Nein, ein „Gutmensch“ war ich nicht, sondern Geld für’s Studium zu verdienen war angesagt und da kam der Job im Altenheim gerade recht. Betten beziehen, Essen anreichen, leichte Pflegedienste, meine Tätigkeiten auf der „letzten Station“, wie wir Hilfskräfte diese Bettenansammlung auf der S3 unromantisch nannten. Für „Oma“, sie freute sich so genannt zu werden, war diese, wie für alle anderen hier auch, wirklich die letzte Station.
„Oma“ lächelte, wenn ich kam. Sie lag fest im Bett, Dekubitus und so, da ging fast nichts mehr, nur die Augen und die Stimme waren noch relativ klar. Sie sang immer wieder und immer das gleiche: “Ännchen von Tharau“. Nicht meine Musikrichtung, aber „Oma“ zu liebe summte ich mit. Total unvermittelt brach sie wieder einmal ab und hauchte kaum hörbar: „Ich habe immer aufgetragen, immer nur aufgetragen.“ Dann kam das “Ännchen von Tharau“ wieder. Von der Pflegedienstleitung wusste ich, dass „Oma“ schon als junges Mädchen Haushaltshilfe war und dann bis ins hohe Alter in der Gastronomie arbeiten musste, um über die Runden zu kommen.
„Oma“ döst auch bei der Pflege immer mal wieder ein, aber dann kam so ein wacher Moment und sie hauchte lächelnd: „Aber nun trägst du für mich auf, du nur für mich“. Fast stammelnd bestätigte ich: „Ja, Oma, jetzt bediene ich dich!“
Und mit zittriger Stimme sang sie: „…Ännchen von Tharau ist’s die mir gefällt …“ Hat dieses Lied eigentlich nur eine Strophe? Egal, am nächsten Tag war Omas Bett leer und das „Ännchen von Tharau“ stumm.
Schriftstelle: Mk 10, 35-45