Liebe Leserin, lieber Leser, wie geht es Ihnen? Diese Frage will nicht nett sein, sondern bezieht sich ernsthaft auf Ihre Gesundheit, allerdings nicht aus medizinischer, sondern aus spiritueller Perspektive. Genauer gesagt geht es um die Frage, ob Sie für Jesus, den Arzt, interessant sind. Üblicherweise wird ja gefragt, ob Jesus für eine Person von Interesse ist. Hier wird die Frage mal umgekehrt gestellt.
Grund dieser Frage ist diese Aussage Jesu im Lukasevangelium: „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,10). Der Evangelist Markus überliefert diese Kernbotschaft Jesu so: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mk 2,17).
Sündige und verlorene Menschen haben im Neuen Testament oft einen Namen, so Zachäus der Sünder oder Lazarus der Lebenverlierer. Manchmal werden sie auch – auf ihre Krankheit bezogen – als Aussätzige oder Lahme bezeichnet.
Wir sind Hörer dieser Botschaft und somit gefragt, inwieweit wir selbst von dem Engagement Jesu betroffen sind. Allgemein geantwortet sind wir im Hinblick auf den Sohn Gottes alle Sünder und benötigen ihn als Arzt. Aber das ist mir zu unpersönlich, zumal Jesus konstatiert, dass es Menschen gibt, die nicht verloren sind, beziehungsweise die gerecht sind, und diese bräuchten keinen Arzt.
Deswegen hilft es, diese Kernbotschaft klar auf sich selbst zu beziehen, um Antwort zu finden auf die Frage, warum Jesus an mir Interesse haben könnte. Das ist ähnlich wie bei einer allgemeinen Kontrolluntersuchung beim Arzt, bei der in der Regel nicht festgestellt wird, dass ein Mensch komplett krank ist, sondern dass er auch krank ist, also nicht ganz gesund.
Verstecken wir uns somit nicht hinter einer geschunkelten „Wir sind ja alle kleine Sünderlein“-Antwort, sondern nehmen wir uns selbst ernst und schauen genau hin, wo wir bewusst etwas falsch gemacht, theologisch gesprochen: wo wir gesündigt haben gegen Gott und den Mitmenschen. Jeder sollte genau hinschauen, ob er die Lebensqualität anderer oder sogar die eigene verletzt hat, ob er andere ausgegrenzt hat oder in seinem Handeln gelähmt war.
Hier kann ein sich selbst reflektierendes Gespräch mit einem kritischen Gegenüber helfen. Oder ebenfalls ein gemeinschaftliches Diskutieren biblischer Texte, in denen es um Ungerechtigkeit, Egoismus und Ausgrenzung geht, oder die Meditation der Werke der Barmherzigkeit, wie sie im „Gotteslob“ unter der Nummer 29,3 beschrieben sind.
Übrigens: Eine klassische „Medizin“ ist die „Umkehr“, zu der im Gotteslob (Nr. 593) eingeladen wird und die in ein Beichtgespräch münden könnte. Also: Wie geht es Ihnen wirklich?