Faxbox-Predigt zum Palmsonntag 1997
Aus Begeisterung wurde tödlicher Hass. Dieser Hass brachte in der vergangenen Woche den 38 jährigen Amerikaner Robert Hoskins für 10 Jahre ins Gefängnis. Der Grund! Mehrfache Morddrohungen: „Ich schneide Dir die Kehle durch.“ Als extrem gefährlich stufte die Richterin den Angeklagten ein und begründete damit ihren Urteilsspruch, wie uns die Zeitung berichtet.
Der Anfang dieser Ereignisse in Kürze:
Er war ein Fan der blonden Popsängerin Madonna. Ihr Aussehen und Auftreten, ihr Gesang und ihre Sprache, einfach von allem, was dieser amerikanische Popstar machte, fühlte sich der heute verurteilte in den Bann gezogen. Er meinte, Madonna zu lieben, wollte sie heiraten und suchte immer wieder ihre Nähe. Doch diese Sehnsucht blieb einseitig! Er fühlte sich enttäuscht und gekränkt, fing an, den Popstar zu belästigen, verfolgte sie und wurde handgreiflich. Später dann drang er in ihr Privatgrundstück ein, beschimpfte sie und drohte ihr mehrfach, sie zu töten. Aus Begeisterung wurde tödlicher Hass, weil Robert Haskins nicht bekam, was er wollte. In seiner Sehnsucht nach diesem Menschen respektierte er nicht ihren freien Willen und wollte mit Gewalt sich nehmen, was ihm freiwillig nicht gegeben werden konnte. Letztlich dann drohte er das zu vernichten, was er nicht beherrschen konnte, das Leben eines anderen Menschen.
Dieses Drama ist kein Einzelfall. Wenn auch nicht so spektakulär wie in diesem Fall, passiert diese Wendung menschlichen Empfindens von Begeisterung in Hass fast tagtäglich und immer wieder mit dem gleichen Wendepunkt, die Enttäuschung der eigenen Sehnsucht!
Den Beginn eines ähnlichen Dramas, wohl mit viel weitreichenderen Folgen, lesen wir auch heute im Evangelium von der Feier des Einzuges Jesu in Jerusalem. Das vorläufige Ende dieses Dramas ist uns allen auch klar, „der Karfreitag“.
Der Anfang dieser Ereignisse in Kürze:
Jerusalem erlebte den Besuch eines Stars mit dem Namen Jesus. Einige Bewohner wissen schon Bescheid, Jesus ist der Sohn Davids, der Retter und Erlöser. Andere müssen sich noch informieren lassen. Wer ist dieser Jesus eigentlich, fragen sie. Die Antwort: Der Retter, unser Erlöser. Schnell wird Jesus zum Hoffnungsträger vieler Bewohner und Bewohnerinnen Jerusalems. Sie rotten sich zusammen, jubeln, tanzen und sind voller Erwartung. Palmzweige werden abgerissen, Kleider ausgezogen und auf den Boden gelegt werden sie zum „Roten Teppich“ für ihr Idol. Jesus zieht durch das Spalier der Bewohner Jerusalems hindurch , die ihre Hoffnungen an ihn heften: „Du wirst uns von der Fremdherrschaft der Römer befreien, du bist die Erfüllung unserer Visionen, du führst uns in das weite Land der Erlösung“. Die Luft bebt von dem Jubel, den Freudenrufen und der Begeisterung, den Zuneigungsbekundigungen und den Symphatieausbrüche. Die selbe Luft wird wenige Tage später beben von den Buh-Rufen, den Schreien nach Vernichtung, den Verleugnungen und dem Gebrüll „Kreuzigt ihn“. Aus Begeisterung wurde tödlicher Hass! Warum? Auch wenn das Ereignis um einen Popstar, wie es uns in der Presse berichtet, nicht zu vergleichen ist, mit dem Ereignis um Jesus Christus, so bleibt doch der entscheidende Wendepunkt in beiden Ereignissen, in denen Sympathie zu Hass wird, der gleiche. Die Enttäuschung der eigenen Sehnsucht! Die Bewohnerinnen und Bewohner wollten und konnten vielleicht auch nicht begreifen, dass der Weg ihres Superstars Jesus anders verlaufen sollte, als sie ihn sich in ihren Wünschen und Hoffnungen vorgestellt haben. Sie wollten einen Jesus, der ihren Vorstellungen von Befreiung entsprach. Einen Jesus, der ins politische Tagesgeschäft eingreift, der den Machthabern ihre Grenzen aufzeigte und der schonungslos der fremden Macht den Laufpass gab. Doch die Botschaft Jesus ist damals wie heute nicht der Erfüllungsgehilfe irgendwelcher persönlichen Sehnsüchte, die zum Ziel haben, andere Menschen zu verändern oder gefügig zu machen, so wie es meinen Wünschen entspricht. Die Botschaft Jesu ist nicht das Werkzeug, dass mir hilft, über andere zu jubeln, sie zu beherrschen oder ihren Untergang zu beklatschen. Die Botschaft Jesu hat nur ein Ziel. Mich selbst.
Jesus deckt durch sein Leben mit seinen Gleichnisreden und in seinen Beziehungen zu Menschen schonungslos all das auf, was mich selbst daran hindert, ein wirklich befreites Leben zu führen. Das Leben Jesu ist die Provokation schlechthin, die meine Wünsche und Sehnsüchte da enttarnt, wo sie von reiner Selbstsucht getragen und nur auf Kosten anderer zu verwirklichen sind.
Letzten Endes erschüttert er das von mir gelebte Leben in seiner Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit durch den eindeutigen Verweis: Unser Leben ist und bleibt ein Geschenk Gottes, das uns nur anvertraut ist und das wir selbst in die Hand nehmen müssen, das wir verantwortlich gestalten müssen, mit Blick auf Gott und die Mitmenschen. Wer diese sanfte und deutliche Enttarnung unserer Lebenssituation und unseres Lebensstiles durch Jesu Handeln nicht zulassen will oder kann, der muss ihn ablehnen. Wer die Provokation durch Jesus, die uns herausruft aus den Verkrustungen unseres eigenen Lebens als Ballast empfindet, der kann ihn nur totschweigen. Falsche Sehnsüchte an Jesus geknüpft, führen zur Enttäuschung und enden in der Ablehnung. Die Sehnsucht, die Jesus in uns wecken und erfüllen möchte, ist die Sehnsucht nach einem lebendigen Leben, dass befreit ist von der Angst um sich selbst.
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.