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Erzählen

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Erzählen (MP3) von Christoph Stender

[audio mp3="http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2015/02/Wort-zum-Tag-6-Stender-Christoph.mp3"][/audio]

Sprache ist eines der wesentlichen Instrumente menschlicher Kommunikation. Die Aneinanderreihung von Worten dient der Weitergabe von Informationen, der Reflexion von Ereignissen oder der täglichen Orientierung. Sprache ist Alltagskultur.

Unsere Sprache kennt unterschiedliche Ausdrucksformen: zum Beispiel die Rede, den Vortrag, das Gedicht, die Erzählung oder auch das Märchen. Wunderschöne Erzählungen und Märchen gehören bis heute zu unserem Kulturgut, wie die Märchensammlungen der Gebrüder Grimm oder die Erzählungen aus „Tausend und eine Nacht“.

Daneben drohen Menschen zu vereinsamen, wenn niemand mit ihnen spricht. Menschen aber, die meinen, ununterbrochen sprechen zu müssen, können ihre Zeitgenossen kolossal nerven.

Es gab und gibt immer wieder Persönlichkeiten, die ein besonderes rhetorisches Talent haben: Martin Luther, Mahatma Gandhi, Rosa Luxemburg, J.F. Kennedy oder Elfriede Jelinek. In diese Reihe der Sprachbegabten gehören aber auch biblische Persönlichkeiten wie Mose, Jesus oder Paulus. Auch Eva musste wohl ein Sprachtalent gewesen sein, wäre ihr sonst Adam auf den Leim gegangen?

Sprechen und Erzählen vergegenwärtigen nicht nur eine Kultur, sondern sorgen auch für die Weitergabe und so für den Erhalt einer Kultur. Der Apostel Paulus bringt das im biblischen Kontext so auf den Punkt: „Der Glaube kommt vom hören.“ (vgl. Röm 10,17)

Anders formuliert: Wer noch nie von einem konkreten Glauben an einen Gott gehört hat, der wird auch nicht zum Glauben kommen können. Existentiell für den Glauben also ist, dass Menschen von ihm erzählen. So stehen am Anfang des Christentums die Männer und Frauen, die von ihrem Glauben an Jesus Christus erzählt haben, nach dem Motto: „Wovon das Herz voll ist, quillt der Mund über.“

Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass eine Religion in der Existenz bedroht ist, wenn immer weniger Menschen von ihr erzählen beziehungsweise Religion leben.

Den Erhalt einer christlichen Kultur gewährleisten nicht Demonstrationen und schon gar nicht die Anfeindung anderer Religionen. Wenn Christen zu ihrer Beziehung zu Jesus Christus öffentlich stehen, diese Beziehung in ihrem Alltag leben und auch davon erzählen, dann hat Glaube Zukunft.

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Der Mülleimer

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Der Mülleimer (MP3) von Christoph Stender

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Er begleitet das Leben in unterschiedlicher Gestalt. Er steht in Wohnungen, Büros, im öffentlichen Raum und sogar im PC ist er präsent, der Mülleimer.

Der Mülleimer ist Kulturgut. Mülleimer, egal von welcher Größe, tragen zu Hygiene und Ordnung bei. Neben dem allgemeinen Hausmüll, der in den Mülleimer gehört, um dann entsorgt zu werden bevor er zu stinken beginnt, gibt es auch noch den „Kopfmüll“, den Müll unnützer Gedanken. Ein solcher unnützer Gedanke ist das sich Vergleichen mit anderen Menschen.

Wer dem Gedanken anhängt, sich selbst mehr oder minder nur im Vergleich mit anderen wahrnehmen zu können, dem sollte langsam dieser Gedanke zu stinken beginnen. Denn egal mit wem oder was wir uns vergleichen, es gibt immer irgendjemanden, der besser ist als man selbst. So werden Verlierer geboren! Es gibt nämlich immer diese „Anderen“, die mehr Geld haben, besser aussehen, wichtiger sind, mehr geliebt werden, bekannter sind, durchtrainierter, intelligenter, wissender oder was auch immer.

Wer sich mit anderen vergleicht, läuft Gefahr, das eigene Selbstwertgefühl auf den Müll zu tragen. Der Vergleich nebelt die Tatsache ein, dass jeder Mensch einmalig und unvergleichbar ist. In dieser Einmaligkeit ist jeder herausgerufen, aus seinen je eigenen Fähigkeit und Talenten das Leben zu gestalten, zu tun, was möglich ist.

