An diesem Tag steht im Mittelpunkt der Feier unseres Glaubens und im Mittelpunkt des ganzen Tages die lebendige Erinnerung an das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat. Doch dieses Abendmahl, so wie Jesus es damals erfahrbar werden ließ, ist nicht nur das Erleben eines Augenblickes im Jetzt. Dieser Augenblick, in dem Jesus Brot und Wein teilt, verdichtet Geschichte, Gegenwart und Zukunft in einer einmaligen Weise zu einem Augenblick zwischen Gott und den Menschen. Zu einem Augenblick von Zeit und Ewigkeit. Zu einem Augenblick, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbindet.
Lebendige Erinnerung
Warum feierte das alte Volk Israel das Passah-Mahl? Die Männer und Frauen des ersten Bundes, so berichtet das Alte Testament, erinnerten sich in diesem Mahl an die Geschichte ihres Gottes mit ihnen. Aus ihrer Sicht ist diese Geschichte letztendlich eine Geschichte der Gegenwart Gottes, der Treue Gottes und der Befreiung durch Gott. Diese Befreiung durch Gott findet in der Geschichte Israels seinen tiefsten Ausdruck in dem Auszug aus Ägypten durch das Rote Meer. Das Volk Israel sieht seiner Befreiung aus Ägypten, aus Gefangenschaft und Heimatlosigkeit entgegen. Gott führt sein Volk in ein neues Land. Ein Land der Freiheit, eine neue Heimat (siehe im Alten Testament das Buch Exodus 12 ff).
Lebendige Gegenwart
Jesus knüpft an das Passah-Mahl des ersten Bundes an. In ihm setzt sich das befreiende Handeln Gottes fort. Jesus vertraut sich seinen Jüngern an: Ich bin jetzt noch bei Euch. Aber ich muß meinen Weg weitergehen. Dieser Weg führt mich in den Tod. Es ist ein einsamer Weg, den mein himmlischer Vater in mir geht, damit die Welt befreit wird von der Allmacht des Todes. Darum laßt uns dieses Mahl jetzt feiern: Das Mahl der Erinnerung an das Liebesangebot Gottes. Das Mahl der Gegenwart des Liebesangebots Gottes. Das Mahl der Zukunft des Liebesangebots Gottes. Nehmt Brot und Wein, teilt untereinander, das ist mein Leben für euch, mein Leben ist eure Befreiung. Feiert dieses Mahl in eurem Leben. So bleibt ihr nie allein. Ich bin zwischen euch alle Tage. Denkt an mich! (Siehe 1. Korinther 11.23-26)
Gegenwart lebendig
Die Gegenwart des Abendmahls, so wie Jesus es damals gedeutet und gefeiert hat, bleibt Gegenwart im lebendigen Jetzt, der Feier des Sicherinnerns. Alle Befreiungsgeschichte Gottes mit den Menschen verdichtet sich in die Aktualität unseres Jetzt, da, wo wir sein „Gedächtnis“ feiern, wo wir zur Eucharistie versammelt sind und Brot und Wein miteinander teilen und so ihn sich uns mitteilen lassen! Doch der Befreiungswille Gottes greift in jedem Augenblick des gefeierten Mahls über diesen Augenblick hinaus in die Zukunft. Die Befreiung des Menschen durch Gott umgreift alle Realität: Das Gestern, die Gegenwart und die Zukunft. Die Befreiung des Menschen durch Gott hat ein Ziel: Das grenzen- und zeitlose Leben der Menschen in Gott.
Noch auf etwas anderes dieses besonderen Tages möchte ich aufmerksam machen. Die Feier des Gründonnerstags-Gottesdienstes endet ganz ungewöhnlich, nämlich in Stille. Kein Lied, kein Orgelspiel, einfach nur Stille. Diese Stille führt hinein in den Karfreitag, die Totenstille des Sterbens Jesu. Es ist die Stille, die dem Verrat folgt!