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Mit Standpunkt auf Linie in Wandlung

Standpunkte,
die Kontinuität und Ortsansässigkeit brauchen,
also die Sicherheit nicht beliebig zu werden,
um nicht verloren zu gehen,
sind Wurzeln die halten
im Erdreich der eigentlichen Überzeugung
von irgendwas,
gerade wenn der Mensch zu wanken geneigt ist.

Doch um die Standpunkte herum
dreht sich die Welt
und unsere ganz kleine Umgebung.

Standpunkte sind aber dazu da
zu bleiben,
egal wer auch immer sich dreht.

Und im Drehen all dessen was herum ist
stellt alle zentrifugale Kraft
vor die Frage:
Wie lautet der Standpunkt?

Der ist rückschauend eigentlich klar,
sagt jeder Verein oder so.
Nur die Gegenwart ist so unverschämt,
aus reinem Selbsterhaltungstrieb,
trotzdem zu fragen nach dem Standpunkt,
nicht weil sie ihn bezweifelt,
sonder weil sie will
das aller Standpunkt
im Wandel des Drumherum
verstanden und aufgehoben bleibt.

Gegenwart,
da stehen wir,
ganz persönlich und ehrenamtlich engagiert
und sagen in die Zukunft
Pax Christi, ist Standpunkt,
aber wie?
Standpunkte.

© Christoph Stender. Pax Christi Aachen, Geistliches Wort im Beirat am 5. Mai 2007
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Schafskälte

Ihr Schafe:
Taufe, habt ihr danach gefragt?
Ewiges Leben, wackelige Angelegenheit.
Erste heilige Kommunion, Geschenkterror XXL.
Kirche, geschorene „Verwandtschaft“.
Gemeinde, Zufall via Hausnummer.
Firmung, letzter Versuch.
Pfarrstrukturen, katholische Koppel unter Strom.
Gemeindevertretung, Negativauslese auf hohem Niveau.
Mitbestimmung, abgelaufen, dann dumm gelaufen.
Gottesdienst, ein Schritt vor und zwei zurück.

Wer da nur mitläuft, ist schon ein Schaf,
folgt er dich nicht der Herde,
sondern friert bei den Wenigen,
die nicht einmal zusammenrücken.

Schafskälte zieht’s durch die Niederung.

Aber wie gut, dass nicht alle Schafe Esel sind,
denn Schafe werden etwas erleben:
Schafkälte hält der Sonne nicht stand.
Und dann?
Frühlingsglocken, du Schaf!

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg), April 2007
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Die Lust geht der vom Selbstzweck befreiten Fastenzeit voraus

Kar- und Ostertage mit Leidenschaft

Die Lust geht dem Fasten voraus.

Korrekt, werden u. a. nicht nur traditionellere Kreise in der Landschaft heutiger Theologie und spirituell eher spartanisch agierende Gruppierungen zustimmen. Denn genau sie, diese Lust (der Natur innewohnend) gilt es ja, dem überkommenen Verständnis der Fastenzeit gemäß zu bekämpfen.

Fastenziele

Ihr Ziel ist jedes Jahr neu das Alte: Die Veredelung der Seele und in Folge die des sittlichen Lebens. [1] Das kann auch anders lauten: Die Unterdrückung der leiblichen Begierde in all ihren Expansionen, die Züchtigung des Fleisches als der Kerkerzelle des Geistes oder die Entsorgung aller Ablenkung zur ballastfreien Hinwendung auf das Transzendente. Und, in Ergänzung: Das LThK von 2006 differenziert zum Stichwort „heutige Fastenpraxis“ das Fasten nochmals anders aus in seine medizinischen, sozialen und politischen sowie in spirituelle Aspekte. [2]

Darüber hinaus unterliegt die Intention der Fastenzeit oft auch zeitgeistigen Strömungen, Moden und Epochen, aber es gab und gibt auch immer wieder Autorinnen und Autoren, die den einen oder anderen Akzent neu oder anders die Fastenzeit betreffend hervor gehoben haben und es bis heute auch immer wieder tun.

