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Glauben heute für morgen anschlussfähig machen

Die Bedeutung der biographisch gelegten und später erlebten Anknüpfungspunkte in der Glaubensvermittlung

Weitergabe des Glaubens, wie geht das?

Diese Frage ist Thema, seit es Glauben gibt! Diese Fragestellung auf das Christentum bezogen ist so alt, wie das Christentum selbst.
Schon der Apostel Paulus stellt fest: „Der Glaube kommt vom hören…“ (vgl. Röm 10, 17), und konstatiert damit, dass der Glaube beim Menschen nur dann ankommen kann, wenn ihm voraus eine Handlung gesetzt wird, hier das Sprechen vom Glauben. Darum geht es im Kern der Frage nach der Weitergabe, vom Glauben so sprechen, das der Hörende darauf zurückkommt, -kommen kann, -kommen will.

Alles, was das Thema Weitergabe des Glaubens allgemein betrifft, ist in der Theologie reflektiert, in der Pastoraltheologie in ungezählte theoretischen Modelle umgesetzt, von der Missionswissenschaft in allen Kulturkreisen in den Blick genommen und in der Pastoralpsychologie auf jede menschliche Regung bezogen. All diese Anstrengungen füllen Kilometer lange Bücherregale und verschlingen Unmengen an Gigabytes.

Das Thema Weitergabe des Glaubens ist direkt im Gespräch oder indirekt in der unausgesprochenen Sorge ein Dauerthema in den Kreisen des Christlichen weltweit, und keiner Sprache dieser Welt, wie unbekannt sie auch immer sein mag, ist dieses Thema (ggf. auch deren Verhinderung) fremd. 

Einen neuen Artikel zu diesem Thema braucht die Welt also nicht wirklich. Denn weckt er nicht doch nur die Hoffnung, eventuell zu diesem Thema absolut Neues, noch nie dagewesenes präsentiert zu bekommen, also die Rezeptur der Alchemie, zwar nicht wie im Mittelalter bezogen auf die Frage, wie man aus alltäglichen Materialien Gold machen kann, sondern heute bezogen auf die Frage, wie man aus alltäglichem Leben Glaubensleben machen kann?

„Misslungene“ Weitergabe des Glaubens stresst!

Also, erwarten Sie hier bitte keine neuen Konzepte. Ein entlastendes Hinschauen auf die Frage nach der Glaubensvermittlung möchte ich Ihnen hier aber schon anbieten, auf dem Hintergrund konkreter Wahrnehmungen. Denn Glaubensvermittlung oder genauer das Misslingen der Glaubens vermittlung macht vielen hoch engagierten Christinnen und Christen, ob hauptamtlich oder ehrenamtlich unterwegs, Stress.

Deutlich wird die Stressfähigkeit neuzeitlich missglückter Glaubensvermittlung einerseits an der oben erwähnten Fülle der neuen Titel in den Regalen des Buchhandels, die sich immer wieder neu, und aus ungezählten Perspektiven diesem Thema widmen, und eigentlich nur vorhanden sind, weil es einen (verzweifelten) Markt für sie gibt.

Andererseits höre ich immer wieder aus der Generation der heute über 50-jährigen, dass sie ihren Kindern versucht haben den ihnen selbst so wichtigen Glauben weiterzugeben, diese Bemühungen aber offensichtlich nicht wirklich gefruchtet haben, und viele aus dieser Elterngeneration sich nun Vorwürfe machen, und damit Stress, ob des eigenen mutgemaßten Versagens.

Kurz gefasst: Die nicht gelungene Weitergabe des Glaubens kann Stress und so krank machen. Allerdings nicht den, dem der Glaube „augenscheinlich“ nicht vermittelt werden konnte, sondern den, der „scheinbar“ ohne Erfolg versucht hat den Glauben weiterzu geben.

Anfällig für Stress erweisen sich auch die immer neuen/alten Bemühungen von Pfarrgemeinden, egal welche Größe sie mittlerweile erlangt haben, sich fast jedes Jahr neu der Frage zu stellen, was sie z.B. ihren immer weniger werdenden Kommunionkindern in der Vorbereitung auf die erste heilige Kommunion in Sachen Glauben und Gemeinde vermitteln wollen, oder besser (noch) können.

