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Kein Geschenk ist angesagt

Ihn faszinierte dieser Mensch, dem er im Frühjahr 2013 erstmalig begegnet war. Weiter erzählte Christian, dass ihm schon bei ihrem zweiten Treffen klar war, dass sie füreinander geschaffen sind. Nun sehen sie sich mehrmals in der Woche, entdecken aneinander, organisieren ihre Lebenswelten aufeinander zu, raufen sich auch mal zusammen,  teilen Gedanken und geben auch unterschiedlichen Empfindungen Raum. Weiter sinniert Christian flüsternd: „Was kann ich ihm nur zu Weihnachten schenken?“ Laut und deutlich antwortete ich: „Nichts!“ Fragend schaute Christian mich an: „Nichts?“

Christian viel in diesem Jahr die Suche nach Geschenken, gerade mit Blick auf seine neue Bekanntschaft besonders schwer.

Dieser Mensch hatte ihm in den letzten Monaten so unerwartet viel geschenkt: Zuwendung, Verständnis, Geduld, Nähe, Ehrlichkeit und Liebe. Nun hatte er aber keine Ahnung wie er auf sein beschenkt sein angemessen mit einem Weihnachtsgeschenk reagieren könnte.

Genau aber dann ist das Schenken problematisch,  wenn wir versuchen mit dem Geschenk etwas aufzuwiegen, etwas zurückzugeben.

Christians Situation angemessen war einzig „Nichts“ zu schenken, weil er das ihm selbst geschenkte nicht aufwiegen kann. Seine Gabe an Weihnachten wird ein einfacher Dank sein, gerichtet an den Menschen, der ihm so viel geschenkt hatte. Hier ist Weihnachten „Danke sage Zeit“ und nicht „Geschenke machen Zeit“. Christian wird Heiligabend mit leeren Händen, aber einem vollen, dankbaren Herzen da stehen.

 

Text: Mt 1,18-24

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Glauben kommt vom Hören

Guten Morgen verehrte Hörerinnen und Hörer,

Nachrichten am laufenden Band, Informationen im Minutentakt rund um die Uhr, das ist Alltag. Und nicht nur hier im Radio gibt es jene, die immer neue Nachrichten zusammentragen und aufbereiten, sondern auch diejenigen, die diese empfangen, also die Nachrichten konsumieren.

Von Nachrichten leben viele Gespräche, in der Kneipe, daheim am Gartenzaun oder unter meinen Studierenden, an der Universität in Aachen, wo ich angehende Religionslehrer begleite.
Nachrichten haben besonders dann einen Wert, wenn eine Neuigkeit in ihnen steckt. Deshalb sind sie so begehrt.

Wer Neuigkeiten zu berichten weiß, der kann sich fast immer der Aufmerksamkeit seiner Gesprächspartner gewiss sein. Wer neue Informationen hat, ist interessant, zumindest für den Augenblick. Die immer neue Nachricht treibt die Nachrichtenmacher vor sich her. Immer wieder neu die Aufmerksamkeit zu wecken ist Stress, aber nichts ist älter als eine Nachricht von gestern. Da fühlen sich die Nachrichtenmacher oft genötigt von einem vermeintlichen Skandal zum nächsten zu galoppieren. Wer in der schnelllebigen Medienkultur gehört werden will, der muss
ständig Neues liefern: ’Hast Du schon gehört?’ Hören und erzählen, das ist unser Grundbedürfnis und daher gibt es sie, nicht nur in den Medien, die Neuigkeiten.

Von etwas noch nichts gehört zu haben, also nicht wissen, lässt einen schlecht dastehen. Nicht wissen ist oft identisch mit der Erkenntnis: ’Mir wurde davon ja nichts erzählt.’ Etwas nicht erfahren zu haben, Unwissen also kann zu Zerwürfnissen führen, zu Problemen in der Kommunikation, oder auch dazu, dass man einfach nichts mehr voneinander hört.

Die Quintessenz: Wissen kommt vom Hören, und wo es etwas zu hören gibt, da bedarf es unverzichtbar eines Erzählers, einer Erzählerin.
Hören und erzählen bedingen einander.

