Christliches Miteinander bei Kirchen- und Katholikentagen[1]
„Es wird eine ständige spirituelle Aufgabe in der Kirche sein, zwischen dem, was in der Kirche göttlich und unaufgebbar, und dem, was an ihr menschlich ist, was sie hinter sich lassen oder erneuern kann, zu unterscheiden und sich darin entsprechend den Idealen früherer Zeiten zu reformieren oder auf Erfordernisse neuer Zeiten zu antworten. Dabei bleibt der in der Zeit Mensch gewordene Gottessohn Jesus Christus das einzige Kriterium.“[2]
George Augustin
1. „Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist“
Uns bleibt im fruchtbaren ökumenischen Dialog und mit ihm im ökumenischen Fortschritt nichts anderes übrig, als immer wiederkehrend neue Vorworte zu formulieren,
die Hinweise auf das sind, was nach ihnen in einer Publikation beschrieben und behandelt wird. Ein so „neu geschriebenes“ Buch oder ein so „neu geschriebener“ Artikel
wäre dann die Quelle für das nächste Vorwort einer darauffolgenden und weiterführenden Publikation. So folgt aus Vorwort und Bearbeitung das nächste Vorwort, das wieder „nur“ hinführen wird zu der ihm folgenden Befassung.
Was im Anschluss an ein „Vorwort im Rahmen der Ökumene“ dann entsteht, das Programm, der Artikel, die Rede oder die Beschreibung – diese Formate speisen sich
aus dem Gelingen der Grundoption eines jeden ökumenischen Miteinanders, insofern sie dynamisch sind und nicht stagnieren. Diese Grundoption jedes Miteinanders in und mit der Ökumene lautet, ich betone es noch einmal: „Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist.“
Weil die Menschen, die für die Ökumene stehen, egal in welchem Land, an welcher Universität, in welcher Gemeinde oder Kirche sie auch immer sind, sich von der Sache her ein „Weiter“ ersehnen und erhoffen, und versuchen entsprechend zu handeln, kann ein Weiter, ein Vertiefen, ein Erneuern, ein Klären, und so ein weiter Gemeinsam entstehen. Da, wo auf diesem Weg in Wort und Tat etwas weiter entsteht, gibt es auch immer wieder etwas zu publizieren, mitzuteilen, zu verbreiten. Da wo publiziert wird, da entstehen auch die entsprechenden Vorworte, neue Vorworte. Das so verstandene immer „neue Vorwort“ ist ein wesentlicher Charakterzug einer dynamischen Ökumene, deren Wurzeln und Blüten nur aus dem Heiligen Geist heraus existieren können!
2. Gemeinsames Wachstum in der Vergangenheit
Dieses „Weiter“ des „ein Gespräch zu sein“, lässt sich schon herauslesen aus den ersten gegenseitigen noch sehr zaghaften Annäherungen der beiden Kirchen jenseits
ihrer kirchenamtlichen Strukturen. Von katholischer Seite aus ist dies (soweit dokumentiert) bereits auf dem 64. Katholikentag (KT) 1925 in Stuttgart zum Ausdruck gekommen: „Der Katholikentag gelobt, für die Wiedervereinigung der Christen und den ,Völkerfrieden‘ zu beten.“[3]
Zum 70. KT in Nürnberg 1931 findet sich „Ökumene“ unter dem Stichwort „christliche Konfessionen“. Von dort wird berichtet: „Die Beratungen der Tage hatten so
viel Zeit in Anspruch genommen, dass zur Frage ,Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen‘ nur ein kurzes Referat von Prälat Wienken, Berlin, gehalten werden konnte (…).“[4] Weiter wird ausgeführt: Die Zusammenarbeit unter den Konfessionen sei schon besonders erreicht bei der Wohlfahrtspflege, bei Erziehungsfragen, „in der
Bekämpfung von Schund und Schmutz, im Filmwesen, (und) weiter in Prozessen wegen Gotteslästerung.“[5]
In seiner Rede zum 71. KT in Essen 1932 betont Oberstudiendirektor Dr. Fischer bei der Eröffnungsversammlung:
„Zur Gesundung Deutschlands ist ein einträchtiges Zusammenwirken der christlichen Konfessionen dringend notwendig. Unser Tagungsthema ,Christus in der Großstadt‘
schließt die Forderung nach Einigkeit aller in Christo Getauften als einen Hauptprogrammpunkt in sich ein.“[6]
Auf dem 76. KT in Fulda 1954 begrüßt der Vizepräsidenten des Deutschen evangelischen Kirchentag (DEKT) beim Festakt die Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Im
Programm ist des Weiteren eine Arbeitsgemeinschaft ausgewiesen unter dem Titel: „Christliches Zeugnis in der Kirche des orientalischen Ritus“.
