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Jeder Tropfen zählt

Faxbox-Predigt zum 3. Fastensonntag 1996

Ein kleiner Junge trägt eine Schale in seinen Händen, vorsichtig, ja fast andächtig, als berge diese Schale den kostbarsten Schatz den dieser Junge besitzt.

Dieser Junge und sein Schatz sind der Blickfang des diesjährigen Misereor-Plakates zur Fastenaktion: „Jeder Tropfen zählt“.

Die Kostbarkeit, die das Gefäß umschließt, ist einfach nur Wasser, der Schatz des Jungen ist Wasser für den einen Tag. Für uns Europäer ist es nichts neues zu wissen, dass das Wasser für Menschen in wasserarmen Regionen unserer Erde einen besonders hohen Wert hat.

Wir wissen, dass z. B. in vielen Ländern Afrikas Wasser nicht nur knapp ist, sondern das ganze Landstriche dieses Kontinentes im wahrsten Sinne des Wortes ausgetrocknet sind. Als informierte Bürgerinnen und Bürger ist es uns bekannt, dass andere Erdenbewohner oft kilometerweit gehen müssen, um eine Wasserstelle zu finden, und beschämt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass immer noch Menschen in dieser Welt verdursten und verhungern. Eine beachtliche Zahl von Menschen auch aus Deutschland haben in der Vergangenheit auf diese Not unserer Mitmenschen reagiert durch Geldspenden und andere Menschen motiviert zur Mithilfe. Möge dieses Engagement nicht nachlassen!

Doch lassen uns in den vergangenen Tagen wieder Berichte aufhorchen, die fast beiläufig, neben den großen oft verheerenden Tagesschlagzeilen, der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Kopfgeldjäger wieder aktiv!
Mit der Wiederaufnahme der Kopfgeldjagt will ein Stamm im Norden der Philippinen auf den Bau eines Staudamms in seinem Territorium reagieren. Denn durch den Bau des Staudammes müssten mehrere Tausend des siebentausend Menschen zählenden Stammes ihr Land verlassen.

Zwei südindische Bundesstaaten im Streit um das Wasser.
Nur nach massivem Druck der indischen Bundesregierung in Neu Delhi öffnete der Bundesstaat Kornataka die Schleusen seiner Stauseen um Wasser für die verdorrten Erntefelder des Nachbarstaates freizugeben. Der Mangel an Wasser und die Besitzergreifung von Wasserresourcen durch einzelne Staaten oder Interessen einzelner Gruppen werden weltweit immer häufiger zum Grund von Protesten und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Wasser wird zunehmend zum umkämpften Schatz. Der Kampf um das Wasser ist für viele Menschen der Kampf ums Überleben.

Hilft hier das Wort Jesu aus dem heutigen Evangelium weiter, der am Jakobsbrunnen fast lapidar über dieses lebensnotwendige Brunnenwasser sagt: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen!“

Welchem der verdurstenden Menschen unserer Tage hilft das weiterführende Wort Jesu: „Das Wasser das ich gebe, ist das Wasser ewigen Lebens“.

Klingt das nicht nach einem oberflächlichen und somit schwachen Trost, der auf das jenseitige Heil verweist und die konkrete Not der Menschen damals wie heute zu missachten scheint? Doch wenn wir in diesen Worten Jesu eine schnelle Antwort suchen auf die Wasserknappheit in anderen Ländern und die damit verbundene Überlebensnot vieler Menschen werden wir dieser Botschaft Jesu nicht gerecht.

Schauen wir genauer auf die Szene am Jakobsbrunnen:
Jesus selbst bittet die fremde Frau am Jakobsbrunnen, die ein Schöpfgefäß in ihren Händen hält, um Hilfe: Gib du mir bitte zu trinken, spricht er die fremde Frau an. Jesus war den ganzen Tag mit seinen Jüngern unterwegs. Jetzt sitzt er erschöpft am Brunnen während seine Jünger etwas zum Essen besorgen. Jesus hat einfach Durst aber er bittet diese Frau nicht um das Recht Wasser nehmen zu dürfen, sondern er bittet um Unterstützung damit er an das Brunnenwasser, das allen gehört, überhaupt dran kommt. Jesus braucht das alltägliche Trinkwasser wie jeder andere Mensch damals wie heute auch.

Diese ganz persönliche Bitte Jesu wird heute da zu einer universalen Aufforderung, wo Menschen Durst erleiden. Die Bitte des durstigen Jesu ist heute der Hilfeschrei durstender Menschen an die, die die Macht haben, Wasser zu verteilen, Brunnen zu bauen, Schleusen zu öffnen. Es ist der Hilfeschrei der durstigen Menschen an die Industrienationen, das Weltklima nicht zu verschmutzen und so zu verändern, dass Niederschläge sich verringern und die wasserlosen Regionen sich deswegen ausweiten.

Es ist der Hilfeschrei der durstigen Menschen an die westliche Welt, menschliche und technische Hilfe ausreichend zur Verfügung zu stellen, um Wasserresourcen zu gewinnen und zu sichern. Es ist die Bitte der durstigen Menschen, an die Menschen, die keinen Durst mehr kennen, im Wasser den Schatz menschlichen Überlebens zu erkennen.

Doch dieser bittende Jesus, der die Hände nach dem ausstreckt, was allen Menschen gemeinsam gehört und was nie in Privatbesitz sein darf, nämlich Wasser, ist gleichzeitig der schenkende Christus! Christus schenkt denen, die ihn bitten etwas, was nicht zu den natürlichen Resourcen dieser Welt gehört, ein Leben das keinen Durst mehr kennt. Christus ist die Quelle der Zukunft, in der der immer neue Durst nach Leben endgültig gestillt ist. Christus ist die Quelle ewigen Lebens, ein Angebot, dessen Tragweite nur der im Glauben bittende Mensch erahnen kann.

Der Jakobsbrunnen birgt wie jeder andere Brunnen dieser Welt quellendes Wasser, das wir Menschen zum Leben brauchen. Jesus Christus ist die einmalige Quelle, die wir Menschen brauchen, um dieses Leben zu überleben. Der konkrete Aufruf Jesu Christi an uns Christinnen und Christen lautet: Gebt den Menschen, die Durst haben, das alltägliche Wasser, damit sie leben können und gebt den Menschen, die getrunken haben, mein Wort, damit sie in der Annahme meines Wortes, das Geschenk des Überlebens erleben.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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