Musik I

Seit der Mensch die Sprache gelernt hat, gibt es das Miteinander von erzählen und zuhören. Die Rollen des Erzählers und des Hörers werden in der Regel wechselseitig wahrgenommen, wenn der Erzähler nämlich zum Hörer wird und umgekehrt. Ein uraltes Wechselspiel, das für uns schon so normal ist, dass wir es uns gar nicht mehr bewusst machen.

Aber gerade in Zeiten, als es noch kein Radio, kein Fernsehen und kein Internet gab – als die meisten Menschen noch nicht einmal schreiben konnten, war dieser Austausch – einer erzählt, einer oder viele hören zu – alltägliche Kommunikation. Ein guter Erzähler konnte so richtig in seinen Bann ziehen.

Und das Erfolgsgeheimnis dieses Jesus von Nazareth lag auch darin, dass er so ein guter hervorragender Erzähler war. Ja, der alte Orient ist ja bis heute für seine kraftvollen Erzählungen bekannt.

Jesus muss ein begnadeter Erzähler gewesen sein. Seine Gleichnisse begeisterten, die Bilder die er vor den Augen seiner Zuhörer mit Worten malte: die Geschichte von einem Schaf, das verloren ging, hat noch heute Strahlkraft, obwohl die meisten Menschen Schafe eher im Fernsehen als auf der Weide erleben. Oder nehmen sie die Geschichte vom Barmherzigen Vater – meisterhaft erzählt!

Jesu engagierte Rede berührte, sie konnte Jubel entfachen, Hoffnungen wecken, Taten provozieren. Jesu Worte aber waren auch wie ein scharfes Schwert, sie sezierten die Gesellschaft bedingungslos, deckten Missstände auf, sie waren analytisch, entlarvend und eindeutig. Jesu Worte hatten sogar die Kraft, Kräfte in Menschen zu wecken, so bei dem Gelähmten am Teich Betesda, der seine Bahre einfach wegwarf, an die er 38 Jahre lag gefesselt war.
Jesus ermöglichte den Menschen in seinen Erzählungen einen Zugang zu Gott. Für Gottesnähe waren die Menschen damals sehr empfängliche. Jesu Begleiterinnen und Begleiter sogen seine Worte auf wie ein Trockener Schwamm das Wasser. Sie hingen an den Lippen Jesu. Jedes seiner Worte war von Gewicht. Jesu Worte, wühlten auf, öffneten Augen, ließen eine neue Freiheit spüren und verbanden die Menschen untereinander. Jesu Worte wagten sogar den Blick in den Himmel. Und So brachte Jesus seine zentrale Nachricht zu den Menschen: ’Das Reich Gottes ist nahe’. Was für eine Nachricht!

Und diese Botschaft vom ’Gottesreich’ setzte viel in Bewegung. Jesu Worte ließen seine Zuhörer, die Apostel, die Jüngerinnen und Jünger nicht mehr nur in der Rolle der Zuhörer verharren.
Denn von Jesu Worten bewegt, wagten diese Menschen den Schritt vom Hörer zum Erzähler. Und Sie erzählten nicht einfach nur, was sie gehört hatten, im Sinne einer Weitergabe von Neuigkeiten. Mehr, die Menschen vertrauten auf die Worte Jesu, sie glaubten dem was er erzählte.
Die Hörer wurden zu Erzählern, oder anders formuliert zu Verkündern, weil die Botschaft, die Jesus von Gott vermittelt hat, ihr Leben veränderte.
Diesen Prozess, vom Hörer zum Verkünder des Glaubens werden, bringt der Apostel Paulus auf den Punkt, der sagt: ’Der Glaube kommt vom hören…’ (vgl. Röm 10.17).

Musik II

Der Glaube kommt vom Hören: Bis heute funktioniert die Weitergabe des Glaubens nach diesem Prinzip.
Ich möchte Sie etwas fragen verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer: Wenn Sie gläubig sind, wie sind Sie zu Ihrem Glauben gekommen, wo haben sie Ihren Glauben her?
Wir können zwar mit diesem Medium Radio die Antworten auf diese Frage nicht aktuell austauschen, aber ich bin mir sicher, dass all unsere Antworten eines gemeinsam haben:
Auch unsere Wurzeln des Glaubens werden im Hören liegen. Eltern, Großeltern, Lehrer, Priester, Freunde, von wem auch immer, es wurde Ihnen vom Glauben erzählt. Auch Ihr Glaube kommt vom Hören.