Auf den Katholikentagen 1956 in Köln und 1958 in Berlin hält der Delegierte des DEKT bei der Eröffnung eine Ansprache, bzw. der Vertreter der ev. Kirche ein Grußwort bei der Eröffnungskundgebung.
3. Das II. Vatikanische Konzil
Einen großen Schritt auf die Ökumene hin macht die katholische Kirche mit dem Beginn des II. Vaticanum (1962-65). Es macht das Verhältnis zu den anderen christlichen
Kirchen von Anfang an zum Thema, und setzt damit auch Maßstäbe für die folgende Zusammenarbeit der Kirchen in Deutschland.
Der KT 1966 in Bamberg setzt sich dann mit den Auswirkungen des Konzils auseinander und den Folgen für die Laien, mit Blick auf deren Verantwortung nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Kirche.
In der Folge ist es für die nachfolgenden Laienversammlungen kein wirkliches Problem mehr, prominente Referenten und Diskussionsteilnehmer der jeweils anderen Konfession einzuladen. Man geht über den persönlichen Austausch von Grußworten offizieller Repräsentanten von DEKT auf Katholikentagen und des ZdK auf Kirchentagen hinaus, und tritt in den unmittelbaren Dialog vor und mit den teilnehmenden Laien ein. Ab dann finden regelmäßig Ökumenische Gottesdienste und inhaltliche Einheiten statt.
Beim 11. Deutschen Evangelischen Kirchentag 1963 in Dortmund referierte als erster katholischer Redner auf einem Evangelischen Kirchentag der damalige geistliche Direktor des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prälat Bernhard Hanssler.
Beim 81. Deutschen Katholikentag 1966 in Bamberg sprach erstmals ein evangelischer Bischof auf einem Katholikentag. Bischof Dr. Hermann Kunst behandelte das Thema „Der Katholizismus nach dem Konzil“ in evangelischer Sicht.
Beim 82. Deutschen Katholikentag 1968 in Essen wirkten (auch in der Planung) zwei Mitglieder des Kirchentagspräsidiums mit, Klaus von Bismarck und Präses Prof. Dr. Joachim Beckmann.
Von 1968 an bzw. in den 80er Jahren wurden die ökumenischen Veranstaltungen im Programm der Katholikentage vielfältiger und zunehmend selbstverständlicher Bestandteil des Programms.
Aus heutiger Sicht sind die meisten dieser Schritte nur kleine Schritte, aber sie lassen auch heute noch spüren, welche Sehnsucht sich in ihnen durchsetzte.
