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Gott bleibt dabei

Die Akteure der ersten Stunde, Maria, Josef, Hirten, Könige und Engel, sind zum hübschen, sinnfreien Ensemble geworden, das schmerzfrei bis zu 120 Tage vor Weihnachten immer wieder gerne im öffentlichen Raum und in Einkaufszentren für wahr genommen wird.

Oft wecken sie noch Emotionen, obwohl alles was von ihnen erzählt werden konnte, auserzählt ist. So verdunstet schleichend Weihnachten auf den Weihnachtsmärkten zum „Glühweinfest“. Der Nikolaus hat in den Regalen der Supermärkte den Kampf mit dem Weihnachtsmann, beide ganz in Schokolade, obwohl er noch gar nicht so richtig begonnen hat, mangels Marktreife schon verloren.

Doch es wird noch dünner kommen: Erinnerung erinnert die Menschwerdung in Bibliotheken, Gemäldegalerien und das WWW. 

Der 25. Dezember wird Gegenstand der Altertumsforschung. Die Bibel wird von Literaturpreisen flankiert verdichtet auf einen längeren Satz mit 5 Kommata. Das Christkind, schon längst Lichterkind genannt, und der inzwischen zum Rieseneichhörnchen mutierte Osterhase, sie verschmelzen ineinander zur duftenden Kuschelhülle mit Schlappohren für Pads und Handys.

Das Fest ist durch seine Präsenz an 365 Tage im Jahr zum Alltag geworden, und mit ihm auch die über 1500 Jahre an die Öffentlichkeit gezerrte Geburt Jesu.

Weiter: Das Krippenmotiv wird der Kategorie Landschaftsmalerei zugeordnet, die Kirche als Erzählort hat sich schon längst tot vertuscht, und die Menschwerdung Gottes ist einfach vergessen.

Weihnachten wird nicht mehr erzählt, die Spätfolge: In  Suchmaschinen nicht mehr zu finden.

Fazit: Weihnachten und alles schläft. Nur Gott nicht, er bleibt dabei: „Ich bin für euch Mensch geworden, auch wenn keiner mehr hinschaut.“ Wen wundert’s?

„Auf ein Wort“ Zentralredaktion Bistumspresse Osnabrück (S.Haverkamp {at} bistumspresse(.)de), Weihnachten 2018
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Schwung von Weihnachten zu Weihnachten

Vor Weihnachten ist nach Weihnachten, und dazwischen liegt ein Jahr, das die Kommunikation Gottes mit den Menschen aus der Vergangenheit heraus, hinein in die Gegenwart verdichtet in die Feier der christlichen Feste, Jahr um Jahr.

Das Ende dieser nach Wiederholung klingender Erneuerung im Glauben, die sich nun schon über 2000 Jahre modifiziert ereignet, ist der Tag, mit dem kaum einer von uns wirklich rechnet, zumindest nicht zu Lebzeiten, der Jüngste Tag, oder besser gesagt, des letzten Tages herkömmliche Wahrnehmung in Raum und Zeit und ihrer „Ränder“.

Doch bis dahin bleibt diese uns teilweise vertraute Kommunikation Gottes mit den Menschen ein Schlüsselbegriff, denn sie gibt Aufschluss darüber, was mit uns geschehen ist und geschieht auf dem Vordergrund unserer Wahrnehmung.

In Respekt verneige ich mich vor dem, im „Alten“ Testament Überlieferten, der Kommunikation Gottes mit den Menschen vor der Geburt Jesu.

Mit Weihnachten fing Herausragendes an: Wir sind hineingenommen in die Beziehung, die Gott selber ist, nämlich die Kommunikation des dreieinen Gottes, geführt im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus beginnt Gott diese einmalige Kommunikation, indem er des Menschen Leibhaftigkeit und Sprache annimmt, sich seiner Symbole und Bilder bedient und so, in menschlichen Gebärden dem Menschen näher kommt.

Weiter: Gründonnerstag deutet Jesus, er, der die Selbstaussage Gottes ist, ein einfaches Mahl um und begründet seine immerwährende Kommunikation unter den Gestalten von Brot und Wein.

