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Die Geburt Jesu – der Garant da sein zu dürfen

Faxbox-Predigt zu Weihnachten 1998

Das Weihnachtsevangelium dieser Nacht zählt wohl mit zu den bekanntesten Texten des Neuen Testamentes. Zu behaupten, nur weil dieser Text so schön klingt, deswegen sei er auch so bekannt,ist nicht richtig. Dieser Ausschnitt aus dem Anfang des Lukasevangeliums ist nicht einfach nur schön und harmonisch, sondern er greift eine Sehnsucht des Menschen auf, dass seine Alltäglichkeit etwas mit dem Heil der Ewigkeit, mit Gott zu tun haben möge.

Es wird berichtet: Ein Kind wird geboren, gewickelt in Windeln liegt es in einer einfachen Futterkrippe.

Den Müttern unter uns ist solch ein Ereignis vertraut und bei der Erinnerung an die Geburt eines oder mehrerer eigener Kinder kommen ganz unterschiedliche Erinnerungen hoch. Ähnlich wird so mancher Vater unter uns, der eine Geburt miterleben konnte, seine Erinnerungen haben. Diese eigenen Erinnerungen, aber auch die Erzählungen anderer über erlebte Geburten lassen uns in diesem geschilderten Bild der Geburt Jesu zu Hause sein.

Doch mit der Faszination, die jede Geburt mit sich bringt, verbindet die Geburt des Sohnes Gottes nochmals eine ganz eigene und alles bisher dagewesene überschreitende Begeisterung. Den einfachen Menschen der damaligen Zeit wird das Besondere dieser nicht „alltäglichen“ Geburt vor Augen geführt. Ein Bote Gottes lässt es die Hirten wissen, ein himmlisches Heer bestätigt das nicht alltägliche: Die Geburt dieses Kindes ist die Erfüllung einer Sehnsucht, denn Göttliches offenbart sich in einem Neugeborenen, in all seiner Zerbrechlichkeit und seiner Verwiesenheit auf die Güte von Mutter und Vater, auf die Freundlichkeit der Menschen.

Das ewig Göttliche wird greifbar in der Alltäglichkeit des Menschen.

Jahr für Jahr feiern wir dieses nur im Glauben begreifbare Geschenk: Gott berührt uns in der Menschwerdung seines Sohnes. Jahr für Jahr feiern wir eine erfüllte Sehnsucht: Der Alltag unseres Lebens hat definitiv mit dem Heil der Ewigkeit, mit Gott zu tun. Das ist nicht einfach nur schön, und harmonisch. Das ist eine Zumutung!

Unsere Sehnsucht nicht nur einen Zeitvertrag mit dem Leben zu haben, sondern unkündbar mit dem Heil der Ewigkeit Gottes verbunden zu sein, wird von Gott die Erwiderung geben: Ein Kind, zerbrechlich, hilflos, ja nicht einmal ausgewachsen wird uns zugemutet, wie wir es selbst schon so oft in den Händen gehalten haben, einfach nur ein Kind! Zur Not wäre ein Kind ja auch noch o.k., wenn es denn wenigstens etwas besonderes könnte. Aber selbst dazu ist es ja nicht einmal in der Lage. Dieses Kind schreit wie jedes andere Kind auch, es macht in die Windeln und wenn es müde wird, schläft es einfach ein, ungeachtet ob es uns nun gut geht oder nicht.

Genau in diesem „einfach nur ein Kind“ liegt die Zu-mutung, die Mutmachung, das Mut machen Gottes. Gott wird in unserer Welt, wie jedes andere Neugeborene, wenn wir ihm denn die gleiche Chance geben, groß und wächst in die Alltäglichkeit unserer Welt hinein.

Dieses Kind ist erst einmal einfach nur da und es hat das Recht von Gott einfach nur da zu sein. Der Mensch, wir, werden mit der Hilflosigkeit und Zerbrechlichkeit des Kindes konfrontiert und ohne Worte fordert das Kind uns auf einfach dasein zu dürfen. Kein gesunder Mensch würde dieser Aufforderung nicht gerecht Sorge dafür zu tragen, dass ein Kind einfach dasein darf, um ihm zu geben, was es zum Dasein braucht!

Aus diesem Grunde lautet die entscheidende Frage dieser heiligen Nacht: Warum gibt es so viele Kinder auf der Welt, die nicht da sein dürfen, die auf der Flucht und heimatlos sind. Warum wird das da-sein-dürfen so vielen Menschen abgesprochen in Kriegen, Vergewaltigungen, durch Verfolgungen und andere Formen physischer und psychischer Gewalt? Warum sprechen auch in unseren Breiten Menschen anderen Menschen, die fremd sind, mit Behinderungen leben, die anders lieben als es für „normal“ gehalten wird, oder einfach nur arm sind, ihr da-sein-dürfen ab?

Warum sind selbst im Heiligen Land, in dem Gott vor fast 2000 Jahren in der Geburt seines Sohnes unmissverständlich jedem Menschen das Recht gibt da sein zu dürfen, so viele Menschen ohne ein unangetastetes zu Hause?

Diese hochheilige Nacht entlarvt und ist einfach nur ernüchternd. Sie stellt uns vor die Tatsache, dass wir in der Lage sind uns gegen das entscheiden zu können, das uns selber hier sein lässt. Es mag vielleicht zu einfach klingen, aber wir sind hier, weil unser Dasein uns zumindest gewährt wird und wir es anderen gewähren. Neid, Eifersucht, Ablehnung, Gewinnsucht, Humorlosigkeit, Machtgeilheit und ausgrenzendes Selbstbewusstsein bedrohen massiv das Dasein-dürfen des Menschen. Aber zu dieser Würdelosigkeit sind wir anderen gegenüber in der Lage, oder werden sogar davon getrieben, doch diese Nacht verbietet uns die Frage: „Mit welchem Recht bis du – Anderer – eigentlich hier. Diese Nacht verbietet die Frage an uns: „Mit welchem Recht bist du – Anderer – eigentlich hier. Ein Kind ist die Legitimation von Gott hier einfach da sein zu dürfen, respektierend die Tatsache, dass dasselbe Kind Bejahung meines Gegenübers ist, ob es mir passt oder nicht.

Die Botschaft dieser Nacht, das unanfechtbare Gebot Gottes in der Menschwerdung seines Sohnes geerdet lautet: Du sollst da sein! Darüber hinaus bittet Gott in der Hilflosigkeit dieses Kindes uns Mensch dem Mensch zu helfen, damit er in Würde da sein kann!

Dieses Gebot und die Bitte Gottes hat sich an uns erfüllt: Wir dürfen hier sein und wir werden bleiben, aller Vergänglichkeit zum Trotz. Mögen alle Menschen dieses Recht auch erfahren ein zu Hause, ein da-sein-dürfen zu haben.

Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.

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