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Wenn das Wörtchen „wie“ nicht wär!

Er ist ein Magnet. Wenn er den Mund aufmacht klebten sie an seinen Lippen:

Klare Worte: „Mit dem Himmelreich ist es… „ Die Spannung steigt spürbar, denn es geht um ein begehrtes Thema. Und weiter: „…wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war…“

Spätestens mit den weiteren Vergleichen „wie“ Perle, und „wie“ guter Fisch haben sich manche Jünger wohl auf die Lippe gebissen, um nicht kritisch nachzufragen: „Meister, geht es nicht ein bisschen genauer“

Ständig dieses „Wie“. Mit der Liebe Gottes ist es „wie“, mit der Verbreitung des Glaubens ist es „wie“, mit der Barmherzigkeit ist es „wie“ und nun ist es auch mit dem Himmelreich wieder nur „wie“.

Ja, ein bisschen konkreter, bitteschön könnte es schon sein!

Plötzlich spricht Jesus weiter: „ Das Himmelreich ist verdeckt von einer Milchstraße in eurem Sonnensystem. Die geretteten Menschen befinden sich dort in einem halbflüssigen Schwebezustand und treffen sich in ungeordneten Hierarchien. Die Verkehrssprache ist Kontorianik, manchmal kombiniert mit Mundartelementen. Das Hauptnahrungsmittel sind Urknallpartikel.“

Nach einer Atempause fährt Jesus fort: „Drei Mal täglich knetet Gott -den erkläre ich dann später, ergänzt Jesus- das Himmelreich so richtig durch, und dann ist Nichts mehr so wie es eben noch war. „Und weiter erläutert Jesus: „Aber ganz dahinten im Himmel ist etwas das bleibt unverändert, genau kann ich es aber nicht sehen. Ist das ein Thron? Sieht aus wie ein Schatz im Acker, nein eher wie eine Perle, oder vielleicht doch ein Fisch?“

Schriftstelle: Mt13, 44-52

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Brot, mir ist es passiert!

Brot hat was! Ich meine das nicht ernährungstechnisch, bezogen auf Ballaststoffe, Kalorien und Spurenelemente. Brot hat mehr!

Mit einem bulgarischen Freund besuchte ich zum ersten Mal seine Lieblingsoma in deren Heimatdorf Guljanzi nahe der Donau an der Grenze zu Rumänien. Mit einem uralten Lada ging es teils über Schotterspisten ins Dorf. Wir  halten vor einem grünen Metalltor. Miroslav rüttelt ortskundig, bis das Tor sich quietschend öffnen lässt und wir über vier bröckelige Stufen die Terrasse erreichen. Mein Blick ist gefangen von der Einfachheit des Gemäuers, den fast reifen Weintrauben, den roten Tomaten. Dann werden meine Blicke abgelenkt von zwei zerfurchten Händen, die sich mir entgegenhalten mit frischem Brot und Salz, ein Willkommensgruß, verzaubert von einem freundlichen Lächeln einer alten, einfach gekleideten Frau, Miros Oma. Synchron übersetzt Miroslav ihren rührenden Gruß ins Deutsche. Tränen melden sich bei mir an.

Dass die Oma mitten in der Nacht aufgestanden war, um dieses Brot zu backen erfuhr ich erst Tage später.

Dieses Brot verdichtete die ganze Aufmerksamkeit der alten Dame für mich, den ihr noch Fremden. Brot wurde hier zur Metapher: „Das Wenige, was ich habe, möchte ich mit dir teilen.“ Dieses Brot hatte eine Melodie, die so nachklingt: Ankommen dürfen kann so „ein –Fach“ sein. Brot hat eben was!

Und: Das Brot ist gegessen und die Oma tot. Doch sie hat mit diesem Brot Erinnerung gestiftet: Mich erinnert es an einfache, überzeugende Güte mit fast nichts in Händen.