Karfreitag durchleidet er das Schicksal eines jeden Menschen, nichts festhalten zu können. Karsamstag berührt er verborgen alle, vom ersten bis zum letzten Menschen, um mit Ostern in der Auferstehung niemanden unangetastet zurück zu lassen.

Himmelfahrt ist unumkehrbar die Zusammenführung des Menschlichen im Göttlichen. Mit der Geistsendung (Pfingsten) schafft er eine neue Verbindung zwischen denen, die ihm bis hierher glauben.

Dann der Dreifaltigkeitssonntag: Im Namen des Dreieinen Gottes ist die neue „geistbegabte“ Gemeinschaft der Christen einmalig verbunden, wenn der Priester, getragen von der Gemeinde wie jeden Sonntag, wie in jedem Gottesdienst bittet: „Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus“. Ein für alle Male sind wir so aufgehoben in Gott! Diese Gewissheit ist der „Schwung“ unseres Feierns von Weihnachten zu Weihnachten.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 12/2018 „Wortgewand“ 
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Säen ohne Vor – Sicht

Steiniger Boden, kein Wasser, glühende Hitze und Unkraut ohne Ende sind der Tod jeder Kulturpflanze. Um dies zu wissen muss man kein Agrarwissenschaftler sein, da reicht die normale Beobachtungsgabe, heute wie zur Zeit Jesu.

Aber: Wer den Worten Jesu folgt, „wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Mt 13,9) und das auch tut, bekommt von Jesus heute noch eine klare Ansage: Es wird gesät, unabhängig davon, ob die Saat sich entfalten kann oder nicht.

Sämann und Säfrau gehen los und bringen die Saat, die Erzählung von Gott, unter die Leute, ungeachtet wie diese darauf reagieren. Die, die aussähen, also erzählen, berücksichtigen nicht, ob das Wort Gottes genehm ist, anpassungsfähig, im Trend liegt, kompatibel ist mit sozialer Stellung oder einem System dient. Der Sämann geht los und erzählt!

Warum wägen Sämann oder Säfrau nicht besser ab, schonen ihre Ressourcen und urteilen vorneweg: Hier lohnt es sich zu erzählen, da ist es vielleicht einen Versuch wert, dort ist es aber eher Verschwendung?

Der Sämann, von dem hier die Sprache ist, sät nicht um kapitalträchtig zu ernten, also Profit zu machen. Nein, er sät, teilt aus, verkündet das Wort Gottes um des Wortes selbst Willen und deren freiheitliche Annahme. Er geht das Risiko ein, dass seine Verkündigung verpufft in steiniger Ablehnung, herzlosem Vertrocknen, hitziger Verunglimpfung oder im Wirrwarr geschichtlicher Faktenbeugung.

Jene, die heute vom Wort Gottes erzählen, sind Sämänner und Säfrauen und so Seelsorgerinnen und Seelsorger. Denn wer die Gegenwart Gottes unter uns Menschen im Wort weitergibt, der hat Interesse an den Seelen der Menschen, an ihrer Lebensqualität und ihren Perspektiven. Allerdings sind erzählende Sämänner und Säfrauen nicht dafür verantwortlich, auf welchen Boden ihre Saat fällt, denn sie können sich nicht an der Nachhaltigkeit als Erfolgsparameter orientieren, sie säen einfach nur, nicht mehr und nicht weniger.

Oft sind Eltern enttäuscht, die ihren Kinder viel Saatgut auf den Lebensweg gestreut haben, aber oft von der Saat ihrer Worte und Verhaltensweisen sichtbar nichts aufgegangen ist. Kinder also, die keinen Bezug mehr zur Kirche haben, denen Gott nicht wichtig erscheint, die an vielerlei Dinge glauben, weniger aber an den Sohn Gottes und die Auferstehung der Toten, und auch Gottesdienste nicht brauchen. Diesen Eltern, aber auch anderen Seelsorgerinnen und Seelsorgern ist meist nicht der Vorwurf zu machen, sie seien mit dem Saatgut nachlässig umgegangen. Sie haben getan, was sie tun konnten, ausgesät mit den eigenen Händen.

