederum unterschieden über Zugangsbedingungen.
Den öffentlich zugänglichen Platz (z. B. vor einem historischen Gebäude) dürfen alle betreten. Ausnahme: Wenn z. B. eine hochrangige Persönlichkeit anwesend ist, dann kann aus Gründen des Schutzes der Öffentlichkeit und/oder des öffentlichen Interesses der allgemeinen Öffentlichkeit der Zugang durch eine legitimierte Ordnungsmacht verweigert werden, oder einer reduzierten Öffentlichkeit Präsenz gewährleistet werden. Der im folgenden speziell angesprochene öffentliche Raum der Schule ist grundsätzlich ein für alle öffentlicher Raum, zu dem aber nur eine begrenzte Öffentlichkeit Zugang hat, um die primäre Intention dieses Ortes zu gewährleisten, beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebene Erziehung Minderjähriger.
Von der Zweckgebundenheit eines (umbauten oder sozialen) Raumes absehend und auch keine Zugangskriterien für das Betreten eines Raumes berücksichtigend, gibt es für mich auch den Idealfall eines öffentlichen Raumes: Ein konkreter Raum nämlich, an den Identifikation gebunden ist, in dem Handeln und Verhandeln Kultur schafft, in dem Selbstvergewisserung der Individuen unabhängig ihrer Herkunft und ihres religiösen Bekenntnisses möglich ist, und so Gesellschaft sich symbolisiert auch in ihren Symbolen.

Das „Kreuzurteil“

Das so genannte „Kreuzurteil“, dem zufolge Wandkreuze in Schulklassen des Freistaates Bayern gesetzlich nicht mehr vorge schrieben werden dürfen, erregte nicht nur in der kirchlichen Öffentlichkeit die Gemüter, sondern auch in den Medien großes Aufsehen. Im Kern des Urteils kommt das Verfassungsgericht im November 1995 zu der Auffassung, dass die regelmäßige Betrachtung oder auch nur flüchtige Wahrnehmung eines Kreuzes potentielle Manipulation der Schüler sei. Ob diese Position pädagogisch haltbar ist, möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren.
Juristisch allerdings verbirgt sich hinter dieser „pädagogischen“ Einschätzung das Recht der „passiven Religionsfreiheit“. Dieses Urteil kommt sicher nicht dem Anfang der Ausrottung aller christlichen Symbole gleich, auch wenn eher konservative Kreise meinen, mit diesem Urteil den Aufzug einer neuen Christenverfolgung am Horizont zu erkennen und somit den Untergang des Abendlandes mitten in Bayern. Dieser Logik folgend gehörte Hamburg schon längst zum untergegangenen Abendland. Denn in den öffentlichen Schulen der Freien und Hansestadt hängen keine Kreuze an den Wänden.
Zu dem dann schon untergegangenen „Europa ad personam“ in Hamburg zählten auch die evangelisch-reformierten Christen deutschlandweit, da sie das Kreuz, theologisch begründet, in ihren Feierräumen nicht präsentieren.

Mit dem Kreuzurteil und später auch mit dem Kopftuchurteil wird allerdings eine Crux in Deutschland augenfällig: der von der Politik als immerwährender „messianisch verpackte“ Neutralitätsrausch.
Arnd Brummer vom „Das Sonntagsblatt“ spricht von einem Attest, in dem die Richter uns Deutschen bescheinigen: „Wie verbreitet die Ansicht […] ist, Toleranz und Liberalität sei mit der Neutralisierung aller Werte und der Beseitigung ihrer Spuren in öffentlichen Räumen gleichzusetzen. Als kleinster Nenner demokratischen, kulturellen und religiösen Miteinanders erscheint die blanke Wand.“1
Mit dem folgenden Kopftuchurteil, wieder auf das Klassenzimmer bezogen, steht nun der Schleier einer Muslima im Kreuzfeuer „gesetzgeberischer“ Wahrhaftigkeit. Die oben zitierte „blanke Wand“ wird analog nun zur nackten Haut.

Das „Kopftuchurteil“

Am 24. September 2003 urteilte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVG) und hob die Urteile der vorherigen Instanzen2 auf. „Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. […]“3 „Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. […]“4
Der zweite Senat des BVG hatte folgende Sachverhalte abzuwägen: Die individuelle Religionsfreiheit der Klägerin nach Art. 4 GG, die Grundrechte Dritter, hier besonders das Elternrecht auf Erziehung nach Art. 6 Abs. 2 GG und das Gebot der Neutralität des Staates in Fragen der Religion und Weltanschauungen verbunden mit dem staatlichen Bildungsauftrag nach Art. 7 Abs. 1 GG.

Die Senatsmehrheit hat bei Frau Fereshta Ludin5 als Grundrechtsträgerin vorrangig mit der individuellen Glaubensfreiheit argumentiert, da sie das Tragen des Kopftuches als verbindliche religiöse Pflicht plausibel vermittelt hat (Art. 7 Abs. 40/41 GG>. Zudem sei auch nicht aus dem Tragen eines Kopftuches ein Eignungsmangel der Lehrkraft abzuleiten, der ein Verbot rechtfertige (Art. 7 Abs. 58/59 GG). Das Kopftuch hindere sie auch nicht daran, für die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung einzutreten.
Das Minderheitenvotum im Senat argumentierte dagegen. Es sei nicht gerechtfertigt, eine Grundrechtsabwägung zugunsten der individuellen Glaubensfreiheit vorzunehmen. Im Grunde gehe es nicht um die Abwägung gleichwertiger Rechtsgüter, sondern um eine „funktionelle Begrenzung des Grundrechtsschutzes für Beamte“ und im gegebenen Fall um die Begrenzung „des Zugangs zu einem öffentlichen Amt“ (Art. 6 Abs. 76 GG). Das von der Beschwerdeführerin angestrebte bedingungslose Tragen des Kopftuches im Schulunterricht sei mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot einer Beamtin nicht vereinbar, so die Haltung der Senatsminderheit.6
Einen möglichen Grund, das Kopftuch zu verbieten, formulierte der Hessische Landtag im Kontext seiner ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfs am 18.2.2004 wie folgt: Das Kopftuch sei ein „Symbol der Unterdrückung und Unfreiheit“.7
Die Befürworter des Kopftuchverbotes in der gerichtlichen Auseinandersetzung stützen sich in ihrer Argumentation auf die Annahme, dass die ständige Präsenz einer muslimischen Kopftuchträgerin in deutschen Klassenzimmern die Schulkinder manipulieren oder zumindest verunsichern könnte, was einen Eingriff in die passive Religionsfreiheit des Menschen bedeute.Nach diesem Urteil sind die Länder wieder in die Verantwortung genommen, entsprechende gesetzliche Grundlagen (Beamtengesetz) zu schaffen, um ein „Kopftuchverbot“ rechtlich zu ermöglichen.
Entscheidend ist die Beantwortung der Frage: Ist das Kopftuch eindeutig ein religiös-islamisches Symbol, ein mehrdeutiges Zeichen, ein Kleidungsstück oder die Erfüllung einer religiösen Pflicht?

