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Von der Forderung zur Liebe

„Liebe kann heilen!“ Wer will schon ernsthaft – christlich motiviert – an dieser Aussage zweifeln. Doch was bedeutet hier Liebe? Die Liebe zum Mitmenschen, zur Natur, zum Umweltschutz, zur Gerechtigkeit, oder die Liebe zu Ihrem geliebten Menschen?

Die Verkündigung Jesu handelt immer wieder von der Liebe, der Nächstenliebe, das wichtigste der über 600 Gebote in der Tora (den fünf Büchern Mose). Jesus spitzt diese Gebot noch zu: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22, 39).

Doch, Hand aufs Herz, dem Organ der Liebe. Nervt es nicht manchmal, dass die christliche Botschaft immer wieder mit der Forderung nach Liebe um die Ecke kommt? Allein im Neuen Testament ist das Wort Liebe 237-mal zu finden. Die biblische Forderung der Nächstenliebe, bezogen auf die Erwähnung des Begriffes, wird fast inflationär bemüht. Allerdings ist es nicht zu unterschätzen, dass eine immer wieder beschworen Forderung auch als lästig ignoriert werden kann. Wo sie andererseits ernsthaft gehört wird, kann das Gebot schnell eine Überforderung bedeuten.

Bleibt festzuhalten: Liebe kann heilen, aber die Forderung zur Nächstenliebe kann auch ein Ballast sein.

Nicht nur durch die Natur des Menschen gegeben, sondern auch seiner Kultur entsprechend, wollen die meisten Menschen Liebe spüren. Denn Liebe gibt Kraft, so die Erfahrung vieler Menschen. 

Zwischenfrage an Sie wertgeschätzte Leserrinnen und Leser:  Würden Sie widersprechen und sagen, dass Sie nicht geliebt werden wollen, vielleicht von jemandem ganz Bestimmten, vielleicht auch in vergangenen, früheren Zeiten?

Auch wenn die Forderung zur Nächstenliebe zum Ballast werden kann, so gibt es doch keine stärkere Motivation als diese, aus Liebe zu handeln. Liebe ist kein Selbstzweck, der sich selbst genügt. Es ist also nicht entscheidend, wie Liebe definiert wird; eine Erklärung der Liebe also, bevor sie handelt. Entscheidend ist was Liebe auf Menschen, konkret auf den Nächsten bezogen bewirkt. Wenn die bewirkende Liebe ein Schlüsselbegriff in der Verkündigung Jesu ist und wir uns nach ihm als Christinnen und Christen nennen, dann müssen wir uns schon an dem, uns vielleicht auch belastenden, Gebot der Nächstenliebe messen lassen. Jesu Leben hat überzeugt durch seine konsequenten Handlungen, die in seiner Menschenliebe gründeten. Vielleicht lassen die folgenden Worten Herzlichkeiten zum Klingen bringen, aus denen Konsequenzen erwachsen:

„Mein Ja zu mir selbst lässt mich Ja sagen zu dir: Du bist da, das ist gut. Ich darf dich wahrnehmen, du berührst mich, ich will mich nicht wehren, wenn du mir unter die Haut gehst. Lass dich bei mir sein, ich werde dich an meiner Seite hüten. Ich möchte entdecken, was dir nötig ist, bevor du fragst, und dann frage, so auch ich fragen mag mit Herz.

 

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Hören lernt sprechen

Zuhören ist die Methode, mit der ein Kleinkind, unabhängig in welcher Kultur beheimatet, lernt, verständlich zu sprechen. Der Spracherwerb der Mutter- und Vatersprache basiert auf der Verarbeitung des Gehörten. Einen Reifegrad erreicht Sprache, wenn sie die Identität, Bedürfnisse, Meinungen und Gefühle eines Menschen für andere verstehbar und authentisch zum Ausdruck bringt. Heranwachsenden aber kommt diese Methode des Lernens aus Kleinkindertagen zunehmend abhanden. Ehrlichen Worten anderer werden immer weniger „Ohren geliehen“.