4. Charta Ökumenica
Beide Institutionen, die Konferenz Europäischer Kirchen und der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen, formulierten zurückschauend auf die beiden europäischen ökumenischen Versammlungen von Basel 1989 und Graz 1997, und vorrausschauend in der „Einführung“ zu der Charta Ökumenica: „Wir danken unserem Dreieinigen Gott, dass er durch seinen Heiligen Geist unsere Schritte zu einer immer intensiveren Gemeinschaft führt.“[9] Diesem Dank vorangestellt wird in dem Dokument aus dem Jahr 2001 das gemeinsame Bekenntnis: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geist“. Über das Dokument der Charta selbst hinaus verweist im Text des „Vorwortes“ der Hinweis auf das Gebet Jesu, dem die Autorinnen und Autoren der Charta in Treue sich verbunden wissen: „Alle sollen eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast” (Joh 17, 21). In der nächsten Zeile wird die Grundlage festgestellt, die folgend im Dokument in 26 Selbstverpflichtungen ins Wort gebracht wird: „Wir dürfen jedoch bei dem jetzigen Zustand nicht stehenbleiben.“[10]
Nachdem unterstrichen wird, das sich „vielfältige Formen der ökumenischen Zusammenarbeit bereits bewährt haben“[11], wird mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der einzelnen Verkündigerinnen und Verkündiger der christlichen Botschaft unterstrichen: „Im Bewusstsein unserer Schuld und zur Umkehr bereit müssen wir uns bemühen, die unter uns noch bestehenden Spaltungen zu überwinden, damit wir gemeinsam die Botschaft des Evangeliums unter den Völkern glaubwürdig verkündigen.“[12]
Die Glaubwürdigkeit der Kirchen, bezogen auf die (gemeinsame) Verkündigung Christi, kann nicht einfach im „alten Kleid“ zurückgewonnen, sondern höchstens neu gewonnen werden in den jeweiligen aktuellen Kontexten. Das kann nur geschehen, wenn die Kirchen nachvollziehbar ihre Identitäten aufeinander hin entfalten.
5. Berlin 2003
Zwei Jahre nach der Carta Ökumenica, 2003 formulieren die evangelische Präsidentin des (ersten) ÖKT[13], Dr. Elisabeth Raiser und der katholische Präsident Prof. Dr. Hans Joachim Meyer in ihrem gemeinsamen Willkommensgruß (Vorwort) am Beginn des Programmbuch[14] zum ÖKT in Berlin unter dem Leitgedanken „Ihr sollt ein Segen sein“: „Dieser ÖKT bietet eine herausragende Chance, einander kennen zu lernen, in der Begegnung mit dem anderen das Eigene neu zu entdecken, voneinander zu lernen – und auch Gegensätze und Unterschiede beim Namen zu nennen, um miteinander an ihrer Überwindung zu arbeiten und Schritte auf dem Weg der Einheit der Christen zu tun.“[15]
Dies ergänzend führen der Bischof der Ev. Kirche in Berlin – Brandenburg, Prof. Dr. Wolfgang Huber, und der Bischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, in ihrem
Willkommensgruß aus: „Wir erkennen deutlich: Der Wunsch unter Christen nach Gemeinschaft und Einheit ist mit dem, was bis heute möglich ist, bei weitem nicht gestillt. Auch wenn die Christenheit viel mehr verbindet, als sie trennt, sind der vollen Gemeinschaft immer noch Hindernisse in den Weg gestellt, die nur mit Geduld und Beharrlichkeit zu überwinden sind.“[16]
Um diese Schritte zu ermöglichen weist das Willkommenswort am Beginn des Programms schon auf den Rahmen hin, der ein solches „neue Schritte tun“ flankiert und stellt fest: Fast sieben Jahre Vorbereitung, auf 720 Seiten Programmheft etwa 3000 Programmelemente, ca. 40 000 Menschen wirken an der inhaltlichen Gestaltung mit, so in Gottesdiensten, der Bibelarbeit, bei geistlichen, thematischen und kulturellen Angeboten, und knapp 20 000 weitere Personen bewältigen ehrenamtlich organisatorische Aufgaben.
6. München 2010
Die Kategorie der Schritte dieses 1. ÖKT greift der 2. ÖKT in München fortscheibend und weitergestaltend auf unter dem Leitgedanken „Damit ihr Hoffnung habt“.