Bibelstelle: Joh 6, 1-15

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Eltern, seid nicht traurig

Trauer ins Wort gebracht lautet auch so: „Wir habe unseren Kindern einen emanzipierten, gottesfürchtigen Glauben mitgegeben und lebendige Liturgie erlebt, aber seit dem die Kinder fast aus dem Haus sind, scheinen sie ihren Glauben hier vergessen zu haben!“

Und dann diese bittere Frage: „Was haben wir falsch gemacht?“

Eltern trauern um den vermeintlich abhanden gekommenen Glauben ihrer Kinder und wollen dafür auch noch die Verantwortung übernehmen. Ihr Wunsch „möge der Samen aufgehen, den sie in ihre Kinder gepflanzt haben“, ist verständlich, auch eine gewisse Traurigkeit, wenn die Sprösslinge mit Kirche und Glaube später nichts mehr zu tun haben wollen.

Daneben finden viele Jugendliche nicht mehr die Beziehung zwischen ihrem aktuellen Leben, dem Glauben ihrer Kindertage und der Kirche. Wenn sie sich dann doch in einen Gottesdienst verlaufen, fühlen sie sich oft bestätigt, dass der Gottesdienst an ihrer Lebensrealität vorbeizieht.

Liebe Eltern, waren Ihre Bemühungen also umsonst?

Nein, denn eine Studie wie auch meine Erfahrung belegen, dass die Menschen, die sich von der Kirche verabschiedet haben und in späteren Jahren ihr sich wieder zuwenden, an die Glaubensfragmente anknüpfen, die sie aus Kindheit und Jugend noch abgespeichert haben. Elterliche Vermittlung des Glaubens ist eine „langfristige Investition“. Sie tragen Verantwortung für das Glaubensfundament, nicht aber dafür wie die erwachsen gewordenen Kinder damit umgehen. Und: Dem Hl. Geist können wir auch nicht alles abnehmen.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Veränderung, um bei sich selbst anzukommen?

Zeuge ungebetener Gespräche wird man ständig. Im Shuttlebus zwischen Frankfurt und Köln, sitze ich zwischen sechs jungen Männern. Ihr Gespräch ist unüberhörbar, die Themen: Job, Frauen, die Anderen, saufen und „toll sein“.

Es war nur ein verlängerter Freitag, der sie als Dörfler (Eigenbezeichnung) ins quirlige Köln führte. Ein bisschen Auszug aus dem Dorfalltag, hinein in des Lebens Fülle war angesagt. Aber klar blieb, nach diesem Trip ging es schnell wieder zurück zu ganz viel Mutti, Freundin, Job und den Kumpels. Die Analyse dazu ist einfach: Die zogen einfach nur los, um wieder bei sich zu Hause anzukommen, Exodus mit Zurückgarantie also! Ich bin mal weg, aber komme wieder. Bedeutet das nicht eigentlich: „Mag alles bleiben wie es ist“?

Ab welchem Punkt will der Mensch eigentlich keine Veränderung mehr? Gibt es Kriterien oder Erfahrungswerte die erschließen, wann der Mensch den Auszug aus einer momentanen Situation scheut? Ich glaube, dass die Sehnsucht des Menschen aus seiner Lebenssituation ausziehen zu wollen, wenn sie überhaupt vorkommt, sehr individuell motiviert ist.

Die Bibel erzählt da oft von meist unfreiwilligen Auszügen von Menschen, wie dem Volk Israel, das Vertrautes verlassen muss, um sich in der Fremde neu zu orientieren. Doch immer wieder kommt der Mensch, der die Veränderung einmal durchschritten hat, gestärkt aus ihr hervor. Vielleicht wollen die jungen Leute mit ihrem Trip sich eine Türe offen halten, wirklichem Auszug, kreativer Veränderung mal zu trauen, wann auch immer.

Bibelstelle: Dtn 4, 32-34. 39-40

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Rückblick (Audio)

Predigt anlässlich des 25-jährigen Priesterjubliäums
Sonntag, 11. März 2012, St. Michael, Aachen-Burtscheid

Predigt (17,5 MB) [audio:http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2012/05/Predigt.mp3|titles=Predigt]

 

 

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„Träume Mahl“ als Audio-Aufnahme

„Träume Mahl“, vorgetragen von Lukas Flohr anlässlich des Gottesdienstes zum 25-jährigen Priesterjubiläum am 11. März 2012.

[audio:http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2012/05/Einen-Tisch-traeume-ich.mp3|titles=Träume Mahl, gelesen von Lukas Flohr]

Einen Tisch träume ich,
unendlich in allen Dimensionen,
ungezählten Menschen bietet er Platz,
an dem Hände sich berühren,
Blicke sich treffen und Worte Antworten hören.

