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Dossier

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Von einem Menschen nur erzählt:

„Eigentlich fehlt nur ein richtiger Fluss in Aachen, in den man auch wirklich hineinfallen kann, ein Herrenausstatter, bei dem man nicht die Stange im Jackett spürt, von der es gekauft wurde, und ein bisschen »Szene«“, die der Aachener Hochschulpfarrer aber nicht näher ausführen möchte. „Sonst hat Aachen alles, was eine europäische Stadt braucht, die sich nicht schämt, auch ab und zu einen mittelalterlichen Mittagsschlaf zu pflegen.“

Der Wahl-Aachener Hochschulpfarrer Christoph Stender fühlt sich wohl in „seiner“ Stadt. Geboren ist dieser schlanke, knapp 1,80m lange Mann in Düsseldorf an einem Fluss, der Düssel, in die er als kleines Kind auch schon hineingefallen ist, um dann von seinen Eltern, vielleicht auch von seinem größeren Bruder gerettet zu werden, so seine Erinnerung an die Kindheit. „Ob das so nun wirklich geschehen ist oder nicht, ist unwesentlich, Kindheitserinnerungen unterliegen nicht automatisch der Kategorie Wahrheit einer Erwachsenenwelt“, so die Worte des Priesters. Verläßlicher erinnert sich der Geistliche an seine Jugend, die er nach weiteren Stationen in Hannover und Kassel im Krefelder Nordbezirk verbracht hat. Aus seiner Erinnerung heraus ist er stolz auf seine „adoptierte“ Heimatpfarre Liebfrauen mit ihrem liebenswürdigen Patriarchen Pfarrer Heinrich Mönks, dem ganz besonderen Ambiente der Nordstadt und seiner Stammkneipe „Gleumes“, von dessen „arme Leute Bier“ in der Schwemme der Gastwirtschaft er und seine Freunde und Freundinnen profitiert haben und das reichlich.

Seine Schulzeit war sehr abwechslungsreich, fast keinen Schultypus hatte er ausgelassen zum Leidwesen seines Vaters, promovierter Psychologe, und seiner Mutter, Hausfrau und Gymnastiklehrerin. „Aber mit Blick auf meine Schulkarriere sind Details nicht wesentlich“, meint der am 7. März 1987 durch Bischof Professor Dr. Klaus Hemmerle im Dom zu Aachen geweihte Priester knapp und verbindlich.

Nach den Studien der Religionspädagogik, Philosophie und Theologie in Paderborn, Frankfurt a. M. und Aachen wurde er Kaplan in der Eifel, in den Orten Schleiden und Herhahn. „Einige Eifeler sind wirklich Dickköpfe“ meint der Pfarrer, „aber ich habe welche kennengelernt, die mit ihrem Dickkopf für mich durch die Wand gingen, und besonders sie haben einen Platz in meinem Herzen.“

Nach nur einem Jahr Kaplanszeit wurde er zusätzlich betraut mit der Erteilung des Religionsunterrichtes an der Grund- und Sonderschule sowie am dortigen Bischöflichen Gymnasium. Neben diesen Tätigkeiten ernannte ihn im August 1989 der Bischof zum Regionalen Jugendseelsorger der Eifel.

Im Herbst 1992 wechselte Pfarrer Stender als Leiter an die Katholische Hochschulgemeinde nach Aachen.

„Was es bedeutet, eine der größten Hochschulgemeinden in Deutschland zu leiten, wurde mir klar, als ich erst einmal in die „Lehre“ bei meinen hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen ging, um von ihnen und den in der KHG aktiven Studierenden zu erfahren, welch breites Spektrum diese bischöfliche Einrichtung abdeckt. Vieles von dem war für mich Neuland, der ich selbst nie zu meiner Studienzeit eine Hochschulgemeinde betreten mußte, da ich als Priesteramtskandidat während meiner Studienzeit „die Welt“ ins Priesterseminar gebracht bekam, zumindest das, was meinem Werdegang, nach Meinung meiner Vorgesetzten, damals nicht schaden konnte,“ schildert der heute 43 Jährige. Die katholische Hochschulgemeinde, die in erster Linie eine Einladung an die ca. 35.000 Studierenden aller Hochschulen in Aachen ist, spiegelt wider, was Studierende beschäftigt: das eigene Studium, ihre Lebensbedingungen, die Frage nach Sinn, die religiöse und spirituelle Suche, die Sehnsucht nach Selbstannahme und Akzeptanz, die Bewältigung großer und kleiner Probleme, ob im Studium oder privat, der Wunsch, sich in Gesellschaft einzumischen und das Bedürfnis zu feiern, Gemeinschaft zu pflegen, einfach auch Freude am Leben zu haben und dem auch Ausdruck zu verleihen.

So ist es selbstverständlich und dem bischöflichen Auftrag gemäß, dass die KHG mit ihrem seperaten Studentenwerk, das die Logistik für das Zentrum in der Pontstraße und die eigene Kneipe, das „Chico Mendes“, sowie vier Studierendenwohnheime und einen viergruppigen Kindergarten für primär Studierende gewährleistet, ein Gesicht hat, das international, interkulturell und interreligiös geprägt ist.

