Wie konnte das gelingen? Wieso reichte die Kleinigkeit von fünf Gerstenbroten und zwei Fischen eines kleinen Jungen aus, um so viele hungrige Menschen zu sättigen. Begann die große Menschenmenge, die sich um Jesus versammelt hatte, doch plötzlich in ihren Taschen zu suchen mit dem Erfolg, dass die gefundenen und verteilten Brotkrusten eines Jeden auch den sättigten, der wirklich nichts dabei hatte? Oder bleibt die Brotvermehrung doch ein Geheimnis, ein Wunder? Unbezweifelt ist die einmalige Wirkfähigkeit Jesu Christi, und sie lässt sich nicht auf das reduzieren, was sich der Mensch vorstellen kann.
Die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Ereignis aber bringt uns nicht wirklich weiter, wenn wir daran interessiert sind, was dieses Evangelium für unseren Glauben heute bedeuten kann. Daher zurück zum Evangelium: Die Menschenmenge, die Jesus begleitete, hatte Hunger. „Gebt ihr ihnen zu essen“ so die Aufforderung Jesu. Die prompte Reaktion der Jünger: „Wie sollen wir so viele Menschen sättigen, nicht einmal 200 Denare würden ausreichen“ Wie lächerlich muss da der Hinweis auf diesen kleinen Jungen und seine Tagesration für seine Familie geklungen haben! Fünf Brote und zwei Fische, das reicht schon gar nicht. Alles scheint einfach zu wenig zu sein.
Eine solche Prognose hören wir besonders in unseren Tagen immer häufiger. Es reicht nicht, es ist zuwenig, das langt doch nie und nimmer. Viele Menschen in unsere Gesellschaft beginnen den Tag mit der Einstellung: Was ich habe, was ich einem anderen Menschen geben kann, und was ich bin, es ist immer zu wenig.
Bezogen auf die Entwicklung unserer Sozialsysteme haben besonders geringer verdienende Menschen mit Kindern die berechtigte Sorge, irgendwann reicht es wirklich nicht mehr aus, der Lebensunterhalt steht auf der Kippe. Diese Ängste will ich nicht klein reden. Auch kirchliche Einrichtungen müssen erkennen, dass spätestens mit dem Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform die Mittel nicht mehr reichen, um all die Dienste zu finanzieren, die die Kirche bisher in unserer Gesellschaft geleistet hat. Mit Blick auf den uns bisher vertrauten Lebensstandard reichen die Mittel des Gemeinwohls eben nicht mehr aus. Wir werden unsere Erwartungen korrigieren müssen und teilweise tiefer in die Taschen greifen. Zukünftig wird es noch mehr soziale Verlierer in unserer Gesellschaft geben. Das ist eine neue Herausforderung in Sachen Solidarität, besonders für die besser Gestellten unserer Gesellschaft.
Doch im Evangelium geht es nicht primär darum, die großen Probleme der damaligen Zeit zu lösen, sondern es geht um eine „Kleinigkeit“, Menschen etwas zu essen zu geben. Kleinigkeiten reichen immer aus. Zum Beispiel die Kleinigkeit, einem anderen Menschen einen Gefallen zu tun, die Kleinigkeit einer „unnützen“ Freude. Eine ältere Dame – sie hat einen Krieg erlebt, Zerstörung, Wiederaufbau, Wirtschaftswachstum, Ölkrise, eine ständig sich wandelnde Welt – erzählte mir: „Wissen Sie, ich habe nie viel gehabt, aber immer wieder verloren. In der Straße, in der ich wohne, werfe ich manchmal Nachbarn einen Riegel Schokolade in den Briefkasten mit einem lieben Gruß. Irgendwann sprechen sie mich dann an und sagen: Das habe ich noch nicht erlebt, aber ich habe mich sehr gefreut.“
Antwort: Ist nur ’ne Kleinigkeit. „Seitdem gehen wir nicht mehr schweigend aneinander vorbei“ so ihre Anmerkung. Kleinigkeiten: Fünf Brote, zwei Fische und ein Schokoriegel reichen auch heute nicht aus, die anstehenden Probleme zu lösen, sie reichen jedoch weiter, sie reichen zum Menschen!