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Der Augenblick Grab

Was haben die Frauen gesehen? Ihr Augenblick damals am Grab war ein unerhörter, der von da an nie ungehört blieb, denn von diesem unerhörten wurde erzählt und wird erzählt und erzählt.

Dieser Augenblick wurde in Worte gefasst, unerhört.

In Gesten und Gefühlen ausgedrückt, unerhört.

In Szene gesetzt, ins Bild gebracht, unerhört. Was haben die Frauen gesehen? Einen unhaltbaren Zustand, der gehalten wurde in Worten, Gesten und Bildern, was einfach unerhört ist, denn was da als geschehen gesehen wurde, ist nur unaussprechlich zu „haben“, unerhört.

Aber dieses Unsagbare ist anders nicht zu be-halten als in Wort, Geste und Bild. Das ist unerhört, weil jeder dieser Ausdrücke nur Ahnung ist und keine Antwort. Das haben die Frauen im Grab gesehen!

Unerhörtes und so kräftig, dass es sich immer wieder zu Gehör bringt, um nicht unerhört zu bleiben, was auch unerhört wäre.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Zweifel sind berechtigt

Keiner konnte es ahnen. Wer also konnte es dann wissen. Niemand hat es im Experiment angesetzt. Ein Training dafür gab und gibt es auch nicht.

Denn bisher erlebte man nur die Zeit, einfach Zeit, vergehend, jeden Tag neu. Sie wurde erfahren, zerrann oft schmerzlich zwischen den Händen und war die einzige Möglichkeit des Menschen, da zu sein. Anders als in Zeit war nichts und niemand zu haben.

Die Ewigkeit war dagegen nur gedacht, jenseits der Realität, die Welt der Philosophen, Theologen und Träumer unter einem antiken Götterhimmel, der wahlweise auch mal leer war.

Und jetzt sollte es anders sein, da kommt jemand aus der Ewigkeit zurück, erst gekreuzigt, tot, abgelebt und nun wieder unter den Lebenden, rechtzeitig mitten am Tag. Und da war nur eine Kleinigkeit anders, eine Verwechslung hielt es für die Ewigkeit fest, „er war doch nicht der Gärtner“. Thomas, ich hätte auch gezweifelt, hätte sehen wollen, mindestens ein Indiz gefordert. Und wenn mir passiert wäre, was dir passierte, dann hätte ich zwar nicht wirklich verstanden, aber ein ungefähres Gefühl dafür bekommen, dass Ewigkeit und Zeit gleichzeitig unzeitig ist.

Und würde mich jemand fragen, wie das geht, ich käme in Erklärungsnot, Thomas, und noch heftiger, wenn er mir jetzt seine durchbohrte Handwurzel hinhalten würde, wenn er jetzt käme, einfach so, während ich in der Kirchenzeitung blättere und zu mir sagen würde: „Ich bin es“, ich würde freundlich bleiben und die Frage runterschlucken: „Können Sie sich ausweisen?“

So ist eben Thomas, oder wie die alle heißen.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Randerscheinungen

Jerusalem, ein Stadttor, fast schon Tumulte und diese Szene, Sie wissen schon, die mit dem Esel.

Aber was mag der in der hintersten Reihe gedacht haben, zufällig vorbeigekommen und von nichts eine Ahnung?

Vielleicht:

Hosanna, was für ein Schlachtruf. Palmzweige, was für eine Begeisterung. Ausgebreitete Kleider, was für ein Empfang. Gemeinsame Erwartung, was für ein Gefühl. Atemlose Antworten, was für eine Frage. Und er wird neugierig, wer da wohl kommen mag, und wartet. Dann brausen die Rufe richtig auf, man drängt sich zusammen, Kameras zoomen ran, alles starrt in eine Richtung, Er kommt!

Und der am Rand streckt den Hals, um zu sehen, und sieht, und schmunzelt, schüttelt den Kopf und geht.

