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Schlaf

Faxbox-Predigt zum 25.06.2000

Die heutige Predigt greift zu Beginn ein Thema auf, mit dem ein Prediger/ eine Predigerin in der Regel nicht während seiner Predigt konfrontiert sein möchte, nämlich das Thema „Schlaf“.

Schlafen muß jeder Mensch, fehlender Schlaf schwächt, zu viel Schlaf macht (angeblich) müde. Im Straßenverkehr zu schlafen kann tödlich sein. Die Zeit zu verschlafen hat zur Folge „out“ zu sein. Wer zu wenig schläft kann nicht schön werden und ganz allgemein gilt, wer schläft sündigt nicht! Und wenn sie jetzt zu schlafen beginnen, könnten sie etwas verpassen.

Das Thema Schlaf hat in vielerlei Weise Eingang gefunden in unsere Umgangssprache und berichtet so, nicht immer ganz nachvollziehbar, von Alltagserfahrungen. „Er schläft den Schlaf des Gerechten“! Hier wird der sanfte Schlaf in Verbindung gebracht mit einem Menschen, der in seinem Handeln als guter und gerechter Mensch anerkannt ist. „Ihm ist das wie im Schlaf zugeflogen“! Diese Formulierung greift, eher etwas neidisch, den Verdienst materieller Art auf, den ein Mensch ohne größeres dazutun wie von selbst erworben hat. Während das Wort Schlaf in Verbindung mit einem Fluch eher quälende Schlaflosigkeit einem anderen wünscht, auf Grund eines nicht geahndetem schuldhaften Fehlverhaltens seinerseits. „Möge deine Tat dich im Schlaf verfolgen!“

Ganz allgemein und eher indirekt wird der Schlaf eines Menschen angesprochen in den geflügelten Wort: „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen!“ Den Charakter eines Vorwurfes, bezogen auf eine ungeklärte zwischenmenschliche Beziehung hat diese Redensart:“ Du hast mich um meinen Schlaf gebracht!“ Soviel zum Thema Schlaf im allgemeinen Verständnis unserer Umgangssprache.

Ebenfalls vom Schlaf und hier ganz konkret spricht das heutige Evangelium. Am Beginn eines neuen Sinnabschnittes des Evangelium nach Markus wird von einem aufkommenden Sturm berichtet: „Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das Boot, so daß es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten Ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, daß wir zugrunde gehen?“

Was verbirgt sich hinter diesem Vorwurf. Sicherlich nicht der Protest der Jünger, Jesus würde zum falschen Augenblick einen Schönheitsschlafe absolvieren. Vielleicht aber klingt in dem Aufschrei der Jünger der Ärger über ihren Meister mit, der sich selbst noch in kritischen Situationen den Schlaf des Gerechten gönnt, oder sogar die Gelassenheit dessen, dem im Schlaf letztlich doch alles zur positiven Wende zufällt und so von sich behaupten kann: ein gutes Gewissen ist halt ein sanftes Ruhekissen . Hat dieser Jesus nicht so manchen auch um seinen wohl verdienten Schlaf gebracht, weil sie sich mit einem Mann auseinander setzen müssen der von sich behauptet in besonderer Weise göttlichen Ursprungs zu sein, was dann auch eher oberflächlich und unreflektiert in den Vorwurf münden kann: „Möge das, was der uns allen zugemutet hast, auch dich ihm im Schlaf verfolgen“.

Das was die Junger Jesu aber in diesem Augenblick wahrnehmen sieht nach einem ünbekümmerten Schlaf zur ungünstigsten Zeit aus. Somit aber ist für uns als Betrachter in dieser Situation nachvollziehbar, daß die Jünger ganz aus dem Häuschen sind vor Angst und mit Recht fordern: Schlaf nicht Jesus, welchen Schlaf auch immer, und sei wach für uns, aufstehen ist angesagt, rette uns.

Nun ein Zeitsprung! Knapp 2000 Jahre später, anderer Ort, vergleichbare Situation! Wer rettet uns? Ein Bitte, sehnsüchtiges Flehen, verzweifelter Aufschrei verweht ungehört in der gleißenden Hitze am Horn von Afrika!

Sehr still und nachdenklich müssen wir die in der Presse sehr wenig beachtete Tatsache zur Kenntnis nehmen, daß in dem Grenzkrieg zwischen den afrikanischen Staaten Äthiopiens und Eritreas, Mesfin und Woldensae in den vergangenen 2 Jahren schätzungsweise 120.000 Menschen als Todesopfer zu beklagen sind. Im Vergleich bedeutet das auf deutschen Maßstab übertragen, in einer Stadt wie Bremerhaven, Heilbronn, Remscheid oder Ulm würden alle Bewohner ausradiert.