Übrigens: So manches Saatkorn hält sich lange in trockenem Erdreich menschlicher Biographien, bis eines Tages Sehnsucht, alte Verbundenheit oder neue Sinnsuche ein Stück vergangener Biographie wieder „bewässern“.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 11/2018 „Wortgewand“ 
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Vom Wort abgelenkt

Da lesen Sie in der Heiligen Schrift oder hören im Gottesdienst einen biblischen Text, z.B. den von einem neu angelegten Weinberg, seinem Besitzer und dessen Pächtern.

Im Hören zieht diese Erzählung Sie weiter hinein in das Geschehen, in die Arglist und Brutalität, mit der die Pächter die Knechte des Besitzers verprügelten, steinigten und den Sohn des Besitzers sogar ermordeten, um die Pacht nicht zahlen zu müssen.

Und Sie lauschen interessiert weiter dem Verlauf der Erzählung, wie z.B. der Weinbergbesitzer wohl reagieren wird.

So verhalten Sie sich aufmerksam, wie es zumindest im Gottesdienst von der „Hörgemeinschaft“ erwartet wird, und wie es auch Kindern vor der Katechese im Familiengottesdienst wärmstens empfohlen wird, „doch bitte genau hinzuhören“.

Ganz plötzlich aber stolpern Sie über „etwas“, das Sie innerhalb des Textes auf einmal von diesem Text ablenkt. Der weitere Verlauf der biblischen Erzählung plätschert an Ihnen vorbei, während sie primär einem Gedanken nachgehen, angestoßen von „etwas“ eben im biblischen Text gehörten. Sie gehen nun Ihrem eigenen Gedanken nach, treten vielleicht in eine andere Welt ein oder kommen von einer anderen Seite in der eigenen neu an, während die weitere Erzählung an Ihnen ungehört vorbeizieht.

Öfters bleibe auch ich besonders im Hören biblischer Texte „ausversehen“ an so einem „etwas“ hängen. So zum Beispiel während ein Diakon im Gottesdienst aus dem Markusevangelium vorlas: „Zuletzt sandte er seinen Sohn …“ (Mt 21, 37).

Der Fortgang der Erzählung trat bei mir nun in den Hintergrund, da ich mich fragte: Wer könnte eigentlich an meiner statt meine Haltung, Meinung oder mein Interesse sichern? Wem würde ich zutrauen oder zumuten in meinem Namen zu sprechen? Wer könnte zumindest halbwegs meinen Platz einnehmen, mich vertreten und als solcher auch von anderen akzeptiert werden?

Ein Fazit auf mich bezogen: Wie ich kann keiner sprechen, aus meinem Verstehen und Fühlen heraus kann keiner argumentieren, an meine Stelle treten geht nicht, da stehe ich und sonst keiner, geht auch nicht anders! Aber: In meinem Namen zu sprechen, „zuletzt sandte er seinen Sohn …“, da wüsste ich jemanden, zugegeben nicht viele, vielleicht nur einen, so mein Gedankengang…

Biblische Erzählung hat das Recht gehört zu werden, so wie ich als Hörer das Recht haben, mich durch sie selbst von ihr ablenken zu lassen.

Hallo geneigter Leser, hörende Leserin, sind Sie noch da, oder sind Sie etwa an „etwas“ hängengeblieben, das diesen Text schon längst zur Nebensache hat werden lassen?

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 10/2018 „Wortgewand“ 
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Trauen Sie sich stolz sein?

In der jüdischen Glaubenstradition verwurzelt verkündete jemand: „Glaubt an mich!“ Das sind drei, alles Bisherige in dieser Glaubenstradition verrückende Worte, verrückter Glaube!

Und er setzte noch einen drauf und behauptete: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“

Der immer schon gesuchte Gott, ob in der Antike, den Naturreligionen, dem Judentum oder wo auch immer, jetzt ist er entdeckt, so darf geglaubt werden, denn hier öffnete einer ein bisher nicht vorhandenes Fenster: „Wer mich sieht, sieht Gott.“ (Vgl. Joh 12,45)

Die Menschen im Umfeld Jesu werden sich schon gefragt haben, was von jemandem zu halten sei, der so etwas sagt.

Klar, man muss die Menschen, nach denen gefragt wird – damals wie heute -, in den Kontexten ihrer Zeit zu deuten versuchen.

