www.christoph-stender.de

Die Frage nach der „Seele“ Europas

(Thema der Bistumsversammlung)

Die Frage nach der Seele Europas wird nie eine befriedigende Antwort finden, denn:

  • Irgendwann einmal zu behaupten das sei sie, hier haben wir die Seele Europas, wird immer wieder Zweifler mitten in Europa wie an seinen „Rändern“ hervorbringen.
  • Die Erkenntnis, dass die Geschichte uns die Seele Europas auf einem silbernen Tablett serviert, wird sich der andauernden Kritik unterziehen müssen ungeschichtlich zu sein.
  • Europa eine gekünzelte Seele zu verpassen wird mittelfristig an dem Phänomen mangelnder Identifikationsmöglichkeiten der Menschen scheitern, die Europas Seele spüren und ein Stück selber auch sein sollen.
  • Wer die Seele Europas im vermessen des seines Kontinents lokalisiert, der wird immer wieder Argumenten ausgesetzt sein, dass die Maßlatte doch noch eine Idee hätte verschoben werden müssen.
  • Und wer nun aufgibt nach der Seele Europas zu fragen macht Europa zur Prostituierten nämlich zu einer „nur Freihandelszone“.

Kann ein Europa überhaupt eine Seele haben, eine neben den Seelen ihrer Länder? Aber wie Beschaffen sind die Seelen diese Länder, welche Seele hat unser Land, und die anderen Mitglieder und die noch darauf warten aufgenommen zu werden in das europäische „Konstrukt“? Ergibt die Summe aller Seelen dann die Seele Europas. Oder hat jedes Mitgliedsland Europas zwei Seelen in der Landesbrust, die eigene und die Europas? Europa ist definierbar über die Länder, die die „jetzt Europäer“ zu dem „Europa morgen“ machen werden. Aber das wird eben nicht reichen, weil die Denker Europas den Anspruch erheben eine Botschaft Europas zu haben, eben mehr zu sein als ein pragmatischer Verbund aus Verteidigungskonzept und Warenfluss.

Europa mehr als nur Pragmatismus, das klingt nach Kultur, europäischer Kultur. Und wer nach Kultur fragt, fragt oft auch danach wer sie mitbringt. Da machte im Kontext der Identität Deutschlands vor wenigen Jahren der Begriff der „Leitkultur“ die Runde, ein Begriff der dieses „Kultur mitbringen“ zur statischen Größe erheben wollte. Solche Gelüste scheinen einige Länder auch an dem kulturellen Werden Europas zu haben.

Die Manifestation solcher Tendenzen einer ersten und zweiten Kultur wäre die Geburtsstunde der kulturellen Forder- und Hinterbänkler in Europa. Auch eine europäische (zukünftige) Kultur ist nur insofern realpräsent und lebendig gegenwärtig, insofern sie sich produziert, und stetig sich immer selbst reproduziert. Kultur wird immer neu sie selbst im Erstehen (Entstehen) aus Kultur als kulturellem Handeln.

Europa wird seine Seele finden im kulturellen Erinnern, gestalterischem Denken und Handeln und deren Reflexion, also im „europäischen Kulturschaffen“! Europa wird auch eine gemeinsame Kulturgeschichte haben, die sich zusammensetzt aus der gemeinsamen und je eigenen Betrachtung der Vergangenheit der jeweiligen Länder Europas

Spirituelle und geistige „Minimalimpulse“
im Werden eine Seele Europas

1. Ein „weißer“ Elefant aus Bagdad und das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter als „Lesezeichen“ im Werden einer Seele Europas

Vor dem Aachener Dom, dem von Christen erbauten Abbild des himmlischen Jerusalem, traf im Jahre 802 Isaak mit Abul Abaz ein, einem weißen Elefant. Den Aachenern war ein Elefant fremd. Doch das Fremde, das Andere war hier in Aachen willkommen. Von der Annahme des Fremden spricht auch das Evangelium Jesu Christi. Im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter stellt ein Schriftgelehrter die Frage: „Wer ist mein Nächster?“ Jesus antwortete: „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho und wurde von Räubern überfallen. Sie schlugen ihn nieder und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester vorbei; er sah ihn und ging weiter. Ebenso ein Levit; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Fremder, der auf Reisen war. Er sah ihn, hatte Mitleid, verband seine Wunden, und sorgte für ihn.

Was meinst du: „Wer hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?“ Der Gesetzeslehrer antwortete: „Der, der barmherzig gehandelt hat.“ Da sagte Jesus: „Dann geh und handle genauso!“ So fordert Jesus seine Zuhörer auf: Wie der Fremde im Gleichnis sich des Verletzten annimmt, so sollen auch wir einander aufnehmen und akzeptieren. „Jesus Christus, das zärtliche Gebot der Gottes- und Menschenliebe macht keine Unterschiede zwischen Herkunft, Religion oder Kultur.“

Dieses Fremde verkörperte der weiße Elefant . Ebenso verkörperte er die Bitte um Annahme und Akzeptanz. Was ist aus dieser Botschaft, was ist aus dem weißen Elefanten geworden. Drei Kulturkreise, drei Heilige Schriften, drei Städte, Damaskus, Jerusalem und Aachen, drei Erwartungen des Reiches Gottes. Allen gemeinsam ist die Sehnsucht nach Frieden. Doch diese Hoffnung auf einen umfassenden Frieden hat sich in unserer Welt nicht erfüllt. Diese Hoffnung ist gescheitert! Kann es den himmlischen Frieden, auf Erden überhaupt geben?

Der christliche Glaube ist der Glaube an das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Jesu Weg kennt das Scheitern. Sein Tod am Kreuz ist scheitern. Doch durch diesen Tod hindurch kommt dem Menschen in der Auferstehung Jesu Christi das ewiges Leben im Frieden Gottes entgegen. Das Reich Gottes ist in Jesus Christus angebrochen aber die Vollendung seines Reiches entscheidet Gott. Die Konsequenz: Mit dem Scheitern leben, es aber nicht akzeptieren. Dem Scheitern setzen die Menschen etwas entgegen, die um des Friedens willen loslassen können, wie Jesus sein Leben losgelassen hat. Letzten Endes aber kann der unzerbrechliche Frieden nur von Gott kommen.

Bis heute befindet sich im Aachener Schatz Karls des Großen der „Olifant“, ein Jagdhorn, das aus einem Stoßzahn des Abul Abaz gefertigt sein soll. Er ist ein Ausrufezeichen des Scheiterns und ein Fragezeichen: Was schaffen unsere Hände auf dem Weg des Friedens?

Aus: Abul Abaz, der weiße Elefant in Aachen Textsequenz (gekürzt) aus dem Dokumentarfilm „Der weiße Elefant“. Autor und Darsteller Christoph Stender. Eine Produktion von ZDF und ARTE. Regisseur: Hans-Rüdiger Minow

2. Lieder des Erinnerns als Quellen eines „langen Atem“

Die Seele Europas wird nur dann einen „langen Atem“ haben, wenn sie aus der Erinnerung für die Zukunft geworden ist und immer neu wird: Europas Seele braucht Lieder, keine Märsche. Eines der bekanntesten Lieder aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist das Lied von den Moorsoldaten. Der eindringliche Text und die volksliedhafte Melodie haben es zu einer geschichtlichen Quelle gemacht.

