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Eine Stille Nacht der anderen Töne

Eine Stille Nacht der anderen Töne

Alternativer Gottesdienst – Didgeridoo-Spiel und Worte der Sehnsucht – Großer Andrang

Von Peter Motz

Meeresrauschen in der Kirche: Klaus Steins Improvidationen auf dem Didgeridoo sorgten für außergewöhnliche Impressionen. Foto: Martin Ratajczak

Aachen. Die Bankreihen der Theresienkirche waren dicht besetzt. Dahinter – stehend – rund 30 weitere Gäste. Und auch der Mittelgang wurde genutzt, auf dem Boden sitzend. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, es war schließlich Heiligabend. Und doch-. Einen gewöhnlichen Gottesdienst sollte es nicht geben.

Bereits zum dritten Mal veranstaltete die ökumenische Initiative „Kirche für die Stadt“ die „Stille Nacht der anderen Töne,“. Und jedes Jahr kommen ein paar mehr „Leute, die mit normalen Gottesdiensten nicht viel anfangen können, aber an den weihnachtlichen Empfindungen nicht vorbei kommen“. So formuliert es Hochschulpfarrer Christoph Stender. „Wir haben diese religiösen Gefühle ja.“

Im Vordergrund der Feier stand auch in diesem Jahr ungewöhnliche Musik. Vor allem Klaus Steins‘ Improvisationen auf dem Didgerldoo, einem australischen Blasinstrument, brachen die traditionellen Erwartungen. In Kombination mit dem Saxophonspiel Ute Attermeyers und Karl Schulz‘ Flötentönen entstand eine besinnliche, beinahe meditative Stimmung. Hierzu trug nicht zuletzt der Einsatz unterschiedlichster Klangkörper bei, der die Gäste so beispielsweise glauben machte, Meeresrauschen zu hören. Nicht ohne Grund:, „Weihnacht – eine Nacht der Sehnsucht“ betitelten die Seelsorger ihre diesjährige Alternativ-Veranstaltung.

Die maßvoll eingesetzten Wortbeiträge behandelten persönliche Erfahrungen mit Sehnsüchten. Hedwig Geilen und Maria Pirch sprachen von der Sehnsucht nach Heilem und Schönen sowie von Düften, die Sehnsucht erweckten: konkret der Weihrauch.

Jesuiten-Pater Ludwig Bertsch und der evangelische Pfarrer Patrick Wirges fanden Bilder der Sehnsüchte: den Morgentau in einer afrikanischen Ödlandschaft, der klinge wie Regen. Und – für alle Hiesigen nachempfindbar‘ die Aufschriften auf Lebkuchenherzen, jene Worte, die der Liebe ganz öffentlich Ausdruck verliehen, die sagten: „Ich habe dich gern, so wie du bist. Mit deinen Ecken und Kanten, Höhen und Tiefen, Sonnen- und. Schattenseiten.

Von der Kraft der Erinnerung sprach Pfarrer Christoph Stender. Er erzählte eine Geschichte aus seinem Tagebuch: Neulich habe er bei einer Bekannten einen Mes-sing-Türgriff entdeckt. Ein eben solcher habe ihn in seiner Kindheit von der weihnachtlichen Wohnzimmer-Bescherung getrennt – bis die Türe sich öffnete und die Sehnsüchte erfüllt wurden. Sofort habe er sich erinnert. Und selbst wenn die erwachsene Realität des Festes oft weniger glücklich sei, wenn man feststelle, dass Vieles eben nicht dem Ideal entspreche, so sei es dennoch wichtig, weiter- hin an diesen Idealen festzuhalten: „Menschen, die ihrer Erinnerung nicht mehr trauen, haben ihre Sehnsucht bereits verloren. Hier reicht oft schon ein kleiner Türgriff aus Messing, um dieser Erinnerung eine Zukunft zu geben. Und Kin-derträume doch noch wahr werden zu lassen.“

Zum Schluss gab es dann doch ein traditionelles Weihnachtslied, dem Veranstaltungstitel entsprechend „Stille Nacht“. Doch Worte wurden nicht gesungen, man summte Zeit zur Besinnung, zu eigenen Gedanken. Der ungewöhnliche Abend fand seine Fortsetzung bei gemütlichem Beisammensein.

Quelle: Aachener Zeitung, 27.12.2000.
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