Fünf Wochen erzählte diese Seite vom Pilgern, konkret vom Bei-sich-Ankommen, vom anderen Ort und vom Auf-dem-Weg-Sein sowie von Berührung in Erinnerung und Heiligtümer quer gesucht. Nun geht es um die Heiligtümer vor Ort, Aachen, Kornelimünster und Mönchengladbach.
Diese biblischen Zeugen – Windel und Lendentuch Jesu, das Marienkleid und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers in Aachen, Schürztuch, Grabtuch und Schweißtuch Jesu in Kornelimünster sowie das Abendmahlstuch in Mönchengladbach – sind die Requisiten der Inszenierung des Lebens, Leidens und der Auferstehung Jesu, auf der Bühne unserer Vorstellungen und Sinne.
Die Heiligtümer anschauend sind wir nicht mehr nur passive Zuschauer.
Wir werden von ihnen mitgenommen auf die Bühne, als Akteure in das die Heiligtümer vergegenwärtigende Ereignis hinein, um mit den entsprechenden Heiligtümern Anteil zu haben an den Akten der Wirklichkeit Christi. Dabeisein geht aber nur dann, wenn mit den Sinnen die Szenen erschlossen werden.
Mit dem Kleid Mariens und der Windel Jesu können wir die Einfachheit des Ortes der Geburt Jesu sehen. Wir können das Stroh riechen, die Tiere, die Menschen, den Duft einer kleinen Stadt. An unserer Haut vorbei streift die warme Luft und mit den Händen spüren wir die kleinen Falten des Kindes. Wir hören Stimmen, Lieder und seltsame Geräusche. Die Zunge ist eher unentschieden, kein eindeutiger Geschmack.
Mit den Heiligtümern wahrnehmen ist mehr als Annäherung, da die Sinne uns zu Zeitzeugen machen. Als Zeitzeugen aber nicht dokumentierend, sondern nach-haltig emotional. So eingestiegen in die Szenen auf der Bühne wächst in uns ein Gefühl, werden wir empathisch. Wir sind nicht Zeugen des Ereignisses sondern Mitfühlende.
Die waren schon da,
damals.
Ich jetzt, im Schatten
des Leibes der Heiligen,
angezogen, streichle Haut,
verliere mich.
Erinnerung weckt auf,
entkleidet,
Realität aufersteht
in jedem Menschen
zur Verneigung,
der bekennt:
Gott legt
seinen Leib
der Welt
als Mantel um.
Mit dem Abendmahlstuch stehen wir auf der Bühne etwas abseits, mittig ist der Jüngerkreis mit Jesus. Ihre Körper senden unterschiedliche Botschaften aus, mit den Augen wahrnehmbar. Es riecht nach gut gewürztem Essen, aber auch Schweiß liegt in der Luft. Der leichte rote Wein schmeckt fruchtig auf der Zunge, ein säuselnder Luftzug spielt auf der Haut, ist da jemand gegangen? Erst gehen die Stimmen alle durcheinander, dann wird es still, Jesu Worte füllen den Raum. Spannung liegt in der Luft. Wortfetzen dringen über die Tischgemeinschaft hinaus: „Nehmt, das bin ich, mein Fleisch und mein Blut, mein Bei-euch-Bleiben, euer In-Gott-Sein, ihr in mir …“