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Rückblick Christoph Stender

Schatzansichten

Rückblick Christoph Stender

zum Abschluss der Ausstellung am 1. Juli 2001

Rückblick mit Gelassenheit, Wehmut und Erleichterung

Wenn auch ich heute Abend meinen Teil zu einem Rückblick dieser Ausstellung „Schatzansichten“ beitragen möchte, dann tue ich das mit der Gelassenheit meiner ursprünglichen Intention:
Diese Ausstellung muss zeitlich begrenzt sein, um zu einem späteren Zeitpunkt anderen Menschen die Gelegenheit zu geben, auf ihre Weise dem Schatz eine Stimme zu leihen, die die glaubens- und lebensrelevanten Dimension aufdeckt, die sich als Schatz hinter diesem Weltkulturerbe, als Schatz hinter dem Schatz verbirgt.
Rückblick halte ich aber auch mit etwas Wehmut, da nun eine sehr erfolgreiche Ausstellung zwar bewusst zerbrochen wird, damit aber auch eine Ausstellung, die ein Zeugnis ist von Einsatz, Begeisterung, Engagement und Zusammenarbeit vieler Aktiver.
Rückblick halte ich aber auch mit ein wenig Erleichterung, da ich mich mit dieser Ausstellung auch persönlich hab angreifbar werden lassen, weil ich von meiner ganz persönlichen Wahrnehmungswelt etwas preis gegeben habe, deren Umgang in der Öffentlichkeit kaum zu steuern ist.
Dies war mir spätestens mit der Eröffnung dieser Ausstellung klar, und auch die Erkenntnis der damit verbundenen inneren Belastung, von der ich nun befreit bin.

Linearer Rückblick

Eine Idee wurde Realität. Zwei Monate lang präsentierte die Domschatzkammer diese Sonderausstellung, getragen vom Domkapitel Aachen und der Aachener Hochschulgemeinde. Die Präsentation der Texte dieser Ausstellung, konzipiert und ausgeführt durch das Team mecca neue medien mit Sitz in Aachen, war gelungen und überzeugte. Die sechs Sonderexponate, eigens vom Kapitel für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt, boten einen ganz besonderen Reiz, besonders für das Aachener Publikum.

Über 40.000 Besucher der Domschatzkammer hatten nun die Gelegenheit, im Rahmen ihres Besuches der Aachener Schätze, sich auch von dieser Sonderausstellung ansprechen zu lassen. Über diese Menschen nun in Zahlen zu erheben, was in Ihnen bei der Betrachtung dieser Ausstellung vorgegangen ist, ist kaum leistbar. Dr. Georg Minkenberg hat versucht, an Hand des Gästebuches einige Reaktionstendenzen aufzuzeigen.

Von den über 2.000 geführten Gästen können wir mehr sagen: Sie kamen wegen der Sonderausstellung, wollten sich dieser Herausforderung stellen und gingen, so die Rückmeldungen, ergriffen, bereichert, entdeckend, betroffen, erstaunt und ermutigt nach Hause und mit ihnen Nachdenklichkeit.

Vertikaler Rückblick

Mit dieser Ausstellung wesentlich verbunden und sie motivierend war mein Wunsch: Menschen mögen an diesem Ort in besonderer Weise ihrem Leben und deren Sehnsucht, sowie ihrem Glauben und deren Hoffnung begegnen.

Wie das mit dieser Sonderausstellung gelungen ist, bleibt mir verborgen, und das ist auch gut so. Dass das gelungen ist, bezeugen unzählige Rückmeldungen, die sich ihren Weg zu mir bahnten in dem ganz einfachen aber ehrlich zu spürendem Wort Danke, begleitet durch einen bekräftigenden Händedruck, manchmal aber auch einer Umarmung!
Diese Ausstellung ist ein großer Erfolg, ungeachtet der an einer Hand abzuzählenden Berufsnörgler!

Sie ist ein großer Erfolg, auch ungeachtet nicht weltbewegender Besucherzahlen, einzig aus dem Grund heraus, das an diesem Ort unerwartet Herzen von Menschen zärtlich berührt wurden, die nun ein wenig mehr zu sehen, aber auch ein wenig mehr zu erhoffen beschenkt sind. Jedes Herz zählt!

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Ausstellung?

Diese Frage begleitet mich nun zwei Monate. Immer ein wenig ausweichend habe ich Antwort gegeben, aber immer mit dem Grundton: Ja, ich bin nicht unzufrieden.
Aber woran ist Zufriedenheit in dieser Situation zu messen?
Nun muss ich ganz offen herausrücken mit einem wesentlichen Motiv, das ich bisher wenig betont habe, das meinerseits aber wesentlich war für die Initiierung dieser Ausstellung. Nur so kann ich die Frage nach meiner Zufriedenheit umfassend beantworten.

Mein „heimliches“ Grundanliegen: Wege der Vermittlung

Ich habe Theologie, Philosophie und Religionspädagogik studiert, und bin Priester.
Unablässig begleitet mich eine Frage, die im Umgang mit verschiedenen Menschen und Gruppierungen auch unterschiedliche Fassetten hat. Diese Frage lautet: Wie lässt sich, in einem historischen Kontext, Begeisterung für den Glauben an Gott und so für das Leben vermitteln.
Das Interesse an theologischen Fragen nimmt in der breiten Bevölkerung rapide ab. Das Interesse an (christlicher) Kunsthistorie steht auch nicht auf der Liste der Lebensfragen heutiger Menschen oben an. Die Kirche, als Vermittlerin von Werten und Lebensfreude, hat weitgehend schlechte Karten in der öffentlichen Wahrnehmung, meines Erachtens zu unrecht. Die Sehnsucht unserer Gesellschaft aber, ihren religiösen Gefühlen eine Beheimatung zu geben, ist trotzdem ungebrochen.