Auch wir werden ja gefragt, was wir von dem einen oder anderen Menschen halten, z.B. vom Bankberater, dem Pfarrer, von Napoleon, dem Hausmeister, Käthe Kollwitz, dem Paketboten, der Nachbarin oder wem auch immer.

Oft sind wir dann auch gerne bereit, über unsere Eindrücke Auskunft zu geben.

Wenn man dann auch noch nach einem Promi gefragt wird, und man eine ganz persönliche Erfahrung preisgeben kann, dann tut das der Mensch auch gerne: „Da hatte mich doch tatsächlich die Kanzlerin angerufen und gefragt, ob ich Zeit hätte; sie bräuchte einen Rat von mir.“ Wer Ähnliches erlebt, ist schon stolz.

Aber zurück zu unserem Promi, Jesus von Nazareth, mit dem „Künstlernamen“ Christus.

Irgendwie ist das mit ihm anders. Die meisten Menschen werden von ihm, dem Sohn Gottes, schon gehört haben. Über eine Milliarde Menschen nennen sich nach ihm Christen.

Einer davon sind Sie! Sicher werden Sie von ihm erzählen und tun dies sogar auch professionell. Als getaufte Christen, für Sie nichts Neues, haben Sie Anteil an dem Besonderen, Anerkennenswerten und Zukunftsfähigen dessen, was er geleistet hat. Lässt Sie die Freude Christin oder Christ zu sein, auch stolz sein?

Hier geht es nicht um den egoistischen Stolz, den der Kirchenlehrer Augustinus brandmarkte als eine ungeordnete Sucht nach dem eigenen Herausragen. Der hier gemeinte Stolz erwächst aus einer Nähe, die jemand zu Christus empfindet, und die ihn stolz sein lässt aufgrund seines Bezogen-sein-dürfens auf ihn hin.

Sie wissen: Es gibt diesen Stolz, den man aus Demut ganz für sich behalten, ja eigentlich unterdrücken will, weil Stolz dem Christen nicht „steht“, den aber trotzdem all jene spüren, denen es dieser Jesus angetan hat. Kennen Sie das auch?

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 9/2018 „Wortgewand“ 
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Der Christ ein verlorener Muslim;

Als Christ und Christin muslimische Freunde zu haben ist ein Geschenk! Und wenn der Glaube für den muslimischen Freund bzw. die muslimische Freundin alltagsrelevant ist, dann bleibt eine Freundschaft mit Muslimen über ihren „Eigenwert“ hinaus auch für christliche Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht folgenlos.

Der „andere“ Glaube stellt sie nicht nur immer wieder neu vor die Herausforderung über ihn nachzudenken und so zu reflektieren was „Offenbarung Gottes“ bedeutet, sondern er schafft Emotionen mit Verletzungspotential.

Zum Freund geworden ist mir in meiner Tätigkeit als Hochschulpfarrer an einer mehr technisch ausgerichteten Hochschule ein muslimischer Student, nennen wir ihn Aschraf. In einem „Arbeitskreis“ der Hochschulgemeinde mit dem Titel „Unhöflicher Dialog“ trafen sich alle 14 Tage Studierende, Muslime und Christen zum Austausch auch über das, worüber man eher selten spricht, weil zu prekär. So z.B. über den insgeheimen Generalverdacht – bezogen auf den Islam -, dass jeder Muslim zum Bombenbau neigt, oder warum gibt nicht jede Muslima einem Mann die Hand, und warum duscht ein muslimischer Student nach dem Sport nicht nackt unter der Sammeldusche. 

Hinter diesen „vordergründigen“ Themen ging es dann oft in eine Tiefe, die die oberflächliche Bezeichnung des Treffens „unhöflich“ wandelte in eine Begegnung, in der alles ins Wort gebracht werden konnte und sollte.

Aus einer dieser Begegnungen stammt dieses Erinnerungsprotokoll:

„Eigentlich bist du als Muslim geboren“, sagt er. Sagt der Muslim.
Zu mir.
Ich bin Christ.

Ist schon heftig, eigentlich ein verlorener Muslim, sprich, ein Christ zu sein.
Lässt Wut aufkommen.
Wohin damit?