So verstanden sind auch meine Ausführungen eine Akzentuierung:
Die Lust geht dem Fasten voraus! Nein, Sie können jetzt nicht einfach oben wieder anfangen den Artikel zu lesen. Denn, so mein Einwurf, die Lust ist in gewisser Weise nicht der. zu bekämpfende Feind in der Fastenzeit, sondern ihre zu hofierende Freundin.

Lust steht am Beginn der Fastenzeit

Was ist meine Motivation, oder allgemein gefragt, was leitet uns Menschen? Was lässt Sie, was lässt den Menschen grundlegend Veränderung wollen, warum bricht er aus den gebahnten Bahnen aus, warum mutet er seinem Körper und dessen Gewöhnung etwas Ungewohntes zu, wo nimmt die gewollte oder nur beeinflusste Veränderung ihren Anfang?

Leben ist nicht einfach nur ein unmotiviertes vor sich hin Stolpern, sondern den gesunden Menschen treibt etwas an sein Leben zu wollen: die Lebenslust. (Wenn die Lust Leben zu wollen z.B. durch Sinnverlust, Schicksal, oder Krankheit versiegt, dann kann das Lebenwollen in Gefahr sein.) Lust ist Antrieb, und sie geht allem (auch der intellektuellen Auseinandersetzung) voraus.

Wie ist Lust hier zu deuten? Wollen um des gewollten Wollens willen, das aus der Sinn- und Erlebensfülle geboren im Leib des Menschen aufsteht. Jedoch legitimiert sich Lust nicht einfach dadurch, dass es sie gibt ungeachtet ihres Endprodukts, dessen was bewirken oder hervorbringen kann. Lust ist der Grund überhaupt etwas erreichen zu wollen, und hier nicht der „Gegenstand“ selbst. (Der Mensch kann Lust erfahren wollen um der reinen Lust willen, ohne darüber hinaus gehende Ziele oder Erwartungen zu haben bzw. sie zu wollen.)

Erleben der Kar- und Ostertage

Leidenschaft ist (besonders in Abgrenzung zur Lust) ein Begriff, der eher in die Palette christlicher Grundbegriffe zu passen scheint. Ich meine jedoch, der Begriff Lust ist zwar selbstständig, aber der Leidenschaft sehr nahe. Allerdings gründet sie in „begrenzt erlebten Augenblicken“, während die Lust grundsätzlich und allgemein eine Seite des Lebenswillens ist.

Nach einem kleinen Sprung weitergedacht gehören so auch Lust und Leidenschaft zur Feier und zum Erleben der drei österlichen Tage vom Leiden, und Sterben, von der Grabesruhe und von der Auferstehung des Herrn, insofern diese Ereignisse mein Leben berühren können sollen oder existentieller formuliert: ich mich in der Lage weiß, sie mir „unter die Haut gehen lassen zu können“.

In der Feier des Abendmahles an Gründonnerstag gründet z.B. die Lust und Leidenschaft, Gemeinschaft gestalten zu wollen. In der Liturgie zum Karfreitag, in der die „Schläge zu hören sind, mit denen Christus ans Kreuz genagelt wurde“, gründet z.B. die Lust und Leidenschaft aufzustehen gegen Unterdrückung und Brutalität.

In der Feier der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus allerdings wird immer wieder neu der Ursprung und das Ziel aller Lust greifbar: Leben.

Passion mit Lust

Darf die Passions- und Osterzeit mit dem Begriff Lust so in Verbindung gebracht werden? Könnte man da nicht spirituell diplomatischer den Begriff Lust durch Engagement, Einsatz oder Bekenntnis ersetzen?

Nein, Lust ist eben mehr als nur akademisch intellektuelle Abwägung mit daraus resultierenden strategischen Handlungsfeldern. Lust schmeckt wesentlich auch nach Leib, Begeisterung, Kraftanstrengung, Einsatz, Schweiß und Haut (allen Sinnen) und ist nicht unvernünftig.

Lust, die Qualität des Lebens auch nach innen durch Wandel und Veränderung zu gestalten, ist aller Fastenzeit Anfang und Endspurt, soweit sie nicht nur Selbstzweck ist. Denn Fastenzeit ist Klärungszeit, die der Lust die Chance gibt anzustoßen, etwas zu bewegen und so zu verändern mit Mut zu allem was ich bin und habe. Fastenzeit und Kurskorrektur gehören zusammen – und da hat „die Lust zu wollen“ einen natürlichen Ort.