Das Lied entstand nach Berichten der damals Internierten im Sommer 1933 im Konzentrationslager Börgermoor bei Papenburg im Emsland als Antwort auf Ausschreitungen der Wachmannschaften. Insbesondere wegen seiner letzten Strophe verbot es der Lagerkommandant schon kurze Zeit später. Es verbreitete sich dennoch schnell weiter und wurde international bekannt.

Moorsoldaten

Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.

Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor!

Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.

Wir sind die Moorsoldaten …

Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.

Wir sind die Moorsoldaten …

Heimwärts, heimwärts jeder sehnet,
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.

Wir sind die Moorsoldaten …

Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
vierfach ist umzäunt die Burg.

Wir sind die Moorsoldaten …

Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann’s nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.

Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!

Ein weiteres Lied bringt zum Ausdruck was einer Seele Europas ebenso nie streitig gemacht werden darf. Die Tatsache, das dieses Lied während der Deutschen Revolution (1848/1849) und der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verboten wurde, spricht für das unaufgebbare Motiv, das in diesem Liedtext zum Ausdruck kommt. Um 1780 wurde der Text zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht. Im Zeitraum zwischen 1810 und 1820 wurde zum ersten Mal eine Melodie aufgeschrieben und erschien in Bern. Im Jahr 1842 wird die Weise in dem Buch „Schlesische Volkslieder“ von Hoffmann Richter veröffentlicht. Der Grundgedanke des Liedes findet sich jedoch schon im 13. Jahrhundert bei Freidank und Walther von der Vogelweide („Sind doch Gedanken frei“).

Die Gedanken sind frei

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger sie schießen
mit Pulver und Blei, die Gedanken sind frei.

Ich denke, was ich will und was mich beglücket,
doch alles in der Still‘ und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!

Und sperrt man mich ein in finsteren Kerker,
das alles sind rein vergebliche Werke;
denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei: Die Gedanken sind frei.

Ein „geistlich/geistiger“ Impuls zur Frage nach der Seele Europas kann nur mit einer Hoffnung, besser aber mit einer Vision schließen. Europa braucht Kinder aus ihren je verschiedenen Ländern, die zueinander sagen können: „Nun hast du deinen Schatz und ich habe meinen Schatz, also lass uns doch gemeinsam weiter spielen, ich nehme dir schon nichts weg.“

Oder:

Traum Mahl

Einen Tisch träume ich,
unendlich in allen Dimensionen,
ungezählten Menschen bietet er Platz,
an dem Hände sich berühren,
Blicke sich treffen und Worte Antworten hören.

Einen Tisch träume ich, der selber allen Gastgeber ist,
jeder – so gewollt – wie Platz genommen,
und von jedem willkommen geheißen.

Einen Tisch träume ich an dem
kein Mund leer und trocken bleibt.
Worte werden gereicht, Lieder gesungen zum
Geschenk und an dem ein Stück Brot und ein Schluck
Wein satt machen auch für das morgen,
irgendwann mit Dir.

Ich träume ein Mahl das trägt,
und das von allen Gesichtern dieser Welt lebt.
Ein Krümel die Welt sättigt und einen
Schluck Wasser spüren läßt, daß Gott Gastgeber ist!

Geistlicher Impuls zur Bistumsversammlung, 24.-26.9.2005
In Impulse veröffentlicht | Getaggt , , , | Kommentieren

Von der einfachen Herkunft des Friedens

Oder: Auch der Frieden muss schon wer sein!

Das Wort Frieden hat in seiner althochdeutschen Herkunft eine Wurzel in den Bedeutungen „nahe, bei“, deren Intention „Beieinandersein“ ausdrücken will.

Den meisten Visionären des Friedens in der Welt, zwischen den Ethnie und Völkern, den Kulturen und Religionen ist ein so einfacher Wortstamm zu klein, weil zu wenig Pathos und ohne besondere propagandistische Schlagkraft.

Die Mittel die oft im Namen des Friedens eingesetzt werden, sind Tonnen schwer, hoch explosiv, lukrativ im Geldgeschäft, und selbst von dem der sie einsetzt zu triefst bedauernswert. Über diese einfachen Wurzeln des Friedens können diese „Friedensdespoten“ sich schütteln vor lachen.

Zum Geldsammeln, natürlich für den Frieden, wäre eine solche Wortheimat wenig „anziehend“ was die Anziehungskraft von Euros in „Raschelform“ angeht. Da muss schon mehr Emotionalität geboten werden und wirkliche Betroffenheit rüberkommen, sonst fehlt dem Frieden dieses gewisse Etwas, für das man doch immer gerne tiefer in die Tasche greift.

Wenn Friedensaktivisten in ihren Gruppierungen, Organisation und spontanen Events mit „Beieinandersein“ in Sachen Frieden trumpfen wollten dann könnte es sein dass sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sähen nicht engagiert genug zu sein, so die „Friedensgedankenpächter“. Das war jetzt etwas durcheinander, aber so ist das eben in diesen Gruppierungen.

Frieden, wie klingst du eigentlich?

Wenn das Wort Frieden doch nur seine Wurzeln in Begriffen wie Protest, Macht der Kleinen, Erfolg im Ehrenamt, alternative Karrieren oder Kapitalismuskritik hätte! Damit könnte man Staat und Politik machen, und hätte somit auch als Weltverbesserer die besten Chancen in Sinne des Friedens Anerkennung zu wecken.

„Nahe, bei“ im Sinne von „Beieinandersein“ ist eben eine zu bescheidene, wenn nicht sogar zu einfache Herkunft für den Frieden, um auf den großen Bühnen der Welt, sowie in den Wohnzimmern „jemand“ zu sein.

Zu einfach ist zu einfach, weil es jeder könnte!

Geistliches Wort zur Beiratssitzung, 10.9.2005
In Impulse veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Was heißt „sich verleugnen“?

Oft stehen wir bei den biblisch überlieferten Forderungen Jesu vor einem Grundproblem. Beispiel: Jesus fordert den Armen zu helfen, zu teilen, ja sogar seine Habe zu verschenken.
Haben Sie all ihre Habe schon verschenkt? Wohl kaum. Jeder von uns würde wohl eher argumentieren: „Armen habe ich schon mal geholfen, hilfsbereit bin ich grundsätzlich und ich spende regelmäßig.“ Auf die Frage aber, ob Ihre Bemühen in den Augen Jesu ausreichend seien, würden Sie wohl antworten: „Genügen werden sie wahrscheinlich nicht, aber ich bin ja auch kein Heiliger.“

Fakt: Wir sind nicht tatenlos, egal ist uns der Mitmensch nicht. Aber wir können dem Extrem, alles zu erfüllen, meist nicht gerecht werden, wir sind eben keine Heiligen.

Heute im Evangelium stellt Jesus wieder eine Forderung in den Raum: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst.“ Soweit schon schwierig genug, das mit dem Kreuzauf-sich-Nehmen lassen wir deshalb hier unberücksichtigt. Reicht es auch hier zu sagen, ich verleugne mich halt nur ein bisschen, schließlich bin ich ja kein Heiliger? Ein bisschen verleugnen, geht das, man kann ja auch nicht ein bisschen schwanger sein? Konsequenz: Dieser Teil der Heiligen Schrift wird ignoriert. Ich hielte das für eine vorschnelle Kapitulation, denn jede Forderung Jesu sollte jeder für sich separat und immer neu überprüfen. Was heißt es, sich zu verleugnen? Selbstaufgeben kann es nicht bedeuten, genauso wenig Geringschätzung des eigenen Lebens oder gar dessen Ablehnung.