Besonders Menschen, so scheint mir, die familiäre, finanzielle oder strukturelle Macht in Händen halten, haben diese Methode des Lernens ganz hinter sich gelassen. Sie hören die Worte ihres Gegenübers, wenn überhaupt, nur deswegen, um so schnell wie möglich diesem, mit eigenen angespitzten Worten, ins Wort zu fallen. Das ist in Disputationen oft der Fall, die von Konflikten, Wahrnehmungsdifferenzen oder divergierender Traditions- und Geschichtseinordnungen ausgehen. Der „Lernerfolg“, durch Zuhören überhaupt (besser) verstehen zu wollen, also dem Gehörten entsprechend sprachfähig zu werden, hat gelitten.

Klar, nicht alles, was in Worte gekleidet daherkommt, ist bedenkenswert. Der Respekt gegenüber dem Wortbetreibenden fordert jedoch nichts überhören zu wollen, um auch das geringste Bedenkenswerte herauszuhören. So war das auch, genau hingehört, mit Jesus Rede vom Unkraut und Weizen. (Mt 13,24–30)

In Systemen wie die Kirchen, in von Ideologie geprägten Strukturen oder akademischen Konstellationen neigt man dazu, die ihnen immanent als wertvoll erscheinenden Worte von den mutmaßlich unnützen Worten, dem Wortmüll zu trennen. Wissenschaftlich klingende, von Autorität umgebene oder immer schon als „wahr“ tradierte Worte werden entsprechend gewogen wie Geschmeide, daneben einfach verstehbare Worte nur als Modeschmuck abgewogen. Über die bekannte Gefahr, im gleichen Sprachraum Sprachen nicht hintergründig verstehen zu können, so aneinander vorbeizureden und folgend ein Dialog nicht gelingen kann, sollte im Vorhinein von den Beteiligten gesprochen werden. Aber jede in der Vergangenheit geführte Disputation produzierte, neben weiterführenden und erleuchtenden Worten, auch solche, die in ihrer Zeit als Wortabfall betrachtet wurden.

Dieser auf Wortmüllhalden verbrachte Wortabfall könnte heute, gleich dem Hausmüll, der in den 1950er und 1960er in der BRD auf Müllhalden gelagert wurde wie dem Hülser Berg (einer geschlossenen Müllkippe) bei Krefeld, „seltene Erden“ bergen.

Mit dieser neu gewonnenen Erkenntnis gilt es dem Wort andere Horizonte des aufeinander Hörens zu erschließen, um so eine zukünftig neue Qualität des miteinander Sprechens zu beflügeln.

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Im Namen dein

Ungewohnt war die Anzeige der Geburt eines Kindes, das tot zur Welt kam. In der „Geburtsanzeige“ schrieben die Eltern unter das Foto von der Totgeburt ihres Kindes: „Wir gaben ihr den Namen Miriam“.

Einige Monate wuchs Miriam geschützt in der Fruchtblase im Mutterleib heran, in Dunkelheit und nicht unberührt von mütterlichen Regungen, wie jedes andere sich entfaltende menschliche Leben auch. Miriam sah nicht das Licht der Welt, trotzdem bleibt ihr kurzes Leben einmalig! Unverwechselbar ist den Eltern in Erinnerung ihr Kind: Das Leben, das den Namen Miriam trägt.

Bei der Geburt, zur christlichen Taufe oder in anderen religiösen Initiationen werden Babys Namen gegeben. So dienen Vornamen in Familien mit mehreren Kindern der gezielten Ansprache, von außen dient der Familienname der (gesellschaftlichen) Orientierung.

Die ältesten Namen als Personenbezeichnungen sind nicht Adam und Eva, die biblisch verstanden ein „Da – Sein“ bezeichnen. Laut des israelischen Historikers Yuval Harari befindet sich der erste Name der Menschheitsgeschichte möglicherweise auf einer 5.100 Jahre alten sumerischen Tontafel. Darauf ist in Keilschrift eingeritzt der Name „Kushim“, eines Buchhalters, der eine sehr große Malzbestellung zum Bierbrauen notierte. Nun verbinde ich mit dem Namen „Kushim“ die Tradition des Bierbrauens. Sehr sympathisch!