Es tut mir gut darüber nachzudenken, wer diese Menschen konkret gewesen sind, die mir vom Glauben erzählt haben. Eine Lehrerin in der Grundschule z.B., sie baute mit uns jedes Jahr im Mai Marienaltäre im Klassenzimmer, weil es für sie wichtig war, an uns die Ausdrucksformen des Glaubens weiter zu geben.. Gönnen Sie sich auch mal die Zeit, den Menschen in Gedanken nachzugehen, die Ihnen vom Glauben erzählt haben.
Aber zuvor möchte ich Ihnen von einer Begebenheit aus dem Kölner Dom erzählen, die zeigt, was das Erzählen vom Glauben bewirken kann:
Immer, wenn ich in Köln zu tun habe, schlendere ich durch den Dom. Vor dem Gnadenbild des Domes, einer kleiner Muttergottesfigur, bleibe ich stehen. Wie immer so auch an diesem Tag brannten vor dem Gnadenbild hunderte kleiner Kerzen. Doch etwas ganz anderes fiel mir besonders auf, diese zwei Jungs, die vor dem Gnadenbild in einer Bank saßen. Beide um die 18 Jahre alt: Der eine war blond, mit Jeans und Pulli eher unscheinbar gekleidet. Der andere aber fiel allein schon durch seine knatsch rot gefärbten Haare auf.
Gerade kniete ich hinter den beiden in der Bank, als der Junge mit den roten Haaren aufstand. Er ging zum Kerzenständer vor dem Gnadenbild, zündete zwei Kerzen an, bezahlte, verweilte einen Augenblick, kam dann wieder zurück und setzte sich neben seinen Kumpel. Darauf fragte dieser ihn: ’Warum hast du das gemacht?’ Antwort: ’Ich hab an jemanden gedacht, das hat meine Oma auch immer so gemacht, und die war eine tolle Frau.’

Die Oma von diesem Rotschopf hat ihrem Enkel nicht nur vom Glauben erzählt. Die Oma dieses jungen Mannes hat ihn miterleben lassen, wie sie ihren Glauben zum Ausdruck bringt. Weil diese Oma aber ganz nebenbei auch noch eine tolle, also eine authentische Frau war, hat der Rotschopf ihren Worten getraut. Und so zündete er im Dom eine Kerze an – ein Zeichen der Hoffnung.
Der junge Mann ist wohl mit Hoffnung zu diesem Gnadenbild gegangen. Hoffnung die ihm seine Oma anvertraut hat. Sie konnte ihm ein Ritual vermitteln, was stärken kann und Menschen untereinander verbindet. Er hat an jemanden gedacht, wie seine Oma auch immer. Er hat das gemacht, weil für ihn seine Oma im ganz normalen Leben ganz toll war. Diese Oma hat in ihrem Enkel etwas bewegen können, was ihn bis hier her in den Dom bewegt hat. Und der Rotschopf hat sich weder geschämt noch gescheut vor seinem Kumpel in einer Kirche so zu handeln.
Der Glaube kommt vom Hören. sagt der Apostel. Ich möchte ihn ergänzen:
’Der Glaube kommt vom Hören auf authentische Menschen’.

Musik III

Aktuell bedrängt viele Menschen die Sorge, wie es mit dem Glauben, wie es mit der Kirche weiter geht wird. Die Vorfälle rund um den Bischof von Limburg haben bei vielen den Eindruck hinterlassen: ’Sie predigen Wasser und trinken Wein’. Hier geht das Vertrauen in die Botschaft verloren, weil der Erzähler mit der Botschaft nicht zu identifizieren ist. Der Glaube kommt vom Hören auf authentische Menschen und deshalb brauchen wir Christen, die überzeugend erzählen, wie sie den Glauben ganz konkret leben, in Wort und Tat.
Entsprechend mache ich mir um den christlichen Glauben und deren Weitergabe keine allzu großen Sorgen, solange es diese Menschen gibt, wie die Oma oder der Rotschopf, die authentisch vom Glauben erzählen. Denn es ist wirklich eine aktuelle, eine neue Nachricht, wenn Menschen davon erzählen, wie diese über 2000Jahre alte Botschaft des Jesus von Nazareth konkret in die Mitte ihres Lebens gehört.
Ein altes Sprichwort sagt: ’ Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über.’