Das islamische Kopftuch – Eindeutig mehrdeutig

Das „muslimische Kopftuch“8 ist nicht eindeutig bewertet. Es wird unterschiedlich interpretiert und verschieden in seiner symbolischen Aussage gewichtet.

Dazu Stimmen und Beobachtungen:
In einem Leserbrief im Hamburger Abendblatt vom 11. 3.2004 stellt der Autor das Kopftuch als notwendiges Zeichen grundsätzlich in Frage: „[…] Glauben, Religiosität sowie auch politische Einstellungen drücken innere Werte eines Menschen aus. Wenn man diese inneren Werte jedoch symbolisch für alle Mitmenschen sichtbar macht, ist entweder der Glaube schwach, und man braucht Hilfsmittel, um sich selbst zu bestätigen, oder man bezweckt eine Missionierung. Ein starker Glaube braucht kein Kopftuch.“ 9

Die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen Theresia Bauer nimmt die Kopftuchdebatte zum Anlass, die grundsätzliche Neutralität der Schulen einzufordern im Besonderen gegen religiösen Fundamentalismus: „Wir wollen die religiös neutrale Schule. Die Neutralitätsverpflichtung des Staates zwingt zu einer Zurückhaltung des Lehrers oder der Lehrerin, ja macht Religionsfreiheit und eine freie Entscheidung der Schülerinnen und Schüler erst möglich. […] Wir beteiligen uns aktiv daran, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die den Anforderungen des BVGUrteils genügt und standhält und die verhindert, dass politisch und religiös motivierter Fundamentalismus jeder Art in den Schulen Einzug hält. […]“10

„Um wessen Religionsfreiheit geht es eigentlich?“, fragt die Frankfurter Allgemeine Zeitung: […] Auf die Religionsfreiheit berief sich in Karlsruhe nicht nur die Beschwerdeführerin Ludin, sondern auch das Land Baden-Württemberg: Dadurch, dass Frau Ludin ihr Grundrecht in der Schule durchsetze, verletze sie die Religionsfreiheit ihrer Schüler. Tatsächlich hat dieses Recht im Grundgesetz einen besonderen Rang. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Weiterhin wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. […]“11
Alice Schwarzer bezeichnet das Kopftuch als blutiges Symbol der Gottesstaatler: „Kein Zweifel, das Urteil ist ein halber Sieg für die Fanatiker, für die Glaube identisch ist mit Politik, die den Rechtsstaat abschaffen, die Scharia einführen wollen. Denn spätestens seit der Machtübernahme der Ayatollahs im Iran 1979 ist das Kopftuch zum blutigen Symbol dieser Gottesstaatler geworden. […]“12
Frauenbild und Fundamentalismus werden zu Stichworten der Meinungsbildung gegen das Kopftuch: „SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler warnte, an den Schulen dürfe nicht ein Frauenbild Einzug halten, das mit den Wertevorstellungen des Grundgesetzes nicht vereinbar sei.“13

Der Islambeauftragte der bayerischen Landeskirche, Dr. Johannes Triebel, kritisiert das Kopftuchverbot: „Laut Islam sei das Kopftuch kein religiöses Symbol. Es gilt als göttlich verordnete Kleidungsverordnung, zu der niemand gezwungen wird“, so Triebel. Das Kopftuch vermittle demnach kein bestimmtes Frauenbild und stelle auch keine Unterordnung der Frau dar.
Im Gegenteil: Kopftuch tragende Muslimas, die in Deutschland Lehramt studieren, sind äußerst selbstbewusste Frauen, berichtet Triebel. Aus welchem Grund wird das Kopftuch also getragen, fragt Triebel weiter. Zum einen aus Tradition und Gewohnheit, zum anderen aus religiöser Überzeugung. Es könne aber auch als Protest gegen die sexistische Darstellung der Frau in den Medien verstanden werden. Manche würden das Kopftuch aus politischen und fundamentalistischen Gründen tragen, andere schlichtweg aus Zwang. Die Gründe, weshalb eine Muslima Tuch trägt, könnten vielfältiger kaum sein, merkt der Islambeauftragte an. So kann das Kopftuch auch keine einheitliche Botschaft haben. Ob sich eine Person für den Staatsdienst eignet, müsste eine Einzelfallprüfung entscheiden. Es bedürfe also keiner neuen Gesetze, folgert Triebel.14
Diese Meinungsspektren machen deutlich: Das Kopftuch ist nicht als eindeutiges „Symbol“ verstehbar. So wird das Kopftuch in Verbindung gebracht mit dem Frauenbild des Islams und dessen Wertvorstellungen, mit religiös motiviertem Fundamentalismus, blutigen Symbolen der Gottesstaatler, mit Protest, Zwang, eingeschränkter Religionsfreiheit bis hin zur grundsätzlichen Infragestellung der Notwendigkeit religiöser Zeichen als solcher.