Auch wenn die Namensträger nicht persönlich bekannt sind, so verbinden wir mit ihnen oft uns zugetragene Informationen. Jetzt neu mit „Kushim“ das Bierbrauen, oder z. B. mit Namen aus der griechischen und römischen Götterwelt die Aphrodite, als Göttin der Liebe und der Schönheit, oder den Asklepios, als Gott der Heilkunst. Anderes lässt da der christliche Gott wissen, der Gott „unserer“ Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. „Gott“ gibt sich, wie das Buch Exodus im Alten Testament berichtet, den Namen „ich bin der, der ich bin da“!

Der „Name“ Gottes ist eine existentielle Selbstaussage. Ihm gegenüber ist der Name des Menschen begrenzt auf seine Identität.

Namen werden oft verbunden mit Wertschätzung und Achtung. Sie bergen Geschichten, verdichten Biografie und können auch negative Erfahrungen wecken. Wer keinen Namen hat, von dem kann nicht erzählt werden und nur in geringer Distanz ist es möglich auf ihn mit dem Finger zu zeigen.

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Von Süßigkeiten, Gelassenheit und Urlaub

Nostalgie hat aktuell den Verkauf von losen Süßigkeiten attraktiv gemacht. Jenseits einiger Kioske werden in kleinen, oft verspielt eingerichteten Lädchen die Leckereien Stück für Stück zum Verkauf angeboten.

Das weckt bei Älteren Kindheitserinnerungen und bei Jüngeren Interesse. Betreten wir in Gedanken solch ein Lädchen, um dann auf einige Glasbehälter zu zeigen und auszusuchen: Acht von den roten Zuckerherzen hätte ich gerne, drei Lakritz Schnecken, zwei Schleckmuscheln, fünf Speckfrösche und…! Was gehört denn so in Ihre Tüte der Leckereien? Hielt ich als Kind meine Tüte dann in Händen, verschwand ich auch schon in ihr, und „verduftet“ genoss ich die kleinen Geschmacksexplosionen zwischen Gaumen und Zunge. Für Augenblicke meinte ich dann Flügel zu haben, schmolz dahin und spürte eine Gelassenheit fast so wie eine Portion Urlaub. Doch mit dem letzten kaum gelutschten Bonbon meldete sich der klebrige Alltag zurück.

Als Kind fand ich so immer mal (für kleines Geld) kurze Augenblicke der Gelassenheit. Älter geworden boten besonders die Schul- und Semesterferien Gelegenheit längere Momente der Gelassenheit zu spüren. Berufstätig erlebe ich gelassene Zeiten auch an (nicht kirchlichen) Feiertagen und in der Urlaubszeit. Vielen Menschen verbinden mit Urlaub wegfliegen, Strandkorb, faulenzen, wandern, gut speisen, Wellnesshotel oder alternativ z.B. das Wohnmobil, Hauptsache wo anders „die Seele baumeln lassen“.

Die sprachliche Wurzel des Wortes Urlaub, die im althochdeutschen Wort „urloub“ liegt und seit dem 8. Jahrhundert belegt ist, bedeutete Erlaubnis. Damit war die Genehmigung gemeint, sich entfernen, sich verabschieden zu dürfen. Die Heldenepen des Mittelalters berichten von dem edlen Ritter, der ergebenst um „Urlaub“ bittet, wenn er für eine kurze Zeit seinen Herrn oder eine höfische Dame „verlassen“ wollte. Heute wird der Urlaub gewährt durch in Systemen Höherstehende, durch Gesetz- und Arbeitgeber bzw. Arbeitsverträge, die dem Arbeitnehmer Urlaub garantieren. Im Rahmen einer Städtereise erinnerte mich im sonntäglichen Gottesdienst – ein Urlaub der ganz anderen Art – ein Lied an die Tüte mit Süßigkeiten aus Kindertagen, die mir damals Flügel verlieh.

„Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn.

Und werf‘ all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz in Meeres Tiefe hin.“ (GL 403, 3)

Dieser Text vermittelt eine Leichtigkeit, die dem Herzen Flügel wachsen lässt.

Mit diesen Zeilen im Hinterkopf finde ich in meinem Alltag für Augenblicke Entspannung und mit ihr das Geschenk der Gelassenheit.

Das sind Gefühlsmomente, die sich nicht orientieren an (gesetzlich) geregeltem Urlaub. Diese Liedstrophe bringt „Urlaub von Herzen“ zum Klingen.

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Lügen säen und weggehen

Über die ersten Worte des Evangeliums bin ich schon gestolpert: „Kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg.“ Aber nicht wirklich über den namenlosen Feind, auch nicht über das Unkraut, wirklich gestolpert bin ich über die banalen Worte „und ging weg“. Hätte da auch stehen können: „Und blieb stehen, um zu sehen“ oder „kam später neugierig zurück“? Nein, das wäre zu harmlos. Deutlich steht da „und ging weg“. Denn mit diesen drei Worten wird die leise Brutalität des Erstickungsangriffes auf die gute Saat deutlich und somit der gewollte Verlust von Ernteerträgen. Das gesäte Unkraut hat zum Ziel das Werden der guten Saat zu ersticken. Der Feind braucht das Unkraut also nur zu säen, einfach in die Erde einzubringen und sein Plan würde präzise wie ein Uhrwerk aufgehen. Das Einzige, was den Plan hätte vereiteln können wäre eine Dürre. Dann aber wäre beides, Unkraut wie die gute Saat, verloren und der Feind hätte trotzdem sein Ziel erreicht. Zu gefährlich wäre, wenn beides wächst und sichtbar würde, das da Unkraut mit im Spiel ist, es gleich auszureißen. Deshalb mahnt der Gutsherr zu warten, bis die Frucht in der guten Saat sich ausgebildet hat, da dann erst wirklich unterschieden werden kann. Das Brauchbare und das Unbrauchbare existieren notwendig bis zu einem gewissen Punkt nebeneinander.

Mir kommt hier die folgende Parallele in den Sinn: Die zunehmende Art wie Menschen aktuell mit neuen Informationen umgehen, besonders in den „sozialen“ Medien. Ich meine das Wort der guten Saat und das „Unkrautwort“, das in der Lage ist, das gute Wort zu ersticken.

In mancher Kommunikation, ob öffentlich oder auch im kleinen Kreis, kann man sich oft nicht sicher sein was die ehrliche Wortsaat ist und was das ehrliche Wort erstickende Unkrautwort. Da tauchen Formulierungen auf wie Zuwanderung müsse geregelt werden, oder auf Sozialhilfe darf man sich nicht ausruhen können, oder kein Inflationsausgleich für Besserverdienende, oder eine nationale Identität stärkt den sozialen Frieden, oder wir können nicht jeden Flüchtling aufnehmen. Wächst da Unkraut neben der guten Saat? Und wenn ja, wer hat es warum gesät? Wer ist der Feind, wer der Gute? Ist da heute wirklich genug Zeit bis zur „Ernte“ zu warten, um mit dem schlechten Saatwort nicht das gute Saatwort auszureißen?

Nicht nur, aber besonders in den sozialen Medien werden verheerende Unkrautworte auf den Acker der Meinungsbildung gesät, die Unkraut in den Köpfen vieler Menschen in der Gestalt von Hass, Verleumdung, Diffamierung und Ausgrenzung gedeihen lassen. Der Feind aber, der das Unkraut sät, taucht klarnamenlos unter, geht einfach weg, und kann sich sicher sein, Fake News, Lügen wirken wie Unkraut und breiten sich aus.