Einen Tisch träume ich, der selber allen Gastgeber ist,
jeder – so gewollt – wie Platz genommen,
und von jedem willkommen geheißen.

Einen Tisch träume ich an dem
kein Mund leer und trocken bleibt.
Worte werden gereicht, Lieder gesungen zum
Geschenk und an dem ein Stück Brot und ein Schluck
Wein satt machen auch für das morgen,
irgendwann mit Dir.

Ich träume ein Mahl das trägt,
und das von allen Gesichtern dieser Welt lebt.
Ein Krümel die Welt sättigt und einen
Schluck Wasser spüren lässt, dass Gott Gastgeber ist!

Aus „Schatz Ansichten – Entfesselnde Wortschätze“, hrsg. von der Katholischen Hochschulgemeinde Aachen und dem Domkapitel Aachen, 2001.
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Erledigte Christen!

Klar, schneide ich eine Rebe vom Weinstock ab, dann geht sie ein. Im übertragenen Sinn ist Christus der Weinstock und wer von ihm getrennt ist, geht ebenfalls ein, ist erledigt.

Kann man nun folgern, dass alle, die mit Christus nichts am Hut haben, erledigt sind. Die Realität scheint anders, denn viele Menschen leben ohne eine Verbindung zu Jesus Christus und denen geht es richtig gut, ihnen fehlt nichts.

Sind wir Christen also wieder die Dummen, die von Jesus einmal gehört, ein für alle Male mit ihm verbunden bleiben müssen, um nicht erledigt zu sein. Dann hat der wirklich Glück, der von Christus nie etwas gehört hat und – so von ihm getrennt – erst gar nicht erledigt sein kann!

Hier tritt dann die katholische Rolle rückwärts auf den Plan, dass denen ja schließlich etwas fehle, die mit Jesus nicht verbunden seien. Also leben z.B. über 80% der Menschen in den neuen deutschen Bundesländern defizitär, denn sie haben keine Jesusbindung.

Wer muss eigentlich Rechenschaft geben: jene, denen ohne Jesus nichts fehlt, oder jene, denen mit Jesus nicht fehlt – und vor wem eigentlich? In einer Kirchenzeitung erwartet hier nun der Leser traditionell Antwort.

Aber, auf ein Wort: Wäre es unhöflich, Sie jetzt ohne Antwort zurück zu lassen mit der Frage: „Was würde Ihnen fehlen, hätten Sie mit Jesus nichts am Hut?“

Stopp, bitte: Blättern Sie jetzt nicht einfach weiter, und wenn doch, dann zumindest auch mal wieder zurück. Denn wer sich dieser Frage nicht stellt, der ist erledigt, zumindest als Christ.

 

Bibelstelle: Joh 15, 1-8

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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„Ihr kleinen Lichter…“

Ob im Dom oder einer Dorfkirche, Anziehungskraft haben Orte, an denen Kerzen angezündet werden. Kleine Kerzen, mit wenigen Cent bezahlt, sind, wenn man von einem ‚Renner‘ in unserer Kirche noch sprechen kann, ein Renner. Denn nicht nur der Fromme ist Kerzenfreund! Menschen mit unterschiedlichen Biographien, verschiedener sozialer Herkunft, anderer Religionen und Menschen auch ohne Glauben verbindet an solchen Orten oft eines: Sie zünden eine Kerze an.

In Gotteshäusern angezündete Kerzen wollen nicht illuminieren, Candle-Light-Dinner markieren oder Stimmung verbreiten.

Wer dort eine Kerze anzündet, bringt etwas sehr Verborgenes ans Licht. Er teilt etwas von seinem Herzen mit, still und schweigend, innerlich sprechend und doch geschützt öffentlich. So brennt jede Kerze für einen Menschen. Kerzen werden zum Brückenschlag zwischen denen, die gedenken und denen, derer gedacht wird. Jenen also, die vermisst werden, um die jemand sich sorgt, Menschen eben, die an Herzen liegen.

Irgendwann geht jede Kerze aus. Aber die Intention der einst brennenden Kerze verliert sich nicht, diese stille Hoffnung: „Möge nie verloren gehen, was mir so lieb.“ Die vielen Kerzen, die Menschen – ob nun fromm oder fern – angezündet haben, brennen in einer Kerze weiter, der Osterkerze.

