Die erweiterte Krippe als Ort der Selbstreflexion, Gesellschaftskritik und der Entfaltung von Optionen zur Verbesserung von Lebensqualität
1. Hinführung
Erkenntnis in Kinderfrage:
Mama, letztes Jahr hat es doch keine einzige Flocke geschneit! Ja, das stimmt. Mama, wieso schenkt mir das Christkind dann einen Schlitten, obwohl es doch wissen müsste, dass kein Schnee fallen werde?
→ In dieser Kinderfrage steckt eine Kernfrage der Menschheit: „Was hat der Himmel mit der Erde zu tun, was Gott mit den Menschen, oder das Transzendente mit dem Immanenten, oder noch anders formuliert, das Heilige mit der Materie?
Die Antwort darauf: Siehe Weihnachten, die Antwort feiern wir heute!
→ In dieser Kinderfrage steckt aber auch eine große Weisheit, nämlich die Antwort auf die Frage, was hat Gott mit dem Schenken zu tun? Die Antwort lautet: Gott hat das Schenken erfunden! Mit dem Geschenk der Schöpfung erfand Gott das Schenken.
Aktuelle Geschenke
→ Und hier in dieser Kirche sitzen und stehen die Geschöpfe Gottes, ein Geschenk neben dem anderen, und mehr noch, jeder von Ihnen ist nicht nur ein konkretes Geschenk für einen anderen konkreten Menschen, sondern jeder von Ihnen ist selbst ein Schenkender. „Es ist sehr schön, dass hier diese Hütte (Kirche) voller Geschenke ist“!
→ Zugegeben, nicht alle Geschenke gefallen jedem in gleicher Weise, aber das entert nichts am Willen Gottes zu schenken.
Warum fällt Gott nicht vom Himmel
→ Krippe ist ein Bild der gemutmaßten Situation bei der Geburt Jesu. Ein romantisches, ein harmonisches Bild und das soll es auch sein dürfen, aber nicht nur….
→ Warum kommt Gott auf die Idee Mensch zu werden, und fällt nicht einfach vom Himmel, „plumps … und da liegt der 30 jährige Jesus“?
Weil Gott sich unserer Kommunikationsformen bedient, unserer Sprache, unserer Bilder und Symbole, damit wir seine Botschaft verstehen können. Spräche Gott seine Sprache, wir würden nichts verstehen, zeigte er uns seine Bilder, wir würden nichts sehen, böte er uns seine Symbole an, wir könnten sie nicht entfalten…Wie Kinder zur Welt kommen, dieses Faszinosum kennt der Mensch, das können wir „verstehen“. Deshalb lässt Gott seinen Sohn zur Welt kommen.
2. Krippe ist aber nicht nur ein Bild (festhalten einer Erinnerung)
Krippe ist wesentlich eine „Dar – Stellung“ (Situationen werden vor den Betrachter / die Betrachterin gestellt) der Lebensrealitäten der Menschen damals und heute:
→ Die Idee von der Krippe hatte der Hl. Franziskus.
1223 feierte Franziskus in einem Kloster in Italien (bei Greccio) in einem echten Stall, einer Felsgrotte mit Ochs und Esel und einer strohgefüllten Krippe die Geburt Jesu. Er wollte das Ereignis der Geburt nicht nur erzählen, sondern in Bildern darstellen, damit die Menschwerdung Gottes mit allen Sinnen (sehen, schmecken, riechen, fühlen, hören) erfahrbar wird.
Aber Franziskus verstand die Krippe nicht nur als ein frommes Standbild, nein sie war die „Dar – Stellung“ des Lebens der Menschen, in die hinein Gott Mensch wird!
3. Die Figuren in und um die Krippe herum sind auch symbolisch zu verstehen, denn sie stehen für die Lebenssituationen der Menschen.
→ Ochs und Esel mehrfach bedeutend
- Der Esel als ein demütiges, dienendes und gehsicheres Tier, steht als Sinnbild für die Aufopferung Christi.
- Der Ochse ist ein typisches Opfertier im jüdischen Kult. Christlich gedeutet ist der Ochs das Sinnbild für den Kreuzestod (die Passion) Christi.
- Ochs und Esel werden bei Jesaja 1,3 im Alten Testament schon erwähnt: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn“.
- In der frühchristlichen Literatur, wie in einer Weihnachtspredigt des Hl. Augustinus (4.Jh.), wurden Ochs und Esel als Sinnbilder der beiden Teile der christlichen Kirche gedeutet, aus denen die Kirche erwachsen ist, den Menschen (dem Volk) jüdischen Glaubens und den Heiden, sie stehen für alle anderen Völker und andersgläubige Menschen.
→ Weitere Darsteller auch im Umfeld
- Das Jesuskind steht für die Zerbrechlichkeit des Lebens.
- Josef steht für das Recht des Menschen auf (Selbst-) Verwirklichung.
- Maria steht für die Sehnsucht der Menschen nach Geborgenheit.
- Die Engel stehen für die Vermittelte Daseinsweise Gottes. Gott bedient sich immer eines „Sprachrohrs“ wie den Propheten, ganz normaler Menschen oder eben Engel, um sich Gehör zu verschaffen.
- Die Hirten stehen für die Menschen und Gruppen, die von Mehrheiten der Gesellschaft an ihren Rand verdrängst werden, da sie „allgemeiner“ Normen nicht entsprechen, fremd sind oder …
- Die Weisen aus dem Morgenland (Drei Könige) stehen für die Wissenden und Gebildeten ihrer Zeit.