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Schmerzliche Gedanken

Eine in allen Disziplinen der Wissenschaft, die sich mit dem Thema Schmerz befassen, gleichermaßen anerkannte Definition des Begriffes Schmerz finden zu wollen ist aussichtslost, oft gibt es nur Annäherungen in Ursache und Vergleichbarkeit. Schmerz ist oft unklar. Einzelne Personen oder Gruppierungen von Personen, denen in der Gesellschaft (systematisch) Schmerz zugefügt wurde, fordern von den Verursachern eine finanzielle „Gegenleistung“ für den erlittenen Schmerz, die oft bezeichnet wird als Wiedergutmachung, Abfindung oder Schmerzensgeld. Streitbar ist meist die Höhe solcher „Zuwendungen“.

In manchen Kulturen ist die „Antwort“ auf durch Menschen zugefügten Schmerz Rache und Vergeltung, die oft ihre Begründung findet in einer falsch interpretierten Aussage des Alten Testamentes „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Exodus 21,23). Mit dieser Regel ist im eigentlichen Sinne verbrieft das ein zugefügter Schaden durch gesellschaftlich anerkannte Verfahren reguliert wird (Talionsrecht) und damit die Selbstjustiz einer geschädigten Person oder Partei gerade verhindert werden soll.

Frauen und Männer haben in verschiedenen christlichen Epochen, auch durch kirchliche Gruppierungen angeregt, sich danach gesehnt Anteil an den Schmerzen Jesu auf seinem Weg ans Kreuz zu erlangen, indem sie sich selbst durch Peitschenschläge oder Bußgürtel Schmerzen zugefügt haben. Solche Bußrituale werden auch heute noch vereinzelt praktiziert. Doch die Versuche, den Schmerz eines anderen Menschen nachzuempfinden oder sogar teilen zu wollen sind fragwürdig, wohnt ihnen ungewollt doch ein gewisser Hohn inne.

Wie kann ein Außenstehender einen realen Schmerz, den ein anderer Menschen z.B. kriegs- krankheits- oder verlustbeding erlebt, „gleich“ empfinden in einem Nachempfinden, also einem dem Schmerz „hinterher“ empfinden? Wie ist ein real erlebter Schmerz teilbar: „Du die Hälfte ich die Hälfte.“

Als Anteilnahme öffentlich zu formulieren „den Schmerz eines anderen Menschen zu teilen“ ist gut gemeint aber nicht unbedingt schmerzlindernd. Auch wenn der Schmerz eines Menschen sein Gegenüber manchmal unsicher sein lässt so verhält er sich emphatisch, im Sinne von erkennen und verstehen, dem Schmerz eines Menschen in würdigender Distanz zu begegnen und ihn nicht, wie auch immer, sich selbst einverleiben zu wollen.

In einer würdigenden Distanz lassen sich solche und ähnliche Worte finden: „Es schmerzt mich das ich dir deinen Schmerz nicht nehmen kann.“

Vielleicht findet eine solche Distanz in den Worten der Pfingstsequenz „Veni Sancte Spiritus“ auf den Anteilnehmenden übertrage ja auch noch weitergehende Anteilnahme: „In der Glut hauch Kühlung zu, Tröste den, der trostlos weint.“

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Haben wir (nicht) alles versucht

Das klingt richtig wichtig: „Hört, ich habe etwas zu verkünden!“.

Wer seine Kunde so selbstbewusst ankündigt, umgibt sich fast wie von selbst mit einem kleinen höfischen Zeremoniell, vielleicht nicht gerade mit Fanfaren aber doch mit einem kleinen Trommelwirbel. Wenn man etwas zu verkünden hat, warum eigentlich nicht?

