Geschwisterlicher Umgang und Teilhabe aller
Kommentar zu Leitlinie 6
Werden Christinnen und Christen auch zukünftig in Anerkennung und Achtung der je eigenen Identität, Berufung, Aufgabe und Funktion, einen realen geschwisterlichen Weg in unserem Bistum gehen, dann müssen die Beteiligten akzeptieren, dass nicht jedes einzelne Interesse und Motiv im Prozess der Weggemeinschaft gleichbedeutend ist.
Uns Christinnen und Christen eint das gemeinsame Bekenntnis zu Gott in Jesus Christus, der uns seinen heiligen Geist gesandt hat, aus dem heraus wir in gleicher Weise gerufen sind als seine Kirche zu handeln. Dieser Kirche dienen wir in unterschiedlichen Berufungen, Ämtern und Funktionen! Ein geschwisterlicher Weg kann in unserer Kirche nur dann wirklich gemeinsam gegangen werden, wenn Veränderungen, Schwerpunktsetzungen und die Verteilung der Ressourcen von allen Beteiligten überzeugend und solidarisch mitgetragen werden können. Solidarität bedarf einer soliden Übereinstimmung und darf nicht zum moralischen Druckmittel zur Geschwisterlichkeit degradiert werden. Praktisch-faktisch bedeutet das für den Prozess Bistumstag: Wer den Bistumstag und die eigene Teilnahme als Delegierte/r versteht als Partizipation im Sinne eines demokratischen, einklagbaren Rechtes der Mitsprache und Mitentscheidung bei zukünftigen Entscheidungen der Bistumsleitung, der irrt.
Wer andererseits genau dies den Teilnehmenden suggeriert oder die Offenlegung dieser Fehleinschätzung unterläßt, und so nicht deutlich macht, dass der Bistumstag nur eine den Bischof beratende Funktion hat, irrt ebenso.
Ich halte es daher für dringend notwendig, da überfällig, dass rational und emotional rückhaltlos auf allen Ebenen der Verantwortung eine gemeinsame Klärung ermöglicht wird, was unter den Begriffen Partizipation, Anteilhabe, geschwisterlicher Umgang, Beteiligung aller an Willensbildung und Entscheidungsprozessen, demokratische Prinzipien und Subsidiarität zu verstehen ist. Mangelnde Übereinstimmung in diesen Begriffen und somit Unklarheit ist die ständige potentielle Infektion, die Enttäuschung hervorbringt auf einem von allen gutgemeinten Weg.
Alle Glieder des Gottesvolkes sind gleichwertig aber als Funktionsträger in der Struktur unserer Kirche nicht gleich bedeutend (Vgl. Gemeinsame Synode, Die gemeinsame Verantwortung aller Glieder, 2,3). Das Miteinander von Laien und Priestern z.B. ist in diesem Prozess unklar und öffnet so den Raum für Verdächtigungen, dass einerseits von einigen Laien keine Priester gewollt scheinen und andererseits Priester die verantwortliche Beteiligung von Laien nicht wirklich befürworten. Wer aufgrund der eigenen Position dieses Konfliktpotential leugnet, hat den Ersten des Dreierschrittes, nämlich „sehen“ nicht ernst genug betrieben.
Wer im Träumen einer Kirche der Zukunft z.B. Partizipation gleichsetzt mit Entscheidungsfunktion, Anteilhabe versteht als Machtfaktor, geschwisterlichen Umgang deutet als ein demokratisches Abstimmungsverfahren, und Subsidiarität erhebt zur Lenkungsfunktion, der muss den Zweiten des Dreierschrittes korrigieren. Nur so kann der Dritte des Dreierschritts eine reale Handlungsperspektive sein, frei von Enttäuschung.
Geschwisterlichkeit, egal an welche Grenze sie stößt, bedarf der Klarheit, um wenigsten bis zu ihrer Grenze hin ernst genommen werden zu können. So werden in Zukunft Frustrationen und Enttäuschungen verhindert, und künftig Prozesse transparenter und frustrationsreduzierter.