Auch die Verantwortlichen der Bistümer, die Bischöfe in ihren Länderkonferenzen weltweit, wie auch die 13. Bischofssynode in Rom, sie alle stellen sich dieser einen Frage: „Wie geht eine gelingende Weitergabe des
Glaubens eigentlich heute.“

Um diese Frage stemmen zu können, die in den Vorlagen der 13. Bischofsynode so formuliert wurde: „Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens“, begann am 7. Oktober 2012 in Rom diese 13. Bischofssynode nach dem 2. Vatikanischen Konzil. Die Teilnehmerliste klingt imposant: 262 Synodenväter, 103 aus Europa, 63 aus Amerika, 50 aus Afrika, 39 aus Asien und sieben aus Ozeanien. Zudem sind 45 Experten und 49 Hörer geladen.

Weiter berichtet der Bischofsvikar Dr. Josef Marketz [1] „Es geht nicht um eine Re-Evangelisierung, vielmehr eine neue Evangelisierung. Neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden, in ihren Ausdrucksformen … Die neue Evan –
gelisierung ist keine Verdoppelung der ersten, sie ist keine einfache Wiederholung, sondern der Mut, angesichts der gewandelten Voraussetzungen, unter denen die Kirche gerufen ist, heute die Verkündigung des Evangeliums zu leben, neue Wege zu wagen.“

Jede dieser Bemühungen, ob nun vom Vatikan initiiert, in Pfarrgemeinden erdacht oder von Familien in den Blick genommen, den Glauben heute weiterzugeben, sind

Investition in die Zukunft. Denn alle ehrlich gemeinten und zweckfrei am Glauben ausgerichteten Bemühungen, den Glauben weiterzugeben, könnten Ereignisfelder dessen werden, was ich im Folgenden zu diesem Thema unterstreichen möchte.

Die Oma und der Kölner Dom

Diesen Ausführungen voran stelle ich eine Begebenheit, die sich vor einigen Jahren im Kölner Dom ereignet hatte. Betritt man von der Bahnhofsseite aus den Kölner Dom, so kommt man automatisch an dem kleinen, fast kaum wahrzunehmenden Gnadenbild der Gottesmutter vorbei. Besonders dem ortsunkundigen Besucher signalisieren die vielen kleinen Kerzen, die an diesem Gnadenbild brennen, dass es sich hier im Dom um einen besonderen Ort handeln muss, und verstärkt wird dieser Eindruck durch die Beter und Beterinnen, die hier vor dem Gnadenbild ihre Anliegen vor Gott tragen.

Als mich wieder einmal die Gewohnheit in den Dom führte, bemerkte ich in der Bank vor diesem Gnadenbild zwei junge Männer sitzen. Der eine von ihnen, nennen wir ihn Michael L., fiel durch seine knallrote Haarpracht auf, während sein Kumpel die lange Strähnenfrisur in nachgetöntem Blond bevorzugte.

Von der reinen Existenz dieser beiden jungen Leute vor dem Gnadenbild fühlte ich mich eingeladen, herauszufinden was sie dort verharren ließ. Also kniete ich mich zielsicher in die Bank unmittelbar hinter die beiden Jungen. Kaum kniete ich, da stand Michael L. auf, ging zum Gnadenbild, suchte in seinem Portemonnaie nach einem wohl passenden Geldstück, nahm zwei Kerzen und zündete sie an. Nach einem kurzen stillen Verharren vor dem Gnadenbild kam Michael zurück und setzte sich wieder neben seinen Kumpel. Kaum hatte Michael Platz genommen, fragte ihn dieser leicht verwundert, warum er denn da die Kerzen angezündet hätte?

Michael antwortet fast ohne Zögern: „Das hat meine Oma auch immer getan, und die war eine tolle Frau!“

Nachdem ich diese Antwort von Michael gehört hatte, stand ich sehr spontan auf, da ich das Gefühl hatte, etwas sehr Intimes gehört zu haben, und ich nun erst recht nicht das Recht hatte, noch weiter zuzuhören, was diese beiden Menschen auszutauschen hatten.
Doch dieser Satz, „Das hat meine Oma auch immer getan, und die war eine tolle Frau“, ließ mich nicht mehr los.
Den Grund, warum die beiden den Dom überhaupt betreten hatten, kannte ich nicht. Allerdings ist in der Reflexion dieses Ereignisses eines eindeutig, dieser Ort vor dem Gnadenbild ist ein geprägter Ort für Michael L. gewesen.