Mit Blick auf das Leben Jesu bekommt der Begriff Verleugnung Kontur. Jesus verkündet, von seinem himmlischen Vater gesandt zu sein. Das Ziel seiner Sendung ist der Mensch. Seine Botschaft verweist wiederum auf das Reich Gottes. Die Adressaten seiner Rede sind wir. Seine Vision ist die Einheit der Menschen und Jesu primäre Lebensform ist Gemeinschaft.

Kurz gesagt, wenn ich zur Deutung des Wortes „sich verleugnen“ Maß nehme am Leben Jesu, dann bedeutet das: Ankommen bei der eigenen Verwiesenheit auf den anderen. Sich verleugnen heißt, diese Relation zu verlassen, die da lautet: Ich verhalte mich auf mich selbst hin und für mich. Jesu Relation bedeutet: Er verhält sich auf sein Gegenüber hin und für sein Gegenüber. Konkret: Insofern das Leben meines Nachbarn gelingt, kann auch das meine dauerhaft gelingen und umgekehrt.

Gemessen an der alltäglichen Erfahrung klingt das nicht realistisch, denn erst wenn ich mich gegen mein Gegenüber durchgesetzt habe, bin ich in unserer Gesellschaft ein Gewinner.
Die gesellschaftliche Tatsache aber ist eine Realität, die zum Abgrund führt.

Das globale Spiel der Kräfte lehrt uns doch spätestens seit dem 11. September etwas anderes. Wenn ganze Völker in Armut, bei mangelnder Bildung und in unfreiwilligen Abhängigkeiten ihr Leben fristen, dann werden sie zum potenziellen Pulverfass für die ganze Menschheit. Hier misslingt im großen Stil, was Jesus heute uns vor Augen führt: Nicht die Ich-Bezogenheit schafft Zukunft, sondern die Du-Bezogenheit. Selbstverleugnung ist Du-Bezogenheit! Dazu bedarf es Menschen, die einen Selbststand haben, von dem aus sie sich auf Gott und den Mitmenschen beziehen können. Menschen mit einem ehrfürchtigen Selbstwertgefühl können begreifen, dass Zukunft scheitert am „ich habe für mich“, und nur gelingen kann im „ich habe für mich mit dir und du hast für dich mit mir.“ Das klingt wieder so niedlich nach „wenn wir dem Menschen helfen, ist Jesus zufrieden!“
Es ist dramatischer: Die gegenwärtige und (global) zukünftige Option des Überlebens der Kulturen bedeutet, auf den anderen hin gerecht zu leben, im Sinne einer recht verstandenen Selbstverleugnung.
Schon der Alltag zeigt: Ein Mensch, der sich auf keinen anderen Menschen bezieht und zu dem sich niemand in Beziehung setzt, der wird einsam, verbittert und stirbt, mindestens innerlich. Diese Vereinsamung können auch ganze Völker, aber auch Generationen einer Gesellschaft empfinden. Hier liegt der Grund allen Menschenhasses.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 28.08.2005
In Aufsätze + Artikel, Glauben heute veröffentlicht | Getaggt , | 1 Antwort

Domgefühl und Schatzeinsichten

Buchpräsentation:
Pressekonferenz, Einhard am Dom, 11. August 2005, 11.00 Uhr

Diese, auch in seiner Art neue Publikation zum Aachener Dom und seinem Schatz habe ich geschrieben, weil die Weitergabe historischer Daten zwar wichtig ist, jedoch geht es in diesem Dom mit seinem Schatz um wesentlich mehr.

Dom und Schatz haben ein Credo: Hier ragen Gott und Mensch heraus!

Deshalb muss zum Dom mit seinem Schatz und den (seinen) Menschen auch im Publizistischen (neben den Erhaltungsmaßnahmen z.B.) etwas Herausragendes vorgelegt werden. Entsprechend würde ich auf die Frage: „Machen Sie mal eine typische Handbewegung“ mit einer Geste antworten, und mich mit diesem Buch in der Hand in den Raum hinein strecken.

Pro Jahr besuchen den Dom ca. eine Million Menschen. Anlässlich des Weltjugendtages werden es in den kommenden Tagen besonders junge Menschen sein, die hier vorbeischauen, mit 10.000 ist zu rechnen.
Genau an diesem „Vorbeischauen“ setzt dieses Buch an, weil: „Vorbeischauen ist mir zu wenig“ und doch ist es wesentlich.
Der Dom, diese Kirche hat es verdient, das man auf sie und tief in sie hinein schaut und nicht nur in ihr an ihr vorbei. Hinschauen bedeutet aber auch hinter das Angeschaute schauen. Und wer sich traut hinter etwas zu schauen, der muss damit rechnen mehr zu erfahren als nur das was zu sehen ist.
Somit ist wesentlich für dieses Buch von Pit Siebigs und mir, das es auffallend visuell ausgestattet ist. Dem dienen Format, Umfang, Material und das Cover. Entscheidend allerdings ist das Bildmaterial, alles neue Aufnahmen, seine ungeahnten und teils noch nie gesehenen Perspektiven und die hohe fotographische Qualität machen dieses Buch zu einem Erlebnis für die Augen. Diese Bilder wecken darüber hinaus Neugier.

Wen die meisten flüchtigen Besucher hier kaum wahrnehmen, den betenden Menschen. Ihm allerdings gilt in meinem Buch das einzige Ausrufezeichen (S.16). Denn gäbe es in der über 1200-jährigen Geschichte dieses Doms nicht kontinuierlich den betenden Menschen, dann stünde dieser Dom nicht mehr, und Aachen wäre heute wahrscheinlich ein Dorf mit warmen Quellen und Dauerkeks.

Didaktik dieser Publikation:

Vier Zielrichtungen habe ich in diesem Buch vereinigt:

  1. Einen kunsthistorischen Rundgang
  2. Andeutungen des christlichen Glauben
  3. Das Erleben des Doms als Animation zur exemplarischen Reflexion
  4. Unabhängig von Domerleben vor Ort als erinnerungs- und geschenktauglich

 

80 Seiten sollte es nicht übersteigen, damit es auch in ca. 90 Minuten zu lesen war und unter sieben Euro sollte es im Handel erhältlich sein, damit es auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich bleibt.

1. Kunsthistorischer Rundgang 
Das Buch führt den Sehgewohnheiten der meisten Menschen entsprechend durch den Dom. Da der einzelne Besucher nicht an alle sehenswerten Orte im Dom so ohne weiteres herankommt, bietet dieses Buch Bilder der realen Sichtweisen des oft eben auch „entfernten“ Betrachters (Thron/Karlsschrein).

2. Andeutungen des christlichen
Dieses Buch ist aber auch ein kleiner, ganz kleiner Katechismus, in dem freundlich und frisch wesentliche Elemente des christlichen Glaubens und der (katholischen) Kirche angesprochen werden. So Taufe, Firmung, Eucharistie, das Gebet, die Heiligen…

3. Domerlebnis als Animation zur exemplarischen Reflexion
Konkret heißt das: Der Dom und sein Schatz mischt sich in zeitlose immer Aktuelle Themen ein. Beispiele: Interreligiöser Dialog, Kommunikation, Wortwahrheit, Missbrauch, Ressource Wasser, Berührung etc. Diese Einmischung ist exemplarisch und will so sensibilisieren für die aktuelle Aussagekraft dieser Kirche.

