Faxbox-Predigt vom 30.12.2001
Es ist nun mal gerade eine Woche her, da haben wir uns versammelt um die Krippen in unserer Kirche und in unseren Häusern. Die weihnachtliche Stimmung der heiligen Tage hat den Skandal noch gerade verdecken können, dass Gott, von Menschen abgelehnt, in einem Futtertrog Mensch werden musste, um der Welt seine Menschenfreundlichkeit zu schenken . Nun aber ist der Skandal der Ablehnung Gottes offenbar.
Der heilige Josef spürt in seiner Verantwortung für das Kind und seine Mutter die Gefahr, die latent schon über der Krippe mitjubeln wollte, nun aber zur massiven Gefährdung geworden ist und kaum noch aufzuhalten scheint. Josef spürt seinen Auftrag von Gott, Gott selbst, menschgeworden in diesem Kind, zu beschützen, damit die Mordlust der Mächtigen nichts zu jubeln hat.
Dieser Skandal, daß Gott bei den Menschen und besonders bei den politischen, religiösen und gesellschaftlichen Führern dieses Landes nicht willkommen ist, beginnt hier zur unendlichen Geschichte zu werden.
Gott auf der Flucht vor den Menschen, die er doch so sehnsüchtig liebt. Die Botschaft Gottes, zum Heil der Menschen verkündet, ist nun auf der Flucht genau vor jenen, die diese Botschaft aus der eigenen Angst um sich selbst befreien möchte. Die Zärtlichkeit Gottes in diesem Kind auf der Flucht vor denen, die er berühren und behüten möchte.
Gott ist heimatlos, und so wird es mit der Menschwerdung Gottes auch bleiben. Der heranwachsende Jesus hat kein wirkliches zu Hause unter den Menschen. Selbst seine Beheimatung in der Familie um Maria und Josef und jene, die Geschwister genannt werden, ist heimatlose Heimat. Jesus hat keinen Ort, an dem er sein Haupt betten kann. Die Gemeinschaft seiner Jünger und Anhänger ist auch nur geliehene Heimat. Das zu Hause Jesu in unserer Welt zerbricht immer wieder. Heimat hat Jesus Christus nur in Gott selbst, dort ist er ganz bei sich.
Doch solch eine theologische Aussage „Heimat hat Jesus Christus nur in Gott selbst, dort ist er ganz bei sich“ mindert nicht den Skandal, dass Menschen Gott in einem zerbrechlichen Kind zum Flüchtling machen. Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Die Machtgier, die Überheblichkeit, die Kleingeistigkeit, der Sicherheitsfanatismus, der Egoismus und die Selbstherrlichkeit des Menschen machen ihn blind, und so hat der Mensch zu oft keinen Blick dafür, das Geschenk Gottes zu sehen und zu begreifen.
Der Mensch schaut immer wieder nur auf sich selbst. Aber er schaut sich nicht einmal richtig an, sonst würde er nämlich an sich selbst entdecken, wie gottbedürftig der Mensch in seiner Tiefe ist.
Gott steht in einem Kind vor uns Menschen, und bietet uns immer wieder die Heimat an, die letztlich nicht zerbrechlich ist und somit heimatlos wird, da sie eine Heimat ist, die Menschen einander nicht geben können. Der Mensch aber läßt Gott mit diesem Geschenk oft nur bis in das Vorzimmer seines eigenen Lebens, aber nicht wirklich in sein Herz.
Gott möchte bei uns zu Hause sein, damit wir schon in dieser Welt spüren, dass der Mensch dafür geschaffen ist, eine Heimat haben zu dürfen. Gott klopft an den unterschiedlichsten Orten der Beheimatung des Menschen an und bittet: Lasst mich hinein, ich will euer Gast sein. So knüpft Gott an dem tiefsten Wunsch des Menschen an, in dieser Welt eine Heimat zu haben, irgendwo zu Hause sein zu dürfen, um immer wieder zu erfahren, wie schön es ist, bei Menschen zu sein, die Heimat sind und geben.