Die beiden waren, so glaube ich, eher der Gruppe der Kirchenfernen zuzuordnen. Die Kleidung des Kumpels verriet, dass er ein Skater war. Michaels Outfit war nicht so eindeutig, dominierten bei seiner Kleidung doch eher Leder und Nieten, sowie Piercings im Gesicht.

Michael konnte mit diesem Ort etwas verbinden, aufgrund des sich wohl auch wiederholenden Ereignisses, dass Michaels Oma ihn hier nicht nur mit hingenommen hatte, sondern hier auch ein einfaches “durchsichtiges“, für die Oma wichtiges Ritual vollzog. Somit hat die Oma auf Michael hin diesen Ort als einen vertrauensvollen kodiert, einen der stillen Kommunikation mit dem Transzendenten. Michael besuchte diesen Ort nun ganz bewusst, auch vor den Augen des Freundes, weil er mit diesem Ort etwas Konkretes, Lebensrelevantes verband.

Anknüpfungspunkte des Christlichen

Die Oma von Michael hat ihrem Enkel ein wichtiges Ritual ihres Glaubens vorgemacht, und das Vorgemachte konnte Michael nachvollziehen, weil er seine Oma in allen anderen Lebensbezügen auch als authentisch erlebt hatte.

Diese Begebenheit markieren zwei Kernbegriffen, die für die heutige Weitergabe des Glaubens signifikant zu sein scheinen: Etwas vormachen (vorleben), und das mit Authentizität.

Diese Erfahrung versetzte letztendlich Michael in die Lage, nun eigenständig Orte, ja auch ähnlich Orte dem im Kölner Dom, aufzusuchen, um mit diesen Orten für ihn selbst lebensrelevanten Sinn zu verbinden.

Anders formuliert, Michaels Oma hat einem Ort so viel Gewicht gegeben, dass Michael nun eigenständig an ihn anknüpfen konnte und selber neue religiöse Impulse empfand bzw. Anderen (dem Kumpel und mir) ermöglichte.

Weiter auf den Punkt gebracht, bietet dieses Erlebnis am Gnadenbild im Kölner Dom eine entscheidende Erkenntnis, so meine ich, für die zukünftige Weitergabe des Glaubens. Anknüpfungspunkte (Anknüpfungsorte) spielen eine nachhaltige Rolle in der religiösen Sozialisation der Menschen von morgen.

Genau auf diese Anknüpfungspunkte möchte ich nun aus einer anderen Perspektive schauen.

In den so genannten Orientierungsgesprächen, die ich als Mentor am Beginn ihres Studiums der Theologie mit den angehenden Religionslehrerinnen und Religionslehrern führen muss, wird immer wieder thematisiert, welche Bedeutung das Religiöse in dem bisherigen Leben der jungen Studentinnen und Studenten gehabt hatte. Dabei werden die Begriffe „religiös“ bzw. „kirchlich“ oft entweder synonym benutzt oder konträr.

Die religiöse bzw. kirchliche Sozialisation bei diesen jungen Studierenden ist sehr unterschiedlich und erstreckt sich von jahrelangem kirchlichem Engagement in der Pfarrgemeinde oder im Verband sowie wöchentlichem Gottesdienstbesuch bis hin zu „Ich war ab und zu mal mit meiner Oma in der Kirche, aber da war ich noch klein“. Dazwischen ist in Sachen „Sozialisation“ alles auszumachen.

Da diese Orientierungsgespräche in einer vertrauensvollen Atmosphäre stattfinden, gaukeln die Studierenden auch nicht vor, stärker religiös oder kirchlich gebunden zu sein, als sie es real sind.

So hört man bei vielen Studierenden Folgendes: „Ich glaube an den lieben Gott, mit der Kirche hab ich nicht wirklich viel am Hut, aber da gab es mal eine Begebenheit, die mir immer wieder in Erinnerung kommt.“

In der Fortführung dieses bei den Studierenden fast gleich klingenden Vordersatzes werden dann aber ganz unterschiedliche Begebenheiten (auch mehrere) benannt, die so nachhaltig für diese jungen Menschen sind, dass sie sich sogar ausgewirkt haben auf die aktuelle Berufswahl. So formuliert der eine diesen Satz so weiter: „Bei mir ist das Gefühl aus meiner Kindheit hängen geblieben, was ich empfand, als die Oma abends vor dem Zubettgehen mit mir gebetet hat und dann ein Kreuz auf die Stirn zeichnete.“