4. Erinnerung und Geschenk
Ohne Dom gäbe es dieses Buch nicht. Aber das Buch macht den Dom „überflüssig“, weil dieses „Guide“ auch ohne die „Anwesenheit“ des Domes Sinn macht. Will sagen: Dieses Buch ist dazu prädestiniert als eine erzählende Erinnerung mit nach Hause genommen zu werden (Touristen). Gleichzeitig dient es auch als ein Geschenk mit dem der Schenkende (der Aachener) die Seele unserer Stadt dem Beschenkten öffnet.

Methodische Elemente:

  • Historisch klare Informationen: Fakten, Zahlen, Materialien, Kontext.
  • In den Fließtext eingewobene religionsgeschichtliche Hintergründe: Ursprung und Bedeutung der Eucharistie, Sinn des Gebetes…
  • Lyrische Zugänge: Klassische Gebete, „moderne“ Gebete und lyrische Texte.
  • Verknüpfungen mit „zeitlos“ aktuellen Themen: Die Eucharistie mit Kommunikation, die Heinrichskanzel mit der Verlässlichkeit von Worten, der Proserpina mit der Missbrauchsthematik…

 

Einige Überschriften:
Sie haben geerbt; Räume nehmen Platz; Rom auf der Spur; Ort der Berührung; Eine große Stadt ersteht; Dialog der Religionen; Reserviert für betende Menschen; Weit und breit eine Frau: Kanzel Heinrich II.; Heilige, die unbequemen Freunde Gottes; Zwischen Karlsschrein und Marienschrein; Wenn der erste Ton erklingt; Drinnen wie draußen, mitten im Leben;
Ein verschlissener Karl im Panzerschrank: Abul Abaz, der „weiße“ Elefant; Evangeliar Otto III.; Ein Meisterwerk von Hans; Reliquien: Also, niemals geht man so ganz; Textilien herum um Kaiser Karl; Mächtige Stoffe: Zukunft;

Im Werden:
Wir sind mit einem fast fertigen Konzept zum Einhard Verlag gegangen und als wir nach 85 Minuten das Büro von Herrn Blees verließen, stand selbst der Drucktermin schon fest. Die Zusammenarbeit auch und besonders mit Frau Heermann, der Grafikerin war einfach „klasse“. Als ich dann die ersten Entwürfe unserem Dompropst Dr. Herbert Hammans vorgestellt hatte, bot er mir im hinausgehen das Du an. Das sagt doch alles.

In Vorträge veröffentlicht | Getaggt , , , | Kommentieren

Seien Sie mal Tourist in der eigenen Stadt!

Was ist ein Tourist? Einer, der kommt, um sich Aachen, seinen Dom und das Rathaus anzusehen, und dann wieder geht. Was ist ein Einheimischer? Einer, der meint Aachen, seinen Dom und das Rathaus zu kennen, und bleibt.

Gönnen Sie sich doch einfach einmal in der Urlaubszeit einen Rollentausch. Sie sind Tourist in der eigenen Stadt. Überrascht werden Sie schon sein, wenn Sie einfach mal hoch schauen. Betrachten Sie einmal die Innenstadt ab der ersten Etage aufwärts. So manche Fassade und, was sich an ihr verbirgt, sind einfach klasse.
Unter dem Stichwort „Entdecken“ gibt es hier so manche Uberraschung für den einheimischen Touristen. Drehen Sie um Brunnen und Skulpturen, soweit des geht, einfach mal ein paar Runden, bücken Sie sich hier und da oder stellen sich auf die Zehenspitzen. Da gibt es neue Einsichten.

Haben Sie eigentlich schon einmal die Infos gelesen die unter einigen unserer Straßenschilder hängen? Ich gehe fast täglich über den Münsterplatz am Dom vorbei. Aber meinen Sie, ich hätte mich da schon einmal auf eine Bank gesetzt?

Übrigens: Bank ist zwar nicht gleich Bank, was die Perspektive angeht, aber gemeinsam ist ihnen, dass sie auch für die Einheimischen eine Einladung zum Entspannen sind, ob nun auf dem Markt, im Ferberpark oder auf dem Lousberg.

Apropos Bäume: Bäume im Spiel von Licht und Schatten haben eine besinnliche Dimension. Ein Spaziergang im Stadtwald jenseits der breiten Wege kombiniert mit Augenblicken des Innehaltens kann zur Meditation für den werden, der mehr „erspüren“ möchte, als die Augen sehen.

Orte der Ernüchterung aber auch der Hoffnung sind unsere Friedhöfe. Ihre Erde ist getränkt von Erinnern und Vergessen. Hier werden wir daran erinnert, daß unser Leben nur eine Leihgabe ist. Auch sie zu besuchen, ist eine Bereicherung. Unsere Stadt hat viele Orte die ansprechen – nicht nur den Dom. Aachen ist eben täglich eine kleine Tour wert und das nicht nur zur Urlaubszeit.

Quelle: Aachener Zeitung, 3.8.2005
In Aufsätze + Artikel, Kolumne in der AZ veröffentlicht | Getaggt | Kommentieren

Ich schütte meine Klage aus – bist du da?

Anna-Woche 2005 in Düren

„Ich schütte meine Klage aus – bist du da?“

Sonntag 7. August
„du rufst mich heraus“
Evangelium: Die Auferweckung des Lazarus (Joh 11, 3ff)

„Bitte entschuldigen Sie aber könnten Sie dahinten mal aufstehen? Ja, ich meine Sie mit der bunten Bluse, nein nicht Sie mit den Streifen. Und dann der Herr mit den hellen Haaren, Sie hier in der Mitte, würden Sie auch mal aufstehen?
Wenn jemand herausgerufen wird, dann steht er normaler Weise nicht alleine an irgendeiner Ecke, sondern er ist umgeben von anderen Menschen. Herausrufen kann man auch jemanden der sich in einem Raum aufhält, sich in einem Gebüsch verbirgt oder in sich selbst verschlossen ist. Herausgerufen zu werden ist vielen peinlich, unangenehm, eben mit einem Unbehagen verbunden.

So hervorgehoben zu werden, eben ein Herausgerufener zu sein ist im Verständnis vieler Christinnen und Christen nicht angemessen, da doch eher Bescheidenheit, Zurückhaltung und Demut angeblich die uns angemessenen Tugenden sein sollten. Auf gesellschaftliches Handeln bezogen nennt man ein solches Verhalten: „Nur nicht auffallen, den Kopf nicht zu weit herausstrecken denn man könnte ja sonst (unangenehm) auffallen.“
Die traurige Steigerung einer solchen Einstellung ist in manchen Situationen als mangelnde Zivilcourage zu bezeichnen. Sie trifft dann zu, wenn Menschen einfach abtauchen und so tut als habe man nichts gesehen, während in ihrer unmittelbaren Umgebung Menschen bedroht werden.

Ortswechsel:
Emotionen sind im Spiel, Dramatik schwingt im Raum, es geht um Leben und Tod. Aber eigentlich ist alles schon vorbei. Lazarus ist tot und begraben. Jesus kommt scheinbar zu spät, das gehört zur Dramaturgie dieser komponierten Wahrheit. Jesus ist emotional erregt, und traurig, er weint und ist ergriffen. Und: Er ist entschlossen, aber nicht erst jetzt im Augenblick seiner Trauer um den Toten Freund. Jesus war schon vor ca. zwei Tagen entschlossen als er zu seinem jetzt toten Freund aufbrach, so die Schrift. Jesus kommt entschlossen bei seinen Freunden an, bewegt von seiner zentralen Botschaft, die ungeheures zu bewirken in der Lage ist. Der zweiten Satz der Frohen Botschaft heute lautet: „Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.“

Jesus offenbart seine Herkunft und vergegenwärtigt die Macht Gottes. Jesus macht so klar woher er kommt und aus welchem Geist heraus er handelt. Doch er wählt nicht den Weg der Erklärung, der Begründung oder des Abwägens um von der Liebe Gottes zu berichten. Jesus ruft (laut): Lazarus, komm heraus! Keiner der Umstehenden käme auf die Idee einen schon vier Tage Toten, der entsprechend auch zu riechen scheint zuzurufen, komm heraus!