Wenn auch Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, die Botschaft Jesu aktuell bewegt, dann wünsche ich uns, dass wir nicht nur beim Hören bleiben, sondern anderen Menschen erzählen, Nachricht geben, von dem was das Herz bewegt.

Musik IV, darin:
Mögen Ihnen die kommenden Tage freundlich entgegenkommen, das wünscht Ihnen Pfarrer Christoph Stender aus Aachen.

Manuskript der Sendung „Das geistliche Wort“ auf WDR 5, 17.11.2013

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Wettervorhersage für das Kirchenjahr

Christkönig, Ende des alten Kirchenjahres. 1. Advent, ein neues Kirchenjahr beginnt. Das Kirchenjahr kennt keine Jahreszeiten und beginnt auch nicht mit dem 1. Januar.

Das Kirchenjahr will etwas Eigenes betonen, und orientiert sich an Glaubensgut, historischen Begebenheiten und konkreten Menschen.

Das Kirchenjahr führt uns die theologisch reflektierte Biographie Jesu immer wieder neu vor Augen, so in den Hochfesten Weihnachten, Ostern und Pfingsten.

Das Kirchenjahr vergegenwärtigt aber auch in jeder ihrer Wochen Männer und Frauen, die Feuer im Herzen hatten, einen kühlen Kopf bewahrten oder ein stürmisches Temperament besaßen, heilig oder selig nennen wir sie. Menschen also die in der Geschichte unserer Kirche nicht auf der Welle der allgemeinen Meinung ritten, sondern ihren eigenen Weg mit Gott suchten, und so zu Vorbildern wurden. Zu ihnen zählen auch die beiden Päpste Johannes der XXIII und Johannes Paul II.

In meinem Badezimmer neben dem Spiegel hängt ein kleiner Abreißkalender, der für jeden Tag im Kirchenjahr ein eigenes Blatt hat. Dieser Kalender informiert mich u.a. über den Heiligen des Tages, ein besonderes Fest, oder die Liturgie. Er ist so etwas wie die „Wettervorhersage“ des katholischen Alltags. Kann ich nur empfehlen!

So trägt das Kirchenjahr für mich dazu bei, dass mir der Stoff des Erzählens nicht ausgeht vom Glauben der Menschen, die auch mir ihren Bezug zu Gott vorgelebt haben, und denen auch ich verdanken, heute selber vom Glauben erzählen zu können.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Bonifatiusbote (Fulda), Der Sonntag (Limburg), Glaube und Leben (Mainz), Kirchenbote (Osnabrück), Kirchenzeitung (Hildesheim), Neue Kirchenzeitung (Hamburg), Tag des Herrn (Dresden), Tag des Herrn (Erfurt), Tag des Herrn (Görlitz), Tag des Herrn (Magdeburg).
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Was „kostet“ die Augenhöhe in der Gemeinde

Menschen die etwas verbindet bilden Gemeinschaft. Christen verbindet ihr Glaube, deshalb wollen sie Gemeinschaft sein. Diese Gemeinschaft bedeutet Augenhöhe, weil das Wesentliche ihnen gemeinsam ist, der Glaube. Augenhöhe meint aber nicht alle müssten z.B. gleich intelligent, kreativ oder verantwortlich sein. Augenhöhe meint, bei aller Verschiedenheit, ist jeder in gleicher Weise „Reichtum“ der Kirche.

Wie aber ist dann vertretbar, dass die einen für ihren Einsatz bezahlt werden und die anderen nicht. Denn wer ehrenamtlich engagiert ist, der verdient kein Geld, die hauptamtlich Beschäftigten (Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen, Priester) aber verdienen in der Kirche ihren Lebensunterhalt.