Ein anderer führt seinen Folgesatz so aus: „Ich bin mal, eher zufällig, in einem Kindergottesdienst gewesen, kann mich eigentlich auch an nichts mehr erinnern, bis auf das Fragment eines Liedes, das mir bis heute im Kopf geblieben ist, und das ungefähr so lautete: „Danke, ach Herr ich will dir danken, dass ich danken kann …“ Wieder eine andere fährt so fort: „Für mich ist es früher wichtig gewesen, in Kirchen hineinzugehen, die viele Altäre, Schmuck und Bilder hatten, denn das vermittelt mir auch heute noch ein wohliges, erhabenes Gefühl, und das hat für mich etwas mit einer Kontaktaufnahme zu Gott zu tun.“

Korrespondierende Anknüpfungspunkte

Diese Informationen aus den Orientierungsgesprächen und auch aus anderen Begegnungen korrespondieren mit dem Erlebnis von Michael L.

Allerdings sind nicht die Inhalte und Emotionen, die an ein bestimmtes Ereignis geknüpft werden, identisch. Aber sie stimmen darin überein, dass die unterschiedlichen Ereignisse für die unterschiedlichen Personen so gravierend gewesen sind, dass sie heute noch an diese Erinnerungspunkte (mit Mut zu neuen Erfahrungen) anknüpfen können.

Denn so ist auch in diesen Orientierungsgesprächen im Mentorat immer wieder zu hören, dass wenn es dieses eine besondere Ereignis (oder auch mehrere) nicht gegeben hätte, sie heute wahrscheinlich nicht katholische Theologie in der Schule unterrichten wollten.

Diese Kenntnisse, die nicht den Anspruch erheben empirisch zu sein, lassen mich aber nicht ganz so düster in die Zukunft der Vermittlung des Religiösen schauen. Sicherlich, wir finden auch heute noch in unseren Pfarrgemeinden Christinnen und Christen, die engagiert sind, ihr Leben auf dem Hintergrund der christlichen Verkündigung zu reflektieren, die sich stark machen für die Schwächeren, und darüber hinaus auch noch ein gutes fundiertes Wissen vom christlichen Glauben haben. Es gibt aber auch die Menschen, die von sich behaupten Christ zu sein, und die sich ihren christlichen Glauben als Patchwork zusammenstellen, ein bisschen Gottesdienstbesuch, punktuell beim Pfarrfest sich engagieren oder auch mal in der Vorbereitung von Kindern auf die erste heilige Kommunion eine sehr praktische Einheit übernehmen, um dann aber ggf. wieder abzutauchen. Schließlich findet sich auch der Mensch in unserer Gesellschaft, und der macht so manchem Profi in Sachen Verkündigung des christlichen Glaubens besonders Kopfzerbrechen, der zwar in einem christlichen Milieu aufgewachsen ist, aber keinen persönlichen Zugang zum christlichen Glauben mehr hat, oder aber vielleicht nie gehabt hat.

Allerdings müssen wir auch bei diesem Personenkreis genauer hinschauen, denn nicht kirchlich zu sein bedeutet bekanntlich nicht automatisch areligiös zu sein, aber auch areligiös zu sein, bedeutet nicht automatisch unfähig zu transzendentalen Bezügen zu sein.

Die Wahrnehmungen, religiöse Anknüpfungspunkte bei Menschen vorfinden zu können, die vordergründig fernstehend sind, wie ich das bei Michael im Kölner Dom beschrieben habe, oder wie berichtet von Studierenden der Theologie, die nicht alle kirchlich XXL sozialisiert sind, aber vereinzelte Anknüpfungspunkte aufweisen, wird bestärkt durch ein weiteres Phänomen.

Anknüpfungspotential z. B. in kirchlichen Events

Beispielsweise die „Nacht der offenen Kirchen“. Diese ziehen seit ihrer Initiierung in Innenstadtgemeinden eher mehr Menschen an als dass es weniger werden. Die Palette der Angebote, die in den Nächten der offenen Kirchen präsentiert werden, zeichnet sich durch Niederschwelligkeit aus.