1    Herders Konversationslexikon, 3. Auflage, 1904, 441

2    Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), 2006 Sonderausgabe, 1190 f.

Erschienen in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln, Osnabrück. J.P. Bachem Verlag GmbH. April 2007, S. 99-100.
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Gott, bin weg, auf dem Weg zu mir

Wer pilgert, der wagt sich über den vertrauten Boden, die innere und äußere Heimat hinaus auf „fernen Acker“. Wer pilgert, macht sich selbst zum Fremden auf unbekanntem Pfad.

Gemeinsam ein gezielter Weg. Fotos: Klaus Herzog

Der heilige Ignatius beginnt das zweite Kapitel „Der Beginn der Pilgerfahrt“ in seinen Aufzeichnungen „Der Bericht des Pilgers“ mit einer Situationsbeschreibung.

„Auf einem Maultier ritt er fort. Bis Oñate wollte ihn einer seiner Brüder begleiten. Unterwegs beredete er diesen, eine Nachtwache bei Unserer Lieben Frau von Aránzazu zu halten. In dieser Nacht betete er inständig, um neue Kraft für seinen Weg zu schöpfen. In Oñate ließ er dann seinen Bruder bei der Schwester zurück. (…) Es kam ihm in Erinnerung, dass man ihm am Hof des Herzogs noch einige Dukaten schuldig sei; und er hielt es für richtig, diese Schuld zu beheben.“

Zwei Hinweise sind beachtenswert. Der eine, er betete, um neue Kraft für seinen Weg zu schöpfen. Er betete nicht, Gott möge ihm die Kraft für den Weg geben. Das Gebet als solches gab ihm Kraft.

Nebeneinander viele Wege

Der andere, im Aufbruch ging ihm noch etwas nach, das er vorab noch bereinigen musste. Das sind zwei elementare Hinweise für den Pilger: Der Pilgerweg ist ein Weg des Gebetes und sollte von Dingen frei sein, die es noch zu erledigen gilt.

Der Weg des Pilgers dient nicht dazu, unerledigtes und ungeklärtes abzuarbeiten, alles Mögliche zu sortieren oder gar durch die körperliche Anstrengung den eigenen Körper neu zu entdecken. Dieser Weg dient erst einmal keinem definierten Ziel, sondern bedeutet „nur weg von hier“. Wenn am Beginn des Weges noch viele Gedanken kreisen um die verlassenen Orte, so muss er bald freigelaufen sein, damit der Pilger Freiheit spürt. Ein „frei sein von“ um „frei zu sein für“ ist die Wende für den, der in sich hineinhorchen, pilgern will. Die Kernbotschaft an „heiligem Ort“ geht dann über das pilgernde Subjekt hinaus: Pilgern ist ein starker Schritt auf dem Weg in und mit der pilgernden Kirche Jesu Christi.

PILGERGEBET
Dazwischen Gott
Etwas weg.
Aushalten,
ent – decken,
fremden Acker,
unruhige Gedanken,
gewagter Schritt,
Planungsunsicherheit,
etwas Wahn – sinn.
Weg
ist wagen, wägen,
bewegen, wiegen,
wahren.
Du bist der dazwischen,
Gott!

Schon diese ersten Andeutungen zum Charakter des Pilgerweges an sich lassen zweifeln, ob der Verbreitungsradius der Leserschaft der Kirchen-Zeitung genug Weg zulässt, um als „echter“ Pilger an den Pilgerorten des Bistums anzukommen bzw. bei sich selbst. Die Länge des Weges ist nicht das Maß des „Erfolges“, sondern die grundlegende Bereitschaft auf das eigene Leben geschaut in „Be – weg – ung“ abzuwägen. (Weg und wägen haben eine gemeinsame Wurzel.)