Der Grund dafür: Bezahlte Tätigkeit ist nur dann berechtigt, wenn sie etwas leistet, was das unbezahlte Ehrenamt selbst nicht leisten kann.

Hauptamtliche haben einen hervorragenden Dienst an den Ehrenamtlichen zu leisten, und das bedeutet, Talente zu entdecken, zu fördern und deren Kontinuität zu ermöglichen.

Gemeinde lebt von dem Reichtum der Talente eines jeden einzelnen. Bezahlte Mitarbeiter setzen dafür ihre ganze Arbeitskraft ein, um Ehrenamtliche zu  stärken,  zu entlasten, zu ermutigen und zu qualifizieren.  Deshalb haben sie ein Recht auf Lebensunterhalt.

Allerdings muss, wer in unserer Kirche seinen Lebensunterhalt berechtigt verdienen will, sich kontinuierlich Rechenschaft darüber geben, ob sein Dienst der Gemeinde dient. Nur so kann er der Gefahr entgehen, einzig nur sich selbst zu gefallen.

 

Text: Lk 18,9-14

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Arm oder Reich = Relativ

Wie weit liegen Armut und Reichtum auseinander oder vielleicht auch beieinander?

Tragen da Statistiken von Armutsgrenze bis Reichensteuer zur Klärung bei? Wo befinden Sie sich eigentlich auf der nach oben offenen Habenskala? Ab wann empfinden sich Menschen jenseits aller Statistik als arm, z. B. wenn das Essen nicht ausreicht, kein Urlaub möglich ist, oder nur ein Billigauto drin ist? Sind volle Konten subjektiv die Garantie, reich zu sein?

Der Arme kann jenseits der Statistik reicher sein als der Reiche und der Reiche ärmer sein als der Arme. Hier wird man nun auch protestieren können, Armut sei doch nicht reduzierbar auf ein subjektives Gefühl, das ist doch frommes Geschwätz, weil endgültig einzig Scheine im Portemonnaie ein sicheres Gefühl geben.

Trotzdem: Arm und Reich bleiben relative Begriffe, dies aber auch wiederlegend gibt es eindeutig arme Menschen und eindeutig reiche. Unter der Lupe: Jeder von uns z. B., der diesen Artikel als Abonnent einer Kirchenzeitung liest, ist nicht arm, sonst würden Sie sich dieses Abo nicht leisten wollen! Stimmt diese Einschätzung?

Auch wenn arm und reich im heutigen Evangelium eindeutig festgemacht sind, so geht es bei Lukas doch auch um Selbsteinschätzung bezogen auf den Lazarus und die namenlosen Reichen. Es geht um Selbsteinschätzung mit Konsequenzen und nicht um moralische Zeigefinger.

Was meinen Sie? Würden Sie beim Stand der Dinge morgen tot von den Engeln in Abrahams Schoß getragen werden, oder einfach nur begraben (nach Lk 16, 22)?

 

(Zum 26. Sonntag im Jahreskreis, Text: Lk 16, 19-31)

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Bitte keine Gegenleistung

Die Einladung  zu einem besonderen Essen kann Wertschätzung bedeuten. So sieht das zumindest Jesus und er setzt noch einen drauf: Ladet nicht jene ein, die die Gegeneinladung schon in der Tasche haben, sondern jene, die sich nicht revanchieren können. Anders gesagt, begegnet denen mit besonderer Wertschätzung, die  keine Möglichkeit haben auf gleiche Weise Wertschätzung zurückzugeben.

Jesus stellt in seiner Rede immer wieder Gewohnheiten in Frage, um Motivation und Wirkung zu hinterfragen, damit Gewohnheiten nicht zu nur Gewohnheiten verkümmern.

Sie könnten Jesu Anregung nun umsetzen und z.B. die Bettler ihrer Stadt zu sich einladen. Die würden dann aber schon begreifen, dass sie die Einladung dem Umstand verdankt Bettler zu sein und nicht aufgrund ihrer Person.