Alois Glück, katholischer Präsident, und Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel, evangelischer Präsident, schreiben in ihrem Willkommensgruß: „Obwohl in der Ökumene Unterschiede weiterhin bestehen und manche Hürden auf dem Weg zur Einheit noch nicht überwunden sind, wissen Christinnen und Christen in allen Konfessionen: Uns verbindet viel mehr, als uns trennt. Deshalb lassen wir uns nicht entmutigen.“[17]
Dieses „sich nicht entmutigen lassen“ greifen in ihrem Willkommengruß der Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Evangelische – Lutherische Kirche in Bayern, und Erzbischof Dr. Reinhard Marx, Erzbistum München und Freising, auf: „Wir sind überzeugt, dass die Begegnungen der kommenden fünf Tage die Gemeinschaft zwischen uns Christinnen und Christen vertiefen und stärken wird: Der 2. Ökumenische Kirchentag wird Impulse für die Ökumene in Bayern, in Deutschland, ja weit darüber hinaus setzen und kann uns befl ügeln. Gemeinsam wollen wir weitergehen auf dem Weg zur Einheit der Kirchen. Gemeinsam wollen wir Zeugen sein in der Gesellschaft und für die Gesellschaft.“[18]
Manches Mal kann der Eindruck gewonnen werden, dass im Kern die Vorworte austauschbar sind, und angenommen werden kann, das Vorworte zum 3.ÖKT in Frankfurt ähnlich klingen.
7. Das Vorwort beider Ökumenischer Kirchentage
Aus der „Feder“ der vier Präsidentinnen und Präsidenten des „ersten“ und zweiten ÖKT – im Wortlaut fast gleich-, wird die offene Frage nach Abendmahl und Eucharistie aufgegriffen und eingeordnet. Hier die Formulierung vom ersten ÖKT. „Zusammen mit dem Gemeinsamen Vorstand des Ökumenischen Kirchentages bitten wir darum, die in den Kirchen gültigen Regeln zu achten und in Bezug auf Eucharistie und Abendmahl in ökumenischer Sensibilität miteinander umzugehen.“[19]
Es ist auch in dieser Causa zu vermuten, dass es eine ähnliche Formulierung im „Vorwort“ zum 3. ÖKT geben wird.
8. Im Miteinander entfaltet sich ein Segen
Diese kirchlichen Großereignisse – egal, ob Deutscher Katholikentag, Deutscher Evangelischer Kirchentag oder Ökumenischer Kirchentag -, sind zu jeder Zeit ein
„Geschenk des Himmels“ für die Ökumene gewesen. Denn nur diese Ereignisse bilden in kompakter und repräsentativer Form die seltenen „Bewährungsorte“ für ein Zusammenspiel, in dem die verschiedenen auch alltags wirkenden Akteure der Ökumene einander begegnen und sich miteinander austauschen können: Repräsentant/ inen des Amtes, Vertreter/innen der Wissenschaft und Christen und Christinnen, die als getaufte Glieder ihrer Kirche ihre christliche Sendung leben.
9. Ökumene auf dem Katholikentag in Münster
Es liegt in der inneren Logik der Ökumene, dass das Miteinander der Ökumenischen Kirchentage in zunehmenden Maß sich fortschreibt in den auf sie folgenden Kirchen- und Katholikentagen. Hier zwei Projekte aus dem Programm des Katholikentag in Münster, 2018.
Ein Projekt, das Geschichte schrieb: Täuferbewegung
Projekthinweis:
Freitag, 13.00-13.30 Uhr Ökumenisches Versöhnungsgebet: Umkehr und Versöhnung unter den Täuferkäfigen. Heilung der Erinnerungen angesichts eines historischen Traumas.