Dies bedeutet Lebensziele, die Biographie des Glaubens und die Beziehung zu Gott und den Menschen in den Blick zu nehmen, neu und anders. So ist auch der kurze Pilgerweg der Auftakt einer Pilgerschaft in Etappen, die immer wieder auch Gerührtheit ist durch das berührt werden von Gott. Alle sieben Jahre ist Heiligtumsfahrt und dazwischen sollte pilgern ein „Alltagsgeschäft“ als Ausnahme vom Alltag sein.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 29. April 2007, S. 13

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Seine andere Seite

Am See,
doch sie wussten nicht,
der Verlierer vom Kreuz,
doch sie wussten nicht,
war nicht satt,
doch sie wussten nicht,
er bat, doch sie wussten nicht.

Dann riet er ihnen gegen Gewohnheit.

Andere Seite,
doch sie wussten nicht,
probierten,
doch sie wussten nicht,
schöpften in Fülle,
doch sie wussten nicht,
gegen Hunger,
doch sie wussten nicht,
Armut im Augenblick,
doch sie wussten nicht,
Verlierer werden Mitte,
doch sie wissen nicht.

Wer weiß,
wenn wir auf den Seiten versucht sind,
wo ER nicht steht.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg), April 2007
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Warum der andere Ort?

Der Abendmahlschrein aus Mönchengladbach, darin das "Tischtuch vom Letzten Abendmahl" als Mitte der dortigen Heiligtumsfahrt. Fotos: Klaus Herzog

24 Stunden lang, jeden Tag neu, alles hat seinen Ort. Leben ist oft nicht anders zu haben als in einem ununterbrochenen Ortswechsel. Trotzdem hegen wir darüber hinaus immer wieder ein großes Interesse an solchen Orten, die jenseits unserer „normalen“ Lebensorte liegen. Mit diesen Orten verbinden wir oft ein „das habe ich noch nicht“, ein „da geht es mir besser“ oder ein „wenn ich dort bin, dann bin ich weiter“.

Oft sind es Orte anderer Lebenswelten, Lichtjahre entfernt und manchmal nebenan, umwittert von so mancher Ahnung und nicht selten zauberhaft belegt. Ein solcher „anderer Ort“ fand Eingang in die große Literatur und wurde zur Weltbühne, auf der eine einfache Schlange unvergessenen Ruhm erwarb. Sie erinnern sich: „Nimm den Apfel von dem verbotenen Baum“, so die Versuchung, „und du wirst wie Gott sein, allmächtig!“, sprach die Schlange und verschwand, und der Mensch fiel darauf rein, eitel, wie er bis heute ist, und nahm den Apfel.

Baumhaus, ein anderer Lebensort.

An diesem „Anders-Ort“ trat der Mensch die Würde Gottes mit Füßen, und so brach ein Ortswechsel über ihn herein, an dessen Beginn seine Nacktheit stand. Des Menschen Machtrausch führte zum Sturz in auch heute noch unbekannte Abgründe; das Paradies, der eine Ort aufs Spiel gesetzt, ging verloren, die Weite des irdischen Himmelsgartens wandelte sich in einen engen Ort; nun Ort der verzweifelten Angst des Menschen um sich selbst.

Mit dieser Angst bleibt die Grundfrage des Menschen bis heute allmächtig: Wo ist mein Ort, wo werde ich sein? Damit aber begann auch die von der Sehnsucht getriebene Suche über unsere alltäglichen Orte hinaus, an anderem Ort, ob diffus oder definiert, „mehr“ ich und da sein zu können.

Das macht auch heute noch den „anderen“ Ort so begehrenswert, mag er vielleicht besser die eigene Nacktheit bedecken.

Der andere Ort kann manchmal aber auch ein Ort des Ausschauhaltens sein, um aus der Distanz unsere angestammten Orte orientierend, vergewissernd, reflektierend und klärend neu in den Blick zu nehmen. Aber auch schon der Weg zu einem Aussichtsort kann das Präludium eines potenziellen Ortswechsels sein.

PILGERGEBET
Du und ich da
Rüber schauen
ahnen anderen Ort
nicht mehr hier
noch nicht da
ob überhaupt?
Wie wäre es da zu sein
wägt Welt ab
und denke ich auch.
Gott
werde ich da sein mit dir
und mir
an anderem Ort
bei dir
und hier?

Wer über andere Orte nachdenkt, der denkt auch über Zufriedenheit nach, und wer in Gedanken schon aufgebrochen ist, hat auch schon begonnen sich nachzugehen.