Von Studierenden und Hauptamtlichen getragen, mischt sich die KHG ein in den interdisziplinären Dialog, die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, die theologische und ökumenische Diskussion, und versucht die Studierenden zu unterstützen, die aufgrund ihrer Herkunft und Lebensbefindlichkeit in unserer Gesellschaft eher die schlechteren Karten zugeschoben bekommen.

Kooperationen der KHG z.B. mit der Stadt, den Hochschulen und ihren angegliederten Einrichtungen, kirchlichen Werken und Organisationen, freien Trägern, dem Dom und seiner Schatzkammer und nicht zuletzt der Evangelischen Hochschulgemeinde gehören zu den Standards einer verantworteten Hochschulpastoral hier in Aachen.

Daneben aber prägen das Gesicht dieser KHG auch Schwerpunkte wie Frauenarbeit, Begleitung, Förderung und Beratung von Studierenden, die medizinisch-ethische Auseinandersetzung, Bibel- und Glaubensgespräche, der Dialog mit der Kunst, die Präsenz in der modernen Kommunikationslandschaft sowie die Feier des christlichen Glaubens in Gottesdiensten, aber auch die Suche nach neuen Formen der Liturgie.

Leiter einer solch ausdifferenzierten Einrichtung der katholischen Kirche zu sein, bedeutet für Christoph Stender die Vielfalt, die sich aus dem Notwendigen ergibt, zusammenzuhalten, Innovationen zu pflegen, kritisch zu reflektieren, Lobbyarbeit und Repräsentation zu gewährleisten und selbst immer wieder in die inhaltliche Auseinandersetzung einzusteigen.

„Mit der Erfüllung dieser Aufgabe stoße ich ab und zu auch mal an meine Grenzen und lerne sie manches mal auch zu überspringen! So habe ich ein wenig von dem erfahren, was der Psalmist des Alten Testamentes meinte, wenn er sagt: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern“, und das geht wirklich“, bekennt der Geistliche, der ursprünglich einmal entweder Dirigent oder Innenarchitekt werden wollte.

Diese Erfahrung hilft dem Aachener Hochschulpfarrer, auch seine oft nicht ganz einfachen überdiözesanen Aufgaben in den Griff zu bekommen. Als Mitverantwortlicher für die Gestaltung der Hochschulpastoral auf Bundesebene – Pfarrer Stender ist Vorsitzender der Konferenz für Hochschulpastoral (KHP) in Deutschland und Vorsitzender des Forums Hochschule und Kirche e.V. – muß er oft Aachen verlassen, um die nicht immer leicht zu vereinbarenden Interessensvertretungen von Studierenden und Hauptamtlichen mit den Vorstellungen und Wünschen der Bischöfe unter einen Hut zu bekommen. Dieses Bemühen schärft seinen Blick auf der Suche nach Kompromissen im Konflikt, aber auch nach dem Wesentlichen, dem Unaufgebbaren.

Seine Auseinandersetzung mit dem, das wir als unser Leben spüren, dem wonach wir uns sehnen, den gesellschaftsfähigen Lebenslügen unserer Zeit, aber auch der Erkenntnis eines gewissen Pragmatismus im Zusammenleben der Menschen, wird für ihn immer existentieller, was u. a. auch einen Niederschlag findet in vielen Buchveröffentlichungen, Aufsätzen und Predigten des Lyrikers.

Dem manchmal etwas abwesend wirkenden Mann ist es ein Herzensanliegen, Zeugen der Vergangenheit, so auch den Dom und seinen Schatz, zum Sprechen zu bringen.

„In diesem Dom spüre ich die Freude an meinem Leben! Eine Freude, die mich trägt, über den und die Menschen hinaus, die zu mir stehen, und ohne die ich nicht sein möchte, eine Freude an meinem Glauben, meiner Arbeit und den vielen Kleinigkeiten, die mein Leben reich und unverwechselbar machen“, bekennt dieser eher zurückhaltende Typ, der aber auch nicht verschweigt: „Sicherlich habe ich Stärken, aber auch eine ganze Menge Schwächen und sogar die ein oder andere Macke und ich mache Fehler, darüber ärgere ich mich am meisten!“

Und mit fast verschlossenen, leicht blinzelnden Augen fügt er hinzu: „In mir lebt die Sehnsucht nach diesem Fluss, der mich nicht dazu zwingt, an einem Ufer festmachen zu müssen, sondern der mich im Fluss werden lässt, wer ich bin, und in seiner Ungebundenheit mich führt an Orte wirklicher Verneigung, ‚Orte der Begegnung mit dem Unendlichen‘, dem, was bleiben wird, der Liebe, anbetungswürdig nur im Göttlichen, den Menschen berührend in Christus, und so manchmal wunderschön zu ahnen in der Liebessehnsucht des Menschen selbst.“

I. Guber, 2000

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