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Mehr Ehrlichkeit gefragt

Dein Ja sei ein Ja und dein Nein sei ein Nein (Mt 5,37)! Wie schön wäre es, wenn das auch für die Worte unserer Politikerinnen und Politiker gelten würde.

Es ist mittlerweile nämlich unerträglich geworden, täglich solchen Sprüchen ausgesetzt zu sein wie: „Wir müssen den Rahmen schaffen für mehr Beschäftigung und Wachstum“.

Seit Jahren hören wir diese Leier von allen Parteien, gepaart mit Sparaufrufen. Das Wachstum aber dümpelt weiter kurz vor einer Rezession, die Zahl der Arbeitslosen steigt, und selbst der Kanzler, der sich messen lassen wollte an der sinkenden Arbeitslosigkeit, kokettiert schon mit seiner möglichen dritten Kandidatur.

Dass gespart werden muss, dürfte allen klar sein! So komponiert denn auch die große Politik auf Bundes- und Länderebene gleich täglich mehrere neuer Strophen ihrer Hymne an das Sparen.

Alle Reformvorschläge gleichen einer unendlichen Geschichte, vorgetragen auf dem Niveau „Deutschland sucht den Superstar“ und sie haben eines nur gemeinsam: Sie müssen als sozial, ausgewogen und somit gerecht verkauft werden, sonst würden sie das erste Casting schon nicht bestehen.

Da aber keiner unserer Politiker den Stuhl in seinem Parlament verlieren möchte, der auf den Brettern steht die ihre Welt bedeuten, schicken sie sich immer wieder an den selben Refrain zu zwitschern, wie sozial gerecht doch ihre Strophe vom Sparreigen eigentlich sei.

Angeblich sozial gerecht bedeutet aber bei vielen Sparvorschlägen, von allen Bürgern dasselbe nehmen zu wollen, ungeachtet dessen was sie besitzen. Eine Nullrunde bei den Renten bedeutet für den einen Rentner das 10 Cent Stück nun mindestens dreimal umdrehen zu müssen.

Andere Rentenempfänger lassen sich von ihrer nächsten Kreuzfahrt deswegen sicherlich nicht abschrecken. Studiengebühren werden von dem einen Studenten locker mit einer Pobacke aus Papas Brieftasche abgesessen, für den anderen bedeutet das, ein Studium kommt nicht mehr in Frage.

Andererseits: Ist es sozial gerecht, als arbeitsloser Akademiker eine Tätigkeit beim Grünflächenamt einer Stadt als unzumutbar abzulehnen, während andere Menschen – ohne je ein Studium absolviert zu haben – diese Arbeit über Jahre hinaus verrichten.

Ist es mit Blick auch auf die Zukunft unserer Gesellschaft sozial gerecht, nicht nur in den Bereichen der außerschulischen Jugendbildung zu streichen, sondern Kultur und Bildung allgemein als Streichpotenzial zu betrachten.

Wäre es nicht zukunftsweisender mit Blick auf unsere Kinder und jungen Erwachsenen, dem Grundkapital einer jeden Gesellschaft, sich auch die Frage zu stellen, wofür wollen wir sparen, und nicht nur woran müssen wir sparen.

Die Bürger und Bürgerinnen nur vordergründig gerecht zur Kasse zu bitten, um diffuse Löcher im Staatshaushalt zu stopfen, steigert weiteren Unwillen und fördert Schwarzarbeit und Steueramnesie.

Ein klares und verlässliches Ja für die Familien und unsere junge Generation, ein Ja zu Kultur, Bildung und Wissenschaft täte gut und dazu wäre auch ich bereit einen zusätzlichen Beitrag als Bürger zu leisten.

Wir brauchen auf den politischen Bühnen keine inszenierten, selbstverliebten Stars, wir brauchen Menschen deren Worte ehrlich sind, wegweisend, realitätsbewusst und verlässlich.

Quelle: Aachener Zeitung, 08.10.2003.
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