Es gibt eben auch Randerscheinungen, die – von der Mitte aus gesehen – am Rand erscheinen, schmunzeln, weil sie oft nur Rücken sehen, und offenbar das Wesentliche an ihnen vorbeierscheint, weil in der Mitte. Dabei hat Jesus doch die Mitte an den Rand gerückt, damit auch die Entfernten verstehen, mit jenem Tag, als er auf einem Esel,

Sie wissen schon.

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Mit Ihrer Geburt „zuckten“ Adam und Eva

Wie heißt ihre Urgroßmutter mit Mädchennamen?

Als Sie zur Welt kamen und so erbten, wurden Sie endgültig von Ihren Ahnen empfangen, entfernte Geschichte der Vorfahren, gegenwärtig in Generationen, greifbar in Familie, dem Erbgut der vor Ihnen Geborenen, Ihnen vererbt, eingepflanzt, ungefragt. Sie waren am Tag ihrer Geburt auch Erbmasse, eben nicht Einziggeborener weltweit, sondern Welterbe und so neue Generation. Sie beerbten das, was vor Ihnen eben auch nur gleichermaßen Generation werden konnte.

Sie sind Nachfahre der Vorfahren, deren Kindeskind Sie sind. Kindeskinder werden folgen, die alles, auch Sie erben, beerben, Erbengeneration eben ohne auch nur einen Euro schon geerbt zu haben, mit vererbtem Generationenvertrag und juristisch garantiertem Erbrecht.

Als Sie zur Welt kamen, setzten nicht nur die Wehen einer Frau ein, sondern auch die der Generationen vor Ihnen, und Adam und Eva „zuckten“.

Und: Wie heißt Ihre Urgroßmutter nun?

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Was kann Gott?

Aus dem Nichts erschaffen! Wasser teilen! Jungfrau gebären lassen! Nahrung vermehren! Tote auferwecken!

Einige Blicke in den Sternenhimmel lassen real staunen: Unendliche Materie und trotzdem noch ein Dahinter, das weiter reicht bis hin zum „Noch-vor-uns“. Das kann Gott auch.

Und wenn wir dann weiter Gottes Können portioniert und handlich festlegen als „wahrhaftig, er kann was“, um ihn wahr haben zu können, den wir ja auch wahrhaben wollen, dann können wir etwas, das Gott nicht kann: Gott kann sich nicht wahrhaben wollen.

Könnte er sich wahrhaben wollen, dann wäre die Auferstehung, Kern unseres Glaubens, eine Schleifspur des Lebens in die wahrhaftige Leere. Und so wären wir, auf hohem Niveau, entsorgt in den Tod, sorgenlos, weil wir es nicht einmal merken würden, aber wahr wäre das schon.

Tod ist eben tot, und da gibt es dann auch nichts mehr zu riechen. Wie gut, dass Gott nichts kann. Denn: Gott IST!

Und das „kann“ nur er! Dieser Glaube ist einfach! Alles andere aber müsste sich gefallen lassen, anrüchig zu sein, eine vergängliche Wahrheit.

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Brunnengespräch, gerne auch „Irgendwo“

Am Anfang stand das, was Zufall genannt wird.

Aus dem Zufall entfaltete sich Annäherung: „Kannst du mir zu trinken geben.“

Aus der Annäherung Vorsicht: „Du darfst mit mir doch nichts zu tun haben, wer bist du.“

Aus der Vorsicht Irritation: „Um hier Wasser zu schöpfen, bist du nicht richtig ausgerüstet.“

Aus der Irritation Positionierung: „Du jedoch kannst mit deinem Gefäß nur Wasser schöpfen.“

Aus der Positionierung Vision: „Lebendiges Wasser braucht kein Schöpfgefäß.“

Aus der Vision Verlangen: „Gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierherkommen muss.“

Aus dem Verlangen Bekenntnis: „Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.“

Aus dem Bekenntnis Erkenntnis: „Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist.“*

Und aus der Erkenntnis Lust an: Brunnengespräch, gerne auch „Irgendwo“.

 

*Hölderlin

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Drei Hütten sind keine Antwort

Verklärung bedeutet, dass das klar Eindeutige, das Geklärte, also das, was klar ist, verschwimmt zu einer neuen Durchsichtigkeit, die mehr schauen lässt, als es bisher zu sehen gab.

