Kompromisslos versuchte Clara Fey (1815 bis 1894), die Kinder in die Mitte der Gesellschaft zu holen, in der sie selbst Kind gewesen war. Die damalige Gesellschaft drängte viele „ihrer“ Kinder aus Profitgier in die Armut. Für Clara wurden diese Kinder zu ihrem Lebensmittelpunkt. Auf diese Kinder schauend wählte sie für sich eine Lebensform, die ermöglichte, die Kinder von den Rändern in die Mitte zu holen. Sie selbst hatte keine Kinder, gründete auch keine eigene Familie. Clara Fey gründete stattdessen die Gemeinschaft der Schwestern vom armen Kinde Jesus. Die gebürtige Aachenerin aus betuchtem katholischen Hause hätte ein behütetes und sorgenfreies Leben führen können – wären da nicht diese verwahrlosten und von jedweder Bildung ausgeschlossenen Kinder gewesen. Diesen Ausschluss legitimierte die damalige Gesellschaft mit der wachsenden Industrialisierung, die quasi als Kollateralschaden billige Arbeit, also auch Kinderarbeit, produzierte.
Das Antlitz Jesu sehen
Clara Fey agierte nicht politisch. Sie protestierte gegen einen Kapitalzuwachs auf Kosten der Kinder, indem sie sich der verwahrlosten Kinder einfach annahm. Die Motivation, so zu handeln, war ihre „Entdeckung“, in jedem dieser um ihre Kindheit beraubten Kinder das Antlitz des armen Kindes Jesus aus Bethlehem zu sehen. Das mag fromm klingen. Heute werden solche frommen Geschichten schnell in das Reich der Nostalgie abgeschoben, um dann ungetrübt den harten Realitäten, den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwängen wieder ins Auge zu schauen. Aber sei‘s drum: Solche Frömmigkeit hat etwas bewegt. Bis heute bewegen die Schwestern vom armen Kinde Jesus auf drei Kontinenten in Schulen, Kindergärten und Horten etwas für die ausgegrenzten Kinder. Sie sorgen für „Lebensmittel“ wie Nahrung, Bildung, Geborgenheit und Religion. Hunderte Ordensfrauen und Ordensmänner lassen sich bis heute anstecken von der Begeisterung für das Kind und entwickeln in ihren Gemeinschaften Kraft, Fantasie, Ausdauer, Kompetenzen und Netzwerke, um den Kindern ihren Platz in der Mitte ihrer Gesellschaften zu gewähren.
Von Menschen wie Clara Fey dürfen wir uns fragen lassen, wie wir auf die Kinder blicken, die eigenen, die der Flüchtlinge, die der sozial Schwachen – zum Beispiel, wenn es um die Fragen der Etatplanung von Kommunen und Städten geht. Wie haben wir die Kinder im Blick, wenn wir heute die Kirche für morgen gestalten? Sehen auch wir – in welchem Kind auch immer – das Gesicht des armen Kindes Jesus? Kinder machen sich gerne zum Mittelpunkt – aber wir, die Erwachsenen, müssen sie in die Mitte führen und ihnen die „Lebensmittel“ reichen.