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Neun von zwölf blieben unten und glaubten

Zurückgelassen am Fuße des Berges setzten wir uns, etwas anderes blieb uns momentan auch nicht wirklich übrig, hatte Jesus doch unmissverständlich nur dem Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes erlaubt mit auf den Tabor zu steigen. Dieser Berg war uns vertraut, er gehörte in diese Landschaft, wie die Ölbäume auch, das weißbeigen Gestein, die kleinen Ortschaften und im Frühling die starken Farben der Blumen und Sträucher. Etwas Besonderes war hier also nicht zu erwarten!

Aber irgendwie fanden wir Neune es seltsam: Warum dieser Berg, warum jetzt, warum nur die Drei?

Langweile breitete sich aus, warten war nicht ihr Ding, außerdem ging die Sonne bald unter und sie hatten Hunger. Die Neun stimmten gerade darüber ab, ob sie nicht bis zum nächsten Ort vorgehen sollten, als sich ihr Meinungsfindungsprozess zu erübrigen begann, denn das Rascheln der Büsche kündigte die Rückkehr Jesu und seiner drei Begleiter an. Beruhigt und bereit nun endlich weiter zu gehen, drängte die „Zurückgelassenen„ nur eine Frage: „Und, was habt ihr da oben gemacht?“ Nach kurzem Schweigen meinte Jakobus: „Och, nichts Besonderes.“

Bis heute wissen wir nicht ob, und wenn ja wann alle Jünger, dieses Ereignis auf dem Tabor betreffend, in den gleichen Informationsstand versetzt wurden. Nur eines wissen wir, alle 12 Jünger folgten erst einmal gleichermaßen Jesus weiter. Der unterschiedliche Wissensstand der Jünger, ihre verschiedenen Erfahrungen und Einschätzungen hinderten sie also nicht daran, gemeinsam auf dem Weg mit Jesus zu bleiben. Ihr Interesse Jesus zu folgen hing offenbar nicht notwendig davon ab, ob  alle Beteiligten über ein gleiches Reflexionsniveau verfügten.

Heute erinnert an das Ereignis auf dem Berg Tabor die Kirche der Verklärung Jesu und in ihrem Apsismosaik sind neben dem Verklärten und den Repräsentanten des alten Bundes auch die drei „dabei gewesenen“ Jünger  abgebildet. Tja, dumm gelaufen, denn die neun anderen Jünger, die nicht dabei gewesen waren, finden auch hier keine Erwähnung.

Aber das war nicht immer so. Aus der byzantinischen Zeit ist in dem heutigen Ort Dabbutiyya am Fuße des Tabor eine Kirche belegt, deren Fundamente wohl noch als Bodendenkmal vorzufinden wären, die einzig den neun Jüngern geweiht war, die während der Verklärung Jesu nicht auf dem Tabor waren, den Jüngern also, die nicht auf den „Olymp“ der Erkenntnis mitgenommen wurden.

Wenn in der byzantinischen Zeit die Kirche, die der Verklärung Jesu geweiht war, in ihrer Ausstattung wohl kaum zu vergleichen gewesen sein dürfte mit der Kirche, die den Neun zurückgebliebenen gewidmet war, so war doch auch dieser Erinnerungsort den Menschen damals wichtig. Denn immerhin handelt es sich auch bei diesen „Zurückgebliebenen“ um Persönlichkeiten, die ihrem Glauben ihr Gesicht gegeben haben und so im Glauben andere bestärkten.

Ihnen einen Ort zu widmen bedeutet damals wie heute ihnen Anerkennung und Verehrung zu zollen, die sie eben nicht auf der Höhe der „Erkenntnis“ geglaubt haben, sondern in den „Niederungen“ des reinen Vertrauens.

Auf dem Berg zu stehen oder am Fuße desselben Berges zurückgelassen zu sein ist kein Konkurrenzmotiv, sondern das sind zwei Seiter der Selben Medaille die in Worten zum Ausdruck gebracht so lautet: Die Wege zu Gott sind so zahlreich wie es Menschen gibt.

Erschienen  in: Katholische SonntagsZeitung für Deutschland, 20. März 2011
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