Wer rettet uns? Ein Bitte, sehnsüchtiges Flehen, verzweifelter Aufschrei verweht ungehört in der gleißenden Hitze am Horn von Afrika!

Wer rettet uns? Eine Bitte, sehnsüchtiges Flehen, verzweifelter Aufschrei erstickt in einem Kühllastwagen im britischen Dover!

Am vergangenen Montag machen britische Zollbeamte einen grausamen Fund. In einem Kühlcontainer finden sie 60 zusammengekauerte Menschen, 58 von ihnen tot, 54 Männer und 4 Frauen. Nur zwei Menschen haben diese „Reise in ein neues Leben“ überlebt, allen anderen konnte keiner mehr helfen!

Wer rettet uns? Eine Bitte, sehnsüchtiges Flehen, verzweifelter Aufschrei erstickt in einem Kühllastwagen im britischen Dover!

Wer hat da geschlafen? Wer hat nicht sehen, nicht wahrhaben wollen? Wer hat da selbstherrlich Menschen in den Tod geschickt? Wer hat da die Augen gleichgültig verschlossen und sich dem Schönheitsschlaf hingegeben?

Wer hat sein Haupt auf das Ruhekissen eines guten Gewissens gelegt?

Du Jesus, hast du da wieder geschlafen, ja sogar verschlafen? Hörtest du die Bitten, die Schreie, die Verzweifelung dieser Menschen nicht? Kommt es dir, als der endgültige Erlöser der Menschheit, auf ein paar Tausend Leben nicht an, da ja im Himmel dann wenigstens alles in Ordnung sein wird?

Wie sehr wünschten sich diese Menschen, die Ihr Leben im Krieg oder als Ausgebeutete auf der Flucht loslassen mußten jemanden, der den Waffen und denen die sie Führen, der denen die Menschen unverantwortlich und gleichgültig unter vorspielen falscher Tatsachen in andere Länder verbringen befohlen hätte: „Schweigt, seit still!“

Dieser Jesus, der damals Wind und Wetter im Griff zu haben schien, dieser Jesus, der alles, auch übermenschliches für unser Leben und Überleben getan hat, dieser Jesus sitzt auch heute in diesem kleinen Boot das sich Erde nennt!

All den Menschen, die in diesem „Boot Erde“ Platz nehmen, wollte und will er eine Überlebensregel mit auf die Fahrt geben; Das kostbarste Gut, das ihr alle auf eure Lebensreise anvertraut bekommen habt, ist das Leben derer die mit euch in diesem Boot sitzen. In der Verantwortung füreinander entfaltet ihr das, was auch euch selbst geschenkt ist, euer eigenes Leben. Nur im Blick auf das Leben anderer Menschen kann euer eigenes Leben wirklich gelingen.

Diese Überlebensregel, die Botschaft Gottes in Jesus Christus, verwandelt das Boot Erde nicht schon heute in den Zielhafen Himmel Aber diese Toten, die wir beklagen und die in den Kriegen dieser Welt und aus verantwortungslosem Handeln ihrer Mitmenschen das eigene Leben genommen bekommen haben, sind nicht Opfer von Naturkatastrophen sondern die Verlierer dieser nicht beachteten Lebens- und Überlebensregel.

Wir hier heute im Gottesdienst tragen keine Mitschuld an diesen Verbrechen. Gerne würden wir da helfen wo wir die Not unserer Mitmenschen sehen können, aber uns sind so oft die Hände gebunden. Aber trotzdem sind wir in die Mitverantwortung für das Überleben in diesem Boot Erde von Gott hineingenommen. Deswegen dürfen wir nicht müde werden mit all unseren möglichkeiten zu versuchen, die Wahrheit Gottes nicht zu verschweigen und denen die das Leben anderer aufs Spiel setzen entgegenzurufen: Schweigt, seit still!

Wenn wir den Protest für das Leben unserer Mitmenschen vergessen, dann dürfen wir uns aber als Christinnen und Christen der Frage Gottes, die sich in Jesus Christus uns Stellt, nicht entziehen: Mensch, wie kannst du zu diesem Augenblick noch schlafen? Dein Gewissen kann kein sanftes Ruhekissen mehr sein! Werde wach! Schau dir diese Welt mit wachen Augen an und steh auf! Schrei denen in deiner Welt entgegen, die das Leben andere aufs Spiel setzen, schweigt, sei still! Geliebter Mensch, dein Gott bittet dich, sei wachsam für das Leben, damit auch dein eigenes Leben gelingen kann!

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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