Erläuterung:
Neben dem Friedenschluss des Dreißigjährigen Krieges 1648 verbinden Menschen mit Blick auf die drei Täuferkäfige, die noch heute am Turm der Lambertikirche hängen, wohl vor allem die Täuferherrschaft 1534-1535 mit der Geschichte Münsters. Fortan wurden die Nachfahren der Täuferbewegung vielfach unterschiedslos mit den blutigen Auseinandersetzungen in Münster identifiziert und damit in ihren Grundanliegen verkannt und verketzert. Erstmals stellten sich im Rahmen des Katholikentages am historischen Ort in Münster Vertreter/innen der täuferischen Freikirche der Mennoniten (aus den USA, den Niederlanden und aus Deutschland) und der römisch-katholischen sowie der evangelischen Kirche zu einem Buß- und Versöhnungsgottesdienst. Es ging um das wechselseitige Eingeständnis von Schuld, um die Reinigung der schmerzlichen Erinnerung und um die Bitte an Gott um Versöhnung mit ihm und untereinander. Es ging um das zukünftig gemeinsame christliche Zeugnis der Versöhnung und des Friedens in dieser Welt.
Ein Projekt, partizipativ, offener ökumenischer Dialog
Projekthinweis:
Samstag, 14.00-18.00 Uhr: Barcamp – Was ökumenisch dran ist. Ein Barcamp für mehr Leichtigkeit in der Ökumene.
Erläuterung:
Ein Barcamp ist ein offenes Format für Workshops oder Tagungen, bei der die Teilnehmenden selbst die Inhalte und den Ablauf bestimmen, sei es als Sessionsgeber/in oder als — mehr oder weniger aktive/r — Teilnehmer/in. In einer einleitenden Phase sammelt ein/e professionelle/r Moderator/ in im Plenum, welche Themen, Fragen, Impulse, Gesprächswünsche es gibt und wie sich das Interesse der Anwesenden verteilt. Entsprechend werden die Themen dann auf den Stundenplan und auf die Klassenräume (ggf. auch Sitzecken im Café o.ä.) verteilt. Ein Barcamp ermöglicht so einen unkomplizierten, flexiblen Austausch auf Augenhöhe, bei dem einige Themen im Vorhinein mit eingeladenen Expert/innen als Sessionsgeber/ innen gesetzt werden können und gleichzeitig viel Raum da ist, um die Fragen und die Expertise der Teilnehmer/ innen ernst zu nehmen. Das Sowohl-alsauch von vorgegebenen Themen und Themen, die spontan von den Teilnehmer/innen eingebracht werden, sind eine große Bereicherung: was für die Anwesenden „dran“ ist, ist auch „dran“ im Programm: z.B. Was wir alles ökumenisch vor Ort gemeinsam statt getrennt tun können (Gemeindebrief, Sozialbüro etc.).
10. In Planung: Der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt 2021
Dem Denken, dem Strukturieren, dem Planen, dem Praktizieren und dem abschließenden Reflextieren, bezogen auf den 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt, geht ein Vor–Wort voraus, das auch ein vorausweisendes Wort sein will, auch ein Basistext, der von den entsprechende Gremien im Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) und im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verfasst wurde.
Ursprünglich wollten die Vertreterinnen und Vertreter in diesen Gremien zurückgreifen auf das Grundlagenpapier, das für den 2. ÖKT formuliert wurde, und dass seinerseits wiederum vom Grundlagenpapier des 1. ÖKT inspiriert war. Schnell aber wurde klar, so einfach auf etwas zurückgreifen zu wollen geht nicht, passt auch nicht, weil die Ökumene bis hier ja schon acht weitere Jahre älter geworden ist. Hier zeigt sich praxisnah, was zu Beginn dieses Vortrages zum Vorwort gesagt worden ist: dass auf alte Vorworte nicht einfach zurückgegriffen werden kann. Neue müssen geschrieben werden, die das das Fortschreiten berücksichtigen, was dann auch geschehen ist.