Die Sehnsucht, nun drei Hütten bauen zu wollen, um neu Erfasstes gefasst festhalten zu wollen, entspricht dem Wunsch vieler Menschen auch heute, Vertrautes haben, halten, sich erhalten zu wollen.

So sollte auch die verklärte Klarheit, umbaut, festgehalten und eingepfercht werden in drei Hütten. Der Wunsch der Jünger auch damals, um so zu ihrem Anwesen, eine in Besitz genommene Immobilie zu werden. Und ihre Türen verschlossen, stehen der Mensch und die Verklärung nun da, im Dunkeln.

Doch das Klare kann auch heute sich nur verklaren und verklärt werden, wenn Mauern fallen und Weitsichtigkeit die Chance hat, all das, was klar ist und meist auch immer schon war, durchschauen zu können.

Simple erste Konsequenz: Trauen Sie besonders dem nicht, was allen klar ist, Sie könnten etwas übersehen oder längst schon selbst übersehen worden sein, ohne durchzuschauen und undurchschaut.

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Seligpreisungen, anders normal

Wir haben nun schon eine über 2000-jährige Geschichte hinter uns gelassen, den Berg der Seligpreisungen wieder hinunterzugehen. Und vieler dieser Schritte sind auch heute noch gedankenversunken:

Selig …
Selig sind die, die …!
Anders: Zukunft haben die, die …!
Oder so: Auf der besseren Seite stehen die, die …!

Möglich auch: Die, die so sind, haben gewonnen!

Seligkeit:
Eine Versicherung „Sicher plus“.
Eine Versicherungspolice nur für Tüchtige. Die besondere Vorruhestandsregelung in Sachen Ewigkeit. Ausweis zum schmerzfreien Übergang vom Hier ins Irgendwo.

Oder: Selig der, der die andere Kategorie bedient und so nicht ganz normal ist! Kann das sein, dass vielleicht selig der ist, der anders ist. Selig ist ja nicht der, der wie alle ist, dann wären ja alle selig, und das bedürfte wohl nicht der besonderen Erwähnung.

Der heilige Franziskus – genauer, was die Geschichtsschreibung von ihm noch übrig gelassen hat – war wohl doch einer, der (etwas) anders war.

Von ihm wird nämlich erzählt:
Ein Bruder kam zu ihm und bat darum, ein Psalmenbuch besitzen zu dürfen. Franziskus bedachte die Bitte und deren Folgen und gab dem Anliegen mit der Begründung nicht statt: „Wenn du dann ein Psalterium besitzen wirst, dann willst du auch irgendwann ein Brevier haben. Und wenn du dann ein Brevier dein Eigen nennst, dann möchtest du auch bald auf einem Lehrstuhl sitzen. Und dann verhälst du dich schnell wie ein Prälat, der den Bruder befehligt: „Bringe mir mein Brevier hierher zu mir!“

Vermutung:
Können selig auch jene sein, die Zusammenhänge ans Licht bringen und deren mögliche Gefahren aufdecken. Selig wäre demzufolge der, der den „Normalen“ unangenehm wird. Aber das ist doch sicherlich irgendwie unlogisch, sagt da jeder Normale. Und die Kirchengeschichte gibt denen fast immer recht, fast!

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Sondern erlöse uns von den Vergleichen

Der christliche Glaube befreit von der Angst um sich selbst. Der Vergleich ist des Teufels Gewand, unter dem, bereitwillig angelegt, die Angst zu verlieren immer wieder neu hervorkriechen kann.

Indem wir uns mit den anderen meinen vergleichen zu müssen, heizen wir selber die Hölle an, durch die wir uns dann qualvoll getrieben wissen, wenn wir wieder einmal feststellen:

Die sind wichtiger, intelligenter, reicher, schöner, gefragter, bekannter, beliebter, erfolgreicher, angesehener und man selbst ist nur der Rest.