Förderlich für ein erstes Hinhören auf die zu verkündende Botschaft ist, wenn die Botschafterin bzw. der Botschafter eine gewisse „Attraktivität“ besitzt oder sie in der Besonderheit des Auftretens die Hörbereitschaft spontan auf sich längt. Immer aber muss die Botschafterin bzw. der Botschafter glaubwürdig sein und wirken, sie müssen die Hörerschaft spüren lassen selbst hinter der Botschaft zu stehen. Zu verkündigende Botschaften kommen oft in unterschiedlichen Gewandungen daher, zum Beispiel als mediale Werbung, als Regierungserklärung, vom Familienoberhaupt als beschlossene Sache, in Diktaturen als Drohung, in Kirchen als Wort Gottes oder in Kinderzimmern als Orientierung. Jede Kunde allerdings verhallt über kurz oder lang in den Gehörgängen eines Menschen, wenn sie nicht aufhorchen lässt, da in ihr verändernde und oder damit verbunden auch bereichernde Kräfte innewohnen die Menschen bewegen. Der Verkündigung muss das Potential inne wohnen auf Grund dessen der Empfänger sich selbst als Betroffener, besser als Getroffener „erwischt“. So kann Kunde beruhigen, Sicherheit vermitteln, Situationen deuten oder Orientierung geben. Kunde kann aber auch aufrütteln, verunsichern, Hoffnungen wecken und auch so Menschen zur Bewegung motivieren.

Institutionen, besonders solche mit einer langen Geschichte und entsprechender Traditionen müssen sich immer wieder bezogen auf die effiziente Umsetzung ihrer Botschaft (Qualität der Produkte) hinterfragen. Das gilt auch für den ältesten Global Player, die (katholische) Kirche und ihre Botschaft. Trotzdem sei die Frage erlaubt warum immer wieder neu gefragt wird wie der Glauben anders zu verkünden sei. Die Kirche hat in ihrer Geschichte doch schon so viel ausprobiert z.B. angefangen bei der „Flüsterpost“ der ersten Christen, über das Diktat der Konstantinischen Wende, die mutigen Glaubenszeugen der ersten christlichen Jahrhunderte, Zwangstaufen der Sachsen, Reformation, II. Vatikanum, Würzburger Synode bis hin zu den „synodalen“ Wegen in der Gegenwart der katholischen Kirche.

Was soll da noch Neues entdeckt werden, Kirche hat doch schon alles versucht.

Aber: Vielleicht nicht als ganze Kirche, wohl für Einzelne auch in kleiner Gemeinschaft in der Kirche gäbe es eine Möglichkeit „Neues“ zu entdecken und deshalb diese Empfehlung: Lassen Sie diesen Text noch etwas auf sich wirken.

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Wie leer ist Leer

Es ist Ansichtssache, ob ein Glas halb voll ist oder halb leer. Streiten lässt sich über die Frage, was in einem leeren Blick nicht mehr vorhanden ist. Auch ist die Frage bedenkenswert, was ein leerer Raum beinhaltet. Selbst der Beginn des Schöpfungsberichtet (1.Mose 1,2) „und die Erde war wüst und leer“ lässt Spekulationen zu was der Begriff leer in diesem Zusammenhang bedeuten könnte. Das mit der leeren Keksdose hatte mich als Kind tatsächlich überzeugt. Wenn ich meine Oma, was selten vorkam, nach Plätzchen fragte und sie manchmal nicht nur sagen musste die Keksdose sei leer, sondern die leere Dose auch vorzeigte, versiegte jedes Argument Plätzchen aus dieser Dose haben zu wollen in ihrer Leere. Gutheißen konnte ich das nicht aber verstanden habe ich schon damals, dass in einer leeren Dose keine Plätzchen sein konnten! Jedoch nicht nur in dieser Situation habe ich es als Verlust empfunden dass etwas leer ist, und mich gefragt was leer wirklich bedeutet, beziehungsweise wie Geleertes wieder aufgefüllt werden könnte. Was die Keksdose betraf, lag die Antwort erfahrungsbezogen auf der Hand. Oma musste wieder zum Werksverkauf (Outlett) von Bahlsen (Hannover) gehen und Nachschub zum Auffüllen besorgen. Doch die Kindheitserinnerungen an leere Keksdosen beziehungsweise an all das, was sich nachfüllen lässt decken nicht ab was der Begriff leer noch hergeben kann.