Schnitt:
Fragen wir nicht wie Lazarus, die Frauen und Jesus sich fühlen. Fragen wir nicht ob das so war, ob es grundsätzlich überhaupt so hätte möglich sein können und ob der Sohn Gottes übernatürliche Kräfte besitzt. Diese Fragen dienen nicht wirklich einem tieferen Verständnis aus dem Glauben.

Ein weiterer Ortswechsel ist nun hilfreich:
Ich schütte meine Klage aus – bist du da? Steht uns dies Haltung des Klagenden nicht viel eher zu Gesicht als die dessen der ein Herausgerufener ist von dem eben die Sprache war?
Wir haben einerseits als glaubende Menschen ja auch gelernt unsere Sorgen, Nöte, Ängste und Leiden vor Gott zu formulieren. Aber andererseits ist genau diese Klage da, wo sie vordergründig keine konkrete Antwort bekommt, Grund unseres Zweifels an der Handlungsfähigkeit Gottes. Salopp gesagt: „Gott ich klage so vor mich hin, aber dich scheint das nicht sonderlich zu interessieren, sonst würdest du ja den Grund meiner Klagen vernichten.“

Genau in diesen beiden „Verhaltensweisen“, dem Herausgerufen sein das oft mit Unsicherheit verbunden ist und der Klagen die oft mit Unerhörtheit verbunden zu sein scheint liegt die Botschaft dieses Evangeliums. Genau hier hat es konkret mit Ihnen und mir zu tun.

Unsere Klagen:
Sie sind gewoben aus all dem was subjektiv und objektiv verletztes Leben hergibt. Einsamkeit, Schmerz, Harz IV, Krankheit, Sinnverlust, loslassen müssen, unerfüllte Träume, im Vergleich mit anderen Menschen immer der Verlierer sein, altern, erlebtes Unrecht, Erfolglosigkeit, Enttäuschung.
Sie können diese Klagen noch viel konkreter benennen, denn viele von Ihnen haben ihre Klagen heute mitgebracht, beziehungsweise können sie besonders in stillen Stunden nicht hinter sich lassen!
Genau in diese Situation hinein werden wir mit dieser Provokation konfrontiert: „Du rufst mich heraus!“ Das Gefühl sich aus der Masse hervorheben zu sollen bringt dieses Unbehagen. Hier aufzustehen, sich hervorzutun weil heraus gerufen ist einfach unangenehm.

Kurzfassung:
Wir klagen, oft zu recht, aus tief empfundenem Schmerz, und du Gott rufst uns heraus, willst das ich mich exponiere.

Ortswechsel:
Zurück zu Lazarus. Jesus ruft in das Grab, an dem die Frauen klagen und selbst Jesus seine Trauer nicht verbirgt: „Lazarus, komm heraus!“
Lazarus kommt heraus, aber nicht als dynamischer Held, vor Leben nur so strotzend. Heraus kommt ein Lazarus dessen Gelenke mit Binden umwickelt sind und der das Schweißtuch noch auf dem Kopf trägt. So wird es wohl auch noch ein wenig riechen.
Und, wie geht es weiter? Lazarus lebt und so wird auch wieder klagen, denn sein Leben geht weiter. Leben und Klage scheinen zusammen zu gehören. Wie lange Lazarus lebte wissen wir nicht. Jesus hat ihm die letzte große Klage, das Sterben nicht erspart. So ist Lazarus eben auch wieder gestorben, wie in Zukunft auch wir.

Wie lautet die Botschaft Jesu?
Wenn Jesus, der das Leben von allen Seiten kennt, „herausruft“, dann lautet seine Botschaft auf den Punkt gebracht so: Klagen, ja! Klagen als Lebensprinzip aber nein!
Mit dem Ruf Jesu sind wir herausgerufen uns nicht hinter unserer Klage zu verbergen. Die Klage ist keine Festung. Denn das Leid und die aus ihm erwachsende Klage ist nicht die Beschreibung unseres Lebens. Leben kennt das Leid, aber das Leben hat definitiv mehr geboten und zu bieten.
Trotzdem erleben Menschen oft kaum überwindbares Leid. Aber auch ihnen gilt der Ruf Jesu. Jesu Ruf hallt in das Gestern unseres Lebens mit dem Ziel, dass wir uns nicht von alter Klage knechten lassen. Ebenso ruft er in die Zukunft unseres Lebens mit dem Ziel, das wir uns von der Angst neuen Grund zur Klage haben zu können nicht schon heute lähmen lassen.
Jesus der Christus ruft uns unser Leben lang heraus damit wir am Leben nicht verzweifeln oder es als vergängliche und beliebige Episode abtun.

Konkreter:
Warum ruft Jesus eigentlich den Lazarus heraus, der dann doch wieder stirbt? Mit Lazarus ist spürbar wie persönlich sich Jesus betroffen fühlt vom Tod dieses Freundes und der trauernden Maria. Hier bekommt wieder einmal die universale Liebe Jesu zu den Menschen ein konkretes Gesicht.

Erinnern Sie sich noch in Ihrem Leben an das Gefühl, die Kraft und die Großherzigkeit einer ersten großen oder auch späteren Liebe. Sie kennen doch die Kraft der Liebe, die Sie vielleicht sehr lange getragen hat oder besser aktuell noch trägt! Besonders in schweren Tagen, in Tagen des Klagens kann Liebe unendlich stark machen, erinnern Sie sich?

Jesus weiß was Liebe ist und deswegen ruft er: „Komm heraus!“ Diese Liebe, die den Lazarus weckt, ist die Verherrlichung Gottes wie Jesus sie nennt. Ich würde sagen: Das ist die „Erzählung“ einer Liebe der ich trauen kann, weil sie mächtiger ist als meine Liebe, die schon so stark sein kann. Liebe ruft aus dem klagen heraus ins Leben!

Heraus gerufen sein bedeutet nicht im stillen Kämmerlein dieser Liebe zu trauen trotz unserer Klagen. Heraus gerufen sein heißt mit unseren Klagen der Liebe Gottes zu trauen und nicht abzutauchen.

Letzte Frage:
Und wohin sind wir gerufen?
In unsere Familien, zu unseren Freunden, unseren Partnerinnen und Partner. Wir sind herausgerufen uns zu exponieren unter den Menschen denen wir täglich begegnen.

Lazarus ist die aktuelle Antwort!
Ihnen sollen wir berichten dass sie, wie wir auch einen gemeinsamen Zweitnamen haben. Er lautet: Lazarus.
Und wenn wir, wenn die Menschen in unserer Umgebung begreifen, Lazarus das ist auch unser Name, dann gilt besonders im Dunkel unserer Klage das Wort Jesu: „Lazarus, komm heraus!“

Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 2005 in St. Anna, Düren gehalten.