In der Menschwerdung Gottes wird die Sehnsucht des Menschen, in seinem Leben einen Ort der Heimat zu haben, nicht geringgeachtet. Im Gegenteil, unsere Orte der Beheimatung, die Menschen, bei denen wir zu Hause sein dürfen, die Liebesbeziehungen, die wirklich tragen und so sich sehnen, in den Himmel zu tanzen, all dieses zu Hause sein des Menschen in seinem Leben hier auf Erden soll schon jetzt danach schmecken, wie unzerbrechlich unsere Heimat in Gott ist und sein wird.
Eine Heimat haben zu wollen ist eine der Hoffnungen der Menschheit, die mit der Geburt eines jeden Menschen das Licht der Welt erblicken möchte. Dieses Licht einer Heimat finden wir ganz, ganz oft in den Familien, denn dort gehört dieses Licht hin. Menschen finden dieses Licht einer Heimat aber auch in Partnerschaften, in Freundschaften, in Gemeinschaften, überall dort, wo Menschen mit Menschlichkeit oder vielleicht sogar mit Liebe beschenkt werden und so einen Ort haben, angenommen sein zu können, und dort gehört dieses Licht auch hin.
Die Sehnsucht nach dem wärmenden Licht eines zu Hause, nach Heimat in all seinen Gestalten, ist die Sehnsucht aller Menschen der einen Menschheitsfamilie!
Dieses Licht suchen auch wieder in diesen Tagen ungezählte heimatlose Menschen. Wieder sind es die Kinder, die in Afghanistan auf der Flucht sind, weil sie um ihre Heimat beraubt wurden. Aber auch viele Erwachsene sind in Afghanistan schon viele Jahre um ihre Heimat beraubt. Immer wieder von unterschiedlichen Regimen unterdrückt oder irregeleitet, haben sie bis heute keinen Flecken Erde gefunden, den sie ihr eigen nennen dürfen, und der ihnen und ihren Lieben ein zu Hause sein darf.
Doch nicht nur in dem Afghanistan unserer Tage sind Kinder wieder auf der Flucht. Ungezählte Kinder, zur Prostitution verführt und gezwungen, haben selbst den letzten Zipfel einer Heimat in ihren eigenen Herzen verloren. Zu Flüchtlingen in unserer Zeit sind viele Menschen geworden oder gemacht worden: Obdachlose in unseren eigenen Straßen, Menschen die in unserer Welt vor dem Verhungern fliehen, Kinder beraubt um einen Elternteil, alte Menschen vergessen in Pflegeheimen, Süchtige in den Absteigen einer gesellschaftlichen Humanität, vergewaltigte Frauen aufgehoben in Frauenhäusern, politisch Verfolgte in Abschiebehaft und das Leid der zu Flüchtigen gemachten Menschen scheint nicht abzubrechen.
Doch all jene, die eine Heimat haben, dürfen nicht vergessen: Heimat ist immer nur geliehen! Unsere irdischen Heimaten sind alle letztendlich heimatlos, da sie zerbrechen und wir sie nicht halten können.
Doch der Trost der Menschwerdung Gottes in einen Stall geflüchtet, ist nicht die billige Vertröstung auf eine Heimat jenseits unseres Lebens, sondern die flehende Bitte Gottes, die Kinder dieser Welt, alle Menschen, egal welcher Kultur und Religion sie angehören, nicht zu Flüchtlingen werden zu lassen.
Gott erhofft für das Gelingen unseres Lebens, dass wir in den Beheimatungen unseres Lebens schon etwas davon schmecken, was es bedeutet, Heimat bei Gott zu haben. Keinem Menschen darf in unserer Welt ein zu Hause verwehrt werden, denn in jedem Menschen, der zum Flüchtling durch Menschen gemacht wird, ist Gott mit auf der Flucht, weil er auf der Seite derer ist, die Leben wollen und deshalb nach Heimat suchen, die Bitte auch an uns in ihren Augen zu lesen: Lasst uns nicht allein, lasst uns endlich Heimat finden, um ein wenig schon jetzt spüren zu dürfen, was es bedeuten kann, Heimat bei Gott zu haben.
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.