Das Kopftuch in unterschiedlichen Realitäten

Das Kopftuch ist kein eindeutiges religiösislamisches Symbol und es zu tragen, keine verbindliche religiöse Pflicht. Es gibt zwar orthodoxe Koranauslegungen, die ein Kopftuchgebot herleiten, aber der Koran selbst enthält keine Vorschriften, aus denen heraus sich eine allgemeine Verpflichtung von Frauen zum Tragen von Kopftuch oder Schleier eindeutig begründen ließe.15
Schon die Tatsache, dass die Muslime in Deutschland und in anderen Ländern Europas das Tragen des Kopftuches höchst unterschiedlich praktizieren, lässt Zweifel an der Eindeutigkeit der Deutung des Kopftuches als Symbol aufkommen.16
Im täglichen Straßenbild unserer Großstädte begegnen wir mancher verschleierten Muslima, aber mindestens eben so häufig nichtverschleierten muslimischen Frauen. Aber auch in den muslimischen Ländern selbst wird das Tragen des Schleiers unterschiedlich gehandhabt. In einigen arabischen Staaten rund um den Persischen Golf (z. B. im Jemen, Saudi Arabien und im Iran) ist nicht nur das Tragen des Kopftuchs, sondern die Verhüllung des ganzen Körpers der Frau die Regel. Anders sind die Praktiken z. B. im Irak. Hier sind der Schleier sowie westliche Frauenbekleidung an der Tagesordnung. Ein Blick in die großen Städte und Touristenzentren der von der laizistischen Ideologie ihres Staatsgründers Kemal Atatürk geprägten Türkei zeigt, wie die „westliche“ Kleidung der Frau das Kopftuch als Ausdruck des islamischen Bewusstseins immer mehr zurückgedrängt hat, wobei das Kopftuch hier eine Renaissance erfährt. Besonders deutlich ist das derzeit beispielsweise in Fatih zu beobachten, einem Ortsteil von Istanbul, in dem fast alle Frauen einen Schleier tragen.
Die Zahl der jungen Frauen – auch im Westen – besonders unter den Studentinnen, die das Kopftuch wieder tragen, nimmt zu und ist auch als Ausdruck einiger dieser Frauen zu deuten, ohne Bruch mit ihrer Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen.
Besonders auf dem Hintergrund des 11. Septembers 2001 ist in manchen europäischen Köpfen das Kopftuch in eine imaginäre Nähe zu islamistischer Gewaltbereitschaft gerückt, und somit ein Symbol der Angst geworden.

Symbol, verdichtet Worte

Das Symbol (v. griechisch: sym zusammen und ballein werfen), bezeichnet ein Produkt bewusster Erkenntnisleistung, präsent in einer verdichteten Repräsentanz (der Gegenstand des Symbols), deren Erkennbarkeit auf Übereinstimmung von Menschen beruht. Symbole bezeichnen etwas, das hinter der sinnlich wahrnehmbaren Erscheinung ihrer selbst liegt.
Darin unterscheidet sich das Symbol vom Zeichen, das nur eine hinweisende (keine hinausweisende) Funktion hat, und bedeutet was es bezeichnet oder signalisiert. Der Kontext (Orte, Personen, Situationen, Konstruktionen), in den ein Symbol hinein gestellt wird, kann Einfluss auf die Deutung des Symbols nehmen.
Grundsätzlich aber gilt: Das Signifikante und Singuläre eines Symbols als solchem ist das durch den Impuls seines Daseins über sich Hinausweisende.
Des Weiteren ist mit der Anschauung eines eindeutigen Symbols, wie z. B. das der deutschen Flagge, die Assoziation nicht festgelegt, die mit diesem Symbol durch den Betrachtenden verbunden werden kann. Der eine beispielsweise verknüpft mit der Flagge, dem Symbol des deutschen Staates, seinen persönlichen Aufstieg, der andere seinen wirtschaftlichen Untergang.

Jedes Symbol verdichtet (wirft zusammen) Vorgekommenes und repräsentiert es im Diesseits. Jene allerdings, denen die Intention eines Symbols in gleicher Weise vertraut ist, verfügen deshalb aber nicht automatisch über identische oder gleichwertige Verknüpfungen/Begriffe (Einstellungen/Wissen) bezogen auf das gemeinsame Symbol. Wer ein Kreuz mit Corpus an der Wand sieht, kann es beschreiben als ein horizontales und ein vertikales, zwei im Proporz relativ ausgewogen miteinander verbundene Holzstücke, an denen eine plastische Abbildung eines als tot dargestellten Menschen befestigt ist, den gewisse Gruppen Jesus oder Christus nennen.
Relevanten Symbolcharakter bekommt dieses so beschriebene Kruzifix aber erst für jene, die über diese Darstellung hinausweisenden Verknüpfüngen/Begriffe verfügen:
So wird das Kreuz zum Symbol für das Christentum, zum Symbol für das Heilsereignis Jesu Christi oder zum Symbol des persönlichen Jesusbekenntnisses etc. Dieses Hinausweisende, die „Kraft“ des Symbols, das den Insider erkennen lässt und das sich in der Erkenntnis vergegenwärtigt, bedarf des Begriffes, assoziationsfreisetzender Worte, um mehr als nur gesehen, sondern in die Gegenwart hinein entfaltet (mitgeteilt) werden zu können. Begriffe implizieren und vermitteln komplexe Sachverhalte, die aber nicht allen „Anwendern“ in gleicher Weise präsent sind. Mit dem Symbol des Kreuzes z.B. können u. a. die Begriffe Kirche, Heil, Schuld, Befreiung etc. verbunden werden.
Die Symbole und ihre verborgenen Begriffe, die herausfordern sie zu entfalten, sind Bestandteil im kulturellen Schaffen des erzählenden Menschen. Ob ein Symbol nun eine religiöse Wurzel hat wie das Kreuz, oder eine profane wie die Flagge der BRD, ist funktionsbezogen für ein Symbol irrelevant.

Symbole im Öffentlichen Raum.

Symbole bergen die Kraft der Eindeutigkeit als verdichtete Sprache. Solche Deutungsübereinstimmung liegt aktuell aber nur dann vor, wenn sie kulturell gewachsen praktiziert wird. Deutungsübereinstimmung ist nie als absolut sondern immer relativ zu verstehen. So können in einer Gesellschaft unterschiedlich motivierte Symbole zu unterschiedlichen Zeiten für unterschiedliche soziale und politische Gruppen geltend, als Kulturgut in ein und derselben Gesellschaft gewachsen sein.
Auf dem Hintergrund eines Kulturbegriffes, in der Kultur das ist, was als solche auch gelebt wird, können Symbole auch wieder an Eindeutigkeit verlieren und so auch verloren gehen.
Symbole können in ihrer Daseinsberechtigung nicht abhängig gemacht werden von Minoritäten oder Majoritäten. Auch ist für deren Existenz die Chronologie von Kulturen in Raum und Zeit, also um die Gewichtung von z. B. christlicher und muslimischer Kultur, also der Kultur, die „zuerst da war“ im Verhältnis zu jener, die „später eingewandert ist“, nicht maßgebend.
Der Mensch als Kulturschaffender bringt Symbole hervor und kann sie wieder in Vergessenheit geraten lassen, egal wo er herkommt oder immer schon war. Wer einen Menschen aus der Fremde willkommen heißt, begrüßt so auch seine Symbole, weil sie zu der Identität dessen gehört, der angekommen ist.
Das Symbol hat kein Eigenleben. Seinen kommunikativen Charakter bekommt das Symbol nur in der Deutung des verstehenden Menschen, der Herr ist über die Intention der Symbole.

