Ohrenzeuge wollte ich nicht werden! Aber Evangelien können eben auch eine Überraschung in sich bergen. Dieses Evangelium aber machte mich zum Ohrenzeugen, eigentlich wurde ich da nur mit hineingezogen. Zwei Männer sprechen miteinander, ihre Sätze knapp. Sie stehen einander zugewandt, zwei Augen nehmen zwei Augen in den Blick.
Einige Sätze sind nicht zu überhören, so auch diese Frage: „Liebst du mich?“ – Nochmals: Ich war bei diesem Dialog sicher nicht eingeplant, aber was sollte ich machen, rausgehen? – Er antwortet: „Du weißt doch, dass ich dich liebe.“ – Einfach nur peinlich, aber keiner hat mich vorgewarnt, es war doch nur ein ganz harmloser Sonntagsgottesdienst. Das Gespräch wurde heftiger, weil Jesus nachhakte: „Simon, liebst du mich?“ Antwort: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Als Jesus dann zum dritten Mal nach der Liebe des Simon fragte, spürte ich, wie er mich anschaute, nein, nicht Jesus, ich meine den Simon, und sein Blicke flehten: „Bitte, du bist einfach nicht da, du hast nichts gehört.“
Doch ich saß nun mal da in der Bank und alle anderen hier konnten es ja auch hören, wie Jesus nicht locker ließ. Ich hatte Mitleid mit Simon, solche Fragen vor dieser Öffentlichkeit, sonntags. Wen hatte Jesus da eigentlich gefragt? Klar, den Simon, wen sonst, ist ja auch nachzulesen.
Dass es ihn traf und nicht mich, fand ich entspannend. So richtig sicher fühlte ich mich dann aber erst, als der Priester – wir haben keinen Diakon – sagte: Evangelium unseres Herrn Jesus Christus. Und es ging mir gut mit der gemeinsamen Antwort: Gott sei Dank. Nach dem „Gehet hin in Frieden“ war dann wieder alles vorbei, wie sonntags immer.
Aber ab und zu, das muss ich bekennen, blitzt ein Zitat durch meinen Kopf, seit heute. So ganz bekomme ich das zwar nicht mehr auf die Reihe, aber es ging ungefähr so: „Herr, du weißt alles, du weißt auch, was ich denke.“