Die Herkunft des Wortes leer ist nicht eindeutig zu klären. Nahe liegt die Deutung, dass dieser Begriff seine Herkunft in dem Adjektiv „lesen“ im landwirtschaftlichen Sinn verstanden hat, „etwas ist zu lesen“ so ein abgeerntetes Kornfeld, das zur Nachlese freigegeben ist (Vgl.: Kluge, 23. Auflage). Obwohl also die Ernte eingefahren ist, gibt es auf dem abgeernteten, dem „leeren“ Feld doch noch etwas nachzulesen, einzelne Ähren und Körner einzusammeln, bevor das Feld dann wirklich leer ist.

Der wohl bekannteste „leere“ Ort, in dem eine gewisse Fülle erwartet wurde, ist in der biblischen Überlieferung das Grab Jesu. Für die ersten Frauen und Männer, die sich der Leere des Grabes ausgesetzt wussten, war mit dieser Erfahrung von Leere scheitern verbunden. Diese Leere wurde empfunden als enttäuschte Hoffnung, eine Hoffnung, die in der Leere des Grabes verschütt ging.

Leere aber erschließt sich nicht unbedingt im nicht mehr vorhanden sein dessen, was „davor“ als nicht leer angesehen, erlebt oder definiert wurde.

Leere kann mehr beinhalten oder auf mehr hinweisen, wenn wir uns nicht fixieren lassen auf das zu erwartende.

Wer sich nicht steuern lässt von dem, was es zu erwarten bzw. anzunehmen gilt dem kann so die Möglichkeit eröffnet werden zu sehen, was nicht Nichts ist.

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Helfen in Maßen ohne Eile

„Not lehrt beten“ – eine stille Erfahrung, die zur Redensart wurde. Gerade mit den Erfahrungen von Krieg in Europa, von Flutkatastrophen, Erdbeben, Feuersbrünsten und Inflation wird die Not von Menschen öffentlich zur Geburtshelferin eines ähnlichen Satzes „Not lehrt helfen.“

Die Not wird zu einer Lehrerin. Doch was ist diese uns belehrende Not? Die jüngsten katastrophalen Überschwemmungen z. B. in Italien, aber auch im Ahrtal und in der Eifel haben Menschen in diesen Regionen in Not versetzt, doch nicht bei allen Betroffenen war die Not die gleiche. Ohne Not schmälern zu wollen, so ist sie doch differenziert wahrzunehmen.

Gerade die für alle offensichtliche Not, wie der Verlust eines Menschen oder eines Wohnhauses durch eine Flutwelle, bitte, mit nichts möchte ich diese Not schmälern, birgt auch die Gefahr „kleinere“ oder unscheinbarere Nöte zu übersehen oder zu relativieren, die für Betroffene aber auch Katastrophen sind.

Die unterschiedliche Wahrnehmung von Not und ihr subjektives Erleben erfordert auf genau auf jede Notsituation zu schauen, unabhängig ob sie viele oder nur einen Menschen betrifft.

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Veränderte Distanz verändern

Kindheitserinnerung, die mir fast heute scheint wie ein Märchen zu beginnen: Damals bin ich sonntags von zu Hause losgegangen, zügig um an diesen mir so vertrauten Ort zeitig zu gelangen.

So rechtzeitig angekommen und endlich Platz genommen begann unser „Wir“.

Schon mit dem Beginn des Gottesdienstes besingen wir oft dieses „Wir“: „Wir wollen alle fröhlich sein…“.

Der Stammteil im Gotteslob führt über 10 Lieder auf, die mit dem „Wir“ beginnen, von „Wir danken dir Herr Jesus Christ…“ über „Wir glauben an den einen Gott…“ bis hin zu „Wir sind nur Gast auf Erden…“.

Viele Elemente des Gottesdienstes wollen dieses „Wir“ atmen lassen: Wir singen, wir beten, wir feiern, wir erinnern, wir vergegenwärtigen, wir loben, wir werden still, wir kommunizieren und absehbar gehen wir in Frieden wieder nach Hause.

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