Ein Chor, eine attraktive Lesung aus der Heiligen Schrift, Bildimpressionen in die Kirche projiziert, überschaubare Gesprächsangebote, stille Räume, entzündete Kerzen, eine Fürbitte – an wen auch immer gerichtet – auf ein Stück Papier geschrieben, eine gereichte Blume, ein geteiltes Stück Brot, Pantomime … und diese Palette ist fast beliebig fortzusetzen, sind Anknüpfungspunkte, die viele der Besucher von solchen „Events“ an etwas erinnern, anknüpfen lässt, das in der Vergangenheit erlebt, für sie sehr oft positiv besetzt ist.

Verstehen Sie mich hier jetzt bitte nicht falsch. Mir geht es nicht darum, minimalistische Anknüpfungsmöglichkeiten als den heilenden Weg in der Vermittlung des Glaubens zu propagieren. Für die Präsenz unserer Kirche zukünftig ist es unablässig nicht nur den christlichen Glauben zu leben, sondern auch Wissen über ihn zu haben, welches nicht nur zur eigenen Reflexion zwingend notwendig ist.

Es bedarf auch in der Zukunft der Männer und Frauen, die auf dem Hintergrund ihres Lebens, explizit Verkündigerinnen und Verkündiger der christlichen Botschaft sind. Auch weiter werden die Überlegungen in der Kinderkatechese, der Firmvorbereitung, oder dem Erwachsenenkatechumenat nötig sein, wie inhaltlich griffig und nachhaltig vermittelt werden kann.

Es werden auch zukünftig immer wieder neue Buchtitel erscheinen, die sich mit einer zeitgerechten Weitergabe des Glaubens beschäftigen werden. Und zukünftig werde ich auch ganz persönlich weiter die Erfahrung machen, dass ungefähr 10 % meiner Bekannten nicht an Gott glauben, und sie trotzdem, oder gerade deshalb gut damit leben. Ergänzt wird diese subjektive, von persönlichen Beziehungen geprägte Wahrnehmung durch die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse von Prof. Dr. Tiefensee, der im Rahmen der Bundeskonferenz der Mentorate Deutschlands im vergangenen Jahr in Erfurt schlicht und ergreifend feststellte: „Ein Großteil der Menschen aus der ehemaligen DDR, die heute in der Bundesrepublik Deutschland leben, sind auf den christlichen Glauben bezogen Unberührte und nicht Entfremdete.“

Die Weitergabe des Glaubens wird sich, gemessen an den Menschen und den sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen, in ihrer Form und in der inhaltlichen Akzentsetzung auch zukünftig weiter ausdifferenzieren.

Ich möchte an dieser Stelle auch die Behauptung aufstellen, dass keiner der zukünftigen Vermittlungsversuche des Glaubens, wie auch keiner der bisherigen, insofern sie von Annahme und der Befreiung von der Angst um sich selbst geprägt war, ein Fehlschlag sein kann. Jeder Vermitt lungsversuch des Glaubens, scheint er auch vordergründig zu scheitern, hat das Potenzial, Anknüpfungspunkte zu hinterlassen!

Die hier erwähnten Anknüpfungspunkte sind vielleicht sogar ein „Abfallprodukt“ allgemeiner religiöser oder christlicher Sozialisation. Denn man kann nicht konkret festlegen, wie genau diese Anknüpfungspunkte entstehen. Eines in der Regel ist aber sicher:

Anknüpfungspunkte entstehen durch Menschen, die konkret, nachvollziehbar und authentisch Kernbotschaften des Glaubens, oder nur ein Glaubensgefühl vermitteln. Unabhängig ob nun als Einzelpersonen oder in Systemen.

Ein ganz konkretes Beispiel für solche „funktionierenden“ Anknüpfungspunkte bietet Papst Franziskus durch kleine Gesten: Nähe zum Volk, Bescheidenheit im Lebensvollzug, Armut als Kernbotschaft. Viele Menschen, die mit Papsttum und der Kirche nichts mehr am Hut hatten, applaudieren trotzdem diesen Papst, weil er anknüpft an die Anknüpfungspunkte in diesen Menschen, die irgendwann früher einmal gehört oder sogar erlebt haben, das Kirche zutiefst etwas mit Bescheidenheit, mit Armut, und mit menschlicher Nähe zu tun hatte.

 

Anmerkungen:
1 http://www.kath-kirche-kaernten.at/themen/detail/C3749/die_neue_evangelisierung_fuer_die_weitergabe_des_glaubens

 

Erschienen in:  Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln und Osnabrück, 6/2013, S. 175 ff
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