Gemeinsame Hoffnung
Im II. Kapitel des teils neu formulierten zweiseitigen Textes (Vorwort zur Planung des 3. ÖKT) mit dem Obertitel „Grundlagen, Aufgaben und Ziele des 3. Ökumenischen Kirchentages in Frankfurt“[20] wird unter der Überschrift „Neue Schritte auf dem Weg zur Einheit gehen“ ausgeführt:
„Es gibt eine Vielfalt an ökumenischen Initiativen und Aktivitäten in unserem Land und weltweit. Der 3. Ökumenische Kirchentag bietet die Chance, auf dem Weg zur
sichtbaren Einheit aller Christinnen und Christen weitere entscheidende Schritte aufeinander zuzugehen. Dazu gehört, dass wir uns darüber verständigen, was wir meinen, wenn wir von der Einheit der Kirchen reden. Wir wollen das Gemeinsame betonen, aber das weiterhin Trennende auch nicht verschweigen.
Beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main werden wir gemeinsam leben und feiern, was an gemeinsamen Gottesdiensten, liturgischen Feiern und geistlichen Erfahrungen möglich ist. Wir wollen darüber hinaus neue Formen so entwickeln, diskutieren und praktizieren, dass sie über den Kirchentag hinaus Wirkung entfalten.
Wir sehnen uns danach, gemeinsam Abendmahl/Eucharistie feiern zu können. Deshalb werden wir mit ganzer Kraft bei der Vorbereitung, während der Tage in
Frankfurt am Main und nach dem Ökumenischen Kirchentag, in gestärkter Verbundenheit um die Möglichkeit eines gemeinsamen Abendmahls ringen.
Ökumenische Fortschritte sind möglich und dringend nötig. Wir müssen nicht begründen, was wir gemeinsam, sondern was wir noch getrennt tun. Der 3. Ökumenische Kirchentag soll Mut zeigen und will Mut machen.“[21]
11. Selbstverpflichtung
Das Instrument der Selbstverpflichtung in der Ökumene hat in den vergangenen Jahren zugenommen, wesentlich auch durch die „Charta oecumenica“ und die in ihr formulierten Einzelverpflichtungen, die wiederum konkret auf die lokalen Situationen und Bedürfnisse runtergebrochen wurden. Das Thema Selbstverpflichtung in der Ökumene wurde besonders akzentuiert durch den ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März 2017 in Hildesheim. Hier bekräftigten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und der Vorsitzende des Rates der EKD nochmals die Selbstverpflichtungen der Charta.
Mediale Öffentlichkeit und einprägsame (Fernsehbilder) Bilder sind wertvoll, aber sie sind kein Indikator für gelingende Schritte der Ökumene von innen her.
Der 3. ÖKT muss deshalb die Selbstverpflichtungen betreffend Rechenschaft geben über das bisher Erreichte und auch über das nicht Erreichte.
Der 3. ÖKT ist aber auch herausgefordert „weiter-zu–gehen“, um dem Fortschreiten der Ökumene Identität und Gesicht zu geben! In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, kann und muss der 3. ÖKT eine „Steigerung“ sein im Vergleich zum 2. ÖKT von München.
Für mich stehen da ganz vorne in der Liste der Selbstverpflichtungen:
Unter Punkt 5. „Miteinander beten“
Wir verpflichten uns,
- füreinander und für die christliche Einheit zu beten;
- die Gottesdienste und die weiteren Formen des geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen zu lernen;
- dem Ziel der eucharistischen Gemeinschaft entgegenzugehen.
Unter Punkt 6 „Dialoge fortsetzen“
Wir verpflichten uns,
- den Dialog zwischen unseren Kirchen auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen gewissenhaft und intensiv fortzusetzen sowie zu prüfen, was zu den Dialogergebnissen kirchenamtlich verbindlich erklärt werden kann und soll;
- bei Kontroversen, besonders wenn bei Fragen des Glaubens und der Ethik eine Spaltung droht, das Gespräch zu suchen und diese Fragen gemeinsam im Licht des Evangeliums zu erörtern
Unter Punkt 8 „Völker und Kulturen versöhnen“
Wir verpflichten uns,
- jeder Form von Nationalismus entgegenzutreten, die zur Unterdrückung anderer Völker und nationaler Minderheiten führt, und uns für gewaltfreie Lösungen einzusetzen;
- die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft zu fördern.