Kreuz- und Kopftuchurteil, Kulturmobbing auf hohem Niveau.

Kreuz- und Kopftuchurteil können, bezogen auf ihre öffentliche Wirkung und ihre realen Konsequenzen, nicht als ein zu separierendes Phänomen dem gesellschaftlichen Bagatellbereich zugeordnet werden.
Zum einen laufen die Verbote religiöser Symbole im öffentlichen Raum Gefahr, als Vorläufer eines Redeverbotes bezüglich Religion und Glaube im öffentlichen Raum interpretiert zu werden. Denn Symbole sind ja primär nichts anderes als verdichtete Sprache, die nun partiell verboten ist. Zum anderen ziehen Kreuzurteil und Kopftuchverbot die Konsequenz der Gleichbehandlung aller religiös zu deutenden Symbole in der Öffentlichkeit nach sich, zumindest aber auf den komplexen Schulraum bezogen.
Damit aber nicht genug. Aus der schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zum baden-württembergischen Kopftuchverbot, geht hervor, „dass die Ordensfrauen ihr Habit ablegen oder den Schuldienst quittieren müssen.“17

Nun hat die bekennend christliche badenwürttembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU), die als erste Kultusministerin ein Kopftuchverbot an ihren Schulen durchgesetzt hat, ein Problem! Denn das Verbot religiöser Bekundungen, so die Leipziger Richter, müsse auf Grund des Gesetzes in Baden-Württemberg für alle Religionen gelten. „Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter Kleidung in bestimmten Regionen“, so das Urteil, „kommen daher nicht in Betracht.“18
Der folgende Versuch, weiter das Kopftuch zu unterbinden, das Tragen eines Habits jedoch den an Schulen unterrichtenden Ordensangehörigen zu ermöglichen, treibt seltsame Blüten. Da verteidigt Frau Schavan die Ordenstracht als Berufstracht bzw. Berufskleidung, also als ein religiös neutrales Kleidungsstück wie den Blaumann, die Uniform oder die Robe. So „entkleidet“ die Ministerin, die als Politikerin „das Etikett [einer] bekennenden Katholikin nicht stört“, die Ordensfrauen und Ordensmänner ihrer christlichen Ordenstracht, die diese Ordensangehörigen ganz bewusst in der Schulöffentlichkeit als Bekenntnis verstanden wissen wollen und möchte ihnen nun das selbe Gewand als religiös neutrale Berufskleidung überstülpen!
Die „Amtsaskese“, die die Ministerin muslimischen Lehrerinnen verordnet hat, wird nun zum Bumerang. Wäre es da nicht besser gewesen, schon bei den ersten Anzeichen innerer Unlogik diesen „Schnellschuss“ eines Kopftuchverbotes an Schulen zurückzuziehen?
Werden nun auch in Zukunft die Gerichte darüber streiten, ob der Habit einer Ordensfrau politisch, religiös oder als ein kulturell zu deutendes Zeichen bzw. Symbol zu interpretieren ist oder ist dieser Habit gar ein Indiz dafür, dass Frauen mitten in Deutschland strukturell sowie im alltäglichen Leben konkret unterdrückt werden? Ähnlich könnte das Kreuz generell, bezüglich seiner wie auch immer gearteten Deutung, auf die Tagesordnung der Öffentlichkeit gesetzt werden mit unklarem Ziel.

Religion ist öffentlich

Religiöse Symbole vergegenwärtigen die kulturelle und in ihr die rituelle Vielfalt eines Gemeinwesens in Geschichte und Gegenwart. So sollten die religiösen Symbole, wie auch die Symbole der Demokratie, der Völkerverständigung, der Gleichberechtigung und der Menschenwürde einen Platz in jeder Form von Öffentlichkeit haben.
Dies gilt auch und gerade für die Schulöffentlichkeit, in der Heranwachsende einen großen Teil ihrer Jugend damit verbringen, Leben in Gesellschaft zu lernen, und so auch die Akzeptanz des Anderen zu leben. Ihrerseits sind die Religionsgemeinschaften aber aufgefordert, ihre Symbole von der Sinnfindung sprechen zu lassen, entgegen einseitiger Vereinnahmungen des Menschen und ihn verführender Ideologien.
Religiöse Symbole wie Kreuz und Kopftuch können der Stachel im Alltagsfleisch unserer Gesellschaft sein, die jedes ihrer Mitglieder unbestechlich auf das solidarische Miteinander der Generationen verweist. Dazu gehören auch der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in und zwischen den Kulturen, das Engagement für die Familien und die sozial Benachteiligten und das Eintreten für die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens, besonders an seinen Grenzen.
Wer die auch in religiöser Hinsicht offene und plurale Gesellschaft anstrebt und nicht die strikte Trennung von Staat und Kirche im Sinne laizistischer Gesellschaftssysteme, der muss Religionen und ihre Symbole als wahrnehmbaren Teil unserer Gesellschaft akzeptieren. Religion ist öffentlich!

Die ersten „tragischen Helden“

Die Herausforderung einer pluralen Gesellschaft ist sicher nicht bewältigt, wenn die religiösen Symbole auf der Schlachtbank der Neutralität zum „Wohl“ welcher Öffentlichkeit auch immer, öffentlich geopfert werden. Die Verlierer, Kreuz und Kopftuch, die ersten „tragischen Helden“ des öffentlichen Kulturmobbings, könnten in neuem Gewande auferstehen, erzählt ganz allgemein die Geschichte der Unterdrückung.

Die Frage: Kreuz ja oder nein?; die Frage:
Kopftuch ja oder nein?; die Frage: Habit ja oder nein? — diese Fragen sind der Vordergrund einer hintergründigen deutsch/islamischen Herausforderung, die bezogen auf Deutschland lautet: „Deutschland, welche Zukunft dürfen die Kulturen haben, die du gerufen hast, um Kultur zu werden?“.