Das Neue Testament hat da einen einfachen Tipp, der dazu ermutigt, den Vergleich direkt auf den Müll zu werfen: „Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen.“

In dieser Perikope aus dem 6. Kapitel des Evangeliums nach Markus (Mt 6,28f) wird deutlich, dass unsere Art zu vergleichen niemanden weiter bringt.

Die Heilige Schrift ermutigt hier zur Gelassenheit gegen den Stress des Vergleichens. Denn jeder Mensch ist ein „Datum“; was, aus dem Lateinischen stammend, bedeutet: Jeder Mensch ist ein „Gegebener“. Sich vergleichen oder sogar aus dem Vergleich Wertschöpfung ableiten zu wollen, ist unter der Würde des Menschen. Also: Der Vergleich stinkt, und gehört in den Mülleimer.

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Die Frage der Kleidung

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Die Frage der Kleidung (MP3) von Christoph Stender

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Was ziehe ich heute an? Diese Frage ist für den einen mit einem kurzen Blick in den Kleiderschrank erledigt, für andere eine täglich wiederkehrende Herausforderung. Die Auswahl der Kleidung kann verschiedene Gründe haben. Da spielt das Wetter eine Rolle, die berufliche Tätigkeit oder auch eine besondere Begegnung. Kleidung kann auch Botschaft sein, ein Lebensgefühl vermitteln oder den Anschein erwecken, man sei etwas Besonderes. Darüber hinaus ist die alte Erkenntnis auch heute nicht ganz falsch: „Kleider machen Leute.“

Trotzdem bleiben Kleidungsstücke im wahrsten Sinne des Wortes „Äußerlichkeiten“. Zu solchen Äußerlichkeiten zählen auch Schmuck oder Tattoos, das Auftreten einer Person, seine Wortwahl oder der Geruch eines Menschen. Äußerlichkeiten nimmt jeder von uns wahr, auch wenn wir sie unterschiedlich bewerten. Jeder hat selbst solche Äußerlichkeiten, die die Fremdwahrnehmung beeinflussen.

In der Welt der Bibel war das nicht anders, da wurde auch auf Äußerlichkeiten wie Kleidung geschaut, allein deswegen, um zu erfahren, welchen Standes das Gegenüber sei.

Der Evangelist Lukas berichtet im 19. Kapitel von Zachäus, dem Zöllner (Lk 19, 1f). Man erzählten er soll sehr reich gewesen sein, wahrscheinlich trug er auch teure Kleidung. Jeder meinte zu wissen, wie Zachäus die Leute am Zoll betrügt. Früher, so munkelte man, war er ein Sklave.

Als Jesus auf Zachäus aufmerksam wird, warnen die Umherstehenden: „Dieser Zöllner ist nicht der richtige Umgang, was sollen die Leute denken.“ Jesus interessiert die Andeutungen der Umherstehenden nicht. Jesus ist an diesem Menschen interessiert, durchschaut die Vordergründigkeit der Besserwisser und will nun Zachäus direkt begegnen. Deshalb lädt Jesus sich kurzerhand selber bei Zachäus ein, um ihn hintergründiger kennen zu lernen, zu fragen wer dieser Zachäus sei.

Hier kommt nun kein moralischer Apell wie: Äußerlichkeiten täuschen und Vorurteile sind falsch. Das sollte im Umgang mit Menschen Standard sein. Aus der Begegnung mit Zachäus sei ein Hinweis Jesu unterstrichen: Wer sich mit den Äußerlichkeiten eines Menschen zufrieden gibt, dem ist das Wesentliche schon verloren gegangen.

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Der tägliche Begleiter

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Der tägliche Begleiter (MP3) von Christoph Stender

[audio mp3="http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2015/02/Wort-zum-Tag-3-Stender-Christoph.mp3"][/audio]

Der Wunsch begleitet uns täglich, entweder von uns ausgesprochen oder auf uns hin formuliert.
Wünschen kann man ja auch vieles: Einen schönen Tag, eine gute Fahrt, viel Erfolg, gelungene Gespräche, und selbst gute Wünsche kann man wünschen.

Einmal genauer auf die Kultur des Wünschen geschaut, kann stutzig machen. Denn wenn ich jemanden etwas wünsche, dann spreche ich den Wunsch zwar aus, gehe dann aber meiner Wege und lasse mein Gegenüber mit dem Wunsch allein.