Historie und Gegenwart als Partner in der Glaubensweitergabe:

In den vergangenen fast 10 Jahren, in denen ich in Aachen wohne und arbeite, ständig konfrontiert mit dem Christentum in verschiedenster Gestalt, so auch in den bedeutenden Kunstschätzen dieser Stadt, eröffnete sich für mich eine neue Perspektive, die auf meine Frage langsam eine Antwort zu geben scheint: Wie lässt sich Begeisterung für den Glauben an Gott und so für das Leben vermitteln?

Die Antwort findet sich nicht primär in der Vermittlung von Theologie, Glaubenswahrheiten oder christlicher Kunsthistorie.
Die Antwort findet sich in der Vermittlung der „Biographie“ der Kunstwerke, die in der Begegnung mit den Menschen der Vergangenheit und der Zukunft „geschrieben“ wurde und wird.
Genauer gesagt, nicht das Exponat selbst, sondern die Berührungsgeschichte zwischen dem Exponat und seinem Betrachter in der Vergangenheit, eingeholt in die Gegenwart des Betrachtenden heute, bietet einen Zugang zum christlichen Glauben und dessen Lebensfreude, aktuell vermittelt auf dem Weg der persönlichen Betroffenheit.

Ein Beispiel:
Das Gnadenbild des Aachener Doms

1676 verbrannte im Aachener Dom das Gnadenbild der Aachener. Diese vollplastische Marienfigur mit Kind, der Gotik zuzurechnen und damals wohl schon ausgestattet mit wertvollen Kleidern und kostbarem Schmuck, war Mittelpunkt der Aachener Marienfrömmigkeit. Gerettet werden konnten nur die beiden geschnitzten Köpfe der Maria und des Kindes, und eine Hand.

Unverzüglich ließen die Gläubigen eine neue Figur anfertigen, der alten sehr ähnlich, versehen mit den geretteten Überresten. Aber das war noch nicht alles!

Im hinteren Teil der neuen Figur sparte der Künstler einen kleinen Hohlraum aus, versehen mit einer Verblendung, in die die Aschereste der verbrannten Teile der alten Figur verbracht wurden. Mit diesem „Kunstgriff“ hatten die Aachener ihr „altes Gnadenbild“ wieder.

Übertragen sie nun dieses Verhalten auf die Erlebniswelt heutiger (junger) Menschen, dann ist die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite. Denn diese Biographie, gewoben aus der Beziehung der Menschen des 17. Jahrhunderts in Aachen mit ihrem Gnadenbild, findet genügend Anknüpfungspunkte in der Erlebniswelt vieler Menschen heute. Nehmen Sie nur beispielsweise den zerrissenen Liebesbrief hinter einem Foto, den Ehering der Oma neben dem Kultbild eines Stars, die getrocknete Rose im Tagebuch, das geschenkte Kleeblatt am Bildschirm oder den Teddy im Regal neben den ausgeliehenen Büchern aus der Unibibliothek.

Der Zugang heutiger Menschen zu dem Verhältnis damaliger Menschen und ihrer Schätze, wird ermöglicht über ein vergleichbares und nachvollzogenes emotionales Erleben. Die Wertschätzung der oft irreal anmutenden emotionalen Verhaltensweisen z.B. junger Menschen heute, ist der Zugang zu den heute oft antiquiert wirkenden emotionalen Verhaltensweisen damaliger Menschen.
Wenn wir so, um bei dem Beispiel des Aachener Gnadenbildes zu bleiben, die Liebe der damaligen Menschen glaubwürdig in den Kontext der Erfahrung heutiger Menschen stellen, wird nachvollziehbar, was die Menschen damals empfunden haben und was uns mit ihnen heute verbindet. Das ist der Anfang eines Weges den ich bezeichne als die „historisch Objekt/Subjekt bezogenen Glaubensvergegenwärtigung“

Ein Weg:
„Historisch Objekt/Subjekt bezogenen Glaubensvergegenwärtigung“

Diese Ausstellung war für mich auch ein Experiment, bezogen auf diese „historisch Objekt/Subjekt bezogenen Glaubensvergegenwärtigung“!

Während dieser Ausstellung, als einem Weg der „historisch Objekt/Subjekt bezogenen Glaubenvergegenwärtigung“, habe ich die Chancen und die Grenzen dieses Weges in dieser Ausstellung erfahren. Das ist ein für mich großer Erfolg, der vielleicht nicht von allgemeinem Interesse ist, der mich aber ermutigt, diesem Weg auch zukünftig nachzuspüren.

Dieser Weg ist eine Möglichkeit, besonders hier in Aachen und an anderen kunsthistorisch interessanten Orten, die ich weiter entfaltet möchte, da ich aufzeigen möchte, das Kirche mit ihrer kunsthistorischen Tradition interessiert ist an den Lebens- und Glaubensfragen der Menschen heute.

© Christoph Stender | Webdesign: XIQIT GmbH
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