1 http://www.sonntagsblatt.de/1995/dS-33/ aufm.htm. 4. 03. 2005, 18h.

2 „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2002 — BVG 2 C 21.01 —, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Juni 2001 — 4 S 1439/00 —, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. März 2000 — 15 K 532/99 — und der Bescheid des Oberschulamts Stuttgart vom 10. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 1999 — 1 P L., F./13 — verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Artikel 33 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 1 und 2 und mit Artikel 33 Absatz 3 des Grundgesetzes […].“ (2 BvR 1436/02).

3 2 BvR 1436/02.

4 http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/ rs20030924_2bvr143602.

5 Fereshda Ludin lebt seit 1982 ununterbrochen in der BRD und erwarb 1995 die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie studierte in Stuttgart Pädagogik mit dem Ziel, Lehrerin zu werden. 1998 legte sie die Zweite Staatsprüfung ab für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in den Ausbildungsfächern Deutsch, Englisch und Gemeinschaftskunde/Wirtschaftslehre.

6 Vgl. Anton Rauscher: Der Konflikt um das Kopftuch. In Kirche und Gesellschaft. Hg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach. 2004. Nr. 309, 4f.

7 Paulinus, Wochenzeitung im Bistum Trier. 29. Februar 2004. Nummer 9. 1.

8 Die Forderung der Bedeckung aller behaarten Körperteile stammt hauptsächlich aus der Interpretation der Hadithe, den gesammelten Sprüchen des Propheten Muhammad, die teilweise in die Rechtslehre, die Scharia eingearbeitet wurde. Hier ist u. a. von `Aurah die Rede. Dieser Begriff hat unter anderem die Bedeutung „Schamgegend“. Die ganze Frau wird als `Aurah gesehen, während der Mann nur eine besitzt, d.h. die Frau soll ihren ganzen Körper bedecken, eben alles, was `Aurah ist. Unter allen Umständen soll so verhindert werden, dass eine Frau unter Männern Unruhe auslösen könnte durch das Zur-Schau-Stellen ihrer Schönheit.

9 Leserbrief: Volker Petersen, Ammersbek. Hamburger Abendblatt. 11.3.2004.

10 Theresia Bauer. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, 24.9.2003.

11 Vgl. Reinhard Müller, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. September 2003.

12 Alice Schwarzer, in: Emma Online. http://www.emma.de/632061310212344.html

13 Tagesschau.de. 28.9.2003. 14:08 Uhr.http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen

14 Vgl. Maria Pflügler: Eingriff in die Religionsfreiheit. Islambeauftragter Dr. Johannes Triebel kritisiert Kopftuch-Verbot. Merkur online 11.3.04. http://www.merkur-online.de

15 Vgl. Ch. W. Troll: Nach dem Kopftuchurteil. In: Stimmen der Zeit. H.1 (Januar 2004), 2.

16 Vgl. Hans Küng: Der Islam. München, 2004, 735ff.

17Spiegel online. 9.10.2004. http://www.spiegel. de/unispiegel/wunderbar/0,151 8,3223 84,00. html AaO.

18 Franz Jussen: Anders kann man mich nicht haben. In: Missio aktuell. 6/04, 9

Erschienen in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln, Osnabrück. J.P. Bachem Verlag GmbH. Mai 2005

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Ein aufregendes Erzählereignis

Gottes Wort in Menschen Wort, anders ist die frohe Botschaft nicht zu hören und auch nicht zu erzählen. Einige dieser Erzählereignisse sind uns besonders vertraut, so das Evangelium, das uns von den Ereignissen auf dem „Weg nach Emmaus“ berichtet.

Leider ist es mit vertrauten Erzählungen ähnlich wie mit vertrauten Menschen. Dem Vertrauten schenkt man nicht mehr die größte Aufmerksamkeit. Das kann sich jetzt ändern!
Zwei Menschen sind unterwegs, sie teilen einen gemeinsamen Weg, doch sie teilen noch mehr: Diese Ereignisse von denen alle erzählen, und die besonders ihnen unter die Haut gehen. Sie teilen ihre Traurigkeit, einhergehend mit dieser lähmenden Ohnmacht. Während sie noch ganz bei sich und ihren Gefühlen sind gesellt sich ein Fremder zu ihnen. „Der scheint nicht informiert. Klar, deshalb kann der auch so ruhig bleiben.“ Aber kann das denn wirklich sein, wo diese Ereignisse doch in aller Munde sind. Sie verstehen nicht und fast wie selbstverständlich erzählen die beiden dem Fremden was sie bewegt. Sie können einfach nicht schweigen von dem was sie erlebt und gehört hatten!

Stopp: Schauen Sie jetzt einen Augenblick einfach nur auf den Menschen der Ihnen am Herzen liegt, die Ehefrau, einen Lebenspartner, eine Freundin, jemand der Ihnen viel bedeutet. Haben Sie diesem Menschen schon erzählt was Ihnen das Osterfest bedeutet, was sie im Glauben bewegt und was Ihnen unter die Haut geht? Ich meine nicht ob Sie wie immer gemeinsam in der Kirche die Liturgie vom Tod und der Auferstehung Jesu gefeiert haben oder auch nicht. Ich meine ob Ihr Glaube ein Ereignis ist von dem Sie vertrauten Menschen erzählen, also ein Erzählereignis Ihres Glaubens?

Weiter auf dem Weg nach Emmaus erzählen sie sich: „Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unseren Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden den Leichnam Jesu aber nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, sei ein Engel ihnen erschienen und hätte gesagt, er lebt“.

Stopp: Grundsätzlich endet unser Leben in den Tod hinein, das ist uns allen klar, da machen wir uns nichts vor. Trotzdem leben wir manchmal so vor uns hin als gäbe es den Tod nicht, zumindest nicht wirklich für uns selbst. Die Osterbotschaft bringt da einiges durcheinander! Sie stellt uns gerade den Tod vor Augen, nicht geliftet, nicht geschminkt sondern nackt!
Ja, Gott berührt hier Ihren Leib, Ihren Geist, die Empfindungen Ihrer Liebe, Ihre Einsichten und lässt Sie wissen, das alles ist Ihnen nur geliehen, und auch der Mensch an Ihrem Herzen. Doch diese Berührung Gottes senkt unsere Blicke nicht in Erde und Staub. In der Auferstehung Jesu zieht Gott unsere Blicke an sich. Seine Botschaft: „Mensch du hast Zukunft, auch über deinen letzten großen Sturz, dein Stolpem in den Tod hinaus“.

