Eine tiefe Sehnsucht nach Werten und Wahrheit
Von Martina Stöhr
Aachen. Auf eine hohe Akzeptanz trifft das frisch eingerichtete Mentorat für Lehramtsstudierende der Katholischen Theologie an der RWTH Aachen. Das meint Hochschulpfarrer Christoph Stender, der die künftigen Religionslehrer während ihres Studiums begleitet. Die Gespräche mit den Studenten empfinden er und seine Kollegin im Mentorat, Anita Zucketto-Debour, als große Bereicherung.
Viele Gespräche
Etwa 80 Einzelgespräche haben die beiden inzwischen geführt und dabei festgestellt, dass gut die Hälfte der 120 Erstsemester keine „religiöse Sozialisation“ erfahren hat. „Wenn die Studenten sich trotzdem für ein Studium der Katholischen Theologie interessieren, so tun sie das, weil sie für sich etwas über ihre Religion lernen wollen“, so Stender. Seiner Meinung nach treibe sie die Sehnsucht nach Werten, Wahrheit und Sinn.
Katholische Religion dürfen nur diejenigen an der Schule unterrichten, die neben einem erfolgreich abgeschlossenen Studium auch auf die „Missio canonica“, die kirchliche Unterrichtserlaubnis, verweisen können. Um die zu erlangen, müssen die Studierenden außerhalb der Uni eine Reihe von verbindlichen, kirchlichen Veranstaltungen besuchen. Das neu eingerichtete Mentorat will sie dabei unterstützen.
Am Anfang steht eine Informationsveranstaltung zur Missio gefolgt von einem Orientierungsgespräch, mehreren Angeboten zur Spiritualität und einem Praktikum in einer kirchlichen Einrichtung. Denn neben sachlicher Kompetenz muss ein Religionslehrer „die Inhalte des Faches mit der eigenen Person authentisch vertreten und Zeuge des Glaubens der Kirche sein“, sagt Stender.
Diese zusätzlichen kirchlichen Verpflichtungen würden die Studenten aber offensichtlich nicht als zusätzliche Belastung empfinden. Ganz im Gegenteil. „Sie sind froh, dass es das Mentorat gibt“, meint Stender. Denn hier fänden sie einen geschützten Raum, in dem sie auch über persönliche Themen und Erfahrungen sprechen könnten.
„Viele stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens und dem Leben nach dem Tod“, erzählt Anita Zucketto-Debour. Vor allem diejenigen, die in der eigenen Familie oder dem Freundeskreis mit Todesfällen konfrontiert wurden. Sie beanspruchten für sich das „Recht auf Hoffnung“.
Und schließlich suchen sie laut Zucketto-Debour nach einer anderen Lebensqualität und empfänden es als große Chance, später in der Schule Werte vermitteln zu dürfen. Denn das sei im Religionsunterricht nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Viele wünschten sich auch, Seelsorger zu sein und den Schülern in ihren Nöten zur Seite zu stehen. „Am Anfang ihres Studiums steht ein großer Wissenshunger“, ergänzt Stender. Viele kämen beispielsweise ohne jegliche liturgische Erfahrung und seien entsprechend begierig, mehr über die Formen der Gottesdienste und deren Ablauf zu erfahren.
Auch für die Mentoren seien die Gespräche mit den künftigen Religionslehrern eine Bereicherung. Denn die führten nicht selten dazu, dass das vorgesehene Programm der kirchlichen Begleitung überdacht werde. „Wir haben festgestellt, dass die meisten kein Vokabular haben, um über Religion zu sprechen“, sagt Stender.
Beide sind davon überzeugt, dass Werte und die Frage nach dem Sinn des Lebens unter den jungen Menschen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Anders als noch in den Siebziger Jahren würden sie die Kirche heute nicht mehr ablehnen, sondern ihr neutral begegnen. Entsprechend optimistisch ist das Mentoren-Team mit Blick auf die Zukunft der Kirche.
Die allerdings sei im Wandel und müsse Antworten auf neue Herausforderungen finden. Zucketto-Debour: „Wir müssen den jungen Menschen an der Basis vermitteln, dass sie Kirche sind.“