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Mein Zelt

Leicht erschöpft nähert sich die Gruppe diesem schon längst erhofften Augenblick: Der führende Kopf hebt die Hand, der Tross kommt langsam zum Stehen und erfährt: „Hier können wir unsere Zelte aufschlagen“. Diese reduzierte Szene könnte blumiger einem Western entliehen sein, aber ebenso noch reduzierter der Episode „Familienurlaub mit Zelt“.

Zelte: In meinen Kindertagen, für die Länge eines Besuches im Garten bei Opa, standen sie für Freiheit, Garant für Urlaubsfeeling war sie mir nie, in Zeiten einer Bedrohung wirkten große Zelte auf mich wie Hinweise auf anstehende humane Katastrophen.

Rückblick: Mit Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen verloren Zelte zunehmend an Bedeutung. In Gegenden, in denen das (Halb-) Nomadentum fortbestand, behielten sie jedoch ihre Bedeutung, bis heute. Grundsätzlich aber hat das Zelt seine praktische Funktion, Lebensschutz, also die entferntere Kleidung des Menschen zu sein, an den umbauten Raum abgegeben.

Auch wenn aktuell kaum einer in unseren Breiten fragt, wo er sein Zelt (als schützende Bleibe) aufschlagen kann, oder davon träumt irgendwann mit seinem Zelt an „saftigeren Wiesen“ Platz zu finden, so haftet am Zelt noch immer etwas von dem Mythos der Freiheit losziehen zu können, das Zelt im Gepäck und ab ins Ungewissen um zu entdecken, erforschen und vielleicht auch ein bisschen erobern, immer aber um „wo“ anzukommen.

Wärend in früheren Zeiten das Zelt Haus war und somit Sicherheit gab, so ist es heute wortgewand ein anders „geartetes“ Zelt um uns herum, das Sicherheit gibt. Dieses Zelt ist mehr als Hütte oder Haus, es ist Vertrautheit in Gedankenwelten, Geborgenheit in Armen, Sicherheit in sozialer Abfederung, Verortung im Glauben und seiner Gemeinschaft und -unter weiterem- auch etwas die eigene Identität fördernd und schärfend.

Diese Zelte markiert den Innenraum um den Menschen herum, den ein Individuum in einer unfassbaren Welt benötigt. Ein Innenraum, Abgrenzung nach Außen und so identitätsstiftend, der signalisiert und vergegenständlich „wo“ angekommen zu sein.

Diese Zelte aber sind schwächer, fragiler und verletzlicher als die Welt um sie herum. Trotzdem ist es ein lebensnotwendiger Schutz, und verweist gleichzeitig auf die Fragilität dieses Schutzes.

Von einem Zelt Gottes spricht auch das Lied im Gotteslob: „Seht Gottes Zelt auf Erden! Verborgen ist er da; in menschlichen Gebärden bleibt er den Menschen nah.“ (Nr. 478 4. Strophe)

Auch Gott bedarf, er bedient sich seines „Drumherum“, um da sein zu können in ungewohnter, nicht vertrauter Umgebung, identisch aber in „menschlichen Gebärden“. Wie fragil diese Gegenwart Gottes, das Zelt um ihn herum ist, belegt die Geschichte nicht nur mit den Verbrechen in Kriegen.

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