Kein Tag wie jeder andere
3400 Neu-Studenten – Mobile AZ-Redaktion – Empfang im Rathaus
Semesterstart in Aachen: Für 3400 Studenten begann gestern – wieder einmal – der Ernst des Lebens. Und die AZ war dabei. Vor der Hauptmensa wurden nicht nur Stadtpläne und wichtige Adressen verteilt, nein, neben soviel Hardware kam auch die Software am „Tag 1 im Semesterleben“ nicht zu kurz. Am Mikrofon von AZ-Redakteur Bernd Büttgens gab es handfeste, konkrete Tips für den „Studenten in allen Lebenslagen“. Gäste an der Mobilen Redaktion waren unter anderem der Studentenpfarrer Christoph Stender oder auch Prorektor Heinrich Rake. Christoph Pauli und Oliver Schmetz berichten über den Unistart, der gestern abend mit einem Empfang im Rathaus “ zumindest offiziell “ ausklang.
Aachen. An Unterstützung herrschte gestern kein Mangel. Im Gegenteil, wenn bei den Studenten die Schwellenängste noch bestehen, geht Walter Meurer eben auf die Neuankömmlinge zu. Der Mann arbeitet beim Bafög-Amt und. verbreitet gute Kunde. „Die Ausbildungsförderung ist zur einen Hälfte ein Zuschuß und zur anderen Hälfte ein unverzinstes Darlehen.“ Die Zahl der Antragsteller ist rückläufig, ist Meurer verwundert, „viele Studenten glauben immer noch, daß sie nur ein vollverzinstes Darlehen erhalten“. Wer nähere Details erfahren will, ist täglich beim Bafög-Amt zwischen 9.30 und 12.30 Uhr, dienstags und donnerstags auch von 14 bis 16 Uhr willkommen. Der Countdown läuft, denn relevant für die Zuteilung ist der Vorlagemonat.
Naturwissen- und Ingenieurwisschenschaftler stellen „naturgemäß“ die Mehrzahl der Erstsemester, hat Prorektor Heinrich Rake nachgezählt. „Der rückläufige Trend der Vorjahre ist glücklicherweise vorbei“, meint Rake und macht dafür diverse Hochschulinitiativen verantwortlich… Rückläufig sind die Einschreibezahlen konjunkturell bedingt – lediglich im Bauwesen. „Ich freue mich über die positive Entwicklung“, meint Ingenieur Rake, „schließlich hängt die Entwicklung unser Gesellschaft in hohem Maße von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren ab.“
Interdisziplinarität schafft die Verbindung zu den Geisteswissenschaftlern. Letzere spielen zwar zahlenmäßig unverändert eine untergeordnete Rolle, „doch“, fragt Rake, „an welchem anderen Studienort kommen sich Geistesund Naturwissenschaftler so nahe?“ Eben durch solche Kontake entwickelten beispielsweise viele Pädagogen ein ganz neues TechnikBild, das sie in ihren Klassen später transportieren.
Studienberatung findet nicht nur vor der ersten Vorlesung statt. Auch wenn die ersten Frustphasen entstehen, steht das zehnköpfige Team von Leiter Wolfgang Loggen parat. Drei Psychologen – Beratungsziel „Studienabschluß“ – wollen insbesondere Abbruchwilligen unter die Arme greifen. Ein großes Problem auch am Studienort Aachen bleibe die Einsamkeit, berichtet Loggen. Und so leihen die Berater am Templergraben 83 den verzweifelten Akademikern gerne ihre Ohren, wochentags von 8.30 bis 2.30 Uhr, montags von 15 bis 16 Uhr und mittwochs von 15 bis 17.30 Uhr.
Theologischen Beistand bietet Christoph Stender, Pfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde, an. Rund 5000 Veranstaltungen von Bibelkreisen bis hin zu mehrtägigen Karnevalsfeten veranstaltet die KHG, pro Semester. Im der eigenen Kneipe Chico Mendes feierten an den tollen Tagen zuletzt gar 21000 Studenten. „Die Klischees über die katholische Kirche werden bei uns abgebaut“, sagt der unkonventionelle Seelsorger, „wir sind nicht konservativ, nicht langweilig, haben nicht ständig den Heiligen Vater vor Augen. Bei uns sind Menschen jeder Nationalität ebenso wie Homosexuelle willkommen.“ Morgen abend findet in der Kirche Heilig Kreuz, Pontstraße, um 19 Uhr übrigens der Einführungsgottesdienst statt. Mit anschließender großer Fete.
AStA-Vorsitzender wird am kommenden Mittwoch wahrscheinlich Volker Lesmeister. Der Aachener, der keiner Hochschul-Gruppierung angehört, wird wohl zum Nachfolger von Björn Becker gewählt. Das Ziel des Bergbau-Studenten für die zeitaufwendige, ehrenamtliche Nebentätigkeit: .“Die Zusammenarbeit zwischen AStA, Fachschaften und den vielen Ausschüssen soll verbessert werden. Da liegt ein großes Engergiepotential brach.“ Auch wenn Lesmeister eher eine Konsens-Politik propagiert, macht er vorab schon deutlich: „Die Hochschule ist für die Studenten da, wir erwarten auch ein Mitspracherecht in allen wichtigen Fragen.“
Rahmenangebote gibt es unzählige. So bietet die Kinderkrippe des Studentenwerks Platz für 22 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Bedarf steigend. Das Werk an der Turmstraße, Tel. 8840, betreut an den Standorten Aachen und Jülich zudem 4149 Bettplätze in 18 Studenwohnheimen. Die Mieter zahlen zwischen 185 und 310 Mark und können dafür Fotolabors, Fitneßräume und Waschküchen mitnutzen.
Trinken und Essen an der Uni: Das Studentenwerk hat auf die Ergebnisse einer Umfrage reagiert und das angeprangerte Umfeld zum Beispiel in der Hauptmensa verbessert. Die Wände sind gestrichen, die preiswerten Angebote (gestern: Schweinesschnitzel mit Zigeunersauce, Reis, Salat oder Gemüse für 3,50 Mark) werden von freundlichen Bedienungen über die neuen Verkaufstheken gereicht.
Voll besetzt war gestern abend der Krönungssaal. Rund 1000 Stundenten waren der Einladung der Stadt zum offiziellen Empfang gefolgt. Bürgermeisterin Margret Ortstein begrüßte Aachens neue Bürger und mußte den Lärmpegel erst einmal dämpfen. Ihr kam TH-Rektor Klaus Habetha zur Hilfe. Sein Appell an die Studenschaft: „Sie müssen in den nächsten Jahren noch so viel zuhören, üben Sie das doch schon einmal.“ Noch einmal kam Unruhe auf, als die Bürgermeisterin statt der angekündigten Brezeln und Bier „nur“ amerikanische Brause offerierte. Die ideellen Vorzüge der „weltoffenen Stadt“ stellte nicht nur Ortstein heraus, sondern auch Geschichtsprofessor Max Kerner, der einen Blick in die Geschichte Aachens und des Krönungssaales warf. Eine weitere Aufforderung hielt die Bürgermeisterin für die Studenten bereit: „Ich lade Sie ein, sich hier in, Aachen einzumischen.“
Quelle: Aachener Zeitung, 15.10.1996.