Pause! Haben Sie das gehört! Lässt Sie das ruhig? Das geht doch ganz konkret Ihr Leben hier und heute an. Und, sind Sie deswegen aufgeregt. Bekommt eigentlich der Mensch, der Ihnen besonders am Herzen liegt davon etwas mit? Zeigen Sie Gefühl? Oder ist das mit der Auferstehung für Sie nicht mehr als der berühmte Sack Reis in China?

Weiter auf dem Weg nach Emmaus, die Spannung steigt: Die Sonne geht unter, Abendstimmung breitet sich aus, Zeit eine Kleinigkeit zu essen. Nichts besonderes, eine Kante Brot, ein Stück Ziegenkäse und einen guten Schluck Wein. Ganz normal, einfach wie immer, und doch irgendwie anders. Jesus sitzt am Kopf des Tisches, leicht beugt er sich nach vorn, greift nach dem Stück Brot. Er hält inne. Seine Hände umschließen das Brot fast ganz, und er schaut einfach nur auf diesen Happen. Warum? Offenbar will er es noch nicht essen.
Nein, nein das kann nicht sein, unmöglich, wie soll das gehen. Die Blicke der Beiden suchen Halt in den Augen des jeweils anderen, den Blick Jesu scheuen sie. Plötzlich neue Bewegung. Jesu Hände, sie brechen das Brot. Brechen das Brot. Brechen Brot. Teilen. Ihr Herzschlag, er fängt an zu rasen!?

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 10.04.2005
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Wo Leben sich begegnen wird

Danke für Dein Leben.
Dank für all das, was Du warst.
Deine Sehnsucht lebt nun in mir weiter.
In unsere Endlichkeit verbindet uns
eine gemeinsame Hoffnung: Leben!
Leb wohl, wo Leben sich begegnen wird.

© 2005 Christoph Stender, aus: Herzliche Anteilnahme – Trostworte von Dichtern und Denkern, Hrsg. Ludger Hohn-Morisch erschienen im Herder Verlag
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Sich ernst nehmen ist angesagt

Die Fastenzeit ist eine besondere Einladung, sich selber ernst zu nehmen. Das wichtigste dabei ist, aufzuhören, wie irgend jemand anderes sein zu wollen. Sicherlich, es gibt andere Menschen, die ich bewundere, die etwas geniales auf die Reihe bekommen haben. Das müssen nicht unbedingt Stars oder Mega-Stars sein, es reicht oft schon aus, wenn es Menschen sind, die etwas in der Birne haben und damit auch was anfangen können.

Doch eines will ich nicht: Ich will nicht so sein wie sie. Ich will es einfach nicht, weil ich es auch gar nicht wirklich kann. Auch wenn ich es könnte, ich habe keinen Bock, eine Kopie von irgend jemand anderem zu sein, auch nicht in Details. Ich möchte schlicht und ergreifend ich sein, denn das kann ich am besten! Okay, ich bin keine Leuchte, und die Leute fallen auch nicht in Ohnmacht, wenn sie mich sehen. Nach Autogrammen werde ich eher selten gefragt, und um mich aus der Nähe zu erleben, übernachtet auch keiner vor der Stadionkasse. Das ist eben so, so etwas erleben andere, ich nicht, weil ich eben ich bin, kein anderer und auch kein Star oder so! Die Fastenzeit ist eine willkommene Gelegenheit, einfach mal nachzuschauen: Wer ist das eigentlich, dieses Ich?

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Mut, ein Zeichen zu setzen

Einladung zum Aschermittwoch

Im Mittelpunkt des heutigen Wortgottesdienstes am Aschermittwoch steht das Aschenkreuz. Oft entsteht der Eindruck, mit diesem Tag will die Kirche dem fröhlichen Treiben zu Karneval wieder einmal ein jähes Ende setzen. Hier geht es aber nicht darum, eine fröhliche Zeit, in der Menschen aus sich herausgehen können, zu beenden, sondern darum, eine neue Zeit zu beginnen, um der Freude auf den Grund zu gehen. Freude hat einen tiefen Grund, und dieser Grund heißt Leben.

Der Aschermittwoch eröffnet die Zeit, in sich selber einzusteigen. Wir brauchen diese Zeiten immer wieder. Zeiten, in denen wir neu das Staunen lernen über das Geschenk, ein Mensch sein zu dürfen. Ja, das Aschenkreuz erinnert uns daran, dass wir alle sterben müssen. Das gehört zum Leben. Aber nicht nur an das Ende unseres Lebens, sondern mitten in unser Leben hinein. Wir sterben durch unsere Kindheit hinein in das Erwachsenwerden. Ein aufgegebener Traum ist ein gestorbener Traum. Eine zerbrochene Freundschaft ist gestorbene Liebe. Das Aschenkreuz ist aber auch ein Zeichen des Mutes, unser Leben auch wirklicher und kräftiger zu leben. Das Aschenkreuz stößt uns mit der Stirn darauf: Werft die Asche Eurer Unentschlossenheit und Langeweile weg, und nehmt das Leben in die Hand, das Christus Euch entgegenhält. Streift die Asche Eurer leblosen Gewohnheiten und Einstellungen ab. Zerstreut die Asche Eures „Sich-selbst-nichts-mehr-Zutrauens“ in alle Winde und traut den Kräften des Lebens in Euch, die Euch wach machen für Euer Leben. Das Aschenkreuz auf unserer Stirn ist aber auch das Spiegelbild des Kreuzes Jesu. In seinem Kreuz bleibt unser Sterben nicht mehr das Kreuz unseres Endes. Jesu Kreuz hat den Tod für immer durchkreuzt! Das Aschenkreuz ist ein Zeichen, den Mut zu haben, auf der Seite des Lebens zu stehen.

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Meinem Leben nachgehen

Die folgenden Anregungen wollen helfen, mal genauer hinzuschauen: Wer ist eigentlich dieses Ich? Was ist mir wichtig, wie verhalte ich mich?

Wie denke ich über mich?

  • Nehme ich mich selber an, wie ich heute bin?
  • Gebe ich vor, mehr zu sein, als ich tatsächlich bin?
  • Will ich allen gefallen, um nicht aufzufallen?
  • Mache ich faule Kompromisse, um Zustimmung zu erhaschen?
  • Bin ich ein Mitläufer?