Ob die überhaupt kommen würden sei dahingestellt, aber wäre damit dem Gedankengang Jesu entsprochen? Jesus geht es um selbstlose Wertschätzung eines Menschen, in einer ihr angemessenen Form.

Jesu Gedanken weiter, anders gedacht: Noch 17 Wochen, dann ist Weihnachten und entsprechen der Gewohnheit auch Schenken angesagt. Denken Sie doch jetzt schon einmal darüber nach, wen Sie mit einem kleinen Geschenk zu Weihnachten wertschätzen könnten, dem Sie noch nie ein Geschenk gemacht haben, und der auch gar nicht damit rechnet. Jemandem „Entfernten“, dem sie einfach nur sagen wollen „gut dass es dich gibt“ oder so…

Die schönste „Gegenleistung“ des Wertgeschätzten zu Weihnachten wäre dann: „Aber jetzt habe gar nichts für Sie (dich).“

 

Text: Lk 14, 1. 7-14

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Vererben bei lebendigem Leib

Wird man sich an Sie erinnern, wenn sie tot sind? Vielleicht werden ja jene, die Sie beerben, Sie etwas länger in Erinnerung behalten.

Die Durchschnittsverstorbenen verschwinden schnell in die Erinnerungslosigkeit. Andere schaffen es in die gebildeten Köpfe als Künstler, Massenmörder oder Herrscher.

Doch all das ist letztlich nur Erinnerung an Verstorbenes,  die mit jedem vergehenden Tag zerbrechlicher wird.

Wer nicht nur Erinnerung sein will, sollte zu Lebzeiten in Lebensräume, vielleicht von auch noch fremden Menschen vererben.

Beispiel: Sie erleben einem jungen Mann, der hat Talent aber keine Chance, eine Idee aber keine Möglichkeit, einen Plan aber kein Geld, Mut aber keinen der mit ihm hofft.  Diesem jungen Menschen sollte etwas hinterlassen, sprich vererbt werden, das ihm Lebensraum ermöglicht, in dem er sein Talent entfalten kann.

Er benötigt dazu Netzwerke, finanzielle Perspektiven wie geschenktes Geld, ideelle Unterstützung, Lobbyarbeit, vertrauensbildende Maßnahmen, Ihren guten Name um nur einige Erbgüter zu nennen.

Ja, es klingt verrückt, das Erbe nicht zu Lebzeiten anzuhäufen, sondern bei lebendigem Leib in Entfaltungsräume anderer zu vererben.

Die Nachhaltigkeit so zu vererben könnte sein, dass Menschen, die selbst eine Change auf „unverdienten“ Lebensraum erhalten haben und eines Tages ihrerseits was zu vererben hätten, zu Nachahmern werden und bei lebendigem Leib vererben und so Lebensraum für andere Menschen und ihr Talent schaffen. Klingt verrückt, ist ver–rückt!

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Wolf oder Schaf, was wäre Ihnen lieber

Schafe unter Wölfen das ist eindeutig, die Rollen sind klar verteilt. Weder das Schaf noch der Wolf müssen erklären warum sie sind wie sie sind. Sie müssen sich einfach nur rollenkonform verhalte und dann sind alle zufrieden, das Lamm lammfromm und der Wolf wolfsgefährlich.

Aber wie wäre es denn, wenn der Wolf nicht seine Rolle spielt und friedlich daher kommt und das Schaaf, auf Grund seiner körperlichen Unterlegenheit, trotzdem mit List versucht den Wolf zu besiegen.

Was wäre wenn die Rollen nicht eingehalten würden, die aufgrund von Tradition oder Zuweisung verteilt sind.

Ich möchte hier den Sinn von Rollenverteilungen nicht grundsätzlich in Frage stellen, wohl aber blind zu meinen, sie ausfüllen zu müssen.

Bei Jesus sind die Jünger die Schafe, die auf Grund der Botschaft vom Reich Gottes, das z.B. einhergeht mit sozialer Gerechtigkeit auf Erden, all jene zu Wölfen werden lässt, die sich durch die „Schafsworte“ provoziert fühlen. Brave Bürger werden aufgrund der Schafsworte zu zähnefletschenden Wolfsbürgern,  die mit dem verschlingen der Schafe auch meinen die unbequeme Botschaft vernichten zu können.