12. Eucharistie/Abendmahl und Erwartungen.
Auch auf dem Weg zum 3. Ökumenischen Kirchentag wird eine wachsende Einheit in gegenseitig bereichernder Vielfalt angestrebt.
Es ist weiterführend, auseinanderdriftende „Positionen“ und Erfahrungen miteinander ins Gespräch zu bringen, um so immer neu gemeinsam Ziele auf dem Weg der Ökumene in den Blick zu nehmen, damit man sich nicht in Unverbindlichkeit verliert oder Handlungsunfähigkeit manifestiert.
Unterschiedliche Positionen, die nicht neu sind, werden besonders mit Blick auf den 3. ÖKT schon im Vorfeld der Vorbereitung ins Wort gebracht:
- Manche vertrauen ihrer Überzeugung im Glauben und fordern die notwendigen Veränderungen kompromisslos morgen; Andere setzen in Geduld auf das oft mühsame Ringen (diplomatisch und der Stärke der Medien bewusst) um den theologischen Konsens und erwarten anschließend, also noch nicht absehbar, entsprechende kirchliche Konsequenzen.
- Viele interessiert Ökumene nicht mehr, weil theologische Differenzierungen nicht (mehr) als relevant wahrgenommen werden. Für Andere ist der Wille, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und die erhoffte Einheit mit der gemeinsamen Eucharistiefeier/dem Abendmahl zu besiegeln, der einzige Weg zum Ziel. Diese Erwartung wird gestärkt durch die schmerzlichen Erfahrungen z.B. in konfessionsverbindenden Ehen und Familien. Warum also nicht endlich (eigenverantwortlich) die notwendigen Schritte zur Einheit gehen?
- Der 3. ÖKT wird als eine Steigerung erwartet vom ersten gesteigert zum zweiten und vom zweiten gesteigert zum dritten. Und wenn der 3. ÖKT nicht das „gemeinsame Mahl“ hervorbringt, dann ist er eben keine Steigerung, sondern ein Scheitern (bevor er überhaupt begonnen hat) – so die Haltung nicht weniger, die in der Ökumene unterwegs sind.
- Manche verbinden im Vorfeld zum 3. ÖKT auch konkret katholische Anliegen mit dessen Gelingen und fordern z.B.: In Frankfurt 2021 müssen verbindliche Schritte gemacht werden zur Zulassung der Frauen zu allen Ämtern in der katholischen Kirche, die weit über das Bisherige hinausgehen, mindestens aber den „sakramentalen Diakonat der Frau“.
- Ebenfalls sollte der 3. ÖKT die synodalen Strukturen in der katholischen Kirche befördern, die Verteilung der Kirchensteuermittel durch die Laien ebenso wie auch die Abschaffung des Pflichtzölibates.
Noch über zwei Jahre dauert der Weg zum 3. ÖKT, auf dem absehbar ein Leitwort festgelegt werden wird, wir aber nicht einmal wissen, ob wir nicht weiter in Kriege hineingezogen werden, die Wirtschaft vielleicht massiv an Kraft verliert oder eine Katastrophe den Erdball erschüttert.
In diesen über zwei Jahren werden weit über 1000 Titel in unterschiedliche Formate gegossen werden, hunderte von Vortragenden eingeladen, und sicher auch tausende von Blechbläsern aktiviert.
Welches dann die brandaktuellen Themen sein werden, für die es auch beim 3. ÖKT „Platzhalter“ wieder geben wird, ist völlig unklar.
Das Thema „Abendmahl“ und „Eucharistie“ wird – wie auch immer – eine „hervorragende“, zumindest aber eine „herausragende“ Rolle beim 3. ÖKT einnehmen.
Impuls[22]
„Denn es ist bezeichnend, dass es sich in dem Wort des Herrn am Abend vor seinem Tod nicht um ein Gebot oder gar Befehl handelt, sondern um ein Gebet.
Ökumene ist kein kirchlicher Aktionismus, nicht kirchliche Diplomatie, auch nicht ein akademischer Dialog. Wenn Jesus darum betet, dass seine Jünger eins seien, so wie er und der Vater eins sind, dann können wir diese Einheit nicht machen. Wir können sie nicht programmieren, nicht organisieren und nicht nach unseren Vorstellungen und Wünschen ausdenken und konstruieren. Die Einheit kann uns nur als Frucht des Gebetes durch den Geist, den der Vater sendet, geschenkt werden.
In diesem Sinn ist Ökumene – kurz gefasst – Teilnahme am Gebet Jesu, und das Gebet um die Einheit ist der Königsweg der Ökumene.“
Anmerkungen:
1 Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag des Autors im Rahmen der ökumenischen Gastvorlesung in der WWU Münster, initiiert durch die Institutsdirektorin des Ökumenischen Instituts der Kath.-Theol. Fakultät Frau Professorin Dr. Dorothea Sattler. Hinweis: Alle reinen Zitate in meinem Vortrag sind Vorworten entnommen, teils aus Programmheften zu Kirchen- und Katholikentagen, teils aus der Fachliteratur oder anderen Publikation zum Thema Ökumene.
2 George Augustin. Die Seele der Ökumene. Patmos Verlag 2017, S. 139.
3 Arning/Wolf, S. 150.
4 Nürnberg, S. 223.
5 Ebd. S. 224.
6 Essen, S. 339.
7 Die Position eines Vorwortes wird deutlich in dem abgesetzten Schrifttypus und der den „einleitenden“ Zeilen folgende Zählung der Sinnabschnitte.
8 Zur Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) gehören die meisten orthodoxen, reformatorischen, anglikanischen, freikirchlichen und altkatholischen Kirchen in Europa. Im Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) sind die römisch-katholischen Bischofskonferenzen in Europa zusammengeschlossen.
9 Charta Öcumenica, Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, S. 1.
10 Ebd.
11 Vgl. ebd.
12 Ebd.
13 ÖKT, der noch nicht von den Veranstaltern, wohl aber schon vereinzelt in der Presse der 1. ÖKT genannt wurde.
14 Diese Formulierung legt der Satz in dem Willkommensgruß zum ÖKT auf S. 8 (Mitte) nahe: „(…) Programm, dass wir Ihnen auf 720 Seiten dieses Buches vorstellen.“
15 Ihr sollt ein Segen sein. Ökumenischer Kirchentag, Programm 3003, Willkommen, S. 8.
16 Ihr sollt ein Segen sein. Ökumenischer Kirchentag Berlin, Programm 2003, Willkommen, S. 9.
17 Damit ihr Hoffnung habt. 2. Ökumenischer Kirchentag München, Programm 2010., Willkommen, S. 9.
18 Damit ihr Hoffnung habt. 2. Ökumenischer Kirchentag München, Programm 2010., Willkommen, S. 10.
19 Ihr sollt ein Segen sein. Ökumenischer Kirchentag Berlin, Programm 2003, Willkommen, S, 10
20 Erarbeitet von den Präsidiumsdelegationen des DEKT und ZdK, verabschiedet vom Hauptausschuss des ZdK am 25.03.2018 und vom Präsidium des DEKT am 14.04.2018.
21 A. a. O.
22 Walter Kardinal Kasper, Vorwort in: George Augustin. Die Seele der Ökumene. Düsseldorf 2017, S. 7.