Christus, den das Licht in der Nacht symbolisiert, hat in seiner Auferstehung den Lichtern dieser ungezählten Kerzen eine Zukunft gegeben, da er sein Leben für alle, nicht nur die „Frommen“, hingab.

Wo Kerzen brennen können Lichter aufgehen!

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Konkurrenz der Götter?

„Du sollst keine anderen Friseure neben mir haben.“ So könnte ein guter Werbeslogan klingen. Wer aber Konkurrenz ausschließen will, der muss erst einmal realisieren, dass es sie gibt. Zu sagen, du sollst keinen anderen Gott neben mir haben, setzt voraus, dass der, der diese Forderung erhebt, anerkennt, dass es andere Götter neben ihm geben kann.

Wie tickt ein Gott, der seine Anhänger zum Monotheismus verdonnert?

Ist er überheblich, realitätsfremd oder dumm? Wie Götter allgemein funktionieren, weiß ich nicht wirklich. Eine der  gängigsten Definitionen von „Gott“ lautet: „Höheres Wesen“.

Dem kann ich zustimmen, denn ich glaube an einen Gott, der präsent ist, aber nicht verfügbar, und der um seine Konkurrenz weiß. Seine Gegenspieler tragen simple Namen wie: Macht, Reichtum und Schönheit. Diese Götter sind auch mir nicht fremd, ja, ich lasse mich von ihnen sogar bedrängen.

Aber der Gott, vor dem ich mich eigentlich einzig verneigen möchte, sagt: „Die Götter Macht, Reichtum und Schönheit treiben dich ein Leben lang vor sich her, du wirst nie zur Ruhe kommen.“

Diese Erkenntnis ist konkurrenzlos! Mit meinem Gott, dem Gott Abrahams Isaaks und Jakobs, der Rückgrat des Judentums, des Christentums und des Islam ist, kann ich die Götter Macht, Reichtum und Schönheit hinter mir lassen, denn er steht drüber.

Das klingt einfach, ist es auch, aber ich tue mich oft schwer mit meinem „einfachen“ Gott. Trotzdem traue ich dem, auf den schon jene vertrauten, die mir von ihm erzählt haben.

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Gesund sein bedeutet, die Krankheiten der Nachbarn zu haben.

Lepra und andere Hautkrankheiten, zur Zeit Jesu Aussatz genannt, bedeuteten für die „befallenen“ Menschen damals gnadenlose Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die Gesunden wollten unter sich bleiben, ansteckungsfrei. So blieb den Ausgesetzten zwangsläufig nur die „Gesellschaft“ der Kranken. Lepra existiert auch heute noch z.B. in Afrika, ist aber epidemisch betrachtet unter Kontrolle. Es gibt allerdings auch eine moderne Art von „Aussatz“, allerdings nicht mehr erkennbar an krankhaften Hautveränderungen.

Der „Aussätzige“ unserer Tage  wird dingfest gemacht durch die Feststellung: „Der ist ja krank“. „Krank“ meint hier nicht einen medizinischen Befund, sondern „krank“ will sagen: Dieser Mensch ist auffallend anders als man selbst. Solch Sprachgebrauch nimmt sich das Recht auszugrenzen, weil jemand, verglichen mit einem selbst, eben  anders ist: unangepasst, ausgeflippt, unbeherrschbar, nicht linientreu eben irgendwie abgedreht vom „normalen“ Kurs.

Kurz gesagt: Jemand wird als „krank“ bezeichnet, weil er der gesunden Gesellschaft – Kirche ist da nicht ausgenommen – nicht passt. Dieses Anders-sein als man selbst kann Angst machen, wirkt also bedrohlich und wird deswegen lieber ausgesetzt.

Ein Sprichwort bringt es gesellschaftskritisch so auf den Punkt: „Gesund sein bedeutet, die Krankheiten der Nachbarn zu haben.“ Anders gesagt: Aus dem Rahmen fällt, wer sich in den Rahmen der Nachbarn nicht einpassen lassen will.

So betrachtet scheinen „unter“ uns manche „Aussätzige“ zu sein, oder sehen Sie das anders?

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