„Not lehrt beten“ – eine stille Erfahrung, die zur Redensart wurde. Gerade mit den Erfahrungen von Krieg in Europa, von Flutkatastrophen, Erdbeben, Feuersbrünsten und Inflation wird die Not von Menschen öffentlich zur Geburtshelferin eines ähnlichen Satzes „Not lehrt helfen.“
Die Not wird zu einer Lehrerin. Doch was ist diese uns belehrende Not? Die jüngsten katastrophalen Überschwemmungen z. B. in Italien, aber auch im Ahrtal und in der Eifel haben Menschen in diesen Regionen in Not versetzt, doch nicht bei allen Betroffenen war die Not die gleiche. Ohne Not schmälern zu wollen, so ist sie doch differenziert wahrzunehmen.
Gerade die für alle offensichtliche Not, wie der Verlust eines Menschen oder eines Wohnhauses durch eine Flutwelle, bitte, mit nichts möchte ich diese Not schmälern, birgt auch die Gefahr „kleinere“ oder unscheinbarere Nöte zu übersehen oder zu relativieren, die für Betroffene aber auch Katastrophen sind.
Die unterschiedliche Wahrnehmung von Not und ihr subjektives Erleben erfordert auf genau auf jede Notsituation zu schauen, unabhängig ob sie viele oder nur einen Menschen betrifft.
Neben Notsituationen, die durch große Katastrophen entstehen, begegnen uns täglich „kleine“ Notsituationen, auf die wir oft „routiniert“ reagieren.
Einen Euro in die Mütze geworfen, ein Getränk neben den Joghurt-Becher mit Kupfergeld gestellt, ein belegtes Brötchen hingehalten und wenn ein Hund mit zum Ensemble gehörte, dann noch 50 Cent extra für Hundekuchen. Andere gehen zumindest äußerlich unbeteiligt an bettelnden Menschen vorbei, manche weil sie wissen, dass es ja in den Städten soziale Einrichtung gibt, die beispielsweise nicht Sesshafte drei Mal täglich mit einem Essen versorgen, und oft auch ein Nachtlager anbietet. Welche Hilfe lehrt diese Not?
Eine Erinnerung. Ein alter Mann so um die 75 / 80 sitzt inmitten einer Fußgängerzone angelehnt an einen Poller mit geöffneten auf den Knieen liegenden Händen. Der Mann trägt einen grauen etwas schmuddeligen Anzug mit breitem Revers, ein verwaschenes weißes Hemd mit einer kundig gebundenen Krawatte. Er sitzt da, den Kopf geneigt. Will er den Passanten so erzählen daß es ihm früher besser ging und er unglücklich in Not geraten ist, oder ist der Anzug aus längst vergangenen Zeiten eine äußere Wertschätzung besonders für den Vorübergehenden, der ihm etwas in die Hand gibt.
Ich hätte fragen können was ihm hilft, aber ich war in „Eile“. Schon die Frage zu stellen „was hilft Ihnen“ ist wertschätzend.
Zu helfen bedarf eben auch der Interpretation und der Einordnung der Not, der Einschätzung der eigenen Kräfte und ein nicht in Eile sein.
Einfach zu helfen ist oft nicht einfach, aber eine Ausprägung des Menschlichen.