- Die Wirtsleute, die die Hl. Familie nicht aufgenommen haben, stehen für all jene, denen Heimat, Bleiberecht … also die Lebensgrundlage verweigert wird.
- König Herodes steht für die, die Macht haben und den Machtmissbrauch in jeder Form.
- Kind, Eltern und Weisen, diese drei Generationen stehen miteinander für die Alter, das der Jugend, des Erwachsen, und des Alten.
So nimmt an der Krippe die Welt Platz, die große Welt, die wir oft kaum noch durchblicken, und unsere ganz persönlich kleine Welt um uns herum, beide Welten mit all ihrer Facetten stellt die Krippe dar.
4. Krippe ist Herausforderung
→ Herausforderung (Provokation) unser Leben erst einmal selbst in den Blick zu nehmen, das was uns antreibt, motiviert, neugierig macht, zufrieden sein lässt all die Wirkmechanismen in unserem Leben.
→ Darüber hinaus ist sie aber auch die Einladung unser Miteinander, wie wir mit den „Welten“ der Menschen um uns herum umgehen neu zu reflektieren und auf seine Berechtigung hin zu überprüfen.
→ So lassen wir uns selbst in die Krippe hineinnehmen, und betreten sie in gleicher Weise aktiv, um unseren aktuellen Platz in ihr, sprich unserem Leben und in unserer Gesellschaft neu zu „ent – decken“.
5. Krippe ist Ort der Kommunikation
- Krippe ist Gespräch zwischen den unterschiedlichen Menschen und deren verschiedenen Lebenssituationen.
- Krippe ist hinschauen, Achtsamkeit für die Lebenswelt der anderen, besonders der Schwächeren.
- Krippe verbindet Kulturen und Religionen wertschätzend.
- Krippe ist Bekenntnis zu den heimatlose Menschen, also einzustehen für Menschen die auf der Flucht sind da ihr Leben, ihre Lebensweise oder ihre Kultur bedroht sind.
- Krippe ist Platzhalter für den Respekt vor der Liebe und der Liebessehnsucht des Menschen und wie diese individuell gelebt wird.
- Krippe fordert Achtung vor den Lebensaltern, besonders vor dem des junge Menschen, damit er seinen eigenen Lebensweg finden kann und dem des Alten in Würde alt sein zu dürfen.
6. Krippe bleibend aktuell
- Krippe ist jedes Jahr neu (da jeder von uns ein Jahr älter) neu da um zum persönlichen Ereignis zu werden.
- Krippe ist Bild der Geburt Jesu die wir feiern und anhaltendes Ereignis vor dem wir in unseren Leben auch Verantwortung übernehmen müssen.
Deshalb ist „nach Weihnachten immer auch vor Weihnachten“ da das Ereignis Krippe nicht nach drei Tagen abgefrühstückt ist.
7. Das Heilige der Heiligen Nacht
→ Zwischen all diesen Lebensrealitäten, besonders in der Weise wie sie uns ansprechen, betroffen machen und bekümmern, berührt Gott den Menschen, und der Mensch darf Gott im Kind berühren.
→ Hier liegt die Antwort auf die Kernfrage der Menschen: Was hat der Himmel mit der Erde zu tun, was Gott mit den Menschen, oder das Transzendente mit dem Immanenten, oder noch anders formuliert, was hat das Heilige mit der Materie Welt zu tun? Gott wird Mensch! Alles andere wäre einfach zu kompliziert.
→ Darum hat in der Krippe auch eine Grundsehnsucht des Menschen seinen Platz, die zum Bild wird in der Sehnsucht nach einer stillen, nach einer heiligen Nacht, in der alles ruhen kann weil einer wacht, weil einer auf uns aufpasst, und wir so nicht tiefer fallen können als in die Hand Gottes.
Das Macht des Zauber der Krippe aus, der Glanz in den in dieser Krippennacht (Weihnachtsnacht) die Realität gehüllt ist, die der großen Welt, die wir oft nicht mehr analysieren können, und die unsere persönliche kleine Welt, in und über die wir täglich stolpern.
8. Lied zwischen trüber Realität und glänzender Sehnsucht
→ Das Lied „Stille Nacht Heilige Nacht…“ ist kein sentimentales Geblubber, sondern es bringt genau diese sehr bescheidene und vom Krieg gekennzeichnete Realität der Menschen damals zum Ausdruck, in mit uns Menschen heute die gleiche Sehnsucht teilen: Um die Lebenssituationen herum, besonders die beschissenen, etwas von diesem Heil zu spüren „… da ist einer der wacht…“
→ Die Situation in der das berühmteste Weihnachtslied der Welt entstanden ist.
- Josef Mohr: uneheliches Kind, ein Flüchtling in seiner „Heimat“ dem Land Salzburg vor den gutbürgerlichen Konventionen seiner Zeit.
- Zeitgeschichte: Napoleonisch Kriege, keine heile Welt, Krieg, Zerstörung
Unterdrückung, Vertreibung …Hier blüht die Sehnsucht nach Heimat, Frieden und Geborgenheit. - Im Weihnachtsgottesdienst am 24. Dezember 1818 wurde das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht von Franz Xaver Gruber (Gesang / Gitarrenbegleitung) und Joseph Mohr (Text) im Salzburger Land uraufgeführt. Dieses Lied traf die Realität der Menschen umgeben von Sehnsucht!
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Alles schläft. Einsam wacht
nur das traute heilige Paar.
Holder Knab’ im lockigem Haar.
Schlafe in himmlischer Ruh!
Schlafe in himmlischer Ruh!