In Anna-Predigten, Predigten veröffentlicht | Getaggt , , | Kommentieren

Ich bin wer ich bin

Du, der du von dir sagst:
„Ich bin der, der ich bin da.“
Du kennst die Bemühungen
meines Lebens,
die großen, die kleinen und
die, die keine waren.
Dir brauche ich nichts
vorzumachen.
Bei dir muss ich nicht mehr
sein als der, der ich bin.
Du rufst mich bei meinem
Namen,
meinst mich ganz.
Den „Stein“, den ich heute
nicht geworfen habe,
sondern verwandeln konnte in
menschliche Wärme,
ja, das war auch mit dein
Werk, danke.

Heute Nacht möchte ich gut
schlafen, und morgen wieder
wach werden als der,
der ich bin.
So darf ich dann morgen sein,
wie heute plus einen neuen Tag.
Danke für meinen Namen und
dass es dich gibt: Du, der du
von dir sagst: „Ich bin der,
der ich bin da.“
Amen

Aus: Domgefühl und Schatzeinsichten, 2005.
In Lyrik + mehr veröffentlicht | Getaggt , | Kommentieren

Lieber Gott

Du bist ganz wichtig in meinem Leben. Auf dich verlasse ich mich. Dir darf ich vertrauen. Bei dir muss ich nicht anders sein, als ich bin. Doch in der Schule will niemand wissen, wie wichtig du mir bist …

Sonntag! Ja, ich gehe gerne in die Kirche, denn da treffe ich auch Freunde, mit denen ich in derselben Gruppe bin und zusammen spiele. Aber wenn wir dann montags in der Schule so richtig auftrumpfen können mit all den tollen Dingen, die wir am Wochenende erlebt haben, dann traut sich keiner, vom Gottesdienst zu erzählen. Als ich es doch einmal getan habe, weil der Gottesdienst einfach schön war, hat niemand zugehört …

Auch wenn ich vor dem Essen ein Kreuzzeichen mache, dann denken die anderen wohl, dass ich etwas verrückt bin. Manchmal lachen sie. Oder sie machen einen blöden Kommentar. Aber einmal hat mich auch einer gefragt, warum ich das tue. Ich habe ihm gesagt: Ich möchte Gott danken für all seine guten Gaben!

Lieber Gott, wenn ich sage, dass ich an dich glaube, dann ist es oft etwas still um mich herum. Ich habe begriffen, dass nicht alle Menschen dich kennen und auf dich stolz sind. Weißt du, lieber Gott, was ich dir heute sagen möchte: Ich stehe hinter dir, sollen die anderen doch reden. Ich weiß, dass du auch sie gern hast. Vielleicht lernen sie dich ja doch einmal kennen und freuen sich darüber!

Eine Bitte aber habe ich: Lass mich nicht im Stich, egal wo ich bin. Und gib mir Mut, auch in der Schule!

Aus „Für die Schule ganz viel Segen! Gebete und Gedanken für die Schultüte“ erschienen im Verlag Neue Stadt, 2005.
In Lyrik + mehr veröffentlicht | Getaggt , , | Kommentieren

Was soll die Rede von Spatzen?

„Die Haare auf meinem Kopf, Gott hat sie gezählt. Der Spatz fällt nicht vom Himmel ohne den Willen Gottes.“ Jesus vermittelt mit diesen Worten den Eindruck, als würde vor Gott kein Detail der Welt verborgen sein. Ja, da ist er dieser Gott, der alles „sieht“. Gott wusste also um die Fremdherrschaft der Römer in Jerusalem. Er kannte die Unterschlagungen der Zöllner. Das Geschäft der Huren und die Machenschaften der Händler im Tempel waren ihm auch nicht verborgen. Die arme Witwe, der Aussätzige und die vielen Kranken, sie alle waren ihm bekannt. Gott wusste also Bescheid!

Diese Feststellung koppeln die Menschen heute oft automatisch mit der Frage: „Und warum hat Gott dagegen nichts unternommen?“ Wir gehen heute sofort in die kritische Distanz und ziehen Gott zur Rechenschaft mit Fragen wie: Warum lässt Gott das Unglück zu? Warum hat diese Krankheit mich getroffen? Diese Fragen münden in eine der großen Ungewissheiten christlichen Glaubens, die nach dem Zusammenhang von Gott und Leid. Aber teilen wir mit diesen Fragen auch die heutige Blickrichtung der Botschaft Jesu?

Als Jesus seinen Aposteln von „den Haaren auf dem Kopf und den Spatzen“ erzählte, stellte keiner von ihnen die Frage: Aber wie kann Gott, wenn er doch alles weiß, zulassen dass …? Jesus bereitete seine Apostel gerade darauf vor, allen Menschen, Juden und Heiden von dem Gott zu erzählen, der sich in ihm, Christus „neu“ offenbart. Besonders aber mit Blick auf diese kritischen Adressaten war doch zu befürchten, dass solche Fragen gestellt würden wie: „Warum tut Gott nichts, wenn er doch darum weiß?“ Jesus selbst hatte auch schon am eigenen Leib die kritischen Fragen der Schriftgelehrten gespürt, so bei seinem Besuch im Hause des Zöllners. Also, getraut hätten die sich schon, Jesus und seine Apostel zu hinterfragen. Aber Jesus hat die Apostel trotzdem nicht für die passenden Antworten präpariert. Oder war Kritik vielleicht gar nicht zu erwarten, da alle irgendwie zufrieden waren im Wissen, doch immer noch ein Stück tiefer fallen zu können, und deshalb besser den Mund hielten, um nicht Schlimmeres heraufzubeschwören? Vielleicht waren die Apostel Jesu ja auch schon jenseits von Gut und Böse, fern der Realitäten und schwärmten einfach nur noch für Jesus?

Nein, falsche Spur, andere Richtung. Weder die Apostel, noch die jüdischen Gelehrten noch irgendwelche anderen Zeitgenossen Jesu übersahen, verdrängten oder verniedlichten das Leid um sie herum. Alle lebten auch damals in einer verletzten Schöpfung und wussten darum. Aber sie blickten aus dieser Realität auf Gott nicht als den Sündenbock, sondern als den, der rettet, aufrichtet und heilt. Ihre Frage lautete nicht: Gott, wie konntest du das zulassen? Ihre Frage lautete: „Gott, was setzt du dem entgegen?“ Die Antwort Gottes darauf konnte überzeugender nicht sein: „Mich, in meinem Sohn Jesus Christus. Glaubt mir, vertraut mir!“ Die Botschaft mit den „Haaren und den Spatzen“ lautet: „Mensch, vertrau darauf, dass nichts verloren gehen wird.“ Vertrauen ist hier Thema! Vertrauen trägt aber nur dann, wenn wir Welt und Himmel als eine reale und gleichzeitig zu erhoffende Lebenseinheit verstehen und leben, nicht aber die Welt als ein unumgängliches Jammertal und den Himmel als Befreiung am Nimmerleinstag. Welt ist umgeben vom Himmel, der schön, aber nicht „gleichmäßig“ in unsere Welt, unsere Gesellschaft, unser Leben hineinscheint.