Aber irgendwie haut das heute nicht mehr hin, wer sind denn aktuell die Schafe, wo sind die Wölfe.

Allerdings geht und ging es nie wirklich um Rollenverteilung, sondern darum, zu was uns die Botschaft macht.

 

(Zum 14. Sonntag im Jahreskreis)

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Glauben heute für morgen anschlussfähig machen

Die Bedeutung der biographisch gelegten und später erlebten Anknüpfungspunkte in der Glaubensvermittlung

Weitergabe des Glaubens, wie geht das?

Diese Frage ist Thema, seit es Glauben gibt! Diese Fragestellung auf das Christentum bezogen ist so alt, wie das Christentum selbst.
Schon der Apostel Paulus stellt fest: „Der Glaube kommt vom hören…“ (vgl. Röm 10, 17), und konstatiert damit, dass der Glaube beim Menschen nur dann ankommen kann, wenn ihm voraus eine Handlung gesetzt wird, hier das Sprechen vom Glauben. Darum geht es im Kern der Frage nach der Weitergabe, vom Glauben so sprechen, das der Hörende darauf zurückkommt, -kommen kann, -kommen will.

Alles, was das Thema Weitergabe des Glaubens allgemein betrifft, ist in der Theologie reflektiert, in der Pastoraltheologie in ungezählte theoretischen Modelle umgesetzt, von der Missionswissenschaft in allen Kulturkreisen in den Blick genommen und in der Pastoralpsychologie auf jede menschliche Regung bezogen. All diese Anstrengungen füllen Kilometer lange Bücherregale und verschlingen Unmengen an Gigabytes.

Das Thema Weitergabe des Glaubens ist direkt im Gespräch oder indirekt in der unausgesprochenen Sorge ein Dauerthema in den Kreisen des Christlichen weltweit, und keiner Sprache dieser Welt, wie unbekannt sie auch immer sein mag, ist dieses Thema (ggf. auch deren Verhinderung) fremd.  Lesen Sie mehr »

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Und raus bist du …

Alle im Umfeld Jesu wissen, dass eine Witwe, die ihren letzten Sohn verliert, gesellschaftlich wie wirtschaftlich erledigt ist. Da gib es keine Perspektive, nur: „Und raus bist du“.

Kolumbien, Bogota, Stadtzentrum, 27. Mai 2013.

Unmittelbar neben mir durchsucht ein sichtbar heruntergekommener junger Mann einen kaputten Müllsack, und steckt irgendetwas direkt aus dem Müllsack in seinen Mund.

„Und raus bist du“, dachte ich spontan, und mir ging durch den Sinn: „Junger Mann, dein Erleben, deine Gefühle, deine Situation, dies alles ist mir fremd.“

So ging es wohl auch den Jüngern Jesu. Sie hatten keine wirkliche Vorstellung von dem, was die Witwe innerlich durchmachen würde, da sie nun ohne ihren „Ernährer“, den Sohn, abstürzen wird. Auch meine Lebenssituation bisher gibt Vergleichbares nicht her, Gott sei Dank. Ich kenne diese existentiellen Abstürze nicht, aber neben mir geschehen sie! Auch Jesus sieht in seiner Umgebung solche Abstürze und handelt. Hier bezogen auf die Witwe, deren Sohn er einfach „auferweckt“, um so der Mutter ihre Existenzgrundlage zurück zu geben.

„Sorry, junger abgewrackter Mann: Ich bin nicht Jesus, auch kein Kolumbianer, ich bin Ausländer aus einem reichen Land. Ich sehe dich, und stehe mal wieder zwischen der Erkenntnis: Weltweite Armut ist grundlegend eine Frage der Güterverteilung. Und: Armut hat konkrete Gesichter. Junger Mann, Wunder gehen bei mir nicht. Aber: Was kann ich tun? Eine Antwort auf diese Frage bin ich dir schuldig, weil ich dich gesehen habe.“

 

Zum 10. Sonntag im Jahreskreis, Text: Lk 7,11-17

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