Was will ich für meine Freunde und Freundinnen sein?

  • Bin ich verlässlich?
  • Habe ich genügend Zeit für die Menschen, die mir wichtig sind?
  • Lege ich Wert auf Treue?
  • Kann ich meinen Mund halten?
  • Begegne ich Freundinnen und Freunden offen und ehrlich?
  • Spiele ich Rollen, oder bin ich mit mir identisch?
  • Bleibe ich in Meinungsverschiedenheiten fair?
  • Bin ich aufmerksam genug mit Blick auf das Leben meiner Freundinnen und Freunde?
  • Habe ich den Mut, eine Freundschaft zu beenden, wenn sie unehrlich geworden ist?
  • Nutze ich die Menschen in meiner Nähe aus?
  • Zeige ich ihnen meine Dankbarkeit für ihr „Dasein“?

Ich habe mich selbst nicht geschaffen!

  • Bin ich dankbar für mein Leben gegenüber Gott?
  • Lege ich Wert auf eine Kommunikation mit Gott?
  • Spreche ich über das, was mir mit Gott wichtig ist?

Ich habe die Gabe des Denkens

  • Gebe ich meinen Gedanken Luft zum Austausch mit Andersdenken?
  • Verurteilen meine Gedanken?
  • Versuche ich meine Gedanken zu schärfen?
  • Informiere ich mich objektiv und umfassend genug?
  • Planen meine Gedanken Nachteile für andere?
  • Denke ich auch für und mit anderen?
  • Überdenke ich meine Gedanken?
  • Haben meine Gedanken getötet?
  • Lasse ich meinen Gedanken ausreichend Raum, kreativ auszuschweifen?

Sprechen verbindet

  • Führen meine Worte Menschen zusammen?
  • Vernichten meine Worte?
  • Sind meine Worte klar?
  • Beriesele ich mich mit meinen Worten?
  • Schweige ich, wo ich was zu sagen hätte?
  • Rede ich, wo ich zu schweigen hätte?
  • Können meine Worte Vergebung sagen?
  • Stehe ich zu meinem Wort?
  • Überrumpeln meine Worte?
  • Suchen meine Worte den Dialog?
  • Benennen meine Worte Unrecht?

Hände, um zu handeln

  • Stiften meine Hände Frieden?
  • Setzen sie sich für Gerechtigkeit ein?
  • Trösten meine Hände?
  • Sind sie hilfsbereit?
  • Richten meine Hände schwächere Menschen auf?
  • Bringen meine Hände Segen?
  • Schützen meine Hände auch mich selbst?
  • Halte ich mit meinen Händen Menschen von mir fern, die mich brauchen?
  • Können meine Hände streicheln?

Ich bin aus Fleisch und Blut – mein Körper

  • Bin ich in meinem Körper zu Hause?
  • Gehe ich mit meinem Körper zärtlich um?
  • Tue ich ihm was Gutes?
  • Spricht mein Körper die Sprache meiner Empfindungen?
  • Nehme ich die Sehnsucht, die ich in meinem Körper spüre, ernst?
  • Dient mein Körper meiner Eitelkeit?
  • Biedere ich mich mit meinem Körper an?
  • Lasse ich meinen Körper als Objekt gebrauchen?
  • Wertschätze ich meinen Körper?
  • Achte ich die Grenzen meines Körpers?
  • Bestimme ich meinen Körper?

Fähigkeiten die ich habe

  • Suche ich die Fähigkeiten in mir?
  • Veredle ich meine Fähigkeiten?
  • Mache ich meine Fähigkeiten auch für andere Menschen nutzbar?
  • Setze ich meine Fähigkeiten zur Gestaltung der Gesellschaft ein?
  • Bin ich dankbar für meine Fähigkeiten, auch wenn sie noch klein sind?

Wie deute ich meinen Besitz, mein Haben?

  • Ist mein Leben vom Haben bestimmt?
  • Kann ich verschenken, teilen, loslassen?
  • Will ich durch meinen Besitz selber wertvoller werden?
  • Mache ich mit meinem Besitz andere abhängig?
  • Hilft mein Besitz auch anderen?

Meine Zeit in meinen Händen

  • Lebe ich hastig, laufe ich der Zeit nur hinterher?
  • Vertue ich meine Zeit?
  • Teile ich meine Zeit mit anderen?
  • Komme ich meinen Verantwortungen ausreichend nach?
  • Habe ich Zeit für mich selbst?
  • Plane ich meine Zeit?

Erlebte Grenzen

  • Wie gehe ich mit Misserfolg um?
  • Wenn ich an die Grenzen meiner Kraft komme…
  • Trennungsangst
  • Ich bin überfordert!
  • Krankheit, ein Unfall meines Lebens?
  • Was für einen Sinn hat das alles noch?
  • Tod, du machst mir Angst!
  • Zerbrochene Freundschaft!
  • Ich wurde verraten!
  • Abhängig, jeden Tag abhängig…

Gefühle in meinem Leben
Wie gehe ich um mit:

  • Sehnsucht,
  • Zärtlichkeit,
  • Trauer,
  • Liebe und Freundschaft,
  • Ohnmacht,
  • Wut,
  • Entsetzen,
  • Einsamkeit,
  • Erinnerung

Und:

  • Was gehört noch zu mir …?

Und:

  • Da gibt es etwas in meinem Leben, wenn das irgend jemand wüsste …

Fastenzeit

  • Zeit, wacher zu werden
  • Zeit, meinem Leben nachzugehen
  • Zeit aufzustehen
  • Zeit der Vorbereitung auf die Auferstehung

Diese Zeit ist dazu da, mein Leben lebendiger werden zu lassen. Alten Ballast rauszuschmeißen und Veränderung zu wagen. Ehrlicher vor mir selbst zu sein, das ist in dieser Zeit angesagt! All diese Fragen und Streiflichter, mit denen ich meinem Leben nachgehen, nachspüren kann, sind Fragen und Streiflichter, die ich sowohl für mich allein, im Gespräch mit vertrauten Menschen, als auch im Austausch mit Gott betrachten kann. Kein Mensch braucht sich seines Lebens zu schämen, wenn er es nur ernst nimmt. Das eigene Leben ernst nehmen beinhaltet auch die Erkenntnis, es geht nicht immer allein. Ja, es braucht auch nicht immer alleine zu gehen! Es darf sogar nicht immer alleine gehen! Andere Menschen, vertraute Gesichter, Menschen mit Erfahrung und Liebe am Leben muss es geben, damit Leben auch in schwierigen Situationen bewältigbarer und somit lebenswert bleiben kann. Sich helfen lassen ist keine Schande, sondern ein Zeichen von Größe.