“Ein Muslim“, musste ich kontern, “kommt nicht in den Himmel, zumindest nicht in den, an dem ich anstehen darf.“
Lässt Wut aufkommen.
Wohin damit?

Das haben wir uns gesagt. So „unhöflich“ zu sein muteten wir uns zu.

Uns verbindet Freundschaft.
Die Verschiedenheit trennte uns nicht,
lässt uns aber auch nicht eins sein.

Wir diskutierten, erzählten, erklärten, ließen Gefühle zu, organisierten Verletzlichkeiten und verabredeten uns immer wieder neu.

Wir wollten das Schwierige nicht verschweigen.
Kann wehtun.
Verband und „ver – bindet“
unsere Verschiedenheit doch zur Freundschaft.
Deshalb hören wir nicht auf zu sprechen.

Es stimmt also:
„Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist.“ (Hölderlin/Hemmerle)

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 8/2018 „Wortgewand“ 
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Katholikentag

Anmerkungen zu einem „Premium-Produkt“ unter den kirchlichen Großveranstaltungen

1. Anfänge der christlichen Großveranstaltungen

Solange wir in die Geschichte der Menschheit zurückschauen können, trafen Menschen sich immer schon, um gemeinsam zu essen, und nahmen dies zum Anlass, miteinander zu kommunizieren. Menschen trafen sich ursprünglich auch nur zu rein verbalen Kommunikationsformaten, und stellten dann nach Stunden der Begegnung fest, dass sie für sich ja auch noch die Nahrungsaufnahme organisieren müssten. So ist es auch zur Zeit Jesu gewesen und oft bis heute geblieben.

Um das Miteinander-Essen bzw. etwas zu essen organisieren zu müssen geht es in so manchen neutestamentlich belegten Formaten jesuanischer Kommunikation. Da ist z.B. im Anschluss an die „Selbsteinladung“ Jesu in das Haus des Zachäus eine kleinere Essensgemeinschaft zu vermuten. Das Neue Testament überliefert: „Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben (Lk 19, 5).

Die wohl prominenteste und nachhaltigste Begegnung auf Einladung Jesu ist mit 12 „Tischreservierungen“ bei Mt 26,20 beschrieben: „Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch (…).“

Einen zahlenmäßigen Sprung im jesuanischen Begegnungsformat macht die Speisung der 5000: „Am Abend aber traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Die Gegend ist öde und die Nacht bricht herein

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Nicht ganz Feindesliebe

Feindesliebe! Haben Sie einen Feind, jemanden also, der Ihre Lebensqualität bewusst beeinträchtigen will? Feinde sind nicht Menschen die einem z. B. auf die „Füße getreten sind“, einfach nur nerven, oder üble Nachrede pflegen. Feinde sind Menschen, die bösartig das Dasein anderen Menschen bedrohen, die physisch oder psychisch verletzen wollen!

Haben sie solche Feinde?

Weitergehende Frage: Lieben Sie einen Menschen? Gemeint sind hier nicht Leute, die Sie nett finden, die Ihre Meinung teilen, oder mit denen Sie gut diskutieren können, sondern ein Mensch, für den Sie alles tun würden um sein Leben zu beschützen.

Haben Sie solche Geliebte?

Aber wie geht dann Feindesliebe, also den zu beschützen, der einem alles nehmen will. Wer klar hat was ein Feind ist und was Liebe ist, der muss ein Heiliger sein, um Feindesliebe leben zu können. Diese jesuanische Forderung ist eine Herausforderung, unmöglich alltäglich zu leben, so denke ich. Trotzdem sich einmal die Herausforderung konkret vorzustellen, wäre schon ein riesiger Schritt in Sachen „normaler“ Nächstenliebe. 

Nun zu einer anderen Baustelle: Ganz anderes als die Forderung der Feindesliebe, aber in der Überwindung zu ihr, ihr sehr nahe, ist auch unser Umgang mit Menschen, die einen selbst massiv anfeinden.

Kennen Sie Personen, die öffentlich ihre Kompetenzen bezweifeln, Ihre Autorität in Frage stellen oder Ihnen jedweden Durchblick absprechen?