Orte werden zu Orten der Wallfahrt, weil, ihnen entgegengeschaut, entfernt die Silhouette eines Sehnsuchtortes erkennbar ist. Wallfahrtsorte sind keine Orte, die ein Mehr oder Weniger an Leben zu bieten haben. Wallfahrtsorte sind zwischen allen anderen Orten Orte der Sehnsucht und der Vergewisserung. Zu ihnen pilgert man nicht, um dort zu bleiben, Urlaub zu machen, sondern um, von ihnen weg gehend, anders an die eigenen vertrauten Orte zurückzukehren, neu sie verortend mit der Konsequenz, auch einen Ortswechsel im Alltäglichen vorzunehmen.

Die Einladung zu den drei Heiligtumsfahrten in unserem Bistum sind im Kern eine minimale Provokation: „Komm und sieh“, mit der Intention: „Komm und schau von hier auf dich.“

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 22. April 2007, S. 13

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Für Thomas – und wie sie alle heißen

Wäre ich einer der Zwei,
auf dem Weg nach Emmaus,
zu Tode enttäuscht,
alle Zweifel auf der eigenen Schulter,
lächerlich hämischen Blicken ausgesetzt,
auch in deinem Gesicht Unverständnis,
gemeinsam,
auf dem Weg ohne Boden unter den Füßen,
noch nicht wissend,
dass unsere Herzen brennen würden.

Wäre ich damals dabei,
einer von denen,
ein Emmausjünger,
hätte ich nur den einen Vorteil,
dabei gewesen zu sein,
ohne jedoch „mehr“ gesehen zu haben,
geschweige denn den Auferstandenen.

Selbst mit brennendem Herzen,
was hätte ich?
Glauben hätte ich müssen,
auch damals.

Wäre ich Zeitzeuge,
ich könnte „verraten“,
mir seiner sicher gewesen zu sein,
und so den Glauben.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg), April 2007
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Aufzubrechen setzt auch ankommen voraus

Dom in Aachen, einladend geschmückter Ort der Heiligtumsfahrt. Fotos: Klaus Herzog

Wer über das Wallfahren nachdenkt, sollte sich nicht schon auf dem Weg wissen, denn die Vergewisserung der Orte, an denen das eigene Leben seine Bühne hat, geht allem Aufbruch voraus. Orte haben in herausragender Weise mit unserem Leben und mit deren Qualität zu tun.

An Orten spielt sich unser Leben ab. Der Mensch kann nicht nicht an einem Ort sein. Alles hat seinen Ort. Der Schlaf sein Bett, der Hunger die Küche, der Sport seinen Fußballplatz und so hat jeder Moment unseres Leben seinen eigenen Ort: Badezimmer, Büro, Kino, Konzertsaal, Kneipe, Tante-Emma-Laden und Großmarkt. Kindergarten, Schule, Ausbildungsplatz, Kirche, Disco, Kloster. Wohnhaus, Schrebergarten, Dachgarten und Gartenkolonie. Auto, Wohnwagen, Skaterrampe, Ferienhaus, Straßenecke, Bordell, Werkstatt, Plätze, Baumhaus, Bahnhof, Platte oder nur ein Stuhl vor dem Haus.

Haustür, Leben hat Orte.

Ort an Ort, von einem Ort zum anderen und zurück oder darüber hinaus bedeutet Leben, zumindest was seine Ortsansässigkeiten angeht. An ungezählten Orten passiert unser Leben, mal zufällig, dann gewollt, unumgänglich, mit schwerem Herzen, lustvoll, voller Angst, alltäglich, ausgesucht, geschenkt. Leben ist nur ortskundig zu haben.

Entsprechend bewerten wir diese Orte, als schön, schrecklich, normal, vertraut, romantisch, Anders-Orte, Orte die geheimnisvoll sind, bis hin zu unbeschreiblichen Orten. Der Ortsbezug kann aber auch sehr individuell, persönlich, eben nicht öffentlich sein. Das Baumhaus ist dem einen ein Ort der Freiheit, einem anderen wird da oben schlecht. Orte können eine Geschichte habe, die nur Sie kennen und es gibt Orte, die Sie kennen, intensiver als Ihnen das lieb ist.