Das Sich-Vergleichen ist der Freitod jeder selbstverständlichen Existenz, da der Vergleich – mich „angepasst“ – diejenigen etwas Besonderes sein lässt, die eine Nummer größer sich geben, als ich es bin. Der Vergleich produziert zwanghaft Verlierer, denn irgendeiner ist immer …! Je öfter der Mensch so verliert, desto größer wird die Gefahr, sich eines Tages selbst verloren zu haben. Gewinnbar ist der Vergleich nur durch Aneignung, die einhergeht mit der Enteignung des anderen Menschen. Einer muss ja verlieren.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit!

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Arbeit riecht, Denken riecht nicht

Mensch und Guss
Ausstellung von Daniel Karmann in der KHG Aachen

Das Ausstellungsgebäude als einen Ort der körperlichen Arbeit zu verstehen, also als Fabrikationshalle oder Produktionsstätte, wäre übertrieben. Hier wird eher nachgedacht, sich besonnen, diskutiert und disputiert, mal schöngeistig mal handfest kommuniziert, Wissen angeeignet und geteilt, Sachverhalte betrachtet, beraten, begleitet und immer wieder wird der Bezug zum Transzendenten gesucht und gepflegt. Nach Material, Schweiß, Schmiermittel oder Hitze richt es hier nicht, direkt werden also die Geruchsnerven in dieser Ausstellung kaum in Anspruch genommen, auch wenn es original Gussteile der Gießerei Werle in Ottweiler, Saarland zu sehen gibt. Genau genommen würde diese Kommunikation, die täglich hier in der Katholischen Hochschulegemeinde (KHG) in Aachen gepflegt wird, in diesem saarländischen Betrieb, von dem die hier ausgestellten Bildern berichten, aus Sicht der Betriebsleitung als Arbeitverweigerung gewertet, was einen Kündigungsgrund darstellt. Das hätte die Belegschaft, während diese Bilder entstanden, wohl eher „belustigt“, wartete doch schon längst am Eingang ihres Betriebes die Insolvenz.

Verlustangst, Enttäuschung, Verzweifelung Unverständnis und Wut, sowie der Funke Hoffnung auf Rettung in letzter Minute, das sind die starken Empfindungen die in diesen Männer miteinander ringen. Der Verlust ihrer Arbeit und damit Arbeitslosigkeit war das alles beherrschende Thema in dieser Gießerei.

In diese aufgeheizte Situation hinein klopft behutsam der Sohn der Insolvenzverwalterin an den Werkstoren mit der Bitte an, Menschen, Arbeit und Werk hier fotografieren zu dürfen. Sein Name ist Daniel Karmann, er ist im Saarland an der Grenze zu Frankreich aufgewachten und sein Handwerk ist die Fotographie, gegenwärtig als Pressefotograf der DPA.

Die Belegschaft stimmte spontan seiner Bitte zu, spürte sie doch, dass es ihm nicht um neugierige Einmischung ging. Darüber hinaus empfanden sie wohl in diesen schweren Tagen fotografiert zu werden als eine „letzte“ Wertschätzung ihrer Tätigkeit, vor dem Zusammenbruch der eigenen Existenz.

Um die Kollegen an diese für sie zuerst ungewohnte Situation im „Rampenlicht“ zu stehen zu gewöhnen, fotografierte D. Karmann die ersten Stunden ohne „Film“ in der Kamera. Nach einigen Stunden dann war der Fotograf einfach da, eine Ausnahme blieb er, aber die Arbeiter registrierten ihn eher beiläufig bis gar nicht.

Behutsam, mal aus der Distanz mal aus der Nähe, sezierte das Objektiv der Kamera Augenblicke aus dem Werksgeschehen heraus und erhob sie so zur bildhaften Unsterblichkeit. Nichts auf den Fotos ist gestellt, alles ist realer und so alltäglicher Moment in diesen weniger heiligen Hallen. Einzig die Sekunden dieser sezierten Bewegungsabläufe werden mit diese Momentaufnahmen „gestellt“, denn jetzt können sich nicht mehr verflüchtigen.