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Grenzen überspringen!

Vergebung – eine zeitgenössische Sehnsucht

Ich kenne Augenblicke in meinem Leben, da spüre ich nur einen Wunsch: Möge Gott mir vergeben! Ich hatte wissentlich etwas falsch gemacht.

Es war meine Schuld! Ich war der, der ganz großen Mist gebaut hatte. Ich möchte das hier nicht weiter ausführen. Ist wohl auch verständlich… Aber ich war an einem Punkt, der mich hilflos machte. Mit Wiedergutmachung war es hier allein nicht mehr getan. Ich war wütend über mich selbst. Traurigkeit grub sich in mir ein über die Situation eines anderen Menschen, die ich herbeigeführt hatte. Das Wissen um meine Schuld, diesen dicken Fehler, ließ mich nicht mehr los. Gut, das hätte auch anderen „passieren“ können. Aber das half nicht: Ich war es.

Ich habe einen Menschen so tief verletzt, dass diese Verletzung in diesem Menschen auch eine Verletzung Gottes war. Ich weiß, Gott vergibt uns Menschen, wenn wir ihn darum bitten. Aber das reichte mir in diesem Augenblick nicht. Es reichte mir sogar auch nicht, dass der Mensch, dem ich weh tat, meine Entschuldigung annahm und mir Entschuldigung zusprach.

Ich wollte Ent-Schuldigung von Gott hören! Gott hat in Jesus Christus den Menschen beauftragt, von seiner Vergebung zu sprechen. Seine Vergebung den Menschen zu bezeugen und sie spürbar werden zu lassen. Gott bedient sich des Mundes, der Augen und der Hände des Menschen, um seine Vergebung hörbar, sichtbar, spürbar und so erfahrbar werden zu lassen. Das ist in unseren christlichen Kirchen die Aufgabe aller Christinnen und Christen und besondere Aufgabe des Priesters, der Pastorin und des Pastors.

Ich wollte diese Vergebung von Gott auch hören und spüren. So ging ich zu einem katholischen Priester. Er hatte viel Zeit! Ich konnte erzählen, weinen, fluchen, schweigen, ja sogar lachen und wieder erzählen. Der Priester hörte mir zu. Sein Zuhören aber war Begleitung. Er half mir, klarer zu sehen. Nicht alles, was ich als Schuld annahm, war auch wirklich meine Schuld. Er wurde für mich zugänglich, ich wurde von ihm aufgehoben, spürte Befreiung. Und alles Sehen, Hören und Spüren mündete in dem einen Satz, den der Priester sprach und den ich mit: „Ja, so sei es – Amen“ erwiderte. Er nahm meine Hände und sprach: „Von Gott sage ich Dir, getragen im Namen aller, die glauben, Du bist frei von Deiner Schuld! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Nun gehe in Frieden!“ Das waren geschenkte Augenblicke der Befreiung. Das tat gut! Ich konnte wieder pfeifen.

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Fastenzeit – geht das noch langweiliger?

Zwischen Lebenslust und Liebe zum eigenen Leben

Die Fastenzeit ist für sehr viele Leute mega-out. Das klingt einfach langweilig, uninteressant und von gestern. Wer laut sagt: „So, nach Karneval ist für mich nun Fastenzeit angesagt“, der muss sich nicht wundern, wenn andere sich über ihn lustig machen. Ob diese Leute aber wissen, was Fastenzeit überhaupt ist, möchte ich bezweifeln. Wenn sie aber noch ein bisschen Ahnung von dieser Zeit haben, dann fallen ihnen Gedanken ein, die mit „Irgend-etwas-nicht-tun-dürfen“ zu tun haben und mit einer Kirche, die „was Schönes“ verbietet. Dann kommen Leute sehr schnell zu der Behauptung: „Kirche! Das ist doch alles Schrott!“ Ich finde solche allgemeinen Behauptungen einfach platt, dumm und unfair. Denn in der Kirche und bei den Menschen, die Kirche selber sind, ist längst nicht alles Schrott. Allerdings müssten diese Leute, um das zu erkennen, sich diese Kirche einmal genauer anschauen oder besser: in sie hineinschauen!

Bedenken wir nun einfach mal, was es eigentlich mit dieser Fastenzeit auf sich hat. Und damit zurück zu der Frage: „Fastenzeit – geht das noch langweiliger“? Ja, es geht noch langweiliger! Noch langweiliger ist nämlich die Behauptung: „Ich bin immer voll drauf.“ Damit behaupten so manche Zeitgenossen: „Ich will ständig in die Vollen zu greifen!. Ich nehme mit, was ich kriegen kann! Mein Leben kennt nur ein geiles Tempo, von Mittelpunkt zu Mittelpunkt, von Action zu Action, hier geht die Post ab und auf der Lebensbühne stehe ich allein im Scheinwerferlicht. Immer gut drauf sein und ständig auf der Jagd nach dem, was das Leben scharf macht. Voll auf die Sahne hauen und dann noch einen Kick drauf. Ständig so ein Feeling, das ist das Größte.“ Ob das dann aber auch immer so funktioniert, zweifle ich an. Dass so ein oberscharfes Lebenstempo auch wirklich von jedem jungen Menschen gewollt ist, wage ich ebenso zu bezweifeln. Klar, wer denen, die nur die Sahne vom Leben abschöpfen wollen, mit der Fastenzeit kommt, der hat sicherlich erst einmal schlechtere Karten. Aber ein Leben, in dem es nur die Sahne abzuschöpfen gibt, das ständig obenauf ist, gibt es meines Erachtens gar nicht!

Meine Devise klingt eher so: Ich will ein Leben, das nach Leben schmeckt. Mein Leben mit Biss, Format, Lust und Sinn! Die Fastenzeit ist aber keine Zeit der Verhinderung von Leben. Die Fastenzeit ist, richtig verstanden, eine Zeit, die dem Leben genau das wiedergeben oder es neu für das Leben entdecken will, was ihm oft fehlt: Biss, Format, Lust und Sinn!

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