Und, wir fragen trotzdem: „Gott, warum gibt es Leid in dieser Welt?“ Diese Frage kann nur jenseits des Paradieses und jenseits des Himmels gestellt werden, findet aber keine zufrieden stellende Antwort. Allerdings ist das Leben auch nur da zu haben, wo diese Frage nach dem Leid gestellt werden kann, eben da, wo das Paradies nicht mehr und der Himmel noch nicht ist.
Wir werden keine Antwort auf die Frage finden, warum es Gott und das Leid in unserer Welt gibt. Konsequenz: Sich von Gott verabschieden? Dann allerdings bleibt nur das Leid zurück. Sich verabschieden vom Leid grundsätzlich, dann aber auch vom Leben. Oder aber wir stemmen uns mit Gott zumindest gegen das durch den Menschen verursachte Leid.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 19.06.2005
In Aufsätze + Artikel, Glauben heute veröffentlicht | Getaggt , , , , | Kommentieren

Wert als Begriff, Werteoptionen als Parteinahme und das „C“ – Zweiter Teil

Das „C“ in der Politik ist Programm auch ohne Bekenntnis, Provokation und Alltagsgeschäft. Oder: Wo „C“ drauf steht, kann nicht allgemeine Politik drin sein.

Zweiter Teil

Vortrag zur Klausurtagung der Jungen Union,
Aachen am 12. Juni 2005 in Richterich.

Die Bedeutung des „C“ in einer Partei.

Das „C“ ist ein von der CDU und in Folge von der Jungen Union selbst erhobene Kennung, die gleichzeitig einen Anspruch zum Ausdruck bringt, der sich als Exponent messen lassen muss an der Signifikanz dessen, auf den sie sich explizit bezieht (Christus und die Gemeinschaft der Christen.).
Das „C“ ist somit eine eher nicht zu relativierende Größe, da es nicht relativiert angeführt, sondern als Behauptung im Namen der Partei geführt wird eine christliche zu sein, also sich auf die Botschaft Jesu Christie berufend und beziehend. (CDU ist nicht das Kürzel für „vielleicht“ christlich Demokratische Union oder Partei derer, die sich als Christen in dieser Partei bekenntnisbezogen zusammenschließen!)

Die CDU ist mit dem „C“ ihrem Namen folgend explizit christlich und somit „christlicher“ als jede andere Partei (außer der CSU), da jene sich nicht auf das „C“ des Christlichen in ihrer Namensgebung, das auch Programm ist, beruft. (Das „S“ in der SPD ist unverbindlicher, da es sich auf einen Begriff bezieht der variabel definierbar ist.)

Auf die Botschaft Jesu bezogen Politik gestalten zu wollen bezeichnet den Willen und das Vermögen, Entscheidungen und Handlungen in Ableitung der christlichen Botschaft zu begründen.

Das spezifisch christliche ist die ausgewiesen Kernbotschaft des befreienden Wortes Gottes in Jesus Christus.

Im Gegensatz zu dem Bekenntnis des einzelnen Christen, ist der Anspruch einer Partei sich auf das „C“ zu beziehen mehr als nur die Summe der subjektiv glaubenden einzelnen Christen, die sich in einer solchen Partei zusammenfinden.

Aus dem „C“ als dem „Mehr“ oder „Anders“ einer Partei resultiert für die Polis, das diese C Partei als Fraktion, Regierung oder in Opposition strukturell das spezifisch christliche als Handlungsoption zu garantieren anstrebt.

Das subjektiv christliche Bekenntnis einer Politikerin, eines Politikers kommt im Sinne der persönlichen Überzeugung hinzu, ist aber nicht konstitutiv für den Anspruch als „C“ Partei aus den christlichen Wurzeln heraus für die Polis zu handeln. Auch wenn in der CDU kein einziger bekennender Christ mehr wäre, dann würde sie als Partei weiterhin für das spezifisch Christliche stehen, solange sie mit dem „großen C“ diesen Anspruch erhebt.

Kernbotschaft der Verkündigung Jesu in Auswahl.
  • Option für die Armen und Ausgestoßenen (Zachäus, Aussätzige)
  • Die andere Herrschaftsform (Jesus auf dem Esel, Einzug in Jerusalem)
  • Das andere „gesellschaftliche“ (Gegengesellschaft) miteinander Umgehen (Bei euch soll es anders sein. Seligpreisungen.)
  • Reichgottesverkündigung (Paulus: Unsere Hoffnung aber ist es…)
  • Freiheit des Menschen. (Jesuswort: Ich nenne euch nicht mehr Knechte…)

Vom Wert, Teilziel und Motivation.

Generell muss differenziert werden zwischen einem grundlegenden Wert, dem daraus resultierenden konkreten Einzelzielen, und dem Weg dieses aus dem Wert erhobene Ziel zu etablieren (über Teilziele).

1. Egal wer diesen Versuch anstrebt, er muss sich messen lassen an der Kernbotschaften Jesu Christi (Nicht an seinem persönlichen christlichen Glauben.)!

2. Zukunftsbezogene Teilziele für die Zukunft der Gesellschaft:

  • die Interdependenz der Generationen
  • gegensteuern gegen ein Kulturmobbing zwischen den Kulturen
  • teilen, aber nicht verteilen
  • das Zwischenmenschliche als Wert neu entdecken (Höflichkeit [Türe aufhalten] Wertschätzung des sozialen Engagements, gemeinsame Entfaltung der Generationen etc.)
  • Spiritualität als Integrativ in Alltagshandlung und Lebensplanung.
  • Botschaften von Politikern müssen eine Haltwertzeit haben. Wenn nicht müssen sie sanktioniert werden. (Ich lasse mich messen an den Arbeitslosenzahlen.).
  • Mindestens mittelfristige (besser langfristige) Wirk- und Verantwortungsspannen der politischen Entscheidungen (Keine Wahlgeschenke die nicht zu finanzieren sind.).
  • Karriere macht das Thema, nicht der Politiker, die Politikerin.

3. Motivation der Mitglieder in der Jungen Union:

  • Sie verantworten (noch) kein konkretes politisches Handeln im Sinne einer Zielverantwortung in Regierung oder Opposition. Sie habe Polis im Nacken und somit auch keinen Politikstress.
  • Ihr grundsätzliche Motivation mit persönlicher Prägung könnte ihr Interesse an der eigenen Zukunft sein. Dazu gehören Selbstverwirklichung (auch Gelderwerb), Familie und Generationenkultur. Entscheiden sie politisch den Entwurf Ihrer Zukunft für sich.

Drei beispielhafte Konkretisierungen eine Grenze des grundlegenden Wertes der Freiheit.

Oder:
Freiheit bedeutet Freiheit für, nicht Freiheit von!

1. Konkretisierungen:

Ein daraus abgeleitetes Ziel: Freiheit zu Wirtschaft und Ökonomie. (Diese ist vom Gesetzgeber geschützt.)

Wer nun in Wirtschaft und Ökonomie (aus freier Entscheidung) nicht investiert, also nicht arbeitet, kein Geld anlegt etc. wir dafür strafrechtlich nicht verflogt, weil er ja die Freiheit hat sich wirtschaftlich und ökonomisch zu verhalten oder auch nicht.
Beispiel: Wenn die überwiegende Mehrheit ihr Gemüse im Vorgarten oder auf den öffentlichen Grünflächen anbaut, für die Miete jobbt und tingelt, die eigene Sau auf dem Balkon hält und den Tabak im Keller züchtet, dann ist das auch Freiheit. Diese Freiheit fährt die Wirtschaft an die Wand, und lässt den Staat in aller Freiheit zu Grunde gehen.
(Mangelnde Arbeit in einem Staat führt zu dem selben „Erfolg“ aber hat mit Freiheit nicht zu tun.)