Wenn ja, dann wäre hier nicht die Feindesliebe gefordert, sondern „nur“ die Nächstenliebe. Aber oft kommt es der „Unmöglichkeit“ der Feindesliebe fast gleich, solche Menschen und ihr Agitationen aktiv zu begegnen.

Egal ob in Gemeinden, Gemeinschaften oder Verbänden unterwegs, immer wieder bäumen sich Verweigerer auf, die an allem zweifeln, was einem selbst als richtig und wichtig erscheint. Und die haben dann auch keine Hemmungen ihr Verhalten als das einzig richtig öffentlich zu bekunden, so nach dem Motto: „Du kannst mir Garnichts“.

Irgendwie sind das aber keine Feinde, oder? Aber die zu lieben, zumindest zu akzeptieren, vielleicht sogar wertzuschätzen ist oft unendlich schwer. Aber gerade auch im beruflichen und besonders im pastoralen Begegnungen ist das kein zu akzeptierendes Verhalten.

Also was tun? „Einfach“ seine Pflicht! Im Dienst am Nächsten steht der Nächste, und mit ihm das Ganze, und so alle die Sorge trage in der Pflicht. Daraus folgt ein professionelles aufeinander zugehen auch in „unmöglichen“ Situationen, vielleicht so:

Selbstüberwindung, Anrede und dann: „Wir liegen quer, mögen uns auch nicht, aber der Dienst verbindet uns. Nur gemeinsam kann er gelingen. Was hindert uns vernünftig miteinander zu sprechen, wer kann uns helfen?“ Oder wie würden sie Anlauf nehmen?

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 7/2018 „Wortgewand“ 
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Der unsichtbare Türsteher

Türsteher sind schon in der Antike bekannt. Ihre Aufgabe: Schützend den Eingangsbereich eines Hauses im Blick zu behalten.

Die frühen christlichen Gemeinden kannten auch Türsteher, die ihrerseits die Aufgabe hatten, die Katechumenen, also diejenigen, die sich um eine Gemeindezugehörigkeit bewarben und sich in der Vorbereitung auf die Taufe befanden, nach dem Wortgottesdienst vor Beginn der Eucharistiefeier zurück in den Eingangsbereich des Hauses zu führen, da sie die Vollmitgliedschaft in der Gemeinde ja noch nicht innehatten, sondern erst anstrebten.

Der Stil dieser Türsteher zeichnete sich aus durch Wertschätzung der Interessenten an Gottesdienst und Gemeinschaft der frühen Gemeinden.

Türsteher gibt es auch heute z.B. an den Eingängen zu Diskotheken oder Warenhäusern. Ihre Aufgabe: Ungebetene oder unpassende Personen vom Betreten der Orte des gehobenen Konsums abzuhalten.

Es gibt aber auch noch ganz andere „Türsteher“, die unsichtbaren. Diese verhindern nicht den Einlass von ungebetenen Menschen, sondern den Einlass von gefürchteten Gedanken in denkende Köpfe.

Diese „Türsteher“ werden oft positioniert vor politischen Systemen, gesellschaftlichen und auch kirchlichen Strukturen, in sich geschlossenen Gruppen, aber auch vor Familien, in Wohnzimmern oder in Partnerschaften aller Art.

Unsichtbare „Türsteher“ regeln unterschiedlich und verschieden stark durch Verbote, Repressalien, Ausgrenzung, Verschweigen, Beleidigt sein, Marginalisierung oder ähnliche Machtinstrumente, ob bestimmte Ideen, Informationen, Annahmen, Erkenntnisse oder Bekenntnisse einen öffentlichen „Denkraum“ erreichen dürfen oder nicht.

Der Nährboden dieser unsichtbaren „Türsteher“ sind Furcht vor Kontrollverlust, aber auch Kleingeistigkeit, Machterhalt und Vorteilsnahme.

Und sie werden Tag für Tag von fast „unsichtbarer Hand“ an die Schwellen der Lebensräume anderer Menschen gestellt.

Aber diese „Türsteher“ instruieren nicht nur die „Anderen“, von denen wir (die sogenannten Kleinen) oft sagen, sie seien die Mächtigen. Nicht immer so, sie gibt es auch noch in „Taschenformat“.