Sie sind nun eingeladen: „kommt und ihr werdet sehen“. Komm bedeutet geh weg, wenn auch nur für Stunden. Welche Orte sind Ihre Orte die Sie, der Einladung folgend, „verlassen“ würden, diese Orte „an, in, auf“ denen Ihr Leben sich abspielt.

Besser wäre es, Sie würden noch ein paar Tage dranhängen, vielleicht sogar einige Wochen. Könnten Sie, wollten Sie so einfach sagen: „Ich bin dann mal weg.“ – Geht das? So gefragt, geht es darum, ob Sie an Orten hängen oder ob Sie von Orten abhängig sind.

PILGERGEBET
Ortsangabe vor Gott
Von Ort zu Ort
von mir zu mir
von so zu so
von da zu da.
Gott
Von Ort zu dir
von mir zu dir
von so zu dir
von da zu dir
Und wo bleiben wir,
Du und ich
Gott?

Sind Ihre Orte für Sie Orte der Entfaltung, der Kommunikation, Orte, an denen Sie Sie selbst sein können, sind es Fluchtburgen, Verstecke, Orte des Aufgebens, vielleicht auch irgendwie Orte, die zwischen alle dem liegen oder einfach nur noch Orte der langweiligen Gewohnheit, Grabstätten des Lebens mitten am Leben vorbei, Orte die Sie am liebsten dem Erdboden gleich machen wollten, oder die Sie, wenn Sie es könnten, verlassen würden?

Wallfahrt fängt mit solchen Überlegungen an. Es geht ja schließlich nicht darum, in den verdienten Urlaub zu fahren, um einfach mal abzuschalten von den alltäglichen Orten des Lebens, um dann erholt wieder diese vertrauten Orte unverändert vorfinden zu wollen. Wer wallfahrtet, der setzt den Ort aufs Spiel, von dem er losgegangen ist, in der „Gefahr“ ihn anders wieder zu erreichen und ihn, verändernd ortskundig, neu zu verorten.

Wer sich auf den Weg macht, um alles unverändert so vorfinden zu wollen, wie er es verlassen hat, der kann sich den Weg sparen oder besser eine Kur machen, um die alten unveränderlichen Orte besser und robuster auch zukünftig ertragen zu können. Aufbruch setzt das Ankommen voraus.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 15. April 2007, S. 14

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Zwölf Todesanzeigen – nur ein Danke

Mit 103 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Er hat zwei Jahrhunderte erlebt und ist entschlafen.

Mit 87 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Nach einem reifen Leben verblichen.

Mit 79 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Zu früh und unerwartet.

Mit 62 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Aus voller Schaffenskraft herausgerissen.

Mit 50 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Gott hat es so gewollt.

Mit 41 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Er ist von uns gegangen.

Mit 30 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Das Schicksal hat ihn uns nicht gegönnt.

Mit 21 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Zu jung hat es ihn weggerafft.

Mit 15 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Er hatte doch sein ganzes Leben noch vor sich.

Mit 9 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Nach Augenblicken wurde er uns genommen.

Mit 4 Jahren verstorben.
Sie schrieben: Nach dem unermesslichen Ratschluss Gottes.

Mit 2 Monaten verstorben.
Sie schrieben: Danke für das Geschenk dieses Lebens,
es tut weh, Gott.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg), April 2007
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Der Esel im Bild. Wenn Proportionen wanken.

Bild:
Jesus,
zirka 1,75 m groß.
Esel,
Rückenhöhe zirka 1,20 m.
Imposantes Stadttor.
Kleider auf dem Boden.
Machtkulisse.
Masse jubelt.
Palmenzweige.
Erwartungshoch.
Einzug und Start.

Bildmitte:
Jesus auf Esel.

Ansicht:
Etikette nicht eingehalten.
Protokollarisch unkorrekt.
Ästhetisch unausgewogen.
Statussymbole verkehrend.
Machtkulisse wird zur Kulisse
und regt zum Schmunzeln an.

Aussicht:
Proportionen ins Wanken gebracht
veränderten die Welt,
auf dem Rücken eines „Esels“,
ist das nicht lustig.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg), April 2007
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