An der Erfüllung des Wunsches bin ich dann selbst nicht mehr beteiligt. Meine guten Wünsche kosten mich selber also nichts. Und selten fragt ja auch jemand nach, ob der Wunsch auch gelungen sei. Wünsche sind leicht zur Hand, meist auch gut gemeint, aber für den, der den Wunsch zum Ausdruck bringt, folgenlos.

Dieser Wunsch nun ist nicht folgenlos: „Ich wünsche dir nicht, du mögest niemals so einen Schmerz in deinem Leib zwischen Herz und Muskeln spüren, der dir Angst macht, unwissend, ob er vergeht, oder Anfang deines Endes ist?

Ich wünsche dir nicht, dir möge die Frage erspart bleiben, behalte ich meine Arbeit, werden in Zukunft meine Fähigkeiten noch gebraucht, finde ich morgen auch Anerkennung?

Ich wünsche dir nicht, der Zweifel möge niemals an dir nagen: Was bin ich noch wert, liebt mich überhaupt noch ein Mensch, bin ich nicht einfach nur ein überflüssiges Auslaufmodell?

Mein Wunsch für dich lautet so: Haut, die dich streichelt, und hofft aus Liebe gestreichelt zu werden.
Hände, die dich schützen, und die du zu halten dich sehnst. Augen, die dir nachgehen und die du entdeckst. Ein Wort, das dich trägt, fremd der Lüge, und ein Mund, der es nie vergisst.
Ich wünsche dir ein du, und diesem du dich bis dorthin, wo nichts mehr halten kann!“

Von dieser „Wunschliste“ fehlt noch der letzte Satz, der in einen unerwarteten neuen Wunsch mündet: „Mein Wunsch an mich, ich möchte diesen Wunsch für dich erfüllen.“

Zugegeben, dieser Wunsch klingt sehr persönlich. Aber das liegt ja auch in der Natur des Wunsches, denn Wünsche machen nur mit Blick auf Personen Sinn.

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Rote Ampeln

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Rote Ampeln (MP3) von Christoph Stender

[audio mp3="http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2015/02/Wort-zum-Tag-2-Stender-Christoph.mp3"][/audio]

Unser Alltag ist oft klar terminiert, und je mehr verbindliche Verpflichtungen an einem Tag zu bewältigen sind, desto zielgerichteter müssen wir die 24 Stunden des Tages organisieren.

Da ist es schon nervig, wenn wir dann ohne eigenes Dazutun Zeit verlieren. Ein garantierter Zeitfresser ist die rote Ampel.

Klar, keine Frage, Ampeln haben Sinn, vielleicht nicht immer, aber meistens. Jedoch was tut sich, wenn wir vor einer roten Ampel warten? Einfach nur da stehen bzw. im Auto sitzen, oder warten und schauen, oder warten und dösen. Wir messen dieser Wartezeit eigentlich keine besondere Bedeutung zu, wir lasse sie oft einfach verstreichen.

Dabei könnte die Wartezeit vor roten Ampeln auch anders genutzt werden: kurz in Gedanken dem nachgehen, was der Tag bisher schon geboten hat, eine Art Kurzreflexion.

Eine andere Zeitnutzung wäre aber auch, still danke zu sagen, für die Menschen, die uns an diesem Tag schon begegnet sind.

In einem Gottesdienst habe ich eine weitere Alternative angesprochen, die Zeit bei Rot zu nutzen. Diese Wartezeit könnte zu einer Gebetzeit werden: Im Gebet an einen Menschen denken, der zum Beispiel eine schwere Entscheidung treffen muss, der in Trennung lebt oder den eine schmerzliche Botschaft erschüttert. Vor roten Ampeln also ganz konkret persönliche Gedanken mit Gott teilen.

Wenige Tage nach diesem Gottesdienst erzählte mir eine junge Frau folgende Begebenheit. Sie sei kürzlich an einer roten Ampel gestanden und neben ihr eine Frau, die sie aus dem Gottesdienst kannte. Sie schauten sich an, nickten einander lächelnd zu und stellten fest: „Sie auch? Ja, ich auch, Gebet an der roten Ampel“.

Nun gibt es sicherlich auch Tage, an denen einem vor der roten Ampel niemand einfallen mag, an den man nun besonders denken könnte, und man auch keinem konkreten Gedanken nachgeht, der mit dem lieben Gott zu teilen wäre. So stünde man dann doch nur vor der roten Ampel und ließe die Zeit verstreichen.

Vielleicht reizt ja dann diese Tatsache: Wir sind heute Morgen wieder wach geworden, das ist keine Selbstverständlichkeit. Dieser neue Tag ist ein Geschenk, den wir heute leben dürfen.

Da reicht die Zeit bei Rot allemal für ein Danke!

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Der Briefkasten

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Der Briefkasten (MP3) von Christoph Stender

[audio mp3="http://www.christoph-stender.de/wp-content/uploads/2015/02/Wort-zum-Tag-1-Stender-Christoph.mp3"][/audio]

Selbstverständlichkeiten gehören zum Tag. Das fängt mit dem Aufstehen an, feste Orte müssen erreicht werden, Menschen treffen Menschen, Gespräche werden geführt.

Eine weitere Selbstverständlichkeit ist der Briefkasten. Ob in Hauseingängen, an Straßenecken oder als Mailbox, Briefkästen sind allgegenwärtig. Mit ihnen verbinden wir zwei Funktion. Entweder wir werfen Post rein, oder holen Post raus. Hier geht es um die Post, und somit um Botschaften.

Von Botschaften hängt oft die Qualität eines Tages ab. Gut klingt ein Tag, an dem wir hören „ich freue mich heute besonders auf Sie“, wir freundlich gegrüßt werden, oder jemand sich ernsthaft bedankt. Anders klingt der Tag, wenn Verkehrsteilnehmer sich lautstark als “Idioten“ bezeichnen, man ohne es zu wollen in einen Streit gerät, oder man einfach nur runter gemacht wird.

Botschaften hellen Tage auf oder verdunkeln sie. Das Neue Testament ist voll von Botschaften, die den Alltag aufhellen wollen. Auf den Punkt gebracht klingen diese Botschaften in ihrem Kern alle so: „Mensch, dein Leben möge gelingen.“

Darüber, was ein gelungenes Leben sei, kann getrost gestritten werden. Doch eines ist allen Lebensentwürfen gemeinsam, sie kommen nicht ohne gute Botschaften aus: Botschaften der Wertschätzung, der Verlässlichkeit, der Vergebung, der Liebe, aber auch der hilfreichen Kritik.

Kaum einen Monat ist es her, als diese Botschaft meinen Tag aufhellte: „Es ist gut, dass es Sie gibt“. Mein Kalender war voll, die Nacht hatte ich schlecht geschlafen, und jede Aktivität des Tages war irgendwie problematisch.

Da wurde mir diese Worte von einem Menschen zugesprochen, im Vorübergehen, von dem ich sie nicht erwartet hätte: „Es ist gut, dass es Sie gibt“. Klar, diese Botschaft löste an diesem Tag keines meiner Probleme. Aber meine Motivation die Probleme anzugehen und sie auch bewältigen zu können, wurde durch diese Worte spürbar gestärkt. Es ist eine Herausforderung, zum Gelingen des Tages, bei vielleicht auch nur einem Menschen, heute etwas beizutragen.

Wenn das aber gelingt, dann findet sich vielleicht in den kommenden Tagen eine Botschaft in Ihrem Briefkasten, die da lautet: „Danke, Sie haben mir gut getan.“

Deutschlandradio Kultur, „Wort zum Tage“
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Der Dreiheiligekönig

Da stehen sie an der Krippe, über 2000 Jahre ist das nun her, und sind überzeugt: Dies ist Gottes Werk. Maria und Josef lassen das Werk „begreifen“, Gott handelt in menschlichen Gebärden. Die Hirten tun, was Menschen tun, wenn das geschieht, was die Welt noch nicht gesehen hat, sie staunen und verstehen nicht.
Und dann treten Macht, Weisheit und Deutung, gekleidet in die verschiedenen Kulturen ihrer Zeit vor das Werk Gottes, und die Tradition drückt ihnen Geschenke in die Hand. Wie hilflos ist das denn, dieser Versuch, das noch nie da gewesene zu dem Gewöhnlichen zu packen, in dem man, der Gewohnheit entsprechend, mit Geschenken agiert: Gold, Weihrauch und Myrre.

Oder sieht das vielleicht für uns nur so aus, weil auch wir heute nur mit dem gewohnten Blick auf die Krippe schauen. Haben Macht, Weisheit und Deutung damals etwa schon begriffen, dass das Ungewohnte der Krippe das Gewohnte auf den Kopf stellt? Geht es in Betlehem vielleicht gar nicht darum, das Werk Gottes höfisch zu bedienen, also das Geschenk Gottes wieder „gut zu machen“, entsprechend unserer Schenktradition, ein Geschenk wird durch ein Gegengeschenk neutralisiert?

Hinschauen, staunen und mehr erwarten, als das Vertraute bieten kann. So sich von diesem Werk Gottes in den Blick nehmen lassen bedeutet, zu sehen was die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Dieser An – blick kann die Abhängigkeiten, in die sich Menschen verstricken und verlieren entlarven.

So hingeschaut macht der Dreiheiligekönig keine Geschenke, sondern er lässt etwas los. Das, wovon Macht, Weisheit und Deutung bisher abhängig waren, das lässt der Dreiheiligekönig auf das Kind hin fallen, und befreit sich so von seinen Abhängigkeiten, die im Gewande von Wohlstand (Gold), Macht (Weihrauch) und Ansehen (Myrrhe) daher kommen.

Egal aus welcher Fremde oder Selbstentfremdung kommend, wie der Dreiheiligekönig, und egal ob mit Macht, Wohlstand und Ansehen ausgestattet oder auch weniger, sich dem Werk Gottes immer wieder anzunähern und mit Staunen der Frage sich stellen, wovon mache ich mich abhängig, und diesen ungewohnten Blickkontakt so wagen, wandelt.

C. Stender / M. Lejeune

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Dem Vergleich ein „Denk-mal“

Gedanken für das Neujahr 2015

Vergleichen sucht den Unterschied,
zu weiden sich im Bessren,
zu grämen letztlich doch zu klein.

Vergleichen schafft Verlierer nur,
meist mich und dich und alle,
weil irgendjemanden irgendwem
doch irgendwie, mit irgendwas…

Sei glücklich im Vergleich zu siegen,
zahlen tun`s die, die unterliegen,
erheb den Schein zu deinem Sein, im Schatten des Verlierers.

Bist traurig im Vergleich zu scheitern
bleibst du zurück, der and`re weiter,
der greift im Schein zu seinem Sein, geboren aus Verlierern.

Vergleich treibt Leben an
und stellen es gleich in Frage,
springt er doch jeden Menschen an,
gleich wer sie sind und haben.

So wachsen Mehr- und Minderwert,
vertraut sich selbst gebärend,
am Baume der Vergleichbarkeit,
ein Du und Ich nur Mispel scheint,
das Eigene verlierend.

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Kerngedanken der Weihnachtsansprachen 2014

Die erweiterte Krippe als Ort der Selbstreflexion, Gesellschaftskritik und der Entfaltung von Optionen zur Verbesserung von Lebensqualität

1. Hinführung

Erkenntnis in Kinderfrage:

Mama, letztes Jahr hat es doch keine einzige Flocke geschneit! Ja, das stimmt. Mama, wieso schenkt mir das Christkind dann einen Schlitten, obwohl es doch wissen müsste, dass kein Schnee fallen werde?

→ In dieser Kinderfrage steckt eine Kernfrage der Menschheit: „Was hat der Himmel mit der Erde zu tun, was Gott mit den Menschen, oder das Transzendente mit dem Immanenten, oder noch anders formuliert, das Heilige mit der Materie?

Die Antwort darauf: Siehe Weihnachten, die Antwort feiern wir heute!

→ In dieser Kinderfrage steckt aber auch eine große Weisheit, nämlich die Antwort auf die Frage, was hat Gott mit dem Schenken zu tun? Die Antwort lautet: Gott hat das Schenken erfunden! Mit dem Geschenk der Schöpfung erfand Gott das Schenken.

Aktuelle Geschenke

→ Und hier in dieser Kirche sitzen und stehen die Geschöpfe Gottes, ein Geschenk neben dem anderen, und mehr noch, jeder von Ihnen ist nicht nur ein konkretes Geschenk für einen anderen konkreten Menschen, sondern jeder von Ihnen ist selbst ein Schenkender. „Es ist sehr schön, dass hier diese Hütte (Kirche) voller Geschenke ist“!

→ Zugegeben, nicht alle Geschenke gefallen jedem in gleicher Weise, aber das entert nichts am Willen Gottes zu schenken.

Warum fällt Gott nicht vom Himmel

→ Krippe ist ein Bild der gemutmaßten Situation bei der Geburt Jesu. Ein romantisches, ein harmonisches Bild und das soll es auch sein dürfen, aber nicht nur….

→ Warum kommt Gott auf die Idee Mensch zu werden, und fällt nicht einfach vom Himmel, „plumps … und da liegt der 30 jährige Jesus“?

Weil Gott sich unserer Kommunikationsformen bedient, unserer Sprache, unserer Bilder und Symbole, damit wir seine Botschaft verstehen können. Spräche Gott seine Sprache, wir würden nichts verstehen, zeigte er uns seine Bilder, wir würden nichts sehen, böte er uns seine Symbole an, wir könnten sie nicht entfalten…Wie Kinder zur Welt kommen, dieses Faszinosum kennt der Mensch, das können wir „verstehen“. Deshalb lässt Gott seinen Sohn zur Welt kommen.

2. Krippe ist aber nicht nur ein Bild (festhalten einer Erinnerung)

Krippe ist wesentlich eine „Dar – Stellung“ (Situationen werden vor den Betrachter / die Betrachterin gestellt) der Lebensrealitäten der Menschen damals und heute:

→ Die Idee von der Krippe hatte der Hl. Franziskus.

1223 feierte Franziskus in einem Kloster in Italien (bei Greccio) in einem echten Stall, einer Felsgrotte mit Ochs und Esel und einer strohgefüllten Krippe die Geburt Jesu. Er wollte das Ereignis der Geburt nicht nur erzählen, sondern in Bildern darstellen, damit die Menschwerdung Gottes mit allen Sinnen (sehen, schmecken, riechen, fühlen, hören) erfahrbar wird.

Aber Franziskus verstand die Krippe nicht nur als ein frommes Standbild, nein sie war die „Dar – Stellung“ des Lebens der Menschen, in die hinein Gott Mensch wird!

3. Die Figuren in und um die Krippe herum sind auch symbolisch zu verstehen, denn sie stehen für die Lebenssituationen der Menschen.

→ Ochs und Esel mehrfach bedeutend

  • Der Esel als ein demütiges, dienendes und gehsicheres Tier, steht als Sinnbild für die Aufopferung Christi.
  • Der Ochse ist ein typisches Opfertier im jüdischen Kult. Christlich gedeutet ist der Ochs das Sinnbild für den Kreuzestod (die Passion) Christi.
  • Ochs und Esel werden  bei Jesaja 1,3 im Alten Testament schon erwähnt: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn“.
  • In der frühchristlichen Literatur, wie in einer Weihnachtspredigt des Hl. Augustinus (4.Jh.), wurden Ochs und Esel als Sinnbilder der beiden Teile der christlichen Kirche gedeutet, aus denen die Kirche erwachsen ist, den Menschen (dem Volk) jüdischen Glaubens und den Heiden, sie stehen für alle anderen Völker und andersgläubige Menschen.

→ Weitere Darsteller auch im Umfeld

  • Das Jesuskind steht für die Zerbrechlichkeit des Lebens.
  • Josef steht für das Recht des Menschen auf (Selbst-) Verwirklichung.
  • Maria steht für die Sehnsucht der Menschen nach Geborgenheit.
  • Die Engel stehen für die Vermittelte Daseinsweise Gottes. Gott bedient sich immer eines „Sprachrohrs“ wie den Propheten, ganz normaler Menschen oder eben Engel, um sich Gehör zu verschaffen.
  • Die Hirten stehen für die Menschen und Gruppen, die von Mehrheiten der Gesellschaft an ihren Rand verdrängst werden, da sie „allgemeiner“ Normen nicht entsprechen, fremd sind oder …
  • Die Weisen aus dem Morgenland (Drei Könige) stehen für die Wissenden und Gebildeten ihrer Zeit.
  • Die Wirtsleute, die die Hl. Familie nicht aufgenommen haben, stehen für all jene, denen Heimat, Bleiberecht … also die Lebensgrundlage verweigert wird.
  • König Herodes steht für die, die Macht haben und den Machtmissbrauch in jeder Form.
  • Kind, Eltern und Weisen, diese drei Generationen stehen miteinander für die Alter, das der Jugend, des Erwachsen, und des Alten.

So nimmt an der Krippe die Welt Platz, die große Welt, die wir oft kaum noch durchblicken, und unsere ganz persönlich kleine Welt um uns herum, beide Welten mit all ihrer Facetten stellt die Krippe dar.

 

4. Krippe ist Herausforderung

→ Herausforderung (Provokation) unser Leben erst einmal selbst in den Blick zu nehmen, das was uns antreibt, motiviert, neugierig macht, zufrieden sein lässt all die Wirkmechanismen in unserem Leben.

→ Darüber hinaus ist sie aber auch die Einladung unser Miteinander, wie wir mit den „Welten“ der Menschen um uns herum umgehen neu zu reflektieren und auf seine Berechtigung hin zu überprüfen.

→ So  lassen wir uns selbst in die Krippe hineinnehmen, und betreten sie in gleicher Weise aktiv,  um unseren aktuellen Platz in ihr, sprich unserem Leben und in unserer Gesellschaft neu zu „ent – decken“.

5. Krippe ist Ort der Kommunikation

  • Krippe ist Gespräch zwischen den unterschiedlichen Menschen und deren verschiedenen Lebenssituationen.
  • Krippe ist hinschauen, Achtsamkeit für die Lebenswelt der anderen, besonders der Schwächeren.
  • Krippe verbindet Kulturen und Religionen wertschätzend.
  • Krippe ist Bekenntnis zu den heimatlose Menschen, also einzustehen für Menschen die auf der Flucht sind da ihr Leben, ihre Lebensweise oder ihre Kultur bedroht sind.
  • Krippe ist Platzhalter für den Respekt vor der Liebe und der Liebessehnsucht des Menschen und wie diese individuell gelebt wird.
  • Krippe fordert Achtung vor den Lebensaltern, besonders vor dem des junge Menschen, damit er seinen eigenen Lebensweg finden kann und dem des Alten in Würde alt sein zu dürfen.

6. Krippe bleibend aktuell

  • Krippe ist jedes Jahr neu (da jeder von uns ein Jahr älter) neu da um zum persönlichen Ereignis zu werden.
  • Krippe ist Bild der Geburt Jesu die wir feiern und anhaltendes Ereignis vor dem wir in unseren Leben auch Verantwortung übernehmen müssen.
    Deshalb ist „nach Weihnachten immer auch vor Weihnachten“ da das Ereignis Krippe nicht nach drei Tagen abgefrühstückt ist.

7. Das Heilige der Heiligen Nacht

→ Zwischen all diesen Lebensrealitäten, besonders in der Weise wie sie uns ansprechen, betroffen machen und bekümmern, berührt Gott den Menschen, und der Mensch darf Gott im Kind berühren.

→ Hier liegt die Antwort auf die Kernfrage der Menschen: Was hat der Himmel mit der Erde zu tun, was Gott mit den Menschen, oder das Transzendente mit dem Immanenten, oder noch anders formuliert, was hat das Heilige mit der Materie Welt zu tun? Gott wird Mensch! Alles andere wäre einfach zu kompliziert.

→ Darum hat in der Krippe auch eine Grundsehnsucht des Menschen seinen Platz, die zum Bild wird in der Sehnsucht nach einer stillen, nach einer heiligen Nacht, in der alles ruhen kann weil einer wacht, weil einer auf uns aufpasst, und wir so nicht tiefer fallen können als in die Hand Gottes.

Das Macht des Zauber der Krippe aus, der Glanz in den in dieser Krippennacht (Weihnachtsnacht) die Realität gehüllt ist, die der großen Welt, die wir oft nicht mehr analysieren können, und die unsere persönliche kleine Welt, in und über die wir täglich stolpern.

 8. Lied zwischen trüber Realität und glänzender Sehnsucht

→ Das Lied „Stille Nacht Heilige Nacht…“ ist kein sentimentales Geblubber, sondern es bringt genau diese sehr bescheidene und vom Krieg gekennzeichnete Realität der Menschen damals zum Ausdruck, in mit uns Menschen heute die  gleiche Sehnsucht teilen: Um die Lebenssituationen herum, besonders die beschissenen, etwas von diesem Heil zu spüren „… da ist einer der wacht…“

→ Die Situation in der das berühmteste Weihnachtslied der Welt entstanden ist.

  • Josef Mohr: uneheliches Kind, ein Flüchtling in seiner „Heimat“ dem Land Salzburg vor den gutbürgerlichen Konventionen seiner Zeit.
  • Zeitgeschichte: Napoleonisch Kriege, keine heile Welt, Krieg, Zerstörung
    Unterdrückung, Vertreibung …Hier blüht die Sehnsucht nach Heimat, Frieden und Geborgenheit.
  • Im Weihnachtsgottesdienst am 24. Dezember 1818 wurde das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht von Franz Xaver Gruber (Gesang / Gitarrenbegleitung) und Joseph Mohr (Text) im Salzburger Land uraufgeführt. Dieses Lied traf die Realität der Menschen umgeben von Sehnsucht!

Stille Nacht! Heilige Nacht!
Alles schläft. Einsam wacht
nur das traute heilige Paar.
Holder Knab’ im lockigem Haar.
Schlafe in himmlischer Ruh!
Schlafe in himmlischer Ruh!

 

Kerngedanken der Weihnachtsansprachen 2014, gehalten in: Aachen Brand Erlöserkirche, Aachen Zentrum Heilig Geist und Aachen Burtscheid St. Michael
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Nackt und doch komfortabel bekleidet

Es bleiben noch eine Woche und drei Tage. Dann gilt es, Weihnachten zu feiern. Anschließend haben die meisten Wochenende. Spätestens dann lernen die ersten Tannenbäume das Fliegen und alles ist vorbei, das Fest ist abgefrühstückt. Bevor wir so weit kommen, wäre ein „Nachdenken“ hilfreich, wäre es hilfreich, sich neu zu vergewissern, was wir da eigentlich feiern. Genau bedacht ist nicht der Geburtstag Jesu Anlass für unser Weihnachtsfest, sondern das „Programm“ Jesu, genauer: dessen Geburtsstunde. Erst der reflektierende Blick der Christen in den ersten Jahrhunder- Nackt und doch komfortabel bekleidet von Pfarrer Christoph Stender Gedanken zum Sonntag ten auf das ganze Leben Jesu weckte das Interesse an dessen Anfang. Im vierten Jahrhundert kristallisierte sich die Geburt Jesu als Datum und Fest heraus. So gesehen feiern wir keinen Tag, wohl aber einen Einstieg in die „Ansichten“ Jesu. Wir haken mit Weihnachten nicht den Geburtstag Jesu feierlich ab. Vielmehr starten wir mit diesem Tag im eigenen Leben durch – zu mehr Lebensqualität im Licht des Lebens Jesu. Lebensqualität bedeutet hier nicht, dem eigenen Leben noch mehr an materiellem, gesellschaftlichem oder intellektuellem Lametta um den Hals zu hängen. Qualität bedeutet: nackt komfortabel gekleidet zu sein! Mit diesem Bild möchte ich nicht anzüglich erscheinen, sondern mit einem scheinbaren Gegensatz provozieren: dass nämlich ein „Mehr“ wahrzunehmen zur Folge haben kann, „weniger“ nötig zu haben. Schauen wir uns doch diese „Kleinigkeit“ genauer an: Der Sohn Gottes kommt nackt zur Welt, „wohlhabend“ bekleidet mit der Botschaft von Gott. Die Nacktheit des Kindes Jesus, seine Kleinheit und Zerbrechlichkeit schreit aber nicht nach prachtvoller Kleidung, Besitz oder Versicherungen und schult damit die Blicke derer, die sich der Nacktheit aussetzen. Der so geschulte Blick achtet immer mehr auf die Kleinigkeiten, wertschätzt das Zerbrechliche, beschäftigt sich mit dem Unscheinbaren im eigenen Leben und dem der Anderen. Dieses Achten auf Kleinheit, diese Wertschätzung des Unscheinbaren relativiert den Status von Macht, Besitz und Ansehen und ermöglicht so eine andere Lebensqualität. Deshalb ist die Menschwerdung Jesu aber nicht als Affront gegen das „Haben“ im Allgemeinen zu verstehen, sondern als Aufwertung der vielen Kleinigkeiten, die des Menschen Leben so reich machen können. So vieles von dem, was wir „haben“, machen sie überflüssig. Planen wir doch unterm Tannenbaum mit lieben Menschen, welche Kleinigkeiten die Beziehungen bereichern könnten, was dem Zusammenhalt im kommenden Jahr gut täte. Oder ganz persönlich: Legen wir ein Buch an, in dem wir nur die – angeblichen – Kleinigkeiten des Alltags sammeln. Am Ende einer Woche können wir sie dann erinnernd wertschätzen.

 

Erschienen  in: Katholische SonntagsZeitung für Deutschland, 13./14. Dezember 2014
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