Wertschätzung, das ist der Grund warum in diesem eher akademischen Umfeld der KHG dieses Stück Arbeitswelt als Fotoausstellung „präsentiert“ wird. Denn hier geht es nicht um die gefällige Darbietung eines schweißtreibenden Handwerks in fast steril wirkenden intellektuellem Kontext, auch nicht um das zur Schau stellen von Menschen vor ihrem Sturz.

Diese Ausstellung will nicht einmal „ausstellen“, sondern sie will das „Handwerk“ von Menschen da hinzu stellen, wo das „Kopfwerk“ zu Hause ist, wissend darum, das handwerkliche Tätigkeit immer auch Denkanteile hat (haben sollte) und akademische Tätigkeit handwerkliche.

Diese Ausstellung will nicht primär handwerkliches arbeiten „exponieren“, quasi wie einen Gegenstand in einem Kuriositätenkabinett, sondern mit Bilden von dieser Arbeit an einem Ort anderen Arbeitens und vor anders arbeitenden Menschen „imponieren“, quasi einen „Ein – druck“ hinterlassen.

Die Wertschätzung der jeweiligen Arbeit des anderen Menschen hat hier in der KHG mit dieser Ausstellung eine besondere Adresse bekommen. Die hier auf den Verkehrswegen -zum „stolpern“ hingestellten- bildhaften Erinnerungen hat auch eine weitergehende Botschaft: Die Summe der Arbeit aller, in all ihren unterschiedlichen Werkformen, ist das „Kapital“ unserer Gesellschaft.

Damit steht aber auch die Frage nach der wertschätzenden „Belohnung“, und der die Verschiedenheit der Arbeit berücksichtigenden „Belohnungsgerechtigkeit“ im Raum.

Wenn eine Gesellschaft eine Arbeit nicht braucht, dann wird sie (in der Regel) auch nicht geleistet. Wenn diese Arbeit aber letzten Endes dem Gemeinwohl zu Gute kommt, dann muss der, der sie leistet in dieser Gesellschaft auch an – gemessen „entlohnt“ leben können.

Diese Ausstellung aber ist kein erhobener Zeigefinger und keine Moralininjektion. Sie löst auch nicht die Probleme mit Blick auf Tarifstreit oder Arbeitslosigkeit, und sie hat auch keinen Tipp bereit wie Aufsichtsräte sich vor Überheblichkeit schützen können.

Gerade an diesem Ort, an dem Kirche Studierende begleitet von denen ein erheblicher Teil zukünftig Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen wird ist es wichtig, das Ganze der geleisteten Arbeit aufeinander zu beziehen. So kann sich eine Sensibilität für die Verschiedenheit von Arbeit in den Köpfen jener jungen Menschen ausbilden, die Morgen Entscheider sein werden. Diese Ausstellung möchte als ein kleiner Beitrag gewertet werden, einen weiteren Zerfall unserer Gesellschaft in Stände und Kasten zu verhindern, deren Beschreibung immer mit entweder Mehr beginnt oder Weniger. Mehr Geld. mehr ansehen…. und weniger Geld, weniger Ansehen. Es geht nicht darum alle Arbeit als gleich wichtig, gleich tragfähig und gleich effizient zu werten. Aber die Frage nach gerechter „Be – lohn – ung“ in unserem System muss strukturell gewollt sein. Wenn zunehmend bei Menschen die Beschreibung Ihres „Standes“ mit Kein beginnt: Kein Geld, kein Ansehen, kein … . Und dann weiter geht mit: Keine Zurückhaltung mehr, Keine Gewaltlosigkeit mehr, keine Achtung mehr… . Dann haben die Schuldigen einen Namen. Diese Sorge um den Wert aller Arbeit will der Schwerpunkt „Arbeiterschaft“ in unsrem Bistum schon seit vielen Jahren stärken.

Körperliche Arbeit und besonders die Menschen die sie täglich verrichten stehen hier im Mittelpunkt, das ist die Botschaft dieser Fotografie von Daniel Karmann. Aber besonders an diesem Ort kirchlicher Präsenz an den Hochschulen gehör die Wertschätzung der körperlichen Arbeit, weil des Leibes arbeit die Schöpfung Gottes nachklingen lässt!

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Januar 2008
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