Wenn vorhanden, versucht das „Taschenformat“ im Alltag „von dir und mir“ zu bestimmen, was ausgesprochen werden darf oder nicht. Seine Instrumente sind verbales dem Anderen über den Mund zu fahren, mal eben dem Gegenüber die Kompetenz abzusprechen, die Macht der längeren Erfahrung zum Todschlagargument zu schmieden, den Informationsvorsprung zur Falle werden zu lassen, oder ganz einfach das Gegenüber irgendwie bloßzustellen.

Auch bei den „kleinen“ Kommunikationsformen „unter uns“ dürfen die Türsteher in Taschenformat nicht unterschätzt werden. Sie verhindern Klarheit, Offenheit und Ehrlichkeit. Oft aber haben wir sie selber in der Hand!

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 6/2018 „Wortgewand“ 
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Gut schräg drauf

Diese Begegnung hatte sie sehr fasziniert, und das spürten jene, die ihr zuhörten. „Es ist schon etwas her“, begann sie, „als ich in der Münchner Innenstadt unterwegs war. Ich stieg die Stufen neben der Rolltreppe hoch, und während ich – etwas außer Atem – das Ende der Treppe erreichte, spürte ich eine Person nah hinter mir. Gerade die U-Bahnstation verlassen, überholte mich diese Person, blieb stehen, lächelte mich an und sagte: „Wir beide sind schon schräg drauf.“

 

Weiter erzählte sie: „Ich musterte diese Frau“, ihr dunkles Haar mit rosa Strähnen, ihre Piercings in Nase, Mund und überall im Gesicht, die mit schwarzer Schminke überbetonten Augen und der dunklen Kleidung aus Stoff, Leder und Latex.“

 

„Diese Frau in ausgeflipptem Outfit behauptete doch tatsächlich, dass ich schräg drauf sei. Ich – und schräg drauf, mit meinem benediktinischen Habit, Skapulier und dem weißen Schleier. Plötzlich war sie weg.“ Und die Ordensfrau schloss ihren Bericht: „Ich werde den Gedanken nicht los, schräg drauf zu sein!“

 

Die Auffälligkeit dieser beiden Frauen bezog sich auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Die eine Frau, nennen wir sie eine „Punkerin“, bezeichnet sich und die Nonne aufgrund ihrer Kleidung als „schräg drauf“. Hier meint „schräg drauf“ nicht „durchschnittlich“ gekleidet zu sein. In der Tat ist es schon eine Leistung bei der Vielfalt der heue üblichen Moden mit irgendeiner Kleidung noch aufzufallen. Religiöse Kleidung in der Öffentlichkeit getragen wie der Habit eines Ordensangehörigen, die Soutane eines Priesters oder die Kopfbedeckung orthodoxer Juden fällt schon noch auf. Unklar allerdings für viele „Fernstehende“ ist die Botschaft religiöser Kleidung.

 

Dabei ist eigentlich dieses äußere kleidungsbezogene „Schräg-drauf“ zu sein der Ausweis eines inneren “Schräg-drauf seins“. Wer z.B. heute nach einer Ordensregel lebt, ist – von der „normalen“ Gesellschaft aus betrachtet – „schräg drauf“; da gibt es kein Vertun.

 

Aber würden Sie auch sagen: Christen als solche und jene, die als hauptamtlich oder ehrenamtlich unterwegs sind, im Besonderen seien schräg drauf? Also, schräg drauf von innen nach außen, passt das auch zu Ihnen? Das würde ja bedeuten, erkannt zu werden an dem, was bei Ihnen im Vergleich mit Mehrheiten nicht gerade, passförmig, auf Linie getrimmt oder konform ist.

 

Schräg drauf sein hätte auch mit anecken zu tun, bis hinein ein „Fallholz zu sein“, ein Skandalon. Sie – und schräg drauf? Ich glaube, die Ordensfrau empfand es als ein Kompliment – natürlich ohne Eitelkeit – schräg drauf zu sein. Ich glaube auch, dass es unsere Stärke ist, als Christen schräg drauf zu sein.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 5/2018 „Wortgewand“ 
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