2. Konkretisierungen:
Ein daraus abgeleitetes Ziel: Freiheit zur Kultur

Kultur auf eine Kurzformel gebracht: Kultur wird immer wieder sie selbst aus ihrer Vergegenwärtigung heraus. Sie wird so geschichtlich übermittelt um aufgehoben, entfaltet oder abgebrochen, also gelebt oder nicht gelebt zu werden.

(Ausgeführt an Hand des Exkurses.)

Exkurs:

Kultur, ein Begriff in Wandlung:

Kultur ist nicht mehr vornehmlich bezogen auf die klassisch „bildenden“ Künste wie Literatur, Malerei, Plastik, Musik und Schauspiel, so wie es noch bis in die Mitte des 20. Jh. der Fall war. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. beginnt sich ein erweiterter Kulturbegriff zu etablieren, erweitert über den „klassischen“ Kunstbegriff hinaus, der nun all das umfasst „was der Mensch, in seiner lebendigen Begegnung mit der umgebenden Welt, schafft und ist. […]“1
Bildung ist ein Habitus im Prozess. So ist mit dem Begriff der Bildung auch immer der Begriff des Bildungsprozesses verbunden. Ihn definiert H. Peukert so: „[…]Bildungsprozesse [sind] die Sollbruchstelle bei der Weitergabe einer Kultur. Sie bedeutet immer Dekonstruktion, Rekonstruktion und Neukonstruktion zugleich und zwar aus der Lebensperspektive von Individuen, die mit der Perspektive von Gruppen und von ganzen Gesellschaften verschränkt ist.“2 Kultur lebt von der Vergegenwärtigung ihrer selbst und ist deshalb ihrer Zukunft nicht sicher, obwohl fast jedem „kulturellen Augenblick“ der Anspruch innewohnt, ewig, mindestens aber zukünftig sein zu wollen.
Kultur kennt nicht die Ewigkeit eines Olymps sondern „Kultur ist die Fähigkeit der Menschen, ihr gesellschaftliches Dasein in materialer, sozialer und ideeationaler [von der Idee geprägt] Hinsicht zu gestalten. […]“3 Das setzt Interaktion (soziales Handeln) voraus, kreative Beteiligung (Teilhabe an der Gestaltung) und Bedeutungsfülle (Sinngebung und Lebenserhaltung) gegen Kultursteuerung als Instrument der Verhinderung von Öffentlichkeit oder der kulturellen Beharrung.4Kultur hat Vergangenheit, erkannte und verborgene! Menschen werden in Kulturen hineingeboren, sie finden Kultur vor, ob im Orient oder im Okzident, ob in einer selbsternannten „Ersten Welt“ oder einer so genannten „Dritten Welt“. Kultur entsteht, wo der Mensch Natur berührt. So ist Kultur unausweichlich vorhanden. Die von Menschen geschaffenen Beiträge zu seiner Kultur oder bestimmte kulturelle Abschnitte sind in ihrer Nachhaltigkeit unterschiedlich und so differenziert zu gewichten. Während beispielsweise die Kultur der Griechen im Denken des 21. Jh. noch immer einen Platzt hat und so Kultur bis heute beeinflusst, ist dem imperialen Kaisertum der antiken Römerzeit, zumindest im „old Europe“, abgesehen davon ein Kapitel in der Weltgeschichte zu sein, gegenwärtig keine aktive kulturelle Bedeutung zuzuordnen. Kultur wandelt sich auch aus Kultur zur Kultur und bedarf, um Gegenwart zu werden oder zu bleiben, immer wieder der Vergegenwärtigung ihrer selbst, also dessen was geworden ist.
Kultur ist immer aber auch Interpretationsangebot von Gegenwart, mit dem Ziel der Orientierung in komplexen gesellschaftlichen Strukturen, die individuelle Entscheidungsmöglichkeiten ermöglicht. Jürgen Habermas merkt an: „Kultur nenne ich den Wissensvorrat, aus dem sich Kommunikationsteilnehmer, indem sie sich über etwas in der Welt verständigen, mit Interpretationen versorgen.“5
Den Kulturbegriff nun ergänzt um eine sozialpsychologische Perspektive definiert Alexander Thomas so: „Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft […] tradiert.“6

Kultur auf eine Kurzformel gebracht: Kultur wird immer wieder sie selbst aus ihrer Vergegenwärtigung heraus. Sie wird so geschichtlich übermittelt um aufgehoben, entfaltet oder abgebrochen, also gelebt oder nicht gelebt zu werden.

3. Konkretisierungen:
Ein daraus abgeleitetes Ziel: Freiheit zur Familie
Gesellschaft lebt von der Familie und den daraus hervorgehenden Kinder. Sie sind die nicht austauschbaren Garanten für den Generationenvertrag (Renten und Krankenversicherung etc.), für Kultur, Demokratie, Freiheit etc.
Jeder hat die Freiheit auf Familie und Kinder zu verzichten. gefährdet so aber die Zukunft unserer Gesellschaft.
Diese Freiheit fährt die Zukunft unserer Gesellschaft an die Wand, und lässt den Staat in aller Freiheit zu Grunde gehen.

Der Staat überantwortet seine Zukunft der Familie von der er sich erhofft, dass aus ihr freiheitsliebende, demokratische Kulturträger hervorgehen die die Zukunft der Gesellschaft stabilisieren und auch weiterhin gewährleisten.
Themen zur Familie:

Familie ist nicht nur das „kleine Idyll“ sondern korrespondiert mit:

  • Kinder- und Jugendentwicklung (Persönlichkeitsbildung)
  • Ehe und Beziehung (Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit)
  • Kindergarten, Schule und Bildung
  • Gemeinsame Finanzierung von Familienarbeit
  • Familiäre Erziehung:
    • als wirtschaftlicher Wert (Vgl.: Lehrer, Erzieher,Sozialpädagogen etc.)
    • als kompatibel mit Berufstätigkeit (Beruflicher Wiedereinstieg)
    • Geschlechtergerechtigkeit.

Ein Grundwert wie z.B. der der Freiheit existiert nicht aufgrund seiner nackten Errungenschaft, sondern er muss immer neue errungen werde. Das heißt zwar nicht täglich auf die Barrikaden gehen im Geist der Französische Revolution. Das heißt aber politisch auf die Barrikaden zugehen für Kinder, deren Beheimatung in Familie, sowie Erziehung und Bildung. Kinder sind Sinn an sich und der Garant damit des Lebens in der Gesellschaft Sinn macht.

1 Guardini, Romano. Unterscheidung des Christlichen, Gesammelte Studien von R. Guardini. Mainz, 1935. S. 75.
2 Peukert, Helmut. Zur Neubestimmung des Bildungsbegriffs. In: Meinert A. Meyer/Anne Reinartz, Hg. Bildungsgangdidaktik, Opladen. 1998. S. 17.
3 Grverus, Ina-Maria. Menschsein ist kulturelle Kompetenz. In: Thomas Schreijäck. Menschwerden im Kulturwandel. Luzern. 1999. S. 43.
4 Vgl. A. a. O.
5 Habermas, Jürgen. Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2. Frankfurt/M. 1981. S. 209.
6 Thomas, Alexander. Psychologie interkulturellen Lernens und Handelns. In: Ders.., Kulturvergleichende Psychologie. Göttingen. 1993. S. 380.
In Vorträge veröffentlicht | Getaggt , , | Kommentieren
© Christoph Stender | Webdesign: XIQIT GmbH
Impressum

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen