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Nur Kaiser Karl reicht nicht

Wo steckt in Aachen der musische Kern des Neuen, wo ist der Kessel in dem kultureller Wandel gären kann, wo ist die Leinwand auf der Zukunft ein Gesicht bekommt und wo sind die avantgardistischen Hände, die deren Vorboten malen, gestalten, komponieren, formen oder entwerfen? Solche Gedanken kommen einfach, ich bin kein Alt-68er, während ich durch „meine“ Stadt schlendere und mir vorstelle, was in Sachen Kultur so in 10 Jahren wohl los sein wird. „Sei getröstet, es ist doch gut, dass wir unseren alten Kaiser haben“, quillt es aus dem historischen Gemäuer. Ja, ja, unser Kaiser, Kultur hoch drei, der als geschichtskritisches Ruhekissen durch die Jahrhunderte immer wieder „herbeigenötigt“ wird.

Anderes hat da weniger Bestand: Das „Bauhaus“ ist tot, zu Grabe getragen in Schräglage, weil die Totengräber unterschiedlich zu groß oder zu klein waren und eine ausbaufähige Idee, wesentlich an Glasfassaden und nicht wirklich vermittelten Konzepten scheiterte. Nun steht vor den Toren der Stadt die „Route Charlemagne“, wo wird sie enden oder besser gefragt wird sie einen Verlauf durch Aachen nehmen, der nicht nur Vorhandenes verschiebt, sondern Neues aufdeckt? Wird es in Aachen „weiter gehen“ als nur von einem archäologischen Fenster (Klappergasse Ecke Jakobstr.) zum nächsten Handwerkermarkt?

Wo ist die Kraft zum Neuen, die über nur museale Stadtansichten hinaus zu An- und Einsichten in unserer Stadt führen kann, kontrovers, provokant, liebevoll, jung und unkonventionell, wo gibt es das?

Sollten wir da etwa von kulturellen Ereignissen der 1968iger Jahre in Aachen lernen können?

Oder macht der Aachener „Normalbürger“ weiter, wie auch damals, sein Bett auf dem Katschhof, zieht sich heran das Rathaus als Kopfkissen, des Domes Ampel als Nachtmütze und die Bebauung links und rechts als Decke, recht und schlecht zusammen gezogen, wärmt sie kulturell wie immer, wären da nicht die Füße. Die Füße, sie „bekommt man irgendwie immer nur kalt zu haben“, hier in Aachen, in der Kulturszene jenseits von Rathaus und Dom aber auch mitten drin. Hier fröstelt es immer irgendjemanden jenseits aus – probierter kultureller Wege.

Dagegen hilft vielleicht sich gegenseitig stärkend in den „wärmenden Mantel“ zu helfen: Stadt und Kirchen, Kulturmanager und Galerien, Kulturbetriebe und Ateliers, junge Künstler und alt Eingesessene, verrückte Idee aber auch „wie war das früher“ und das Ganze mit Freifläche zum Experiment.

Eine kulturelle Kältestarre in unserer Stadt würde eintreten wenn wir nicht mehr einander fragen: „Wo steckt in Aachen der musische Kern des Neuen, wo ist der Kessel in dem kultureller Wandel gären kann, wo ist die Leinwand auf der Zukunft …“ Denn eines müsste sich langsam überall rum gesprochen haben: Nur mit Karl zu kuscheln reicht nicht, denn selbst mit ihm kann man mal kalte Füße bekommen, er, der für das Neue stand.

Quelle: Aachener Zeitung, 17. April 2008
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